Bestand
Notariat Sachsenheim: Todesanzeigen von Fremdarbeitern des Krankenlagers Großsachsenheim an das Nachlassgericht (Bestand)
Inhalt und Bewertung
Der Bestand enthält 624 einzelne Todesanzeigen. Sie wurden vom Standesamt Großsachsenheim an das Nachlassgericht Großsachsenheim gemeldet und betreffen Fremdarbeiter, die im sogenannten Krankenlager Großsachsenheim zwischen Anfang Mai 1943 und Ende April 1945 starben. Das Krankenlager Großsachsenheim wurde ab Mai 1943 betrieben, um das Durchgangslager (DULAG) Bietigheim, durch das von 1941-1945 rund 200.000 Fremdarbeiter verteilt und vermittelt wurden, von den langfristig und vor allem von den ansteckenden Kranken (und auch von den Sterbenden und Toten) zu entlasten. Wie viele Menschen das Krankenlager Großsachsenheim passierten, ist mangels erhaltener Unterlagen nicht mehr zu ermitteln. Die Zahl der im Krankenlager Großsachsenheim Vestorbenen wird auf eine Größenordnung zwischen 540 und 780 geschätzt.
Die Toten wurden im Lager selbst registriert und an den Bürgermeister gemeldet, der sie in ein spezielles Totenbuch eintrug. Die Unterlagen zu beiden Vorgängen befinden sich vermutlich im Stadtarchiv Großsachsenheim.
Erst gut ein Jahr nach den ersten Todesfällen wurde dann auch die eigentlich nach § 14 der Verordnung des Justizministeriums vom 10. März 1933 über das Nachlasswesen vorgeschriebene Meldung an das Notariat (Nachlassgericht) Großsachsenheim aufgenommen. Auf der ersten Todesanzeige vermerkte der Bezirksnotar Esslinger unter dem 22.5.1944:
"Nach Auskunft des Arbeitsamts Ludwigsburg (Krankenlager für ausländische Arbeiter von Großsachenheim) hat diese Verwaltung etwaige Nachlassgegenstände (insbesondere Sparguthaben aus Arbeitslohn) der verstorbenen russischen Staatsangehörigen in Verwahrung und Verwaltung übernommen, bis Weisung von der zuständigen [...]dienststelle über eine weitere Verwendung des Nachlasses ergeht. Ein Fürsorgebedürfnis für den Nachlass ist nicht vorhanden, sonach entfällt eine amtliche Tätigkeit" (Textverlust durch Lochung).
Das Notariat heftete damit sämtliche Todesanzeigen einfach ab.
Erst 2015 wurden sie im Rahmen der Aktensichtung vor der Auflösung des Notariats Sachsenheim dem Staatsarchiv übergeben (Zugang 2015/147). Sie befanden sich in zwei Sammelordnern mit marineblauem Leineneinband, welche ursprünglich zur Aufnahme der Loseblatt-Ausgabe von Werner Hoche: 'Deutsches Kriegsrecht. Umfassende, systematisch geordnete Sammlung der seit Kriegsausbruch erlassenen Gesetze und Verordnungen' vorgesehen waren.
Zum Krankenlager Großsachsenheim, auch zur Problematik der (Un-)Vollständigkeit der Totenlisten, s.: Elisabeth Wanjura: Das Krankenlager und sein Friedhof in Großsachsenheim. NS-Arbeitsverwaltung und alliierte Besatzung 1943-1946. Noirétable o.J. (2017) (Editions de l'Avière). ISBN 978-2-9559235-0-4. Dienstbibliothek Staatsarchiv Ludwigsburg: Bd 121.
Eine unter Mitwirkung des Ukrainischen Vereins Stuttgart erarbeitete Totenliste mit 667 Namen und aktuellen Ortsnamen (Stand: April 2018) befindet sich bei den Registraturakten des Staatsarchivs unter: 751-0503-N-122/1. Unterlagen befinden sich ebenfalls im Stadtarchiv Sachsenheim.
31.05.2019 Dr. Elke Koch
- Reference number of holding
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, FL 312/122 III
- Extent
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624 Formularblätter (0,1 lfd. m)
- Context
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Untere Verwaltungsbehörden seit um 1945 >> Geschäftsbereich Justizministerium >> Staatliche Notariate
- Date of creation of holding
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1944-1946
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rights
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Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Last update
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18.04.2024, 10:40 AM CEST
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1944-1946