Bestand
Beauftragter für den Vierjahresplan.- Geschäftsgruppe Ernährung (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Auf eine geheime Denkschrift Adolf Hitlers aus dem Sommer 1936
zurückgehend (überliefert in R 3/1501) wurde der neue Vierjahresplan auf
dem Reichsparteitag im September 1936 offiziell verkündet. Als
Beauftragter für den Vierjahresplan wurde am 18.10.1936 der preußische
Ministerpräsident Hermann Göring eingesetzt (RGBl. 1936 I, S. 887). Er
erhielt die Befugnis zur zentralen Lenkung aller wirtschaftlichen,
insbesondere kriegswirtschaftlichen Maßnahmen einschließlich der
Vollmacht, Anweisungen an die Reichsministerien und alle Ebenen der
Partei zu erteilen.
Aufgabe des (zweiten)
Vierjahresplanes war die Ausrichtung der deutschen Wirtschaft auf
Aufrüstung und Kriegsproduktion sowie die Verringerung der Abhängigkeit
von ausländischen Importen (Autarkiebestrebung), vor allem im Rohstoff-
und Ernährungssektor, um die von Hitler gesteckten Ziele ("1. Die
deutsche Armee muß in vier Jahren einsatzfähig sein. 2. Die deutsche
Wirtschaft muß in vier Jahren kriegsfähig sein.") zu erreichen.
Wichtigste Maßnahmen waren einerseits die Kontingentierung wichtiger
Rohstoffe und deren teilweise synthetische Herstellung im Reich,
andererseits die Planung und Lenkung des Arbeitseinsatzes sowie die
Stabilisierung der Löhne und Preise, um Investitionen in die
Produktionsgüterindustrie zu lenken und den privaten Konsum
einzuschränken.
Der landwirtschaftliche Sektor war
in den Vierjahresplan eingebunden worden, da das Deutsche Reich auf den
Import von landwirtschaftlichen Produkten sowohl zur Ernährung der
Bevölkerung als auch zur Herstellung wichtiger Industriegrundstoffe
angewiesen war und diese Abhängigkeit reduziert werden sollte. Göring
richtete deshalb innerhalb der Organisation des Vierjahresplans eine
Geschäftsgruppe Ernährung ein, deren Zuständigkeit für die
Ernährungswirtschaft in direkter Konkurrenz zum Reichsministerium für
Ernährung und Landwirtschaft von Richard Walther Darré stand. Zum Leiter
der Geschäftsgruppe Landwirtschaft ernannte Göring mit Herbert Backe
einen der beiden Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, der in
dieser Funktion dank der Sondervollmachten des Vierjahresplans dem
Landwirtschaftsministerium und dem Reichsnährstand Anweisungen erteilen
konnte. Nach der Beurlaubung Darrés führte Backe ab Mai 1942 faktisch
auch das Ministerium und konnte gerade in den Kriegsjahren u.a. durch
eine enge Kooperation mit Himmler einen erheblichen Einfluss
gewinnen.
Zu den Maßnahmen, die der Vierjahresplan
zur ernährungswirtschaftlichen Produktionssteigerung ergriff, gehörten
u.a. die Senkung des Düngemittelpreises, die Erhöhung des Preises für
Landwirtschaftsprodukte, Reichsbeihilfen für die Anschaffung von
Maschinen, Meliorationen, ein Verfütterungsverbot von Roggen, Verbot von
Kornbrennen und eine Ablieferungspflicht für sämtliches Getreide außer
dem Eigenbedarf. Tatsächlich konnte die Produktion landwirtschaftlicher
Güter im Reich spürbar modernisiert und gesteigert werden, ohne
allerdings Importe überflüssig zu machen. Die im europäischen Vergleich
verhältnismäßig gute Ernährungslage der Deutschen bis kurz vor Kriegsende
wurde letztlich nur durch den massiven Einsatz von Zwangsarbeitern und
die brutale Ausbeutung der besetzten Gebiete ermöglicht, die ohne
Rücksicht auf den Hunger im Land große Lebensmittellieferungen zur
Versorgung des Reichs und der Wehrmacht erbringen mussten.
Bestandsbeschreibung: Der 1936 von
Hitler verkündete und von Hermann Göring durchzusetzende Vierjahresplan
sollte Deutschland innerhalb von vier Jahren wirtschaftlich und
militärisch "kriegsfähig" machen. Aufgabe der Geschäftsgruppe Ernährung
innerhalb der Vierjahresplanbehörde war die Verbesserung und Sicherung
der Versorgung von Bevölkerung, Wehrmacht und Industrie mit
landwirtschaftlichen Produkten, die während des Kriegs vor allem aus den
besetzten Gebieten importiert wurden.
Bestandsgeschichte:
Die Akten der
Geschäftsgruppe Ernährung der Vierjahresplanbehörde müssen im
Wesentlichen als verloren gelten. Erhalten haben sich lediglich einige
Splitter, die aus den Beständen der amerikanischen Collecting Points und
aus den Unterlagen des Landwirtschaftsministeriums stammen und in Koblenz
zum Bestand R 26 IV zusammengefasst wurden. Im Unterschied zu vielen
anderen Beständen befanden sich hierzu in Potsdam keine Unterlagen.
Archivische Bearbeitung:
Im
Bundesarchiv in Koblenz wurde 1964 ein "vorläufiges Archivverzeichnis"
erstellt, das in seiner Gliederung noch deutlich die Erwartung zum
Ausdruck brachte, dass sich zu bestimmten Themenkreisen (insbesondere zu
einzelnen Ländern) schon noch Akten einfinden würden. Dies geschah nicht,
und so wurde die Klassifikation bei der Neubearbeitung des Bestands 2014
erheblich umgestaltet, um der tatsächlich vorhandenen Überlieferung und
ihrer Bedeutung gerecht zu werden.
Die Akten sind
komplett in der Datenbank des Bundesarchivs erfasst.
Inhaltliche Charakterisierung: Die
wenigen vorhandenen Akten, die zudem fast ausschließlich aus der
Kriegszeit stammen, dokumentieren nur sehr wenige Maßnahmen der
Geschäftsgruppe Ernährung. Darunter befinden sich etwa Pläne zur
Verteilung von Prämienwaren zur Erhöhung der landwirtschaftlichen
Ablieferungsquoten, Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung in den
besetzten Ostgebieten oder zur Aufrechterhaltung bzw. Ausweitung des
Fischfangs.
Die überlieferten Akten vermitteln
hingegen einen guten Überblick über Umfang und Art der
Nahrungsmittellieferungen, die Reich und Wehrmacht aus den verschiedenen
Ländern und Gebieten unter deutscher Vorherrschaft in den Kriegsjahren
bezogen. Hier hat sich recht detailliertes Planungs- und Zahlenmaterial
(Aufbringungspläne, Ablieferungsquoten u.ä.) erhalten.
Größere Bedeutung dürfte außerdem den Akten zur Verwaltung des
Unilever-Konzerns beizumessen sein, da dort Hintergründe zur Bestellung
eines eigenen Reichskommissars für den Unilever-Konzern,
Beiratssitzungen, verschiedene Maßnahmen und strategische Planungen für
den Konzern überliefert sind. Aufgrund der fast monopolartigen Stellung
von Unilever für die Versorgung mit Fetten und Ölen für Industrie und
Ernährungssektor war bei den Entscheidungen auch die Führungsebene
beteiligt.
Von übergeordnetem Interesse ist
schließlich noch die fast vollständige Serie an Sitzungsmitschriften des
den gesamten Vierjahresplan faktisch lenkenden Generalrats sowie die
Protokolle anderer Leitungsgremien, die den Anfangszeitraum des
Vierjahresplans bis 1938/39 abdecken.
Erschließungszustand: Findbuch
(2014)
Zitierweise: BArch R
26-IV/...
- Reference number of holding
-
Bundesarchiv, BArch R 26-IV
- Extent
-
54 Aufbewahrungseinheiten
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Wirtschaft, Rüstung, Landwirtschaft
- Related materials
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: R 26 I Beauftragter für den Vierjahresplan.- Zentrale
R 2 Reichsfinanzministerium, v.a. Abschnitt BV - Vierjahresplan
N 1075 Backe, Herbert (Nachlass des Leiters der Geschäftsgruppe)
Literatur: Gustavo Corni / Horst Gies: Brot - Butter - Kanonen. Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers, Berlin 1997
- Provenance
-
Beauftragter für den Vierjahresplan.- Geschäftsgruppe Ernährung, 1936-1945
- Date of creation of holding
-
1936-1945
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
16.01.2024, 8:43 AM CET
Data provider
Bundesarchiv. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Associated
- Beauftragter für den Vierjahresplan.- Geschäftsgruppe Ernährung, 1936-1945
Time of origin
- 1936-1945