Die Ordnung des Diskurses in der Flüchtlingskonstruktion: Eine postkoloniale Re-Lektüre

Ziel dieses Beitrages ist eine postkoloniale Dekonstruktion der essentialisierenden Kategorie „Flüchtling“. Die Analyse geht davon aus, dass der „Flüchtling“ ein politisch-rechtliches und soziales Konstrukt ist, das bestimmte Funktionen für die national kodierte Selbstdeutung der Mehrheitsgesellschaft hat. Die Positionen in der Dreiecksstruktur Täter-Opfer-Retter werden in den dominanten diskursiven Formationen in einer Weise zugeordnet, die eine kollektive Weiße europäische Identität konstruiert: Die Abwehr der „falschen Flüchtlinge“ (Täter) stabilisiert das imaginierte Zentrum durch Ausgrenzung der Nicht-Dazugehörigen; als „Retter“ der „echten Flüchtlinge“ (Opfer) wird das Bild von „Europa“ als Hort der Menschenrechte und der politischen wie moralischen Überlegenheit aufrecht erhalten, was allerdings die Ausblendung (post-) kolonialer Täterschaft und Verantwortlichkeit voraussetzt. Anhand der biographischen Narration eines „Flüchtlingsjungen“ werden Einblicke in (diskursive) Strategien der Selbstpositionierung im Rahmen dieses narrativen Machtraums gegeben. Den Abschluss bildet das Plädoyer für eine „Entmoralisierung“ des Flüchtlingsdiskurses in wissenschaftlichen und pädagogischen Kontexten.
This contribution endeavours to deconstruct the essentialising category “refugee” from a postcolonial perspective. The starting point of our discourse analysis is the assumption that the “refugee” is a political-legal and social construct, which has specific functions for the nationally coded self-definition of the social majority: The positions in the triangular structure aggressor-victim-rescuer are applied in such a manner within the dominant discursive formation as to construct a collective White European identity: Repulsing the “false refugees” (aggressors) serves to stabilize the imagined centre by exclusion of those who do not belong; in the role of “rescuer” of the “true refugees” (victims) “Europe” maintains its self-image as a stronghold of human rights and its position of political and moral superiority, a strategy which requires, however, collective amnesia with respect to (post-) colonial aggression and responsibilities. The biographic narration of a “refugee boy” allows us to provide a glimpse into (discursive) strategies of self-positioning within this framework of narrative power. In the conclusion we plead for a “demoralisation” of the refugee discourse in scientific and educational contexts.

Standort
Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main
Umfang
Online-Ressource
Sprache
Deutsch

Erschienen in
Die Ordnung des Diskurses in der Flüchtlingskonstruktion: Eine postkoloniale Re-Lektüre ; volume:5 ; number:2 ; year:2010 ; pages:13-14
Diskurs Kindheits- und Jugendforschung ; 5, Heft 2 (2010), 13-14

Urheber
Niedrig, Heike
Seukwa, Louis Henri

DOI
10.3224/diskurs.v5i2.07
URN
urn:nbn:de:101:1-2023060909551460126417
Rechteinformation
Open Access; Der Zugriff auf das Objekt ist unbeschränkt möglich.
Letzte Aktualisierung
14.08.2025, 11:00 MESZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Deutsche Nationalbibliothek. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Beteiligte

  • Niedrig, Heike
  • Seukwa, Louis Henri

Ähnliche Objekte (12)