Bestand
Nachlass Hermann Fecht (1880-1952), Justizminister des Landes Baden (Bestand)
Überlieferungsgeschichte
Geschenk 2006 von Dr. Reiner Haehling von
Lanzenauer
Biographie: Hermann Leopold
Fecht kam am 20. Mai 1880 in Bretten als Sohn des Oberförsters
Ludwig (1853-1901) und Frieda Fecht (1858-1899), geborene Gerwig,
zur Welt. Nach dem mit "sehr gut" absolvierten Abitur am Gymnasium
Hohenbaden in Baden-Baden 1898, wo er sich in allen Klassenstufen
als Primus präsentiert hatte, ergriff er das Studium der
Rechtswissenschaft an den Universitäten Heidelberg, Berlin und
Straßburg. 1902 legte er das erste juristische Staatsexamen ab und
wurde in Heidelberg zum Doktor der Rechte promoviert, 1906 folgte
die zweite juristische Staatsprüfung. Am 28. Mai 1915 vermählte er
sich mit Hilda Egle (1889-1968), mit der er eine Tochter, Maria
Helene Frieda (1916-1918), genannt Marlene, hatte. Nach dem
Eintritt in das badische Ministerium des Innern, in dem er ab 1906
tätig war, wurde der Ministerialrat 1918 als stellvertretender
Bevollmächtigter des Großherzogtums Baden in den Bundesrat in
Berlin entsandt, wo er zugleich als wirtschaftlicher
Bevollmächtigter die ökonomischen Interessen des Großherzogtums
vertrat. 1921 avancierte er zum stellvertretenden Gesandten Badens
beim Reich. 1927 zum Ministerialdirektor befördert, fiel ihm 1931
als Sprecher Badens im Reichsrat die Leitung der badischen
Vertretung beim Reich zu. Da er nach der Reichstagswahl im März
1933 den Protest der badischen Staatsregierung gegen die Beflaggung
öffentlicher Gebäude mit Hakenkreuzfahnen eingelegt hatte und zu
einem Eintritt in die NSDAP nicht bereit war, wurde er zum 1.
Dezember 1933 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Fecht kehrte
nach Baden-Baden zurück. 1937 in den endgütigen Ruhestand versetzt,
wurde der Pensionär 1939 reaktiviert und arbeitete im Badischen
Finanz- und Wirtschaftsministerium, wo er für die Gewerbeaufsicht
und Preiskontrolle zuständig war. Von November 1944 bis Oktober
1945 leitete er die Polizeidirektion Baden-Baden ehrenamtlich. Nach
dem politischen und moralischen Bankrott des "Dritten Reiches"
gründete Fecht die Badische Christlich-Soziale Volkspartei (BCSV)
in Baden-Baden mit. Für die im Februar 1946 zugelassene Partei, aus
der im April 1947 die CDU Baden hervorging, saß er im Stadtrat in
Baden-Baden, in der Kreisversammlung des Landkreises Rastatt und
der Stadt Baden-Baden sowie ab 29. Mai 1947 in dem nach der
Landtagswahl vom 18. Mai 1947 gebildeten Badischen Landtag in
Freiburg, der die über kommunale Gremium am 17. November 1946
gewählte Beratende Landesversammlung ablöste, der Fecht als
gewählter, kommunaler Delegierter Baden-Badens angehört hatte. Dort
hatte er unter anderem als Vorsitzender des Ausschusses für
Verfassung und Rechtspflege an der Ausarbeitung der Verfassung des
Landes Baden mitgewirkt. Sein im Februar 1947 vorgelegter
Verfassungsentwurf erhielt großes Gewicht für die am 18. Mai 1947
angenommenen Konstitutionsentwurf, da die BCSV- bzw. CDU-Fraktion
über die absolute Mehrheit in der verfassunggebenden Versammlung
verfügte. Die Formulierung des Artikels 50, der Baden als
demokratischen und sozialen Freistaat in der Gemeinschaft der
deutschen Länder kennzeichnete, stammte ebenso aus Fechts Feder wie
die Bestimmungen gegen den Missbrauch von Bürger- und
Freiheitsrechten mit dem Ziel, die durch die Konstitution
garantierte Rechtsstaatlichkeit zu zerstören. Diese konstitutiven
Verfassungselemente strahlten auf die Formulierung des
Grundgesetzes 1949 aus; Fechts Artikel gegen das Denunziantentum,
eine unmittelbare Reaktion auf den nationalsozialistischen
Maßnahmenstaat ging nicht in die Verfassung ein . Dem badischen
Landtag gehörte Fecht bis zur Gründung des Südweststaats an. In den
Kabinetten Leo Wohleb II und III amtierte Fecht ab 23. Januar 1948
als Justizminister. Vom 10. bis 23. August 1948 nahm Fecht am
Herrenchiemseer Verfassungskonvent teil, wo er sich in Abkehr von
der Regelung der Weimarer Verfassung in der Frage des Vertreters
des Bundespräsidenten für die spätere Lösung stark machten, wonach
der Bundesratspräsident das Staatsoberhaupt vertreten wollte. Wie
fünf weitere Mitglieder des Verfassungskonvents fand sich auch
Fecht ab September 1948 im Parlamentarischen Rat in Bonn wieder, wo
er neben dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Maier das Land
Baden unter den elf Ländern der drei westlichen Besatzungszonen
vertrat. Im Parlamentarischen Rat arbeitet Fecht als an der
Ausarbeitung und der Verabschiedung des Grundgesetzes mit. Als
ausgewiesener Kenner der Verfassungsgeschichte und -praxis gehörte
Fecht zu den 61 Vätern und vier Müttern der Verfassung der
Bundesrepublik. Auch hier setzte er sich - wiederum ein Reflex auf
die nationalsozialistische Gleichschaltung und Degradierung der
Länder zu Verwaltungsprovinzen - für eine starke Stellung der
Länder im Bund ein. Fecht beteiligte sich in beratender Funktion
als stellvertretendes Mitglied an den Sitzungen des einflussreichen
Hauptausschusses. Er gehörte dem Ausschuss für die Organisation des
Bundes sowie Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege an, nach
dessen Teilung saß er im Ausschuss für Organisation des Bundes. Der
entschiedene Föderalist sprach sich in der Südweststaatsfrage für
den Erhalt der badischen Eigenständigkeit aus; Fecht wollte die
Länder Baden und Württemberg in ihrem alten Gebietsstand
wiederhergestellt wissen, wenngleich der Parlamentarische Rat mit
Artikel 118 des Grundgesetzes eine Lösung im Sinne einer
Neugliederung präferierte. In den Ausschüssen brachte er seine
administrativen Erfahrungen aus seiner Praxis in der badischen
Verwaltung und im Reichsrat und führt Beispiele aus der badischen
Verfassungsgeschichte an. Fecht, der ab 22. Februar 1949 auch das
Amt des stellvertretenden Staatspräsidenten Badens innehatte,
schied am 7. März 1949 aus gesundheitlichen Gründen aus den
Parlamentarischen Rat aus. Von 1949 an vertrat er in Bonn das Land
Baden beim Bund. Hermann Fecht starb am 4. Februar 1952 in
Baden-Baden.
Überlieferung, Inhalt und
Bearbeitung: Der Nachlass gelangte 2006 als Schenkung von Dr.
Reiner Haehling von Lanzenauer, Baden-Baden, in das
Generallandesarchiv Karlsruhe. Die dem Nachlass zuzuordnenden
Zugänge N Fecht Zugang 2004-93 sowie N Fecht Zugang 2006-28 wurden
in den Hauptbestand integriert. Der gesamte Nachlass wurde nach den
Rubriken "Abbildungen", "Dokumente", "Druckwerke sowie
Familienbücher und -chroniken", "Korrespondenz" und "Verschiedenes"
geordnet und erschlossen. Im Generallandesarchiv liegen weitere
Teile der Überlieferung zu Hermann Fecht. Seine Personalakte ist im
Bestand Badisches Ministerium des Innern zu finden (236 Nr. 29284).
Im Bestand Badisches Justizministerium befindet sich die Akte zu
den Prüfungen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Frühjahr
1906, in der Fecht als zur Prüfung zugelassener Kandidat genannt
wird (234 Nr. 12486). Im Bestand Handschriften liegen die
autobiographischen Lebenserinnerungen Fechts in zwei Bänden vor (65
Nr. 11886-11887). Der Nachlass Willy Hugo Hellpach weist einen
Briefverkehr des Psychologen und Politikers mit Hermann Fecht auf
(N Hellpach Nr. 25). Im Nachlass Heinrich Köhler befinden sich
Aufzeichnungen von 1948 zum Treffen der drei Landesregierungen
Südwestdeutschlands anlässlich der Stellungnahme der Bevölkerung
zur Vereinigung von Württemberg und Baden, bei dem Hermann Fecht in
seiner Eigenschaft als Justizminister den Standpunkt des Landes
Baden referierte (N Köhler Nr. 14). Der Nachlass des Markgrafen von
Baden im Großherzoglichen Familienarchiv enthält die Korrespondenz
des Prinzen Berthold mit Hermann Fecht über die
Justizmninisterkonferenz in Baden-Baden und den Besuch auf Schloss
Eberstein in den Jahren 1951-1952 (FA Nr. N 9405). Im Staatsarchiv
Freiburg werden ebenso ein weiterer Teil des Nachlass Hermann
Fechts (T 1 (Zugang 1990/0023)) sowie zusätzliche Teile seiner
Personalakte (C 20/5 Nr. 72 und F 30/1 Nr. 654-655) verwahrt.
Karlsruhe, im Dezember 2022 Dr. Peter Exner
Literatur: Reiner Haehling
von Lanzenauer: Hermann Fecht. Badischer Justizminister 1880-1952,
in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg XXI, Stuttgart 2005, S.
517-542. Paul Feuchte: Hermann Fecht: Badischer Justizminister, in:
Badische Heimat 2003, S. 96-99. Paul Feuchte, Zur Verfassung des
Landes Baden von 1947. Menschen - Ideen - Entscheidungen, in:
Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 143 (1995), S.
443-494.
- Reference number of holding
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, N Fecht
- Extent
-
72 Unterlagen (Nr. 1-72)
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Nichtstaatliches Archivgut >> Nachlässe >> Andere Nachlässe >> Fecht
- Related materials
-
Reiner Haehling von Lanzenauer, Hermann Fecht, badischer Justizminister, 1880-1952, in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg, Stuttgart 2005, S. 517-542
- Indexentry person
- Date of creation of holding
-
1823-2006
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
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03.04.2025, 11:03 AM CEST
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1823-2006