Bestand
Kalmenhof (Idstein): Sachakten (Bestand)
Bestandsgeschichte: Eine erste
Übernahme von Verwaltungsakten aus dem Kalmenhof erfolgte Anfang der
1990er Jahre. Letzter Zugang: Acc. 1/2020.
Geschichte des Bestandsbildners:
1888 gründeten christliche und jüdische Frankfurter Bürger den "Verein
für die Idioten-Anstalt Idstein im Taunus". Der Verein kaufte den
Gutshof Kalmenhof in Idstein und eröffnete dort am 7. Oktober 1888
eine pädagogisch orientierte Anstalt für Jungen und Mädchen mit
Behinderungen, die sich wenige Jahre später "Erziehungs-Anstalt
Idstein im Taunus" nannte. Zwischen 1890 und 1913 entstanden
verschiedene Neubauten, u. a. das 1905 am Bahnhof eröffnete
"Altenheim" für Männer mit geistiger Behinderung. Ab 1923 lautete der
Einrichtungsname "Heilerziehungsanstalt Kalmenhof zu Idstein im
Taunus". 1927 wurde das neu erbaute Krankenhaus der Einrichtung
eröffnet. 1930 übernahm die Anstalt zusätzlich das Hofgut Gassenbach
in Idstein.
1933 wurde der Kalmenhof im Rahmen der
nationalsozialistischen "Gleichschaltung" dem Bezirksverband Nassau in
Wiesbaden unterstellt; 1934 musste der Vereinsvorstand aufgelöst
werden. Ab 1934 wurden Bewohnerinnen und Bewohner der Anstalt Opfer
von Zwangssterilisationen. Ab 1941 wurden Bewohnerinnen und Bewohner
im Rahmen der nationalsozialistischen "Euthanasie"-Aktion verlegt und
anschließend ermordet. 1941 diente der Kalmenhof auch als
Zwischenanstalt für die Verlegung auswärtiger Patientinnen und
Patienten auf dem Weg in die Mordanstalt Hadamar. Von 1941/42 bis 1945
existierte im Krankenhaus des Kalmenhofs eine so genannte
"Kinderfachabteilung", wo Hunderte von Kindern und Jugendlichen im
Rahmen der "Euthanasie"-Verbrechen ermordet wurden. 1941 bis 1946
wurden große Teile der Anstalt als Lazarettraum genutzt. Ab 1945
dienten Anstaltsgebäude als Durchgangsstation für Flüchtlinge und
Vertriebene aus den Ostgebieten. 1948 löste der Trägerverein sich auf,
und die Einrichtung ging als "Landesheilerziehungsanstalt Kalmenhof"
an den Kommunalverband des Regierungsbezirks Wiesbaden über. In dessen
Nachfolge übernahm 1953 der neu gegründete Landeswohlfahrtsverband
Hessen die Trägerschaft der Einrichtung. Diese erhielt 1957/58 den
neuen Namen "Heilerziehungsheim Kalmenhof".
In Idstein
existierte seit 1913 zudem das "Aufnahmeheim Idstein", das vom
Bezirksverband des Regierungsbezirks Wiesbaden als
Fürsorgeerziehungseinrichtung mit Stiftungsmitteln des "Nassauischen
Zentralwaisenfonds" betrieben worden war. Nach Übernahme des
Kalmenhofs durch den Kommunalverband des Regierungsbezirks Wiesbaden
wurde das Heim als "Aufnahmeabteilung der Landesheilerziehungsanstalt
Kalmenhof" angegliedert. 1958 wurde dieser Bereich als "Jugendheim
Idstein" institutionell wieder selbstständig, bis er 1975 endgültig
Teil des Kalmenhofs wurde. 1969 wurde das bisherige Krankenhaus des
Kalmenhofs zu einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, welche
später zur Außenstelle der Klinik "Rheinhöhe" in Eltville wurde.
1969/70 wurden in der Öffentlichkeit Missstände im
Heilerziehungsheim Kalmenhof verstärkt angeprangert. In der Folge
beschloss der Landeswohlfahrtsverband 1972 die Dezentralisierung der
Einrichtung, die 1978 durch Umwandlung in einen Heimverbund unter dem
Namen "Sozialpädagogisches Zentrum Kalmenhof" abgeschlossen wurde.
Dieser Verbund bestand aus vier pädagogisch selbstständigen Heimen:
"Kinderheim in der Ritzbach" (später "Jugendheim Charles Hallgarten"),
"Buchenhaus", "Rosenhaus" und "Landhaus". 1995 erhielt das
Sozialpädagogische Zentrum Kalmenhof den Status eines Eigenbetriebs;
es ist heute eine differenzierte Behinderten- und
Jugendhilfeeinrichtung. Außerdem bestehen in Idstein in
LWV-Trägerschaft auch die seit 1971 so benannte Max-Kirmsse-Schule,
eine Schule für Erziehungshilfe, Praktisch Bildbare und Kranke, die
bis 1957 als Heimschule Teil des Kalmenhofs war, sowie die
Feldbergschule, eine Schule für Erziehungshilfe und Kranke.
Findmittel:
Arcinsys-Datenbank
Bearbeiter: Nadine Rudolph,
2022
- Reference number of holding
-
Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, B 81
- Extent
-
5,5 lfm.
- Context
-
Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (Archivtektonik) >> Gliederung >> Kinder- und Jugendheime >> Idstein (Sozialpädagogisches Zentrum Kalmenhof)
- Related materials
-
Korrespondierende Archivalien: HHStAW Bestand 430/3 (Heilerziehungsanstalt Kalmenhof in Idstein) (https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction.action?detailid=b5280)
Literatur: 100 Jahre Kalmenhof. 1888 - 1988. Vom "Verein für die Idiotenanstalt zu Idstein" zum "Sozialpädagogischen Zentrum", hg. v. Landeswohlfahrtsverband Hessen (Referat Öffentlichkeitsarbeit), Kassel 1988.
Literatur: Schrapper, Christian / Sengling, Dieter (Hg.): Die Idee der Bildbarkeit. 100 Jahre sozialpädagogische Praxis in der Heilerziehungsanstalt Kalmenhof (= Beiträge zur Geschichte der Sozialpädagogik), Weinheim / München 1988.
Literatur: Sick, Dorothea: "Euthanasie" im Nationalsozialismus am Beispiel des Kalmenhofs in Idstein im Taunus (= Materialien zur Sozialarbeit und Sozialpolitik Band 9), Frankfurt a. M. 1983.
- Date of creation of holding
-
1917-2005
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
14.11.2023, 10:28 AM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1917-2005