Bestand

E 423 Hölderlin-Gesellschaft (Bestand)

Form und Inhalt: Vorwort
Verglichen mit anderen literarischen Gesellschaften, etwa der Goethe-Gesellschaft in Weimar oder der Deutschen Schillergesellschaft in Marbach, ist die Hölderlin-Gesellschaft in Tübingen, die im Jahr 2020 etwa 900 Mitglieder zählt, eine recht junge Gründung. Zwar reicht das Vorhaben, eine literarische Gesellschaft für Friedrich Hölderlin ins Leben zu rufen, bis in die späten 1910er-Jahre zurück und mit der Vereinigung zur Erwerbung und Erhaltung des Hölderlinturms gründeten der Heimat-kundler Eugen Nägele und der Philosoph Theodor Haering 1921 eine Organisation, die sich für den Erhalt und die Etablierung einer Dichtergedenkstätte in der Tübinger Bursagasse 6, Hölderlins langjährigem Wohn- und zugleich Sterbeort, einsetzte. Zur Gründung einer Hölderlin-Gesellschaft kam es jedoch erst anlässlich des 100. Todestags des Dichters im Jahr 1943 - also inmitten des Zweiten Weltkriegs und mit Förderung der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Aufgrund ihrer engen Verflechtungen mit dem Propagandaapparat des NS-Regimes musste sich die Vereinigung auf Beschluss der französischen Militärregierung zum Jahresende 1945 auflösen, konnte sich jedoch 1946 rasch neugründen. Seither besteht die selbsterklärte Aufgabe der Hölderlin-Gesellschaft darin, „das Verständnis für das Werk Hölderlins [zu] wecken und [zu] vertiefen“ und so zur „Erforschung und Darstellung seiner Werke, seines Lebens und seiner Zeit“ beizutragen. Der Gesellschaft obliegt folglich neben der Pflege der Hölderlin-Gedenkstätten und der Veranstaltung von Vorträgen, Konzerten, edukativen und wissenschaftlichen Seminaren in Kooperation mit Schulen und Universitäten auch die Begleitung von Ausgaben des Hölderlin’schen Œuvres und die Organisation mehrtägiger Jahresversammlungen in Tübingen und anderen Städten. Dokumente dieser vielfältigen Tätigkeiten in Vergangenheit wie Gegenwart sammelt und bewahrt das Vereinsarchiv der Hölderlin-Gesellschaft. Die bis heute über 200 Ordner, die gegenwärtig ca. 17 Regalmeter füllen, umfassen Archivalien von den 1910er- bis Anfang der 2010er-Jahre. Das vorliegende Findbuch bietet erstmals einen systematischen Einblick in diesen umfangreichen Bestand.
Auf Autorinnen und Autoren bezogene Vereine wie die Hölderlin-Gesellschaft versammeln unter ihrem Dach Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstlerinnen und Künstler, Vertreterinnen und Vertreter von städtischen, regionalen oder nationalen politischen Institutionen und ein kulturell interessiertes Laienpublikum. In der Tradition der Dichterverehrung und des Dichterkults des 19. Jahrhunderts stehend, bündeln sie verschiedene wissenschaftliche und kulturelle, aber auch politische Interessen und suchen lokales Stadtmarketing, Forschung, Bildungs- und Kulturvermittlung miteinander zu verbinden. Vereine wie die Hölderlin-Gesellschaft wirken als zentrale Instanzen für die Formierung des kollektiven und kulturellen Gedächtnisses. Die literaturwissenschaftliche, wissenschafts- und fachgeschichtliche Forschung weiß jedoch noch sehr wenig über das literarische Vereinswesen,[2] d.h. über den wechselseitigen Einfluss von literarisch-kulturellen Organisationsformen auf Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik. Ein Grund dafür ist, dass Archive von literarischen Gesellschaften bisher weitgehend unerschlossen sind. Gerade für die Re-konstruktion vereinsgeschichtlicher Zusammenhänge haben die archivalischen Quellen jedoch besonders große Bedeutung, weil sich dort gleichermaßen öffentliche, halböffentliche und private Dimensionen dieses spezifischen Vereinswesens bündeln. Der Gang ins Archiv, den das vorliegende Findbuch für die Bestände der Hölderlin-Gesellschaft anleiten soll, erlaubt somit einerseits, den Blick auf einzelne Akteurinnen und Akteure im Umfeld einer literarischen Gesellschaft zu richten, andererseits lassen sich anhand des Materials aber auch die Alltagspraxen und die Dynamiken der literarischen Vereinsarbeit am spezifischen Fall rekonstruieren.
Die Erschließung des Archivs der Hölderlin-Gesellschaft und dessen Dokumentation in vorliegendem Findbuch erfolgte im Rahmen eines von der VolkswagenStiftung geförderten Erschließungs-projekts,3 das von März 2020 bis November 2021 am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Albrecht und Prof. Dr. Roland Reuß angesiedelt war. Zustande gekommen ist der Plan zur archivalischen und wissenschaftlichen Erschließung der Akten im Zusammenhang mit dem Umbau und der Sanierung des Tübinger Hölderlinturmes (2017-2020), in dem die Hölderlin-Gesellschaft ihren Sitz hat: Die Notwendigkeit, den Turm für die Baumaßnahmen zu räumen, hat den Umfang und die Bedeutung der in den vielen Aktenordnern vorfindlichen Materialien für die Ideen-, Literatur-, Kultur- wie Wissenschaftsgeschichte in ihrem Zusammenhang mit der politischen Geschichte deutlich werden lassen. Dringlich war es auch, die Archivbestände, die für die Zeit des Umbaus zunächst privat in Kellerräumen untergebracht waren, wieder in für das Schriftgut sachgerechte Lagerungsbedingungen zu überführen. Für die Projektlaufzeit ging der Aktenbestand als temporäres Depositum an das Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg. Im Herbst 2022 konnte der Bestand schließlich von der Geschäftsführung der Hölderlin-Gesellschaft mitsamt dem vorliegenden Findbuch an das Stadtarchiv Tübingen übergeben werden.
Unser besonderer Dank gilt der Hölderlin-Gesellschaft, namentlich ihrem derzeitigen Präsidenten Prof. Dr. Johann Kreuzer und ihrer Geschäftsführerin Eva Ehrenfeld, ohne deren Engagement ein wissenschaftlich angeleitetes Erschließungsprojekt nicht initiiert worden wäre; beide haben das Projekt stets wohlwollend und mit großer Geduld begleitet. Sehr dankbar sind wir zudem der VolkswagenStiftung, die das Erschließungsprojekt durch eine großzügige Finanzierung förderte. Ein Dank geht schließlich auch an Prof. Dr. Thomas Schmidt (alim/DLA Marbach) und Udo Rauch (Stadtarchiv Tübingen), auf deren Rat wir stets zählen konnten.
Vorliegendes Findbuch ist in erster Linie als Arbeitsinstrument konzipiert. Es kann den Gang ins Archiv nicht ersparen, die vorbereitende Recherche jedoch erleichtern und die Arbeit vor Ort strukturieren. Mit dem Soziologen Max Weber gesprochen, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die moderne Vereinsforschung begründete, handelt es sich bei einem Erschließungsprojekt wie unserem durchaus um „trockene, triviale, viel Geld und viel Arbeitskraft einfach in den Boden stampfende Arbeit“. Doch Weber wusste auch, dass ohne dieses Fundament „nichts zu machen“ wäre.[4] Denn erst im Anschluss an die Materialerschließung lassen sich empirisch untermauerte Auswertungen und Rekonstruktionen vornehmen oder umfassendere Deutungen vorbereiten. Mit Blick auf den enormen Umfang der Archivalien, für die diese Erschließung überhaupt erst zu leisten war, mag man uns eine vor allem pragmatische Lektorierung des Findbuchs ebenso nachsehen wie den ein oder anderen Mangel an Konsistenz und Geschlossenheit der Einträge.
Zur Geschichte der Hölderlin-Gesellschaft
Die Konstituierungsgeschichte der Hölderlin-Gesellschaft ist zum einen eng mit den Plänen um die Erhaltung des Tübinger Hölderlinturms als Dichtergedenkstätte verbunden. Zum anderen trugen die kritischen Ausgaben zu den Initiativen um eine Dichtergesellschaft bei. Diese nahmen mit der von Norbert von Hellingrath initiierten, von Friedrich Seebass und Ludwig von Pigenot fortgeführten Werkausgabe (1913-1923) und dem parallel gestarteten Editionsprojekt von Franz Zinkernagel (1914-1926) ihren wissenschaftlichen, das heißt werk- und nicht mehr allein autorzentrierten Anfang. Die auch davon beförderte Rezeption Hölderlins unterlag bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in besonderem Maße aktualisierenden Lesarten, deren politisch-ideologische Interpretationen sich mitunter weit von dem umfangsmäßig schmalen Œuvre selbst entkoppelten. Bezeichnend für die politisch stark polarisierte Wirkungsgeschichte Hölderlins ist, dass sich von Beginn an eine Spannung zwischen der philologischen Zunft und der Öffentlichkeit auftat: Bereits die Ausgabe von Hellingrath beförderte vor allem die außeruniversitäre Dichterverehrung.[5] Sie fand nicht nur im Kontext des George-Kreises[6] und des Expressionismus,[7] sondern auch im Rahmen der Jugendbewegung statt, die das ganze politische Spektrum bis in die Extreme abdeckte.
Erst nachdem Hölderlin, befördert durch die Ausgaben von Hellingrath und Zinkernagel, in der Zeit um den Ersten Weltkrieg an Popularität gewonnen hatte, kam es 1921 anlässlich von Hölderlins 150. Geburtstag zur Gründung der Vereinigung zur Erhaltung und Erwerbung des Hölderlinturms. Unter der Ägide von Eugen Nägele, dem Vorsitzenden des Schwäbischen Albvereins, und Theodor Haering, Professor für Philosophie in Tübingen, verschrieb sich die Vereinigung in erster Linie den erinnerungspflegenden Maßnahmen um den Wohn- und Sterbeort Hölderlins - bereits seit 1915 war im sogenannten Hölderlinturm in Tübingen ein Dichtergedenkzimmer eingerichtet. Da dieses Zimmer und das gesamte Gebäude vom Verkauf in private Hand bedroht war, zielte das Engagement zu Beginn der 1920er Jahre darauf, den Hölderlinturm in städtischen Besitz zu überführen und weiterhin als Dichtergedenkstätte zu etablieren.[8] Mit Erfolg: Noch 1921 wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt und konnte schließlich ein Jahr später von der Stadt Tübingen erworben werden. Eine ‚richtige‘ literarische Gesellschaft konnte allerdings noch nicht etabliert werden.
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Hölderlin sowohl von der politischen Propaganda als auch von der Germanistik instrumentalisiert, indem er zum Heros und geistigen Führer des deutschen Volkes stilisiert und mythisiert wurde. Die eifrigen, politisch und philologisch werbenden Bemühungen, die ab 1938 unter anderem forciert vom renommierten Literaturhistoriker und Tübinger Ordinarius Paul Kluckhohn betrieben wurden, hatten schließlich Erfolg: 1941 kam es zur Gründung des Hölderlin-Archivs bei der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart und zur Gründung einer Zweckvereinigung für die von Friedrich Beißner[9] herausgegebene Große Stuttgarter Ausgabe der Sämtlichen Werke Hölderlins (1943-1985).
Im Zuge der Tübinger Feierlichkeiten zum 100. Todestag Hölderlins kam es nach Kranzniederlegungen, unter anderem im Namen von Adolf Hitler und Joseph Goebbels, am 7. Juni 1943 zur Gründung der Hölderlin-Gesellschaft; auch die beiden die Edition eröffnenden Halbbände (I/1 und I/2) der Stuttgarter Ausgabe konnten zu diesem Anlass präsentiert werden. Als ersten Präsidenten der literarischen Gesellschaft hatte Goebbels den NS-Barden und Hölderlin-Epigonen Gerhard Schumann eingesetzt - bis zum Ende des ‚Dritten Reichs‘ erreichte der Schriftsteller den Rang eines SS-Obersturmführers. Mit Kluckhohn als Stellvertreter und Beißner als Geschäftsführer standen dem Präsidenten wissenschaftspolitische Prominenz und philologische Kompetenz an der Seite. Im Zeitraum von zwei Jahren, also bis zu Kapitulation und Kriegsende, konnten aus dem wohlorganisierten Rahmen der Hölderlin-Gesellschaft allein mehr als 1500 Seiten Hölderliniana entstehen. Anders als die früheren Editionsprojekte von Hellingrath und Zinkernagel konnte Friedrich Beißner mit der Stuttgarter Ausgabe also von einer literarischen Gesellschaft profitieren, die dem aufwändigen philologischen Großprojekt institutionelle Kontinuität garantierte.
Mit Ende des Zweiten Weltkriegs erfolgte rasch eine interne Umstrukturierung - die Philologen waren bemüht, sich von ihrem politischen Engagement im Sinne der Nationalsozialisten zu distanzieren. Am 14. März 1946 kam es dennoch auf Veranlassung der französischen Militärregierung zur formellen Auflösung der Gesellschaft. Die Möglichkeit einer Neugründung wurde jedoch bereits in Aussicht gestellt, die schließlich am 21. Oktober 1946 - begleitet durch einen kleinen Festakt in der Universität - auch erfolgte: Nunmehr als Friedrich-Hölderlin-Gesellschaft. Bereits zu Kriegsende kristallisierte sich im Umfeld der Hölderlin-Gesellschaft die Schutzbehauptung von der nationalsozialistischen Usurpation einer rein wissenschaftlichen Unternehmung heraus,1[0] um die eigene institutionelle Vergangenheit und die politischen Verstrickungen der Akteure zu beschweigen. Von der vielbeschworenen ‚Stunde Null‘ kann also auch im Falle der Hölderlin-Gesellschaft nicht die Rede sein: Die etablierten Akteure wie Kluckhohn und Beißner11 konnten ihre Kontakte über die vermeintliche Zäsur bewahren, hinzu traten neue Interessenallianzen im Umfeld der Hölderlin-Gesellschaft zwischen so unterschiedlichen kulturpolitischen Protagonisten wie Theodor Pfizer, Carlo Schmid, Romano Guardini und Theodor Heuss.
Die bereits Mitte der 1940er Jahre rasch wiederaufgenommene Tätigkeit der literarischen Gesellschaft entspricht durchaus dem vielfach gezeichneten Stimmungsbild einer restaurativen Nachkriegsgesellschaft. Mit der deutschen Teilung traf ihr unentwegtes Bemühen um den möglichst bruchlosen Anschluss an die editionsphilologische und interpretatorische Arbeit der Kriegsjahre jedoch auch auf neue Herausforderungen: Die anfänglich gegenseitigen Bemühungen, eine offizielle Zulassung in der DDR zu erhalten, blieben erfolglos, und so forderten die Entwicklungen des sogenannten Kalten Kriegs stetig neue Initiativen, damit sich die Tübinger Vereinigung den grenzüberschreitenden Austausch mit ihren Mitgliedern im Osten bewahren konnte.[12] Während man sich in der DDR auf wissenschafts- und kulturpolitischem Wege um eine Integration des ‚jakobinischen Dichters‘ ins nationale ‚kulturelle Erbe‘ bemühte,[13] wurde Hölderlin und sein Werk auch in der BRD weiterhin - wenngleich unter anderen politischen Vorzeichen - kontrovers diskutiert. Eine öffentlichkeitswirksame Plattform für die mitunter hitzigen editionsphilologischen und interpretatorischen, oft auch politischen Kontroversen boten die seit 1950 regelmäßig veranstalteten Jahrestagungen der Gesellschaft. Vor bis zu mehreren hundert internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern forcierten hier ab den 1960er Jahren etwa auch Beiträger wie Theodor W. Adorno, Robert Minder oder Pierre Bertaux eine ideologiekritische Befragung der Hölderlin-Gesellschaft. In vielerlei Hinsicht einschneidend war das Jahr 1975, in dem D.E. Sattler und KD Wolff eine Hölderlin-Gesamtausgabe ankündigten, die sich an neuen Editionsprinzipien orientiert und dem in hohem Maße prozessualen Charakter der Texte, die sich in Hölderlins Handschriften kaum je als fertige präsentieren, durch Faksimilierung zu entsprechen sucht. Die neue Ausgabe aus dem Verlag „Roter Stern“ stieß eine heftige, weltanschaulich imprägnierte Kontroverse an,[14] in welcher die Hölderlin-Gesellschaft, wie sich in der Auseinandersetzung um die Rechte zur Fotografie des Homburger Foliohefts an den Aktionen des damaligen Präsidenten Uvo Hölscher zeigen lässt, zunächst keineswegs allein die sich selbst zum Ziel gesetzte neutrale Mittlerrolle einnahm.[15] Auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit blieb lange Desiderat. Erst in den 1980er- und 1990er-Jahren nahm man sich im Umfeld der Hölderlin-Gesellschaft der nationalistischen und nationalsozialistischen Phase der Hölderlin-Rezeption an und widmete sich dabei auch erstmals kritisch und auf die konkreten Dokumente gestützt ihrer intrikaten Gründungsgeschichte.[16]
[1] Aktuelle Satzung der Hölderlin-Gesellschaft (2008).
[2] Siehe beispielsweise die Beiträge der Forschungsdiskussion: Scientia Poetica 24 (2020), S. 321-456 und die systematisierenden Ansätze von Rolf Parr: Interdiskursive As-Sociation. Studien zu literarisch-kulturellen Gruppierungen zwischen Vormärz und Weimarer Republik. Tübingen 2000; Georg Jäger: Lesegesellschaften und literarisch-gesellige Vereine. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1.3. Hrsg. von dems. Berlin und New York 2010, S. 314-341; Robert Heise und Daniel Watermann: Vereinsforschung in der Erweiterung. Historische und sozialwissenschaftliche Perspektiven. In: Geschichte und Gesellschaft 43 (2017), S. 5-31. Neben dem Handbuch: Rolf Parr, Wulf Wülfing und Karin Bruns: Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825-1933. Stuttgart 1998 liegen außerdem eine Reihe von Einzelstudien zu literarischen Gesellschaften vor.
[3] Vgl. Patrick Baumann und Sandra Schell: Erschließung der Akten der Hölderlin-Gesellschaft (gefördert von der VolkswagenStiftung). In: Geschichte der Philologien 59/60 (2021), S. 185-189.
[4] Max Weber: Rede auf dem ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt 1910. In: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik. Tübingen 1924, S. 431-449, hier S. 447.
[5] Vgl. Heinrich Kaulen: Rationale Exegese und nationale Mythologie. Die Hölderlin-Rezeption zwischen 1870 und 1945. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 113 (1994), S. 554-577, hier S. 565f.; Uwe Maximilian Korn: Von der Textkritik zur Textologie. Geschichte der Editionsphilologie bis 1970. Heidelberg 2021, S. 150-169.
[6] Vgl. Gerhard Kurz: Hölderlin 1943. In: Hölderlin und Nürtingen. Hrsg. von dems. und Peter Härtling. Stuttgart und Weimar 1994, S. 103-128, hier S. 106f.
[7] Vgl. Kurt Bartsch: Die Hölderlin-Rezeption im deutschen Expressionismus. Frankfurt am Main 1974.
[8] Vgl. Eugen Nägele: Tübinger Hölderlin-Vereinigung. In: Tübinger Blätter 17 (1922/24), S. 64-68.
[9] Vgl. Ludwig Jäger: Disziplinen-Erinnerung - Erinnerungs-Disziplin. Der Fall Beißner und die NS-Fachgeschichtsschreibung der Germanistik. In: Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften. Bd. 1. Hrsg. von Hartmut Lehmann und Otto Gerhard Oexle. Göttingen 2004, S. 67-127, hier S. 93ff.
[10] Vgl. Nils Kahlefendt: „Im vaterländischen Geiste ...“. Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe und Hölderlin-Gesellschaft (1938-1946). In: Hölderlin entdecken. Lesarten 1826-1993. Hrsg. von dems., Dieter Burdorf, Bruno Pieger und Werner Volke. Tübingen 1993, S. 115-163.
[11] Anders als bei Kluckhohn fällt es im Falle Beißners schwer, eine Publikation aus der NS-Zeit zu bestimmen, die er nicht auch zu anderer Zeit, nach 1945, problemlos hätte drucken lassen können (vgl. Norbert Oellers: Friedrich Beißner [1905-1977]. In: Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Porträts. Hrsg. von Christoph König, Hans-Harald Müller und Werner Röcke. Berlin und New York 2000, S. 230). Ein dahingehendes Urteil Oellers’ bestätigt Rüdiger Nutt-Kofoth: Friedrich Beißner. In: Neugermanistische Editoren im Wissenschaftskontext. Hrsg. von dems., Roland S. Kamzelak und Bodo Plachta. Berlin und Boston 2011, S. 228-234, hier S. 211.
[12] Vgl. Sandra Schell: Das „vereinigende Wort des Dichters“. Zur deutsch-deutschen Geschichte der Hölderlin-Gesellschaft. In: Zeitschrift für Germanistik 33.1 (2023), S. 94-112.
[13] Vgl. Sture Packalén: Zum Hölderlinbild in der Bundesrepublik und der DDR. Stockholm 1986.
[14] Vgl. Gideon Stiening: Editionsphilologie und ‚Politik‘. Zur Kontroverse um die Frankfurter Hölderlin-Ausgaben. In: Kontroversen in der Literaturtheorie / Literaturtheorie in der Kontroverse. Hrsg. von Ralf Klausnitzer und Carlos Spoerhase. Bern u.a. 2007, S. 265-298.
[15] Der Vorstand der Hölderlin-Gesellschaft, vor allem der damalige Präsident Uvo Hölscher, setzte sich über Jahre exklusiv für das Editions-Projekt von Dietrich Uffhausen und dem Verleger Horst Zimmermann ein. 1982 war im Vorstand die Rede davon, wie dieses „Projekt der Umschrift und Facsimilierung“, das Hölscher in einem Brief an Gerhard Kurz, gegenüber der Frankfurter Hölderlin-Ausgabe, als „unseren Plan, das Hombuger Folioheft zu edieren“ bezeichnet, am besten umgesetzt werden könne (033-059-Br). Mit dem Homburger Oberbürgermeister Assmann stand Hölscher dauerhaft in Korrespondenz und gab sich in einem Brief an die Vorstandsmitglieder gewiss, dass die Frage der „Lizenz“ zugunsten Zimmermann entschieden ist und Assmann, was das Homburger Folioheft angeht, „auf uns hört“ (033-031-Br.). Im Februar 1985 wurde der Frankfurter Hölderlin-Ausgabe durch die Stadt Bad Homburg trotz einer zuvor gegebenen Zusage schließlich verweigert, eine Fotografie des Folioheftes anzufertigen, - unter der aus dem Hölderlin-Archiv der Württembergischen Landesbibliothek stammenden Begründung, dass das Homburger Folioheft nur noch eine Neuverfilmung vertrage (vgl. Konrad Huth: Wer darf die Hölderlin-Handschriften fotografieren? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung [10.08.1985], S. 31). Im März 1985 erging ein gutachtenartiges Schreiben Hölschers an den Oberbürgermeister der Stadt Bad Homburg, demnach „die Hölderlin-Gesellschaft darin über-ein[stimmt], dass die Gesellschaft nur eine Edition zu fördern bereit ist“ und „die Vereinigung des Faksimile Projekts von Dr. Zimmermann mit der Umschrift von Dr. Uffhausen als das einzig sinnvolle Unternehmen [erscheint]“ (033- 095-Br.). Offenbar noch im Juni 1985 hielt die Hölderlin-Gesellschaft die Stadt Bad Homburg dazu an, das Projekt von Uffhausen und Zimmermann gegenüber der neuen Frankfurter Ausgabe zu bevorzugen (Huth: Wer darf die Hölderlin-Handschriften fotografieren?, S. 31; s. dazu KD Wolffs offenen Brief an den Präsidenten der Hölderlin-Gesellschaft „Für Hölderlin“. In: Die Zeit Nr. 37 [06.09.1985]). Nachdem der Sachverhalt öffentlich wurde, wurde der Konflikt dadurch gelöst, dass das Homburger Stadtparlament beschloss, selbst eine Fotografie anzufertigen, die sodann jedem Interessenten zur Verfügung gestellt werden konnte.
[16] Vgl. Kahlefendt: „Im vaterländischen Geiste ...“; ders.: „Kampfgefährte Hyperion“. Eine Hölderlin-Feldpostausgabe im Zweiten Weltkrieg. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 4 (1994), S. 209-226; Kurz: Hölderlin 1943; Kaulen: Rationale Exegese; Valérie Lawitschka: Hölderlin-Gesellschaft e. V. In: Literarische Gesellschaften in Deutschland: Ein Handbuch. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften. Berlin 1995, S. 154-156. Siehe ferner auch den kuratorischen Vorlauf in den 1980er Jahren: Bernhard Zeller u.a. (Hrsg.): Klassiker in finsteren Zeiten: 1933- 1945. Marbach am Neckar 1983, Bd. 1, S. 319-344; Bd. 2, S. 53-55, 76-134, 158-176, 300-326.
Zum Umfang und zur Gliederung des Bestands
Das Archiv der Hölderlin-Gesellschaft ist ein Vereinsarchiv, das sämtliche Materialien zur Selbstorganisation und zum ‚Alltagsgeschäft‘ einer literarischen Gesellschaft verwahrt: umfangreiche Korrespondenzen zwischen Vertretern der Körperschaft (wie Geschäftsstelle, Vorstand und Beirat) und ihren Mitgliedern, Briefentwürfe, Notizen, unveröffentlichte Manuskripte, Typoskripte, Druckfahnen, Protokolle, Rechnungen, aber auch Gutachten, Anträge, Mitgliederkarteien, Personalakten, Lebensdokumente von Mitgliedern, Fotos, Baupläne und vieles mehr. Diese sehr heterogenen Dokumenttypen liegen als Original, Durchschlag, Kopie oder Abschrift vor; zum Teil auch mit hand- oder maschinenschriftlichen Arbeitsspuren.
Der Gesamtbestand des Archivs gliedert sich in 203 Ordner (A4, breit und schmal) bzw. Archivsammler (à ca. 300-400 Blatt). Gegenwärtig beträgt der gesamte Umfang ca. 17 Regalmeter.
Der Archivbestand wurde von der Hölderlin-Gesellschaft grob nach einem sachlichen Gliederungsschema systematisiert, die Ordner dementsprechend beschriftet (s. Anhang I.2). Sie lassen sich in folgende Gliederungsgruppen einteilen: Vorgeschichte und Gründung bzw. Wiedergrün-dung der Hölderlin-Gesellschaft (Ordner 1-10, 202), Publikationen der Hölderlin-Gesellschaft (Ordner 11-20), Jahresversammlungen (Ordner 21-27, 31, 203), Korrespondenz der Präsidenten bis 2006 (Ordner 28-29, 32-57, 187-189), Korrespondenz mit Mitgliedern bis 2016 (Ordner 58- 93), Korrespondenz mit ehemaligen Mitgliedern (Ordner 94-151), Korrespondenz mit Nicht-Mitgliedern (Ordner 152-173), DDR (Ordner 174-178), Einzelnes (Ordner 179-186), Korrespondenz mit korporierten Mitgliedern (Ordner 190-199), Hölderlin-Turm (Ordner 200-201).
Den Hauptteil des Archivbestands machen Briefwechsel aus. Die Ordner mit Korrespondenz sind in der Regel alphabetisch sortiert und umfassen: 1.) an die Hölderlin-Gesellschaft als bestandsbildende Institution gerichtete, 2.) von einem Vertreter der Körperschaft (Präsident, Vizepräsident, Geschäftsführung, Sekretariat etc.) verfasste, aber auch 3.) von Dritten an Dritte gerichtete Schriftstücke. Hinzu kommen zahlreiche andere Dokumenttypen, die in der Regel als Begleitmaterial der Korrespondenz beigefügt sind: Skizzen, Entwürfe und Ausarbeitungen mit wissenschaftlichem, künstlerischem, aber auch organisationalem oder verwaltungstechnischem Inhalt sowie Lebensdokumente (etwa Personalpapiere, Lebensläufe, Belege der schulischen und universitären Ausbildung, Privatfotos, Bankdokumente).
Die Ordner zu Publikationen der Hölderlin-Gesellschaft, Jahresversammlungen, Korrespondenzen der Präsidenten, zum Hölderlinturm sowie Einzelnes umfassen vor allem Dokumente der Wirtschafts- und Vermögensverhältnisse, der institutionellen Selbstorganisation sowie Zeitungsartikel.
Zur Erschließung
Von der hier dokumentierten Erschließung der Akten der Hölderlin-Gesellschaft ausgenommen ist ein Teilbestand, der bereits im Januar 1985 an das Stadtarchiv Tübingen übergeben wurde. Dieser 37 Archivkartons bzw. Bände umfassende Aktenbestand ist unter der Signatur E 10/N 8 verzeichnet und wurde bereits durch das Stadtarchiv grob systematisiert und grundständig archivalisch dokumentiert. Der Bestand E 10/N 8 umfasst vor allem die Buchungsjournale der Jahre 1943 bis 1975 sowie verschiedene Mitgliederkarteien seit 1943. Hinzu kommen ungeordnete Dokumente und Briefe, die bis ins Jahr 1920 zurückreichen, also in die Gründungszeit der inoffiziellen ‚Vorgängervereinigung‘ der Hölderlin-Gesellschaft, der Vereinigung zur Erhaltung und Erwerbung des Hölderlinturms.
Die vorliegende Verzeichnung orientierte sich an den von der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz und der Österreichischen Nationalbibliothek Wien betreuten Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen (RNA).
Die Erschließung des Archivs der Hölderlin-Gesellschaft erfolgte nach dem archivwissenschaftlichen Provenienzprinzip. Auf diesem Weg sollte der spezifischen Eigenart seiner institutionellen Herkunft Rechnung getragen werden: Um die Arbeitsstruktur einer literarischen Gesellschaft auch praxeologisch zu dokumentieren, wurde also die vorgefundene Gliederung des Archivbestands unverändert übernommen. Denn auf diese Weise gibt bereits das Gliederungsschema Auskunft über die Selbstorganisation der literarischen Vereinigung. Das Archivgut wurde zunächst in seinem ursprünglichen Ordnungszustand gesichtet und im Findbuch dokumentiert. Auf Umordnung und Kassation wurde verzichtet.
Dieser Ausgangspunkt der Erschließung bringt jedoch praktische Probleme mit sich: Das Archivgut wurde von der Hölderlin-Gesellschaft selbst sowohl nach Pertinenz- als auch Provenienzprinzip gegliedert; Schriftstücke liegen durch Kopie, Abschrift oder Durchschlag als Dubletten vor; die sachlichen oder chronologischen Gliederungsschemata sind nicht immer konsistent und kohärent.
[...]
Andrea Albrecht, Patrick Baumann, Roland Reuß und Sandra Schell
Heidelberg, im August 2022
Ergänzung
Der Bestand wurde ausführlich, teilweise bis auf die Ebene einzelner Dokumente, im Rahmen eines von der VolkswagenStiftung geförderten Projekts erschlossen. Die ausführliche Erschließung erfolgte in einer SQL-Datenbank. Das Ergebnis liegt in zwei als PDF-Datei generierten Fassungen vor: einer ausführlichen, die nur im Stadtarchiv genutzt werden kann, und einer Kurzfassung für die Öffentlichkeit.

Reference number of holding
E 423

Context
Stadtarchiv Tübingen (Archivtektonik) >> E: Fremdprovenienzen

Date of creation of holding
1843, 1920-2015

Other object pages
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Last update
29.04.2025, 8:21 AM CEST

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1843, 1920-2015

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