Bestand
Amtsgericht Wittlage/Bad Essen (Bestand)
Bestandsgeschichte: Das Amtsgericht Wittlage als untere Instanz der Rechtsprechung besteht als "Amtsgericht" seit 1852, hat aber Vorbehörden, die sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lassen. In der damaligen Zeit - erstmals 1231 erwähnt - ist dies das Gogericht Ostercappeln (ältere Bezeichnung: Up der Angelbeke). Im Zuge der Ausbildung der Territorien kommt das Gogericht Ostercappeln 1505 durch Ankauf von den von Bar in den Herrschaftsbereich des Fürstbischofs von Osnabrück und bleibt bis zur Säkularisation 1802 Bestandteil des Fürstbistums. Als bischöfliches Untergericht umfasst es das Gebiet der beiden Ämter Wittlage und Hunteburg. Der ravensbergische Teil um Limberg ist 1664 abgetreten worden. Zum Gogericht Ostercappeln gehörten demnach für das Amt Wittlage die Kirchspiele bzw. Vogteien Essen, Lintorf und Barkhausen, für das Amt Hunteburg die von Hunteburg, Ostercappeln und Venne. Bemerkenswert ist, dass schon damals auf unterer Ebene Verwaltung und Rechtsprechung getrennt sind, auch räumlich: die Rechtsprechung erfolgt beim Gogericht in Ostercappeln, die Verwaltung bei den Ämtern in Wittlage und in Hunteburg.
Das Gogericht als unterste Instanz der Rechtsprechung, an seiner Spitze der Gograf, ist in allen Angelegenheiten der freiwilligen und streitigen Zivilgerichtsbarkeit in erster Instanz zuständig, allerdings in Konkurrenz mit der Justizkanzlei, dem Offizialatsgericht und den Archidiakonalgerichten. In Kriminalsachen führt der Gograf nur die Untersuchung; die Berichte darüber leitet er an die Land- und Justizkanzlei weiter. Komplizierte Fälle der Amtsbrüchtengerichte werden an das Gogericht verwiesen. Schließlich nimmt das Gogericht die alle 7 Jahre stattfindende Scheffel-, Haspel- und Kannenwroge vor.
Bestandsgeschichte: Für Appellationen gegen Urteile des Gogerichts ist das Osnabrücker Obergogericht zuständig, ab 1585 die Land- und Justizkanzlei Osnabrück als oberes Gericht des Fürstbistums für Kriminal- und Zivilsachen.
Der Zugehörigkeit des Gogerichts Ostercappeln zum Fürstbistum Osnabrück folgt die unruhige Zeit im Gefolge der Französischen Revolution. 1802 kommt das Gogericht zusammen mit dem Fürstbistum an Hannover, 1803 - 1805 folgt die Okkupation durch die Franzosen, 1806 die Einverleibung in Preußen. In der napoleonischen Zeit von 1807 - 1813 werden Verwaltung und Justiz völlig neu geregelt. Es wird eine strenge Trennung von Exekutive und Legislative durchgeführt. Auf unterster Justizebene wird für jeden Kanton ein Friedensgericht eingerichtet.
Im Gebiet des ehemaligen Gogerichts Ostercappeln sind dies das Friedensgericht Ostercappeln für den Kanton Ostercappeln (sich deckend mit dem Gebiet des ehemaligen Amtes Hunteburg) und das Friedensgericht Wittlage für den Kanton Essen (sich deckend mit dem Gebiet des ehemaligen Amtes Wittlage). Die Kantone Ostercappeln und Essen gehören 1807 - 1811 zum Distrikt Osnabrück des Weserdepartements im Königreich Westfalen, 1811 - 1813 zum Arrondissement Osnabrück des Ober-Ems-Departements des Kaiserreichs Frankreich. Dabei erhält der Kanton Essen 1811 die Kirchspiele bzw. Mairien Buer und Oldendorf im Süden hinzu, der Kanton Ostercappeln die Mairie Schledehausen. Demnach gehören 1811 - 1813 zum Kanton Essen die Mairien Essen, Lintorf, Barkhausen, Buer, Oldendorf, zum Kanton Ostercappeln die Mairien Ostercappeln, Hunteburg, Venne, Bohmte, Schledehausen.
Die Friedensgerichte sind zuständig für Klagen bis zu einem Streitwert von 74 fr. in erster und letzter Instanz. Bei einem Streitwert von 75 - 148 fr. ist die Appellation an das übergeordnete Tribunal Osnabrück möglich. Die Friedensgerichte sind auch zuständig bei Flur- und Grenzangelegenheiten, bei Lohn-, Miet- und Pachtsachen. In Kriminalsachen führen sie die erste Untersuchung durch; als Munizipalpolizei verhängen sie auch Polizeistrafen.
Bestandsgeschichte: Nach dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft werden die Friedensgerichte abgeschafft, die alten fürstbischöflichen Gogerichte mit ihrer ausschließlichen Kompetenz für die Rechtspflege aber nicht wieder eingeführt. Stattdessen wird die Rechtsprechung nach althannoverschem Vorbild von den Ämtern als den unteren Verwaltungs- und Justizbehörden wahrgenommen; die ehemaligen fürstbischöflichen Ämter Wittlage und Hunteburg sind 1813 zusammen mit dem ehemaligen Fürstbistum Osnabrück wieder an Hannover gekommen. Dabei werden aufgrund des Publikandums von 1814 die Ämter Wittlage und Hunteburg zusammengefasst und bilden das Amt Wittlage-Hunteburg mit Sitz in Wittlage, das auch die Rechtsprechung des früheren Gogerichts Ostercappeln übernimmt. Bereits 1805 hatte Hannover das alte Gogericht Ostercappeln mit dem Amt Wittlage zusammengelegt. Dies war aber nur ein kurzes Zwischenspiel.
Die Verbindung von Administration und Justiz in Form des "Amtes" findet ihren Abschluss in der hannoverschen Amtsordnung vom 3. Mai 1823. Danach sind die Ämter als Justizbehörden erster Instanz zuständig für alle Angelegenheiten der freiwilligen und streitigen Zivilgerichtsbarkeit, soweit diese nicht in die Kompetenz der zweiten Instanz fallen, hier der Justizkanzlei Osnabrück. In der Strafgerichtsbarkeit sind die Ämter mit den Voruntersuchungen betraut. Appellationen vom Amt Wittlage-Hunteburg gehen an die Justizkanzlei Osnabrück.
Das Amt Wittlage-Hunteburg umfasst die Vogteien Wittlage mit den Kirchspielen Essen, Lintorf und Barkhausen, Hunteburg mit den Kirchspielen Hunteburg und Venne, Ostercappeln mit den Kirchspielen Ostercappeln und Bohmte.
Durch die Änderung des Landesverfassungsgesetzes am 5. September 1848 wird die vollständige Trennung von Justiz und Verwaltung vorgeschrieben. Die Amtsordnung von 1823 muss daher aufgehoben werden.
Bestandsgeschichte: Das Gerichtsverfassungsgesetz vom 8. November 1850 schreibt die Bildung selbständiger, von den Ämtern unabhängiger Amtsgerichte vor. Gemäß der Verordnung vom 7. August 1852, die am 1. Oktober 1852 in Kraft tritt, entsteht das eigentliche Amtsgericht Wittlage. Sein Sprengel ist deckungsgleich mit dem des vormaligen Amtes Wittlage-Hunteburg, das nun zur reinen Verwaltungsbehörde wird. Das Amtsgericht Wittlage ist 1852 - 1859 für beide Amtsbezirke zuständig. Das spiegelt sich auch in der internen Gebietsaufteilung des Amtsgerichts wieder. Es gibt den Bezirk Wittlage und den Bezirk Hunteburg. Diese interne Einteilung bleibt auch über das Jahr 1859 hinaus bestehen.
Das neue Amtsgericht ist zuständig für alle Angelegenheiten der freiwilligen und streitigen Zivilgerichtsbarkeit bis zu einem Streitwert von 100 Talern, ebenso für Steuer- und Zollvergehen. Die Strafprozessordnung weist dem Amtsgericht Voruntersuchungen in bestimmten Fällen zu. Auch ist es für Polizeistrafsachen kompetent. - Appellationen gehen an das neu eingerichtete Obergericht Osnabrück.
Eine erhebliche Kompetenzerweiterung erfährt das Amtsgericht durch das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877, das am 1. Oktober 1879 in Kraft tritt. Während das Amtsgericht und seine Vorläufer bisher in Strafsachen nur Voruntersuchungen führen durften, ist es jetzt zum ersten Mal befugt, als Schöffengericht mit zwei Beisitzern auch in Kriminalsachen zu entscheiden. Appellationsinstanz ist das neu gebildete Landgericht Osnabrück. Der Gerichtssprengel des Amtsgerichts Wittlage bleibt von der Reform unberührt. Ab 1885 ist das Amtsgericht Wittlage zuständig für das Gebiet des neu gebildeten Landkreises Wittlage, dessen Gebiet mit dem des vormaligen Amtes Wittlage-Hunteburg deckungsgleich ist. 1920 wird das Amtsgericht von Wittlage nach Bad Essen verlegt. Der Landkreis Wittlage und mit ihm das Amtsgericht Bad Essen bleiben auch nach 1945 bestehen. Im Zuge einer Verwaltungsreform geht am 1. Juli 1972 der Landkreis Wittlage im neuen Landkreis Osnabrück auf, analog am 1.1.1973 das Amtsgericht Bad Essen im Amtsgericht Osnabrück.
Bestandsgeschichte: Der Bestand:
Der hier vorliegende Bestand umfasst Akten vom 17. bis ins 20. Jahrhundert; allerdings ist die Überlieferung aus älterer Zeit auf Einzelstücke begrenzt; der Schwerpunkt liegt eindeutig im 19. Jahrhundert. Aus der Behördengeschichte wird schon ersichtlich, wo Registraturschnitte zu erwarten sind. Demnach wurde der Bestand in sechs zeitliche Abschnitte unterteilt [...]
In der französischen Zeit wurde das alte Gogericht Ostercappeln bekanntlich aufgeteilt in die Friedensgerichte Ostercappeln und Wittlage. Eine Aufteilung der übernommenen Akten wurde aber nicht vorgenommen, da die Anzahl zu gering ist und da die Nachfolgebehörde, das Amt Wittlage-Hunteburg, z.T. Akten aus beiden Friedensgerichten zusammengefasst hat, deren Auseinandertrennung schwierig wäre. Zeitlich ergeben sich in den beiden ersten bewegten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Überschneidungen bei den vorgenommenen Registraturschnitten, die durch den häufigen Machtwechsel und das langsame Reagieren der Behörde darauf zu erklären sind. Für die Zeit 1814 - 1852 ist zu beachten, dass der vorliegende Bestand nur einen Teil, den der Justizangelegenheiten des Amtes Wittlage-Hunteburg, ausmacht. Der andere Teil, die Verwaltung, ist in Rep 350 Wittlage-Hunteburg überliefert. das Provenienzprinzip ist hier durchbrochen; der Bestand Rep 350 Wit ist daher als Ergänzung zum Bestand Rep 950 Ess hinzuzuziehen.
Bestandsgeschichte: Der Bestand kam in den Akzessionen Akz. 2/1894, Akz. 9/1949 und Akz. 43/1973 ins Staatsarchiv und umfasst 21 lfd. m. mit 1130 Nummern.
Er wurde von dem Unterzeichneten im Juli/August 1981 verzeichnet.
gez. Reinhard Müller
Zusatzinformationen: Abgeschlossen: Nein
Zusatzinformationen: teilweise verzeichnet
Zusatzinformationen: Erbschaftsakten wurden unter der Akzessionsnummer 2017/83 mit der Laufzeit 1915-1957 im November 2017 verzeichnet.
Hinweise 2010/11:
Die Grundbücher befinden sich jetzt im Bestand Rep 957.
Mehrere Protokollbände wurden in den Bestand Rep 955 eingeordnet.
- Bestandssignatur
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NLA OS, Rep 950 Ess
- Umfang
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9 Regalmeter (1.177 Verzeichnungseinheiten)
- Kontext
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Nds. Landesarchiv, Abt. Osnabrück (Archivtektonik) >> Gliederung >> 1 Behörden des Staates und der kommunalen Verwaltung >> 1.3 Justiz >> 1.3.3 Hannoversche, preußische und niedersächsische Zeit >> 1.3.3.1 Ordentliche Gerichtsbarkeit >> 1.3.3.1.3 Gerichte der ersten Instanz
- Verwandte Bestände und Literatur
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Literatur: 1. Beständeübersicht des Staatsarchivs Osnabrück 2. Bär, Max: Abriss einer Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks Osnabrück. Hannover und Leipzig 1901. (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, hrsg. vom Historischen Verein für Niedersachsen Band V) 3. Penners, Theodor: Der Landkreis Wittlage: Politische und territoriale Entwicklung. (Sonderdruck aus: Der Landkreis Wittlage, Veröffentlichung des Niedersächsischen Landesverwaltungsamtes - Kreisbeschreibungen - Band 18. Hannover 1961) 4. Aufbewahrungsbestimmungen: Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen für das Schriftgut der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaften und der Justizvollzugsbehörden. Beschluss der Konferenz der Justizverwaltungen des Bundes und der Länder vom 23. und 24. November 1971 in Düsseldorf.
Literatur: 5. Ortsverzeichnisse, Statistische Handbücher: - Wrede, Günther: Geschichtliches Ortsverzeichnis des ehemaligen Fürstbistums Osnabrück, Band I, Hildesheim 1975, Band II im Druck (Veröffentlichung des Hist. Komm. für Niedersachsen und Bremen XXX 3) - Düring. A.v.: Ortschafts-Verzeichnis des ehemaligen Hochstifts Osnabrück, Osnabrücker Mitteilungen 21, 1896 - Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Westfalen. Hannover 1811. - Statistisches Jahrbuch des Oberemsdepartements für die Jahre 1812 und 1813, 2 Bände Osn. 1812 und 1813 - Ubbelohde, W.: Statistisches Repertorium über das Königreich Hannover. Hannover 1823 - Harsein, F.W. und C. Schlüter: Statistisches Handbuch für das Königreich Hannover. Hannover 1848 - Ringklib, H.: Statistische Übersicht der Einteilung des Königreichs Hannover nach Verwaltungs- und Gerichtsbezirken - Statistisches Handbuch der Provinz Hannover. 1. - 6. Aufl. Hannover 1851, 1853, 1859, 1880, 1885, 1897 (bearbeitet von J.J. Kettler) - Loeblich, Arno: Gemeindehandbuch für die Provinz Hannover. Hannover 1938 - Amtliches Gemeindeverzeichnis für Niedersachsen, Gebietsstand 1. Oktober 1951. Hannover 1952. (Veröffentlichung des Niedersächsischen Amtes für Landesplanung und Statistik, Reihe F. Bd. I H. 2) - Gemeindeverzeichnis für Niedersachsen, Stand 1. Juli 1972, 1. Januar 1973, 1. März 1974. Hannover 1972, 1973, 1974. 6. Joulia, A.: Ein französischer Verwaltungsbezirk in Deutschland: Das Oberems-Departement 1810 - 1813 (mit 2 Karten) in: Osnabrücker Mitteilungen. Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück. Band 80/1973. Osnabrück 1973
- Bestandslaufzeit
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1656-1965
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
-
16.06.2025, 10:42 MESZ
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1656-1965