Bestand
Reichsstelle für Raumordnung (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Durch das vom Reichsernährungsministerium ausgehende Gesetz über die
Rege-lung des Landbedarfs der öffentlichen Hand vom 29. März 1935 (1)
wurde eine Reichsbehörde ins Leben gerufen, die mit dem Führererlass vom
26. Juni 1935 als Reichsstelle für Raumordnung (RfR) "die
zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des deutschen Raumes
für das gesamte Reichsgebiet"(2) übernehmen sollte.
Die Ausdehnung der Planung auf Reichs- und Landesebene führte zur
Herauslösung der Raumordnung aus kommunalpolitischer Hoheit. "Im
Einvernehmen mit dem Reichs- und Preußischen Arbeitsminister regelt der
Leiter der Reichsstelle für Raumordnung insbesondere die Organisation der
Planungsverbände und übt die Aufsicht über sie aus." (3)
Die RfR mit Sitz Berlin war als Oberste Reichsbehörde
dem Führer und Reichskanzler direkt unterstellt und bediente sich bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben der Gesellschaft zur Vorbereitung der
Reichsplanung und Raumordnung (Gezuvor) (4), der späteren
Reichsplanungsgemeinschaft e.V. (RPG).
Leiter der
RfR und Präsident der RPG war der Reichsminister und Preußische
Staatsminister Hanns Kerrl, der in Personalunion auch dem
Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten (RKM) vorstand.
Nach seinem Tod im Jahre 1941 übernahm Hermann Muhs, bis dahin
Staatssekretär im Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten,
die Führung der Amtsgeschäfte.
Aufgrund enger
personeller und organisatorischer Verbindung erschien die
Reichsplanungsgemeinschaft ab Juni 1937 im Geschäftsverteilungsplan der
RfR. Beide als Glieder einer Organisation, in welcher der Reichsstelle
für Raumordnung die Aufgabe der "Verwaltung", der
Reichsplanungsgemeinschaft die der "Gestaltung" zugewiesen war. Der
Geschäftsverteilungsplan nannte zwei Registraturen, die beide Stellen
nach dem Sachgebiet bedienten. Die eine Registratur arbeitete für die
Zentralabteilung (Hauptbüro), die andere für die Verwaltungs- und
Planungs-abteilung.(5) Im gemeinsamen Haushalt für das Rechnungsjahr 1937
hieß es: "Da die Arbeitsgebiete der RfR und der RPG sich vielfach
überschneiden, ist bei der Besonderheit der gestellten Aufgaben und auch
zur zweckmäßigen Ausnutzung aller Arbeitskräfte keine völlige
verwaltungs- und haushaltsmäßige Trennung zwischen der RfR und der RPG
vorgenommen worden." (6)
Kerrls Erste Verordnung
zur Durchführung der Reichs- und Landesplanung vom 15. Februar 1936(7)
enthält die Regularien über die Organisation der nachgeordneten
Dienststellen. Der organische Aufbau der Raumordnungsverwaltung sollte
der doppelten Aufgabenstellung der NS-Raumordnung entsprechen -
politische Führungsaufgabe einerseits sowie Abstimmung aller
raumbetreffenden Fragen andererseits. Die Reichsstelle für Raumordnung
entstand als "Organ von Staat und Partei, und es muß besonders
hervorgehoben werden, daß ihre Kompetenz sich nicht auf Ordnungsarbeit
gegenüber Landwirtschaft, Wohnungswesen und Industrie beschränkt, sondern
daß sie auch mitbestimmend ist bei Anforderungen von Gelände für die
öffentliche Hand". (8)
Organisatorisch wurde
unterschieden zwischen Planungsbehörden und
Landespla-nungsgemeinschaften. Erstere waren die Reichsstatthalter, in
Preußen die Ober-präsidenten. Sie führten die Aufsicht über die
Landesplanungsgemeinschaften und hatten die Aufgabe, die von der Zentrale
gegebenen Richtlinien durchzusetzen. Sie konnten eine jährliche Prüfung
der Rechnungsführung veranlassen sowie den jeweiligen Haushalt
genehmigen. Die eigentliche Planungsarbeit leisteten die
Landesplanungsgemeinschaften, von denen reichsweit 22 entstanden und
deren Zahl sich durch die 1938 einsetzenden Annexionen bis 1941 auf 33
erhöhten. (9) Ihre Mitglieder setzten sich aus Land- und Stadtkreisen,
Reichs- und Landesbehörden, Selbstverwaltungskörperschaften, den
Verwaltungen berufsständischer Organisationen und den zur Förderung der
Reichs- und Landesplanung berufenen wissenschaftlichen Einrichtungen
zusammen. Geschäftsführer waren die Landesplaner. Die Satzungen der
Landesplanungsgemeinschaften orientierten sich an der vom Leiter der
Reichsstelle erlassenen Mustersatzung. Diese hatte Hanns Kerrl zur
Wahrung der Einheitlichkeit innerhalb der Organisation aufgestellt. Die
Satzung sah als Vorsitzenden den Leiter der Planungsbehörde vor und
stellte auch im weiteren Verwaltungsunterbau eine enge Verbindung
zwischen den Planungsgemeinschaften und Planungsbehörden sicher. Nach der
Musterbeitragsordnung wurden Kosten etwa in folgendem Verhältnis
getragen: 51 v. H. trägt das Reich, der Rest wird je zur Hälfte von den
Mitgliedergruppen "Selbstverwaltung" (z.B. Provinzialverbände, Stadt- und
Landkreise) und "Wirtschaft" (z.B. Deutsche Arbeitsfront,
Reichsnährstand, Industrie- und Handelskammern) aufgebracht. (10)
Behandelt wurden die Landesplanungsgemeinschaften als Körperschaften des
öffentlichen Rechts. (11) Die Dienststellen des Staates, der
Gebietskörperschaften und die berufsständischen Organisationen hatten den
Planungsbehörden und -gemeinschaften Amts- und Verwaltungshilfe zu
leisten.
Als Leitungs- und Koordinierungsorgan für
die Territorialplanung im gesamten Reichsgebiet geschaffen, sollte die
RfR zunächst darüber "wachen, dass der deutsche Raum in einer den
Notwendigkeiten von Volk und Staat entsprechenden Weise gestaltet wird".
(12) Neben ziviler Siedlungsplanung und -lenkung ging es
im Rahmen der Aufrüstung um die Standortverteilung
militärischer Anlagen und Verkehrswege. Dessen ungeachtet wurden jedoch
die entscheidenden Planungen letztlich von Wehrmacht,
Reichswirtschaftsministerium und den Vierjahresplanver-antwortlichen
erstellt. (13) Die Reichsstelle besaß praktisch keine
Entscheidungsbe-fugnisse und konnte im Einzelfall lediglich ein Veto
einlegen. Ihre Tätigkeit be-schränkte sich somit auf die
Verwaltungsaufsicht über regionale Planungsbehörden,
Landesplanungsgemeinschaften und die Reichsarbeitsgemeinschaft für
Raumforschung, die Forschungsergebnisse zu Fragen der Territorialplanung
lenk-
te und koordinierte. In Zusammenarbeit mit
dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung wurden
"in größter Form die Fakultäten aller deutschen Hochschulen zur Mitarbeit
aufgerufen". (14) Mit Hilfe der wissenschaftlichen Hochschulen
entwickelte man Gutachten zu Fragen der Notstands- und
Ballungsraumsanierung in der Vorkriegszeit, wobei sich der Fokus nach
Kriegsausbruch auch auf die eingegliederten Ostgebiete richtete.
Als zentrale Kontrollinstanz verlor die Reichsstelle für
Raumordnung jedoch nach und nach ihre Kompetenzen, spätestens zum
Zeitpunkt des intensiv einsetzenden Wirkens der unter Heinrich Himmler
entstandenen Dienststelle des Reichskommissars für die Festigung
deutschen Volkstums bei der Gestaltung des "Lebensraumes im Osten".
(15)
Das während des Krieges von Hitler erlassene
Verbot aller Nachkriegsplanungen führte zur Einstellung der eigentlichen
fachlichen Tätigkeit. Das Personal der RfR (16) wurde zunehmend
eingeschränkt. Den für die Planungsinstitutionen notwendigen
Freistellungen vom Wehrdienst wurde nach der Niederlage von Stalingrad
nicht mehr stattgegeben. Am 6. Februar 1943 teilte der Chef der
Reichskanzlei Dr. Lammers den Obersten Reichsbehörden mit, dass die
Reichsstelle nunmehr lediglich ihre Unterlagen verwalten und auf
Anforderung Auskünfte erteilen werde. (17)
Aus
Luftschutzgründen wurde das Schriftgut zusammen mit dem der
Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung und Teilen des
Reichsministeriums für die kirchlichen Angelegenheiten 1943/44 nach
Wittenberg verlagert.
Anmerkungen
(1) RGBl. 1935, I, S. 468
(2)
RGBl. 1935, I, S. 793
(3) RGBl. 1935, I, S.
1515
(4) Zuvor Gesellschaft zur Vorbereitung der
Reichsautobahnen e.V. (bis 1935)
(5) BArch, R
113/2030
(6) BArch, Bibliothek 96.11.22, S.3
(7) RGBl. 1936, I, S.104
(8)
BArch, R 113/2439
(9) Michael Venhoff, "Die
Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung (RAG) und die reichs-
deutsche Raumplanung seit ihrer Entstehung bis zum Ende
des Zweiten Weltkrieges 1945",
Hannover 2000,
S.15
(10)Pfundtner/Neubert, Das neue Deutsche
Reichsrecht I b 25 S.12
(11)Vergl. u.a. Werner
Weber, "Die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen
Rechts",
München und Berlin, 1943, S.52
(12)Siehe §3 des Gesetzes über die Regelung des
Landbedarfs der öffentlichen Hand vom 29.3.1935
(13)"Die Sonderplanung in den einzelnen Arbeitsgebieten bleibt
weiterhin Aufgabe der zuständigen
Ressorts. Diese
haben die Verpflichtung, ihre Planungsvorhaben der Reichsstelle für
Raumord-
nung bekanntzugeben." (2. Erlass über die
Reichsstelle für Raumordnung vom 18. Dez.1935),
R
113/128
(14)BArch, R 113/2439
(15)Vgl. Michael Venhoff, siehe oben, S.73
(16)Genaue Mitarbeiterzahlen liegen nicht vor
(17)BArch, R 43 II/708, Bl.51
Bestandsbeschreibung: Im März 1946
bekam der damalige Baudirektor im Sektor der britischen Militärregierung,
Martin Mäckler, vom Berliner Magistrat den Auftrag die Aktenrückführung
der Reichsstelle für Raumordnung aus Wittenberg in die Wege zu leiten.
Nach deren Sichtung ging ein Teil dieser Unterlagen 1947 an die
Hauptabteilung "Siedlungs- und Wohnungswesen, Städtebau und
Landesplanung" des Zentralamtes der Hauptverwaltung Arbeit der britischen
Besatzungszone in Lemgo. Nach Auflösung der Hauptverwaltung wurden die
Karten, Akten und Bücher zunächst an das dortige Finanzamt weitergeleitet
und schließlich vom Bundesministerium für Wohnungsbau angefordert.
Ein anderer weitaus größerer Teil gelangte an das
Berliner Hauptamt für Gesamtplanung des Westberliner Magistrats ,
darunter auch Personalakten, und wurde schließlich an die Außenstelle
Berlin des Instituts für Raumforschung (Sitz Bad Godesberg)
abgegeben.
Die Überführung in das seit 1946 für
Behördenakten zuständige Berliner Hauptarchiv (ab 1963 wieder Geheimes
Staatsarchiv) erfolgte im Jahre 1959, wo unter der Signatur Rep.325 die
Erschließung begann. 1962 waren 2295 Karten und Pläne sowie 1717 Akten in
Form einer Zettelkartei verzeichnet.
Ein im April
1962 aus den USA zurückgegebener Mischbestand beinhaltete 15 Aktenbände
der RfR, die mit den im Hauptarchiv befindlichen Archivalien vereinigt
wurden.
Im Zuge des Archivalienaustausches von
1969 hat das Geheime Staatsarchiv dem Bundesarchiv neben den Akten auch
den Kartenteil der RfR in seiner Gesamtheit überlassen, der 1971 in
Koblenz eingelagert wurde.
Auf der Grundlage der
im Geheimen Staatsarchiv erfolgten ersten Aktenerschließung begann im
Jahr 1987 im Bundesarchiv unter der Bestandssignatur R 113 die neuerliche
Verzeichnung des Aktenbestandes. Ein erstes Findbuch für die ca. 2400
Akten liegt seit 1990 vor.
Die Zusammenführung von
Koblenzer und Potsdamer Akten im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde kam
1993 zu stande. Letztere , vor allem Zeitungsausschnitte, Druckschriften
sowie Geschäfts- und Arbeitsberichte, waren 1957 vom Staatsarchiv
Magdeburg und 1963 vom Rat des Kreises Wittenberg an das Deutsche
Zentralarchiv in Potsdam übergeben worden.
Während
der datenbankgestützten Erfassung des Bestandes erfolgte eine
Überarbeitung von Aktentiteln und Klassifikation, wobei gestützt auf das
Findbuch aus dem Jahr 1990 jedoch darauf verzichtet wurde, jeden der
insgesamt über 3000 Aktenbände nochmals zu sichten. Serien und Bandfolgen
wurden mehrheitlich archivisch gebildet. Der in Koblenz verwahrte
Kartenbestand blieb hierbei unberücksichtigt.
Die
im Bestand R113 vorliegenden Personalakten werden aus
datenschutzrechtlichen Gründen im Online-Findbuch nicht ausgewiesen.
Diesbezügliche Anfragen sind direkt an das zuständige Referat R 3 zu
richten.
Inhaltliche Charakterisierung: Die
allgemeine Organisation und Arbeitsweise der Reichsstelle für Raumordnung
und ihrer Nebenstellen dokumentieren die Akten von
Dienststellenverwaltung und Planungsbehörden. Einblick in konkrete
Aufgaben, Verfahren und Tätigkeitsbereiche geben die Überlieferungen der
einzelnen Landesplanungsgemeinschaften. Schwerpunkte bilden hierbei die
Unterlagen zu verschiedenen Wirtschaftsbereichen. Die Absicht,
wissenschaftliche Aspekte der Raumforschung in regionale Wirtschafts- und
Sozialstrukturen einfließen zu lassen, verdeutlichen u.a. Akten der
Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung sowie der Deutschen Akademie
für Städtebau.
Letztlich enthält der Bestand
Materialsammlungen aus Archiv und Pressestelle, die sich zu einem
Großteil aus Zeitungsausschnitten und Druckschriften
zusammensetzen.
Als ergänzende Überlieferungen
sind der Bestand R 164 Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumordnung sowie
der im Bundesarchiv in Koblenz befindliche Kartenbestand der RfR (R 113
Kart) zu nennen.
Erschließungszustand: Findbuch
(2013)
Zitierweise: BArch R
113/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch R 113
- Umfang
-
2612 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Finanzen, Bau und Raumordnung
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: R 164 Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumordnung
Kartenbestand der RfR (R 113 Kart) in Koblenz
Amtliche Druckschriften: Mitteilungsblatt der Reichsstelle für Raumordnung. Jg. 1-3 Berlin 1937-1939. Siehe unter ZDB (Leipzig Deutsche Nationalbibliothek und Berlin Staatsbibliothek)
Raumforschung und Raumordnung. Monatsschrift der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumordnung. Jg.1-8. Berlin 1936-1944 (BArch)
Literatur: Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates, hrsg. von Heinz Boberach, München 1991/1995, Teil 1, S. 348 f.
Bongards, Martin: Raumplanung als wissenschaftliche Disziplin im Nationalsozialis-mus, Marburg, 2004
Venhoff, Michael: Die Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung und die reichsdeutsche Raumplanung seit ihrer Entstehung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Hannover, 2000
- Provenienz
-
Reichsstelle für Raumordnung (RfR), 1935-1945
- Bestandslaufzeit
-
1935-1945
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Zugangsbeschränkungen
-
Besondere Benutzungsbedingungen: Personalakten
- Letzte Aktualisierung
-
01.01.2024, 00:00 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Reichsstelle für Raumordnung (RfR), 1935-1945
Entstanden
- 1935-1945