Interesse als Kategorie zur Erforschung frühneuzeitlicher Außenbeziehungen. Überlegungen am Beispiel der Westfälischen Friedensverhandlungen
Seit dem 17. Jahrhundert gilt Interesse als „Schlüsselkategorie“ der politischen Sprache (Herfried Münkler). Auch heute ist der Begriff in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen präsent: in den Internationalen Beziehungen, den Politikwissenschaften, der Soziologie, den Wirtschaftswissenschaften, der Anthropologie oder den Geschichtswissenschaften. Häufig erscheint Interesse dabei als wertneutrale, feststehende und vielfältig einsetzbare Kategorie. Dabei beschreibt es zunächst ein relationales Verhältnis zwischen Akteur und Bezugsobjekt. Was als Interesse definiert wird, unterliegt gesellschaftlichen Normen und Werten und damit dem Wandel. Dieser Beitrag untersucht diesen prominenten, aber oft unscharf bleibenden Terminus, indem er zunächst einen Überblick über seinen Stellenwert in verschiedenen modernen Wissenschaftsdisziplinen gibt, um dann den frühneuzeitlichen Gebrauch im politik-theoretischen Diskurs und in der diplomatischen Praxis zu betrachten. Als Fallstudie dient die diplomatische Kommunikation auf dem Westfälischen Friedenskongress. Die zeitgenössische Verwendung des Begriffs im diplomatischen Kontext zeigt, dass Interesse (1) der Beschreibung menschlichen Verhaltens und (2) der Verortung der eigenen Position sowie der von Dritten zueinander diente. Als Element politischer Sprache erfüllte Interesse eine integrative bzw. exkludierende Funktion. In diesem Sinne kann ein kulturgeschichtlich-fundierter Ansatz den beschreibenden Charakter des Begriffs aufgreifen. Interesse ist somit eine beschreibende, relationale Kategorie, die helfen kann, Akteurs-Bezugsobjekt-Konstellationen zu analysieren – im 17. wie im 21. Jahrhundert.
Abstract: Since the 17th century, interest has been considered a „key category” of political language (Herfried Münkler). Today, the term can be found in various scientific disciplines: in international relations, political science, sociology, economics, anthropology or history. Here, interest often appears as a neutral, fixed and versatile category. Yet, it initially describes the relation between actor and object of interest. What is defined as interest is subject to social norms and values and thus to change. This paper examines this prominent but seldom defined term by first providing an overview of its status in various modern academic disciplines and then looking at its early modern usage in political-theoretical discourse and diplomatic practice. Diplomatic communication at the peace congress of Westphalia serves as a case study. The contemporary use of the term in the diplomatic context shows that interest helped (1) to describe human behaviour and (2) to situate one’s own position and that of third parties in relation to each other. As an element of political language, interest fulfilled an integrative or rather exclusionary function. In this sense, a cultural-historical approach can make use of the descriptive character of the term. Interest is thus a descriptive, relational category that can help to analyse actor–object of interest constellations – in the 17th as well as in the 21st century.
- Alternative title
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Interest as a Category for the Study of Early Modern Foreign Relations. Reflections on the Example of the Westphalian Peace Negotiations
- Location
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Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main
- Extent
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Online-Ressource
- Language
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Deutsch
- Bibliographic citation
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Interesse als Kategorie zur Erforschung frühneuzeitlicher Außenbeziehungen. Überlegungen am Beispiel der Westfälischen Friedensverhandlungen ; volume:314 ; number:3 ; year:2022 ; pages:569-598 ; extent:30
Historische Zeitschrift ; 314, Heft 3 (2022), 569-598 (gesamt 30)
- Creator
- DOI
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10.1515/hzhz-2022-0013
- URN
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urn:nbn:de:101:1-2022090314093607161158
- Rights
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Open Access; Der Zugriff auf das Objekt ist unbeschränkt möglich.
- Last update
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15.08.2025, 7:37 AM CEST
Data provider
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