Bestand
270,57/MGV Arion Bielefeld gegründet 1859 (Bestand)
Form und Inhalt: Vorwort zum Bestand 270,57/MGV Arion Bielefeld gegründet 1859
Der Männergesangverein Arion Bielefeld gegründet 1859 ist der älteste noch bestehende Gesangverein in der Stadt Bielefeld. Älter waren nur die Bielefelder Liedertafel von 1831, der Bürgergesangverein (1847) und der MGV "Harmonie" (1849), die nicht mehr existieren. Früher ins Leben gerufen worden und weiterhin bestehend sind Vereinsgründungen anderer Art wie der Musikverein (1820), die Bielefelder Schützengesellschaft (1831) und die Bielefelder Turngemeinde (1848).
Am 16. September 1859 gründeten 13 Männer im Modersohn´schen Saal den MGV Arion und bestimmten Wilhelm Budde zum Liedervater (Vorsitzenden), der bis zu seinem Tod 1886 amtierte. Rudolf Langenbach wurde zum Gesangmeister, A. Schloemann zum Schriftführer und Carl Stenner zum Kassierer gewählt. Der "Ravensberger Hof" August Bouchers diente dem Arion als Vereinslokal. Bereits am 16. Oktober 1859 trat der junge Chor in der neuen Tonhalle auf dem Johannisberg mit einem Konzert anlässlich des Jubiläums der Völkerschlacht bei Leipzig erstmalig öffentlich auf, 14 Tage später erneut auf dem Johannisberg.
Zehn der Gründungsmitglieder hatten zuvor der Liefertafel angehört. Bis Sommer 1860 mindestens gab es innerhalb der Liedertafel oder im Verhältnis zum Arion Missstimmungen. Im Vorfeld eines Liederfests auf dem Johannisberg 1860 appellierte das Bielefelder Kreisblatt v. 20. Juni 1860, dass es zu verhindern gelte, Gästen einen Einblick "in innere Zerwürfnisse und Spaltungen" zu verschaffen. Am 23. Juni 1860 veröffentlichte dieselbe Zeitung eine Reaktion, die der, ansonsten wenig öffentlich wirkenden, Liedertafel vorwarf, den Arion nicht offiziell eingeladen, sondern auf "Schleichwegen" versucht zu haben, Arion-Mitglieder für die Veranstaltung zu gewinnen, was "ganz und gar dem stets vorhanden gewesenen und noch vorhandenen Bielefeld Musik-Klüngel in optima forma" entspreche. Dennoch trat der Arion beim Bielefelder Sängerfest am 20. bis 22. Juli 1860 auf: "Es wurde viel und gut gesungen, namentlich gefiel der Bielefelder ´Arion´, ein Verein von 11 Sängern" (Bielefelder Kreisblatt v. 8. August 1860).
Es folgten weitere, zumeist wohltätigen Zwecken gewidmete, Konzerte und 1861 ein Auftritt beim erneuten Fest der Liedertafeln des norddeutschen Bundes auf dem Bielefelder Johannisberg. 1862 wurde der Arion in diesen Bund aufgenommen und erhielt eine erste Vereinsfahne, die allerdings wegen ihrer Farbwahl (Schwarz-Rot-Gold) als pro-republikanische Äußerung interpretiert wurde, was beim Bundesfest in Hannover zu einer förmlichen Ausladung vom königlichen Empfang führte. In diese republikanische Gesinnungstradition gehört auch die Ausrichtung einer Freiligrath-Feier 1869 in Bielefeld zu Ehren des im Londoner Exil lebenden Dichters Ferdinand Freiligrath (1810-1876). Zu den Gästen zählten die bekannten Dichter Emil Rittershaus (1834-1897) und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874). Korrespondenzen mit anderen Männergesangvereinen weisen eher auf eine Orientierung nach Niedersachsen als ins Westfälische.
Beim 50. Vereinsjubiläum 1909 zählte der Arion 67 aktive und 250 passive Mitglieder sowie fünf Ehrenmitglieder (insg. 322), 1959 noch 54/101(davon 32 Inaktive)/1 (156), 1984 waren es 44/56/1 (101) und 2009 nur noch 23/20/1 (44).
Der Mitgliederrückgang und damit einhergehend das verminderte Chorvolumen und Stimmbreite bewirkten auch eine Umstellung des musikalischen Portfolios weg von Wettsingen, Oratorien und den Konzertsälen hin zur Hausmusik und kleineren Veranstaltungen. Erst um das Jahr 2000 fand eine erneute Kehrtwende von einem "Freundeskreis für Gesang und Geselligkeit" zurück auf die Konzertbühne statt, was die Satzung von 1992 (die erste in der Vereinsgeschichte) reflektierte.
Dirigenten
- Rudolf Langenbach, 1859-1862
- Fritz Schröter, 1862-1865
- W. Schmidt, 1865-1866
- Carl Dietrich, 1866-1869
- Joseph Schulz-Weida, 1869-1870
- Maximilian Nachtmann, 1871-1873
- Karl Machts, 1874
- Prof. Dr. Hugo Riemann, 1874-1878
- Prof. Dr. Arnold Mendelssohn, 1883-1886
- Wilhelm Lamping, 1886-1927
- Hans Elling, 1927-1928
- Otto Siegl, 1928-1933
- Herbert Tilker, 1933-1934
- Prof. Dr. Werner Gößling, 1934-1941
- Adam Rauh, 1941-1944
- Max Cahnbley, 1945-1946
- Ludwig Falkenthal, 1946-1947
- Helmut Franz, 1947-1953
- Karl Haußner, 1953-1958
- Dr. Werner Bitter, 1958-1959
- Dr. Werner Bitter/Herbert Tilker, 1959-1966
- Herbert Tilker, 1967-1980
- Fritz Schulz, 1981-1982
- Herbert Tilker, 1982-1984
- Dr. Konrad Giebeler, 1984-1999
- Florian Straetmanns, seit 1999
Liederväter
- Wilhelm Budde, 1859-1886
- Emil Adriani, 1886-1899
- Louis Niestrath, 1899-1907
- Richard Fasbender, 1907-1913
- Otto Nordmeyer, 1913-1924
- Richard Fassbender, 1924-1935
- Otto Clüsener, 1935-1939
- Dr. Thedor Kaselowsky, 1939-1945
- Otto Clüsener, 1945-1950
- Hans-Joachim Klasing, 1950-1955
- Ernst Kisker, 1955-1960
- Hellmut Kamloth, 1960-1968
- Heinz-Werner Mücke, 1969-1979
- Hellmut Kamloth, 1980-1983
- Kurt Kühn, 1983-1985
- Wolfgang Krauß, 1985-1990
- Reinhard Hülsmann, 1990-1994
- Norbert Middel, 1994-1997
- Gustav Puls, 1997-2021
- André Schäckel, seit 2021.
Bestandsgeschichte
Der Bestand wurde am 26. Oktober 2022 als Schenkung übernommen und danach als Verzeichnungseinheiten (VE) 1 bis 99 und 200 verzeichnet, die VE 100 kam am 14. Dezember 2022 hinzu. Er war zuletzt in einem Kellerraum in der Grünstraße gelagert. Die vorgefundenen Akten waren offensichtlich teilweise nachträglich formiert worden, wie Risskanten etc. vor allem des Schriftguts von ca. 1870 bis 1900 belegen, das zuvor gebunden war.
Im Juli 1946 (VE 93) wertete Richard Fassbender, der 1907-1913 und 1924-1935 als Liedervater amtierte, Schriftstücke aus dem Nachlass des früheren Schriftführers Karl Baumhöfener aus, darunter das Briefkopierbuch (VE 6) und eine Mappe mit Schriftstücken 1878-1889.
1976 erwähnt das Mitglied Hans Thermann, dass Dr. Theodor Kaselowsky und er beim "Ausräumen des Bücherschrankes vor der Vernichtung der alten Eintracht" (Vereinsgebäude) die "Bücher gerettet" haben, "die heute noch benutzt werden" (VE 49). Wahrscheinlich handelte es sich hierbei um die alten Liederbücher und nicht um Vereinsschriftgut, das nur punktuell/phasenweise überliefert ist.
Vor 1945 nämlich sind die Zeiträume 1870 bis 1900 und 1942 bis 1945 mit Dokumenten (vor allem Beitrittsunterlagen, Veranstaltungskorrespondenz) belegt, wobei Jahres- und Kassenberichte sowie Protokolle von Generalversammlungen und Vorstandssitzungen durchgängig fehlen.
Bestandsordnung
Es lagen mehrere Ordner mit "Arion"-Beschriftungen und z.T. überlappenden Zeitabschnitten vor, so dass von Akten verschiedener Vorstandsmitglieder (Vorsitzender, Schriftführer, Schatzmeister) auszugehen ist, deren Unterlagen Eingang in das Vereinsarchiv fanden. Doppelungen sind damit unvermeidbar. Innerhalb von Einzelakten festgestellte Mehrfachexemplare von Protokollen, Berichten, Festschriften wurden entnommen.
Von den Gesangs-/Liederbüchern wurde aus jeder Serie nur ein Exemplar übernommen - weitere Einzelexemplare sind absprachegemäß dem Historischen Museum der Stadt Bielefeld zugeleitet worden.
Ein offensichtlich nachträglich zusammengestellter Sammelordner mit Unterlagen bis ca. 1895 wurde nach inhaltlichen Kriterien auf die VE 54 bis 60 aufgeteilt, wobei unter VE 54 verzeichnete Aufnahmeanträge 1894-1896 sich zuvor in einem weiteren Sammelordner befanden.
Der Bestand umfasst 101 VE (Stand: 15. Dezember 2022).
Hinweise zur Benutzung
Ergänzende Unterlagen befinden sich vor allem in den Beständen:
- 270,9/Musikverein
- 300,3/Chöre und Kapellen, Nr. 168
- 400,1/Westermann-Sammlung, Nr. 15, 43 und 228
- 400,2/Zeitungen
- 400,10/Zeitgeschichtliche Sammlung, diverse Programme etc.
Archivalienbestellungen: Bestand 270,57/MGV Arion, Nr. #
Zitation: Stadtarchiv Bielefeld/StArchBI, Bestand 270,57/MGV Arion gegründet 1859, Nr. #
Literatur
- Blindow, Martin, Hugo Riemann. Chordirigent in Bielefeld von 1874 bis 1878, in: Ravensberger Blätter 2007, Heft 1, S. 16-29
- Das Fest in Bielefeld, Köln 1869
- Engel, Gustav, Männergesangverein "Arion". Festschrift zum 100jährigen Bestehen, Bielefeld 1959
- Ferrari, Rolf J., Männergesangverein "Arion" von 1859. Festschrift und Chronik der Jahre von 1959 bis 1984 anlässlich des 125jährigen Bestehens, Bielefeld 1984
- Gabel, Ursula, Das Chorleben in Bielefeld als Beispiel der Musikpflege in einer mittleren Stadt, (Hausarbeit Universität Köln), 1944, ca.
- Konersmann, Frank, 150 Jahre Singen im Arion - 1859-2009. Männerchorgesang "im Dienste der Freiheit" und "im Dienste der Öffentlichkeit". Festschrift zum 150. Jubiläum des Männergesangvereins Arion in Bielefeld, Bielefeld 2009
- ders., Zur Relevanz und Brisanz republikanischer Traditionen in Deutschland und im Männergesangsverein ARION in Bielefeld, in: Ravensberger Blätter 2018, Heft 1, S. 1-14
- Oberschelp, Jürgen, Das öffentliche Musikleben der Stadt Bielefeld im 19. Jahrhundert (Kölner Beiträge zur Musikforschung, Bd. 66), Regensburg 1972
Bielefeld im Dezember 2022
Dr. Jochen Rath, Stadtarchivdirektor
- Reference number of holding
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270,057/MGV Arion Bielefeld gegründet 1859
- Context
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Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (Archivtektonik) >> Nichtamtliches Schriftgut >> Vereine und Verbände
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06.03.2025, 6:28 PM CET
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- Bestand