Archivbestand

Nachlass Magnus Friedrich Roos, Prälat von Anhausen (* 1727, + 1803) (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Die Briefe wurden im Juli 1991 von Pfarrer i. R. Hans Dinkelacker in Marbach/ Neckar gekauft.
Inhalt und Bewertung
Magnus Friedrich Roos (1727 -1803) - Lebenslauf
Einer der besten und edelsten Männer aus der Bengelschen Schule war Magnus Friedrich Roos. Er erblickte am 6. September 1727 in Sulz am Neckar als Sohn eines Stiftsverwalters das Licht der Welt. Durch seine frommen Eltern erhielt er einen tiefen Eindruck davon, "wie das wahre Christentum eine sehr liebliche und gar nicht unmögliche Sache sei. " Zu einer bewussten und gründlichen Bekehrung gelangte er aber erst in Tübingen, wo er sich einem Kreis erweckter Studenten anschloss und mit dem Wort Jesu: "So jemand will des Willen tun, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei oder ob ich von mir selbst rede" ganzen Ernst machte. Er berichtet über diese entscheidende '"Wende in seinem Leben, "Im Jahr 1749 gefiel es Gott den Grund meines Christentums noch tiefer zu legen; wie denn im Sommer dieses Jahres in einer Nacht und nach derselben vieles in meiner Seele vorging. Gott zermalmte meine Seele durch sein Wort und gab mir eine tiefere Einsicht in mein unergründliches Verderben und in seine Heiligkeit und ließ mich eine Zeitlang viele und große Angst erfahren. Er erquickte aber auch meine Seele wieder durch sein Evangelium und ließ mich zuweilen seine Freundlichkeit, seinen Frieden und die Kräfte der zukünftigen Welt auf eine sehr merkliche Weise empfinden. " Von da an war er seines Gnadenstandes gewiss und wurde hernach mit Zweifeln in Religionssachen nie sonderlich angefochten".
Mit 22 Jahren trat er in den Kirchendienst und durfte schon als unständiger Geistlicher eine Reihe edler Christen kennenlernen. Nachhaltige Eindrücke empfing er vor allem von Präzeptor Schill der auch mit Fr. Chr. Oetinger befreundet war. Roos schreibt darüber, "Zu Calw hatte ich Gelegenheit, an rechtschaffenen Christen und insonderheit an dem seligen Präzeptor Schill zu bemerken, wie das Christentum bei solchen Personen aussehe, die Gott in einer langen Reihe von Jahren
vollbereiten, stärken und gründen kann, oder wie weit es die Gnade in der Erleuchtung und Heiligung bei einem Menschen bringen könne. Das Beispiel jenes heiligen Mannes bleibt mir unvergesslich. "
Im Jahr 1752 wurde Roos als Repetent in das Tübinger Stift zurückberufen; drei Jahre später kam er, wie dies die Laufbahn der Stifts-Repetenten vorschrieb, als Vikar nach Stuttgart, wo er den segensreichen Umgang mit Bengels Schwiegersohn, Leibarzt Reuß, genießen durfte, der ihn in Kost und Wohnung aufnahm.
Im Jahr 1757 erhielt er seine erste ständige Anstellung als Diakonus (Pfarrer) in Göppingen. Hier fand er allerlei schwierige Verhältnisse vor. Die Gemeinde war geistlich tot und außerdem durch Uneinigkeit zerrüttet. Die Kollegen vertraten eine anders gerichtete Theologie, und ein Kreis von Separatisten stand der Gemeinde ablehnend gegenüber. Roos aber ging unverdrossen an die Arbeit. Nach Jahresfrist konnte er bereits in seinem Hause eine Privatversammlung einrichten. Die Zahl der Teilnehmer wurde so groß, dass Roos die Versammlung in kleinere Gruppen aufteilen musste. Es fehlte dabei nicht an Angriffen auf seine Arbeit: "In der Gemeinde ist eine ziemliche gute Bewegung entstanden. Die Leute fragen nach dem Reich Gottes, sind bekümmert um ihr Heil, kommen bei mir, aber auch ohne meine Veranstaltung unter sich zusammen und sind auch andern ein Licht. Man hat wider sie gepredigt und privatim geredet; weiter aber hat der Herr nicht zugelassen. " Eine treue Gehilfin in seiner Arbeit hatte er an seiner Frau Christiane geb. Gmelin von Tübingen. Sie neigte ein wenig zu Schwermut. Von den fünf Kindern, die sie ihrem Mann schenkte, blieb nur ein Sohn am Leben, Johann Friedrich, der als Dekan von Marbach gestorben ist. Im Sommer 1766 wurde ihm seine Frau nach kurzer Krankheit durch den Tod entrissen. Sie hat ein Bekenntnis niedergeschrieben, das für ihren Glaubensstand kennzeichnend ist: "Es ist die lautere Barmherzigkeit, nach welcher er mich von Ewigkeit erwählet, in der Gnadenzeit berufen durch einen himmlischen Ruf und Zug, unter all meinem Elend, Untreue und Verirrung getragen und unter allen Versuchungen durch seine Gottesmacht bewahrt hat zur Seligkeit. An und in mir ist nicht das geringste Gute zu finden. Es hat kein Kind Gottes ihm so viele Mühe gemacht wie ich. Ich habe kein Werklein und kein Leiden aufzuweisen und wünsche, dass auch niemand nichts derart von mir gedenke. Aber ich bin selig worden. Und wer über mir diese unendliche Barmherzigkeit Gottes preisen kann, der tue es! Ich freue mich, bald vor dem Thron Gottes zu singen: Heil sei dem, der auf dem Stuhl sitzt, und dem Lamme!" Eine zweite Ehe, die Roos nach dem frühen Tod seiner ersten Gattin mit Susanna Barbara Wittel schloß, blieb kinderlos. Nach zehnjähriger Tätigkeit in Göppingen übernahm er die Landpfarrei Lustnau bei Tübingen, mit der das Bebenhauser Dekanatamt verbunden war. Mit Bangen trat er seine neue Stellung an, war doch mit ihr die Aufsicht über die Gemeinden und ihre Pfarrer verbunden. Er ließ sich dabei von dem Bestreben leiten, "nicht als Herrscher, sondern als ein Diener aller sich zu befleißigen". In dem nahgelegenen Tübingen fand er treue Freunde, den Universitätskanzler Jeremias Fr. Reuß und den Professor Ernst Bengel, den Sohn des großen Schriftforschers. Er hatte überhaupt ein großes Bedürfnis nach Freundschaft und stand daher mit vielen Kindern Gottes in der Nähe und in der Ferne in regem Verkehr und Briefwechsel. Zu seinen Freunden gehörten Tobias Kießling, die beiden Liederdichter Christoph Karl Ludwig von Pfeil und Johann Gottfried Schöner, Christian Adam Dann, August Spangenberg und Samuel Urlsperger. Durch ihn wurde er für die deutsche Christentumsgesellschaft in Basel gewonnen. Mit Männern wie Oetinger, Fricker und Phil. Matth. Hahn hatte er wenig Verbindung. Er konnte sich mit ihrer Theologie nicht befreunden. Gegen Michael Hahn ist er bei einer Kirchenvisitation in Altdorf sehr schroff aufgetreten. Er verbot ihm sogar das Stundenhalten.
Im Jahr 1784 wurde er zum Prälaten von Anhausen befördert, einem Weiler, der zur Gemeinde Bolheim im Kreis Heidenheim gehört. Hier fand er in dem alten Benediktinerkloster eine stille Behausung. Da er nur eine kleine Gemeinde zu betreuen hatte, blieb ihm reichlich Zeit und Muße für die ihm so lieb gewordene Erforschung der heiligen Schrift. Er brachte in seinem Lebenslauf, den er selbst verfasst hat, den Segen, der ihm aus der Beschäftigung mit der Schrift erwachsen ist, in die Worte: "Im Fortgang meiner Jahre bin ich dann von dem barmherzigen und treuen Gott und Heiland noch weiter unterwiesen, geläutert und in seiner Gnade befestigt worden. Ich habe meine Ohnmacht und tiefe Verderbnis meiner Natur, aber auch den Reichtum seiner Gnade und das Heil, welches für arme und elende Sünder in dem Hohenpriestertum und in der königlichen Gewalt Jesu liegt, ein wenig besser erkennen lernen. Christus ist mir mit einem Wort besser bekannt und teurer geworden und durch ihn auch Gott, der Vater in seiner Liebe und der heilige Geist in seinem kräftigen Gnadenwerk. Daneben hat auch der schreckliche Verfall der Christenheit und manches über dieselbe einbrechende Strafgericht Gottes, das ich habe erleben müssen, mein Innerstes oft sehr angegriffen, mich aber auch auf das prophetische Wort aufmerksam gemacht. "
Roos hat eine reiche schriftstellerische Tätigkeit entfaltet. Von seinen Schriften sind zu nennen: "Auslegung der Weissagungen Daniels, die in die Zeit des Neuen Testaments hineinreichen" (1771) und vor allem seine "Einleitung in die biblischen Geschichten" (1774). Sie zerfällt in drei Teile: Erstens: Von der Schöpfung an bis auf die Zeit Abrahams, zweitens: Fußstapfen des Glaubens Abrahams - erster Teil von Abraham an bis auf die Zeit Salomos und drittens: Fußstapfen des Glaubens Abrahams - zweiter Teil von Salomo an bis auf Jesus Christus. Das Werk ist zuletzt im Jahr 1876 neuaufgelegt worden. Es galt zu Anfang des 19. Jahrhunderts mit Recht als eine der besten Einführungen in das Alte Testament. Daneben ist noch eine Reihe kleinerer Schriften zu nennen, die teilweise einen volksmissionarischen Charakter tragen. Es seien hier kurz angeführt: "Die Sünde wider den heiligen Geist" (1771), "Christliches Glaubensbekenntnis und überzeugender Beweis von dem göttlichen Ursprung und Ansehen der Bibel" (1773), "Soldatengespräche zur Pflanzung der Gottseligkeit unter den Soldaten" (1784) und "Beweis, dass die ganze Bibel von Gott eingegeben und die darauf gegründete christliche Religion wahr sei" (1791). Zuletzt sei noch ein Schriftchen genannt, dessen Inhalt für die damalige Zeit noch ungewöhnlich ist: "Christliche Gedanken von der Verschiedenheit und Einigkeit der Kinder Gottes" (1764). Im Vorwort sagt Roos: "Die Verschiedenheit der Kinder Gottes auf Erden kann einen Menschen, der ein zartes Gewissen hat und weder die Liebe verletzen, noch der Wahrheit etwas vergeben will, in manches Gedränge bringen und ihn an der Freudigkeit des Glaubens, die er in der Nachfolge Christi beweisen sollte, hindern. Darum habe ich in diesen Blättern mir und andern diejenigen Wohltaten vorhalten wollen, welche zur Beruhigung des Herzens und zu einem rechtschaffenen Verhalten hierin dienen können. "
Durch die bewegte Zeit, die er in seinem stillen Anhausen miterlebte, wurde er zu zwei Schriften angeregt, die auf die endgeschichtlichen Zeichen aufmerksam machen wollten: "Prüfung der gegenwärtigen Zeit nach der Offenbarung Johannis"(1786) und "Beleuchtung der gegenwärtigen großen Begebenheiten durch das prophetische Wort Gottes und Anzeige, was nach demselben bald geschehen wird" (1794). Gegen die Theologie der Aufklärung, wie sie vor allem durch Semler vertreten wurde, richtete sich seine Schrift, "Christliche Glaubenslehre für diejenigen, welche sich zu gegenwärtiger Zeit nicht mit mancherlei und fremden Lehren umtreiben lassen wollen" (1786), Sein bekanntestes Werk, das weite Verbreitung gefunden hat, war das "Christliche Hausbuch". Es enthält Morgen- und Abendandachten für alle Tage des Jahres. Roos hat sich in seinem Buch an Hillers "Geistliches Liederkästlein" angeschlossen. Er hat Hiller, den er in der Vorrede "einen freuen und begabten Knecht Gottes" nennt, noch selber kennengelernt. Viel Segen hat er auch durch sein Buch "Kreuzschule oder Anweisung zu einem christlichen Verhalten unter den Leiden" gestiftet. Er verfasste die Schrift nach einer schweren Erkrankung im Jahr 1799. Das Buch behandelt in verschiedenen Abschnitten die richtige Ansicht vom Leiden und den Sinn des Leidens im Hinblick auf Tod und Ewigkeit. Roos führt in seinem Buch viele Zeugnisse aus den Schriften von Scriver, Francke, Bogatzky, Starr, Rieger, Bengel. Arnd und anderen an. Dabei zeigt er eine große Belesenheit in der Erbauungsliteratur der evangelischen Kirche. Im Jahr 1788 wurde er als Mitglied in den größeren Ausschuss der württembergischen Landschaft gewählt, aber im Jahr 1797 im Zusammenhang mit den politischen Umwälzungen infolge der Französischen Revolution wieder ausgeschlossen. Er hat sich mit der Zurücksetzung abgefunden: "Mir fiel die Sache selbst nicht schwer auf, weil ich ohnehin der politischen Händel und der beschwerlichen Reisen müde war, und mich darnach sehnte, meine noch übrige wenige Lebenszeit in der Stille und wie Maria zu den Füßen Jesu zuzubringen. "
Es waren ihm nun noch einige ruhige und stille Jahre in Anhausen beschieden, die er fleißig für seine schriftstellerischen Arbeiten ausnützte. Gegen Ende des Jahres 1802 wurde er von einem bösartigen Halsleiden befallen. Die Zunge schwoll unförmig an, weshalb ihm Atemnot und Beklemmungen viel zu schaffen machten. Manchmal peinigte ihn der Gedanke, verhungern oder ersticken zu müssen. Wenige Wochen vor seinem Tod hatte er einen Traum, den er aufgezeichnet hat: "Heute nacht um drei Uhr... dachte ich daran, dass ich vielleicht bald keine Nahrung mehr zu mir nehmen könne und also verschmachten müsse. Hierauf tat sich ein Türlein im Himmel auf, und der heilige Geist hob mich empor, dass ich durch dasselbe etwas von dem Licht des Himmels sehen konnte. Zugleich trieb mich der heilige Geist mit einer großen Kraft an, dass ich... um das tägliche Brot bitten solle, welches ich auch tat und nun kein Verschmachten mehr fürchte. " Schließlich trat eine Linderung seiner Leiden ein. Die Geschwüre gingen zurück, und es wurde ihm wieder leichter, Speise zu genießen. Bald setzte aber ein starker Kräfteverfall ein, der erkennen ließ, dass sein Ende nicht mehr fern war.
Am letzten Abend vor seinem Sterben bat er die Angehörigen, die sein Lager umstanden, dass sie ihm ein Lied vorsingen möchten. Man schlug ihm verschiedene Lieder vor, und er wählte ein Loblied. Das letzte Wort, das man noch von ihm gehört hatte, war ein Bekenntnis: "Ich sterbe im Glauben des Sohnes Gottes, in dem ich gelebt habe. " Er verschied am 19. März 1803 in der Morgenfrühe gegen 4 Uhr.
Bei seiner Beerdigung wurde ein Lied gesungen, das er einst gedichtet und in sein Buch "Kreuzschule" aufgenommen hatte. Man entsprach damit einem Wunsch, den er vor seinem Ende geäußert hatte:
O Gott, was deine Hand verbunden,
trennst du mit vollem Recht allein.
Du darfst uns schlagen und verwunden,
die Unsrigen und wir sind dein.
Du gibst und nimmst als Herr der Welt,
was, wann und wie es dir gefällt.
Du hast uns deinen Sohn gegeben;
wer in ihm stirbt, der stirbet nicht.
Ja, deine Toten sollen leben,
wie uns dein wahres Wort verspricht.
So lebe denn in voller Ruh,
du weggeruf'ne Seele, du! Der Bestand enthält u. a. Briefe von:
Generalmajor von Bouwinghausen, Stuttgart; Ludwig Graf von Burgsdorff, Eisleben; Friedr. Ernst Creuzenacher, Dornburg; D. Chr. Aug. Crusius, Leipzig; Carl Christian Degenkolb, Leipzig; Hoffmann, Stuttgart; Franziska von Hohenheim; Freiherr von Hohenthal, Schloß Baruth, Döberniz, Teichriz, Falkenberg, Sarsleben; Casimir Graf zu Lynar, Leipzig und Lübbenau; Mayer, Göppingen; Johann Georg Mayer, Holtzen; Joh. Franz Fried. Anton Meyer, Neustadt an der Heyde bei Coburg; Petermann, Dresden; Prof. Christian Friedrich Pezold, Leipzig; J. J. Plocher, Holtzhausen; Geheimer Rat Rentz, Stuttgart; Christian Friedrich Rieger, Mühlheim am Rhein; Johann Christian Schinkell, Görlitz; Stockmayer, Stuttgart; J. C. Walther, Gaildorf; Weinland, Esslingen; Weitz, Königsfeld

Bestandssignatur
Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Q 2/19
Umfang
9 Nummern

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Nachlässe, Verbands- und Familienarchive >> Sonstige Nachlässe

Bestandslaufzeit
1769-1802

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
13.11.2025, 14:39 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1769-1802

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