Bestand
Augustinerchorherrenstift St. Lorenz in Schöningen (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners: Am 18. Oktober 1120 stiftete Bischof Reinhard von Halberstadt in Schöningen ein Kloster, das mit Augustinerchorherren aus dem nahen Hamersleben besetzt wurde (Nr. 1). Es ersetzte ein älteres, um 984 gegründetes Kanonissenstift, das ebenso wie das neue Kloster dem Heiligen Lorenz (Laurentius) geweiht war, zu dem allerdings keine urkundliche Überlieferung mehr vorliegt. Es befand sich möglicherweise im Ostendorf, einer östlich gelegenen Vorsiedlung der späteren Stadt Schöningen, während das spätere Kanonikerstift auf dem Gelände eines Halberstädter Hofes, der vermutlich aus einem ehemaligen Königshof hervorgegangen ist, am höher gelegenen am Westrand des sogenannten Westendorfes vor Schöningen entstand.
Die Gründung des Augustinerchorherrenklosters bzw. -stiftes war Teil der bischöflichen Maßnahmen zur geistlichen Erneuerung von religiösen Gemeinschaften im Bistum Halberstadt. Als Erstausstattung erhielt das Kanonikerstift den Besitz des Kanonissenstiftes, der bereits im Folgejahr erweitert wurde (Nr. 2). Im Laufe der nächsten Jahrzehnte konnte das Stift seinen Besitz immer mehr ausbauen und ließ sich seinen Besitzstand auch durch päpstliche und bischöfliche Urkunden bestätigen (u.a. Nr. 3, 4, 7-11 und 18). Dieser Besitz lag um 1121/1137 zunächst weit verstreut mit folgenden regionalen Schwerpunkten (siehe Nr. 2 und 4):
Geschichte des Bestandsbildners: - im Umkreis von Schöningen und Elmgebiet (heute Landkreise Helmstedt und Wolfenbüttel): u.a. in Bansleben, Dobbeln, Eilum, Esbeck, Schöningen, Söllingen und Wobeck sowie in den Wüstungen Allum, Ditmerode, Wardegesdorf und Welle
- östlich von Schöningen in der Magdeburger Börde (heute Landkreis Börde, Sachsen-Anhalt): u.a. Dahlenwarsleben, Ebendorf, Gersdorf, Hemsdorf, Hermsdorf, Ingersleben, Rodensleben, Schwemmer, und sowie in den Wüstungen Badenstedt, Helse und Luxdorf
- im Umkreis der Colbitz-Letzlinger Heide (Landkreise Börde, Salzwedel und Stendal, Sachsen-Anhalt): u.a. Ackendorf, Bellingen, Bülstringen, Estedt, Luthäne, Sandbeiendorf (?), Schernebeck, Klein- oder Groß Schwarzlosen und Trippigleben
- in der Nähe von Lüneburg, u.a. in Bardowick und Mechtersen
Im Laufe des 13. bis 15. Jahrhunderts kam es zu einer Konzentration des Besitzes des Kanonikerstifts in der unmittelbaren Nähe in und um Schöningen herum, so v.a. in Esbeck, Hoiersdorf, Hötensleben, Ingeleben, Jerxheim, Ohrsleben, Söllingen, Twieflingen und Wobeck, das heißt im Gebiet zwischen dem Elm genannten Höhenzug und der Niederung des Großen Bruchs. Gleichwohl scheinen die Kanoniker teilweise auch Stammbesitz in weiter entfernt gelegenen Gebieten auch noch in der Frühen Neuzeit besessen zu haben, wie eine der letzten erhaltenen Urkunden des Stiftes von 1661 zeigt (Nr. 254).
Neben umfangreichen Ackerland-, Weide- und Forstbesitz erwarb das Stift auch Mühlen, Fischteiche sowie Anteile an den Salinen bei Lüneburg und in Schöningen. Auch verfügte das Kloster über das Patronatsrecht über verschiedene Kapellen und Kirchen in Esbeck (Burgkapelle), Groß-Kissleben, Hoiersdorf, Hötensleben, Ohrsleben, Rolstedt, Runstedt, Schöningen, Secker, Söllingen, Watenstedt, Westendorf und Wolsdorf.
Geschichte des Bestandsbildners: Zur baulichen Entwicklung des Klosters geben die Urkunden nur wenige Hinweise; erwähnt werden einige Altäre und Kapellen (Nr. 42, 48, 55, 61, 80, 81a, 81b, 88) sowie der Reliquienschatz (Nr. 137). Umbaumaßnahmen der Klosterkirche um 1400 sowie um 1500 lassen sich teilweise durch Ablassbriefe erschließen (Nr. 63, 75, 79 und 191).
Im Mittelalter oblag die weltliche Schirmherrschaft über das Kloster (Vogtei) zunächst den Pfalzgrafen von Sommerschenburg. Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts fiel dieses Amt an die Herren von Heimburg. Neben diesen unterhielt das Klosters im Hoch- und Spätmittelalter Beziehungen zu weiteren Familien des Landadels der Region wie den Edelherren von Warberg, den Herren von der Asseburg und den Herren von Alvensleben, was sich nicht zuletzt in den Urkunden widerspiegelt.
Die Leitung des Klosters oblag einem Propst, der von den Kanonikern gewählt wurde und dessen Wahl vom Bischof von Halberstadt bestätigt werden musste. Zugleich bekleidete dieser das Amt eines Archidiakons des Bannes Schöningen. Urkundlich ist eine Reihe von Pröpsten überliefert, wenn auch nicht alle. Die stellvertretende Leitung nahmen Prioren wahr, deren Namen aber seltener bekannt sind. Vereinzelt werden in Urkunden weitere Ämter und Würden genannt, so z.B. der des Seniors, des Schatzmeisters (thesaurarius) und des Prokurators.
Geschichte des Bestandsbildners: Einer Reform im Sinne der Windesheimer Reform widersetzte sich das Kanonikerstift zusammen mit anderen Augustinerchorherrengemeinschaften in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zunächst und pochte auf seine alten Rechte und Privilegien (Nr. 146, 159). 1492 musste sich das Stift schließlich dem Administrator des Bistums Halberstadt, Ernst von Sachsen, beugen und wurde zusammen mit anderen Stiften in den folgenden Jahren reformiert und in das Provinzialkapitel des Klosters Neuwerk bei Halle an der Saale aufgenommen (Nr. 182 und 184). In dieser Zeit geriet das Stift Schöningen auch immer mehr in Abhängigkeit von den Herzögen von Braunschweig und Lüneburg aus der Wolfenbütteler Linie, die die Kanoniker zur Gewährung von Darlehen anhielten, so dass das Kloster in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und Besitz veräußern oder verpfänden musste.
1574 trat Propst Heinrich Wehen nach der Einführung der Reformation im Fürstentum Wolfenbüttel des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg (1568) ebenfalls zur evangelischen Lehre über. Das Stift blieb damit als lutherische Einrichtung bestehen, war nunmehr aber ganz der landesherrlichen Kontrolle unterworfen, was sich u.a. auch darin zeigt, dass das Stift Rechtsgeschäfte nur noch mit herzoglicher Genehmigung tätigen konnte. Mitte des 17. Jahrhunderts geriet das Kloster ganz in landesherrliche Verwaltung: die Geschäftsführung oblag seitdem der herzoglichen Kammer (vgl. die Bestände 4 Alt 3 Laur und 11 Alt Laur), gleichwohl existierte das Stift als geistliche Einrichtung mit einem Prost an der Spitze auch noch bis in das 19. Jahrhundert hinein.
Stand: April 2020
Bestandsgeschichte: Der Bestand besteht aus 261 Originalurkunden, die chronologisch verzeichnet sind. Sie reichen von der Stiftsurkunde 1120 bis zu einer späten Urkunde aus dem Jahr 1675. Der Schwerpunkt der Überlieferung liegt im 14. bis 16. Jahrhundert, größere Zeitsprünge in dieser Zeit (u.a. zwischen 1358 und 1372 sowie 1540 und 1555) lassen Urkundenverluste vermuten, die auch nur zu einem Teil durch Abschriften kompensiert werden. Kurz nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges bricht die urkundliche Überlieferung völlig ab, als Nachzügler sind nur noch wenige Urkunden aus der Zeit zwischen 1661 und 1709 im Original oder abschriftlich erhalten geblieben.
Der Bestand wurde bislang lediglich durch ein handschriftliches Findbuch aus der Mitte des 18. Jahrhunderts mit Ergänzungen von 1835 und 1886 erschlossen. Die Urkunden bis 1500 waren zudem über das chronikalische Verzeichnis der Urkunden in der Abteilung Wolfenbüttel des Nds. Landesarchivs online in Arcinsys teilweise recherchierbar.
Die jetzige Verzeichnung erfolgte sukzessive durch Archivrat Dr. Helbich 2019-2020, ist aber noch nicht ganz abgeschlossen. Sie geschah auf Grundlage des handschriftlichen Findbuches sowie der (teilweisen) Edition der Schöninger Urkunden in Johann Friedrich Falckes Codex Traditionum Corbeiensium [...]. Bei den einzelnen Nummern wurde (sofern enthalten) auf die dortige Edition verwiesen, ebenso auf einige weitere Urkundenbücher und gedruckte Regesten sowie auf Abschriften und Regesten von Urkunden im Handschriftenbestand VII B Hs.
Als Ergänzung wurden in einem separaten Klassifikationspunkt auch solche Urkunden erfasst, die nicht mehr im Original vorliegen (zumindest nicht in der Abteilung NLA WO), dafür aber abschriftlich in einer der hier aufbewahrten Handschriften in den Beständen VII B Hs und VII C Hs. Hier ist zu beachten, dass wie unter "Bestellsignatur" angegeben die jeweiligen Handschriften zu bestellen sind.
Stand: April 2020
Bearbeiter: Dr. Christian Helbich (2020)
Zusatzinformationen: Abgeschlossen: Ja
- Bestandssignatur
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NLA WO, 17 Urk
- Umfang
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5,2 (261 Stück)
- Kontext
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Nds. Landesarchiv, Abt. Wolfenbüttel (Archivtektonik) >> Gliederung >> 1 Urkunden (Urk) >> 1.2 Stifte, Klöster, Ordenshäuser
- Verwandte Bestände und Literatur
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Literatur: Werner Freist, Schöningen. Stadt am Elm, Braunschweig-Schöppenstedt 1965. (DiBi Q2703:5)
Literatur: Wilhelm Bornstedt, Die Elmsburg. Die Augustiner-Klosterkirche St. Laurentius zu Schöningen, Braunschweig 1972.
Literatur: Gertrud Böttger-Bolte, Die Lorenzkirche zu Schöningen. Die historische Entwicklung der Lorenzkirche und der Stadt Schöningen (Große Baudenkmäler 406), München und Berlin 1990.
Literatur: Brigide Schwarz (Bearb.), Regesten der in Niedersachsen und Bremen überlieferten Papsturkunden 1198-1503 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 37; Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Niedersachsens im Mittelalter 15), Hannover 1993.
Literatur: Michael Sagroske, Die Klosterkirche St. Lorenz in Schöningen (DKV-Kunstführer Nr. 406/2), 2. Aufl. München und Berlin o.J. [2002]
Literatur: Claudia Märtl, Schöningen. Vom Königshof zur Stadt, in: dies. u.a. (Hg.), Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Bd. 1: Mittelalter, Hildesheim u.a. 2008, S. 404-423.
Literatur: Jörg Voigt, Art. Schöningen - Kanonissenstift, seit 1120 Augustiner-Chorherrenstift St. Lorenz (ca. 984 bis 1808), in: Josef Dolle (Hg.), Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 56,1), Teil 3, Bielefeld 2012, S. 1353-1357.
Literatur: Peter Hennig und Hans-Jürgen Engelking, Das Kloster St. Lorenz in Schöningen. Beiträge zu Amtsträgern und Kirchengemeinde in evangelischer Zeit (Quellen und Beiträge zur Geschichte der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig), Wolfenbüttel 2013. Editionen:
Literatur: Johann Friedrich Falcke, Codex Traditionum Corbeiensium Notis Criticis Atque Historicis Ac Tabulis Geographicis Et Genealogicis Illustratus ..., Leipzig 1752, hier S. 758ff.
Literatur: Gustav Schmidt (Hg.), Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe, 4 Teile, Leipzig 1883-1889.
Literatur: Gerrit Deutschländer u.a. (Hg.), Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe, Teil 5, Köln 2015.
Literatur: Joseph Dolle (Bearb.), Papsturkunden in Niedersachsen und Bremen bis 1198 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 306), Göttingen 2019.
- Bestandslaufzeit
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1120-1675
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
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16.06.2025, 12:45 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1120-1675