Archivale
Bruchstück
Regest: Vater: Er habe seinen Sohn zu allem Guten, Kirche und Schule angehalten. Aber er habe ihn nicht verführt.
Sohn: Sein Vater hab's getan, er solle in sein Gewissen gehen.
Vater: leugnet. Er habe ihn nicht angewiesen, mit Vieh und Hunden Unzucht zu treiben.
Sohn: In seinem Haus habe er ihn angewiesen, mit dem Hund Unzucht zu treiben.
Vater: Sein Sohn bringe ihn ins Unglück, worin er, der Sohn, jetzt bereits stecke.
Sohn: Der Vater habe ihn, als er 6 Jahr war, zur Hexerei verführt und dann zur Sodomiterei angewiesen. Gott im Himmel nehme sich jetzt seiner an. Wenn sein Vater das ausstehe (= ?), wie er jetzt ausstehen werde, könne er auch Gnad bei Gott finden. Der Vater solle sich wohl bedenken.
Hierauf wurde dem Vater beweglich zugesprochen, sein Gewissen zu prüfen und sein Unrecht Gott und der Obrigkeit getreulich zu bekennen. Aber er hat nichts gestehen wollen. Als der Vater den Sohn fragte, ob er mit ihm hinausgefahren sei, sagt der Sohn, sein Vater und sein ältestes Schwesterlein seien mit ihn hinausgefahren.
Vater: Es sei nicht wahr.
Sohn: Es sei doch wahr, und sein Vater habe ihn auch angewiesen, in den Stall zu gehen und mit seinem Kalbele Unzucht zu treiben. Das habe er auch getan, und während er solches verübte, sei der Vater außen vor dem Stall gestanden.
Vater: Wenn sein Sohn den letzten Tritt zu seinem Ende tue, so werde er bedenken, daß er ihm Unrecht getan habe.
Sohn: "Vater, gehe in dein Gewissen, kehre um!" Wenn seinem Vater Unrecht geschähe, fiele er auf seine Knie nieder weinend, daß die Zähren auf den Boden fielen.
Dann hieß er seinen Vater ernstlich aufmerken und las ihm das Gesängle (= Lied) vor: "Allein nach dir, Herr Jesu, verlanget mich."
Der Vater fiel auf seine Knie nieder und wünschte seinem Sohn die Seligkeit. Sein Sohn werde in die ewige Qual Gottes eingehen.
Nota. Auf Vorhalt sagte er, er habe sich im Reden verstoßen, er könne nicht schreiben und lesen.
Sohn: Sein Vater solle sich bekehren, damit sie einmal zusammenkommen und die Seligkeit genießen können.
Vater: Er werde ihn nicht mehr auf Erden sehen, wolle ihm deswegen die Seligkeit gewünscht haben.
Sohn: Wenn sich der Vater hier bekehre, hoffe er, daß sie dort einander bald im ewigen Leben sehen.
Hierauf wurde der Vater in den Turm geführt. Der Sohn aber blieb beständig dabei (= bei seinen Aussagen) und bat herzlich, ihm ein gnädiges Urteil widerfahren zu lassen.
Was die Reden und Gebärden des Vaters anlangt, hat er sich mit Worten meistens verstockt und hartnäckig, zuweilen schweifzig (= trübselig) erwiesen, unter das Angesicht aber furchtsam, bleich und ganz blaß ausgesehen. Er hat aber nicht den geringsten Bußtropfen vergossen. Der Vater ist noch ein junger, starker Mann und ungefähr etliche und 30 Jahr alt.
Nachdem dem Rat referiert war, wurde beschlossen, die Akten unverlängt (= ungesäumt) ad consulendum (zur Begutachtung) zu überschicken, mit der Exekution aber fürzufahren (= fortzufahren).
- Archivaliensignatur
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A 2 f (Hexenprozesse) Nr. A 2 f (Hexenprozesse) Nr. 7804
- Umfang
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4 S.
- Formalbeschreibung
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Beschreibstoff: Pap.
- Sonstige Erschließungsangaben
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Bemerkungen: Wenn die aussagenden Personen die beiden Faßnacht, Vater und Sohn, sind, so kann das oben gegebene Datum vermutet werden. Die ausführlichen Zusätze auf dem Rand zeigen eine andere Handschrift als der übrige Text.
Genetisches Stadium: Or.
- Kontext
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25) >> Bd. 23 Hexenprozesse
- Bestand
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A 2 f (Hexenprozesse) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25)
- Laufzeit
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vielleicht 1660 Juni 1 (ohne Datum)
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
20.03.2025, 11:14 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Archivale
Entstanden
- vielleicht 1660 Juni 1 (ohne Datum)