Manuskripte | Typoskript
Was ist Dada. [Berlin]. Auf: [„Eine Flutwelle von Streben nach künstlerischer Kultur geht durch die teutonischen Lande"] vom 1.5.1920
Motiv Inhalt: »WAS IST DADA? den „Kunstsachverständigen“ von links und rechts (ROTE FAHNE und DEUTSCHE TAGESZEITUHG) Dada ist zunächst einmal der ehrliche Wille, die eigne innere Situation ohne Beschönigung zu zeigen. Beschönigungen sind enthalten in den Schlagworten „der Mensch ist gut“ ebenso, wie in „Deutschland, Deutschland über alles“. Es äussert sich in ihnen kein primitiver, sondern ein absolut verlogener, schwindelhafter Drang, eine entweder „proletarische“ oder patriotische „Kultur“ zu vertreten, die nicht vorhanden ist. Diese Sorte Aufbauismus, die es dem sogenannten Künstler ermöglicht, sich als Wert an sich und als notwendigen Bildungsfaktor für breite Massen zu fühlen, lehnt Dada ab. Dada ist keine Volkskunst – Dada ist eine Taktik zur Auflösung einer alten und Vorbereitung einer (vielleicht) neuen gesellschaftlichen Konvention. Kunst ist nur auf der Basis der breitesten Allgemeinheit denkbar, Kunst ist Konvention. Dada ist antikonventionell , es masst sich nicht die Geste des in den Wolken tronenden Individuums an, des sogenannten Genies. Dada ist der Wille, kein Genie zu sein. Dada ist Zersetzung, ohne Schwäche oder gerührte Trauer um den „Untergang des Abendlandes“. Dada ist ohne Untergang und Aufgang. Dada ist der Scharfrichter der bürgerlichen Seele. Dada wird von uns aufgegeben werden, wenn die Zeit dada ist.« Zweiter Texte auf dem Typoskript: [„Eine Flutwelle von Streben nach künstlerischer Kultur geht durch die teutonischen Lande"], [Berlin] 1.5.1920. »„Eine Flutwelle von Streben nach künstlerischer Kultur geht durch die teutonischen Lande" - die Gemeinheit sucht sich mit Idealismus zu verbrämen. Da man die Wertlosigkeit des Bestehenden nicht zugeben will, deklariert man die Schönseele des Fetthändlers. Der Teutone haut wieder mal mit der Faust Fausts auf den Tisch und schreit sich selbst ins Ohr: wie künstlerisch bin ich//. Die Propagierung dieser Kunst ist genau die gleiche Schweinerei, wie das Herumreiten auf dem Geist, der Kultur. Zuletzt ist das nichts anderes als ein Bürger-Geist, eine Bürgerkultur - Puffke schiebt Butter, aber er weiss sich in Kants Ethik gerechtfertigt, er sieht Luther auf seiner Seite, und er gebraucht geschickt die innere Freiheit eines Christenmenschen wie die These von der ewigen Wahrheit, die bestehen bleibt, wenn sie selbst ungültig werden sollte. Ob das Ptolemäische Weltsystem gleich überlebt sein sollte - Kant hilft es verewigen, denn es war eine Wahrheit, ein a priori, so wie der Satz, dass das Kapital die Profitrate zur Voraussetzung hat, eine ewige Wahrheit bleibt - und siehe da - warum soll man ewige Wahrheiten, Kategorische Imperative aufgeben, wenn die Logik selbst einem die Mittel zu ihrer Erhaltung in die Hand spielt? Der Puffke weiss, was er tut, wenn er Goethe liest, oder für Raffael schwärmt, oder den gewissen Johannes B. Christus zitiert: er weiss, dass alles Schwindel ist, ein alter wertloser Schwindel, der vielleicht mal Wahrheit war - aber sagt Puffke-Kant, warum an der Wahrheit zweifeln, die ist ewig - es ist kein realer Zweifel, sondern bloss ein logischer Allerweltszweifel. Hier beginnt man bereits dem Puffke-Kant organi¬satorische, ja beinahe dynastische Fähigkeiten zuzutrauen. Selbstverständlich ist Gott in Butter zerflossen, selbstverständlich muss der Schieber schieben und Ordnung muss sind: nur uns kotzt dieser Geist, diese Kunst, diese Wissenschaft: dieser Bürgerdreck an//. Nur wir propagieren die absolute Wertlosigkeit alles Bestehenden///. Nur wir lieben den Bluff, nicht weil wir heiter sind/. Dada ist das proletarische Maschinengewehr, das den Bourgeois Kant genau so niederknallt, wie den Schieber Puffke, und die Handgranate, die das Gewicht der Erde dem Gewicht der bürgerlichen Wissenschaft und der bürgerlichen Klassenjustiz gleichmacht /. Dada ist die Energie der geistigen Sabotage an der technischen Nothilfe der Weimarer Bierbauchkultur/././. 1.5.20«
Anzahl Teile/Umfang: 1 Blatt
- Standort
-
Berlinische Galerie
- Inventarnummer
-
BG-RHA 1230
- Material/Technik
-
Papier, maschinengeschrieben, Durchschlag; Titel handgeschrieben, Rotstift.
- Würdigung
-
Erworben aus Mitteln der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, und Spendenmitteln
- Bezug (was)
-
3.2.3 Texte des Nachlassers
Dada
Deutschland / Berlin
Typoskript
Nachlass-Raoul-Hausmann
Texte von Raoul Hausmann
- Ereignis
-
Herstellung
- (wann)
-
[vermutlich August 1920]
- Rechteinformation
-
Berlinische Galerie, Berlin / VG Wort, München
- Letzte Aktualisierung
-
26.09.2024, 12:30 MESZ
Datenpartner
Berlinische Galerie - Museum für Moderne Kunst. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Manuskripte; Typoskript
Entstanden
- [vermutlich August 1920]