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Eigennamen - die Politik der feinen Unterschiede

"Eigennamen sind scheinbar aufgrund ihrer 'Privatheit' die letzten politikfernen Bastionen in einer schnellebigen und durch steigende Optionalität immer tiefer politisierten Gesellschaft. Auf den zweiten Blick zeigt sich eher das Gegenteil: Gerade weil Eigennamen in herausragender Weise Identität symbolisieren und der Akt der (Vornamen)vergabe immer schon ein mehr oder weniger ritualisierter Wahlakt war, sind Namen ein - bisher wenig beachteter - Gegenstand von Distinktionspolitiken. In einem klassischen Sinne wurden und werden Namenspolemiken als politisches Kampfinstrument eingesetzt, insbesondere wenn es gilt, religiöse, ethnische, rassische oder nationale Differenzen zu konstruieren. Dies läßt sich an der nationalsozialistischen Strategie gegen jüdische Bürger, an der rechtlichen Genese des Namensrechts, an der Durchsetzung christlicher Namen aber auch an Strategien der 'political correctness', die die Medien bei der Berichterstattung über Ausländer einsetzen, erkennen. Um Politiken oder besser Protopolitiken in einem mikrosoziologischen Sinne handelt es sich bei jenen Vorgängen, in denen aufgrund nachlassender oder fehlender Traditionsbindung oder entsprechender rechtlicher Wahloptionen Namen ausgehandelt werden (müssen). Das betrifft sowohl den ursprünglichen 'Taufakt', der im weiteren oder engeren Familienkreis verhandelt wird, wie auch die nachfolgenden Optionen der Neubenennung durch Spitz- oder Kosenamen in peergroups. Damit liegt die Namenvergabe und -verwendung direkt in jenem sozialen Spannungsfeld von identitätssichernder Zugehörigkeitsymbolik und individualitätsstiftender Differenzmarkierung, die die Akteure in eine protopolitische Aushandlungs- und Entscheidungssituation versetzt. Da Namen nicht nur nach innen Identität sichern, sondern auch nach außen Signalwirkung entfalten, bieten sich Namen für eine Politik der 'feinen Unterschiede' an. Je nach Verfügbarkeit von sozialem Kapital (insbes. Bildungskapital) müssen diese durch Modewellen tendenziell wieder eingeebneten Differenzen immer neu hergestellt werden, während auf der anderen Seite die Akteure contraintentional durch ihre Wahlen eine Situation erzeugen, die die gerade überwundene Traditionsbindung durch ähnlich feste Muster ersetzt, deren 'Entindividualisierungspotential' bis zur Stigmatisierung reicht. Anhand von empirischen Material soll gezeigt werden, ob und wie sich der gesellschaftliche Umbruch im Namenswandel niederschlägt." (Autorenreferat)

Eigennamen - die Politik der feinen Unterschiede

Urheber*in: Hornbostel, Stefan

Rechte vorbehalten - Freier Zugang

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Weitere Titel
Proper names - the policy of fine distinctions
ISBN
3-531-12878-7
Umfang
Seite(n): 407-414
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Status: Veröffentlichungsversion; begutachtet
28. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Soziologie "Differenz und Integration. Die Zukunft moderner Gesellschaften". Dresden, 1996

Erschienen in
Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Oktober 1996 in Dresden ; Band 2: Sektionen, Arbeitsgruppen, Foren, Fedor-Stepun-Tagung

Thema
Soziologie, Anthropologie
Kultursoziologie, Kunstsoziologie, Literatursoziologie
Kommunikationssoziologie, Sprachsoziologie, Soziolinguistik
Bundesrepublik Deutschland
alte Bundesländer
soziale Herkunft
geschlechtsspezifische Faktoren
Gruppe
Name
Identitätsbildung
Image
DDR
neue Bundesländer
Mode
soziale Differenzierung
empirisch
empirisch-quantitativ
empirisch-qualitativ

Ereignis
Geistige Schöpfung
(wer)
Hornbostel, Stefan
Ereignis
Herstellung
(wer)
Rehberg, Karl-Siegbert
Ereignis
Veröffentlichung
(wer)
Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Westdt. Verl.
(wo)
Deutschland, Opladen
(wann)
1997

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-138769
Rechteinformation
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Letzte Aktualisierung
21.06.2024, 16:27 MESZ

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Objekttyp

  • Sammelwerksbeitrag
  • Konferenzbeitrag

Beteiligte

  • Hornbostel, Stefan
  • Rehberg, Karl-Siegbert
  • Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
  • Westdt. Verl.

Entstanden

  • 1997

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