Bestand
A Rep. 250-01-05 Ehrich & Graetz AG (Bestand)
Vorwort: A Rep. 250-01-05 Ehrich & Graetz AG
1. Unternehmensgeschichte
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurden auf dem Gebiet der künstlichen Beleuchtung umwälzende Erfindungen gemacht. Der zu dieser Zeit einsetzende und immer gewaltiger anwachsende Lichtbedarf schuf die Voraussetzungen zum Aufbau des Werkes, der späteren Ehrich & Graetz AG.
Albert Graetz (1831 –1901) entwickelte und baute eine hell und einwandfrei brennende Petroleumlampe. Damit begann er den Weg zur Verbesserung des künstlichen Lichtes.
Im Jahre 1859 errichtete der Klempnermeister Albert Graetz in der Dresdner Straße in Berlin-Kreuzberg eine Werkstatt zur Erzeugung von Petroleumlampen, die durch den Eintritt des Kaufmanns Emil Ehrich am 01. Januar 1866 die Firmenbezeichnung Ehrich & Graetz erhielt. Gesellschafter waren Albert Graetz und Emil Ehrich. Aus der Werkstatt wurde ein expandierendes Unternehmen, das in erster Linie Gasleuchten und Elektrogeräte produzierte und Vertrieb. Bald reichten die Räume in der Dresdner Straße nicht mehr aus und die Werkstatt wurde in ein Fabrikgebäude in der Lausitzer Straße verlegt. Auch die Hinzunahme einer Filialfabrik in der Wiener Straße half dem wachsenden Raumbedürfnis auf die Dauer nicht ab. Es wurde Gelände in Berlin-Treptow erworben.
Nachdem Emil Ehrich durch den Tod im Jahre 1887 aus dem Betrieb ausgeschieden war (Mitinhaber der Firma: 1866-1887), blieb dieser in den Händen von Albert Graetz (Mitinhaber der Firma: 1866-1887, Alleininhaber der Firma: 1887-1889) und seiner Familie. 1889 wurden seine Söhne Adolf (1860-1909) und Max (1861-1936) Graetz als Mitinhaber (Max Graetz war Mitinhaber der Firma von 1889 bis 1909 und Alleininhaber seit dem 20. Februar 1909) in die Firma aufgenommen. Unter seinen Söhnen Adolf und Max wuchs das Unternehmen schnell und exportierte bald weltweit.
Ab diesem Zeitpunkt an datiert der eigentliche Aufschwung der Firma als Großunternehmen. Im Jahre 1899 fand dann die Übersiedlung mit etwa 1000 Beschäftigten nach Berlin-Treptow in die Elsenstraße 87-96 statt. Die Firma blieb jedoch nicht bei der ursprünglichen Fabrikation von Petroleumlampen stehen. Die Fabrikanlage diente zur Herstellung von Apparaten zur Beleuchtung und Heizung mittels Petroleum, Spiritus und sonstiger flüssiger Brennstoffe sowie mittels Gas und Elektrizität, zur Herstellung von sonstigen Metallwaren, von Röntgenröhren und Wasserfiltrierapparaten.
Weitere Tochterunternehmen und Werke, wurden in Wien (Graetzinlicht-Gesellschaft mbH, 1908), in den USA (American Graetzin Leight Co. Ltd., New York, 1910), in Frankreich (Soc. An.-Francaise Graetzin, Paris, 1910) und in Großbritannien (British Graetzin Light Ltd., London, 1912) gegründet. In den folgenden Jahren stieg die Lampenproduktion an, später kamen weitere Elektroprodukte hinzu. Während des Ersten Weltkrieges wurde der Betrieb in der Hauptsache auf die Erzeugung von Heeresbedarf umgestellt.
Der Erste Weltkrieg bedeutete für Ehrich & Graetz einen schweren Einschnitt. Die ausländischen Werke gingen verloren und die Firma kämpfte ums Überleben. Doch schon bald hatte die Firma wieder Fuß gefasst.
1922 wurde die Ehrich & Graetz Aktiengesellschaft gegründet. Hauptaktionäre waren Max Graetz, seine Söhne Erich, Fritz, Hans und Rudolf Graetz sowie sein Schwiegersohn Hans Pahl. Es folgten Werksgründungen in Sachsen und in Österreich. 1930 begann die erfolgreiche Produktion des Graetz-Radios, das die Ehrich & Graetz AG neben dem Vertrieb von Petroleumlampen bekannt machte. Mitte der dreißiger Jahre hatte die Firma ihre produktive Hochphase erreicht.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Ehrich & Graetz AG zu einem Wehrwirtschaftsbetrieb. Die Rüstungsproduktion wurde beständig gesteigert, die zivile Produktion reduziert bzw. auf Kriegsbedarf umgestellt. Der Bau von Minensuch- und Bordfunkgeräten löste zunehmend die Herstellung von Radiogeräten ab, bis die Radioabteilung im Januar 1942 schließlich ganz aufgelöst wurde. Produziert wurden vor allem Zünder, Kartuschen und Motorradvergaser, später neben Radio- und Nachrichtengeräten auch Förderpumpen für Kriegsflugzeuge. Neben der Einrichtung einer Kunststoffpresse wurden ab 1941 zahlreiche Umbauten an Arbeits- und Büroräumen im Treptower Werk durchgeführt. 1942 wurde die Ehrich & Graetz AG zur Graetz AG und übernahm die AIDA Gesellschaft für Beleuchtung und Heizung mbH, unter deren Namen weiterhin Starklichtlampen vertrieben wurden. Im Folgenden wurde die Produktion auf drei Hauptbereiche beschränkt: Graetzinpumpen, Funkproduktion und die 1942 neu
eingerichtete Kunststoffabteilung.
Mit dem Krieg bekam das Unternehmen infolge der Mobilisierung einsetzende Personalschwierigkeiten (Anfang 1940 ca. 3.000 Beschäftigte, etwa 11 % weniger als 1939). Infolge dessen wurden Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Fremdarbeiter beschäftigt. Nunmehr hatte das Werk in Berlin-Treptow zwischen der Kiefholzer Straße und Heidelberger Straße und von der Elsenstraße bis zur Brockenstraße eine Gesamtnutzfläche von über 60.000 Quadratmetern erreicht, welche mit Hochhäusern und Maschinenhallen bebaut war. Etwa 2.000 Maschinen standen im Werk zur Verfügung. Die Graetz AG beherrschte den Weltmarkt für Petroleumstarklichtlaternen. In den letzten Kriegstagen erlitt das Werk schwere Schäden und wurde zu 80 % als zerstört angesehen.
Nach Kriegsende setzte sich die weitere Entwicklung des Werkes in beiden Teilen Nachkriegsdeutschlands fort. In Berlin-Treptow wurde am 04. Juni 1945 durch die Rote Armee die Totaldemontage des Werkes angeordnet. Die Demontage war gegen Mitte Juli 1945 beendet.
Ab diesem Zeitpunkt wurde in bescheidenem Umfange, soweit es die wenigen verbliebenen Maschinen noch zuließen, gefertigt und zwar ausschließlich für russische Reparationsaufträge, Petroleumstarklichtlaternen und Bügeleisen (1). Im Mai 1946 wurde das Werk von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 124 enteignet und 1947 der Deutschen Treuhandverwaltung unterstellt.
Der Umwandlung in den VEB Graetz-Werk Berlin im Jahr 1948 folgte 1950 die Zusammenlegung mit der Fernmeldekabel- und Apparatefabrik (FAF) zum Fernmeldewerk Treptow und 1953 zum VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik Berlin-Treptow. Anfang 1991 übernahm die Siemens AG das Werk.
In Westdeutschland gründeten Erich und Fritz Graetz 1947 ein neues Werk in Altena, Westfalen, das ab 1948 unter dem Namen Graetz KG geführt wurde. 1961 ging es in den Besitz der Standard-Elektronik-Lorenz AG über, die ab 1986 wiederum zum französischen Konzern Alcatel gehörte und schließlich 1988 von der finnischen Firma Nokia übernommen wurde. Seit dem 18. März 1993 ist das Altenaer Werk geschlossen.
(1) A Rep. 250-01-05, Nr. 369.
2. Bestandsgeschichte
Das Archivgut der Ehrich & Graetz AG wurde durch den VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik Berlin-Treptow, Betriebsarchiv, dem Stadtarchiv Berlin am 20. Juli 1978 (Zugang 589/78) übergeben. 2004 wurde der Bestand neu verzeichnet mit neuer Nummerierung der Akten. Es wird auf die Konkordanz verwiesen.
Insgesamt umfasst der Bestand A Rep. 250-01-05 Ehrich & Graetz AG 389 AE (10,05 lfm).
Seine Laufzeit reicht von 1865 bis 1945, wobei der Schwerpunkt in den Jahren 1920 bis 1944 liegt. Einzelne Unterlagen reichen darüber hinaus bis in die Jahre 1947 bis 1960.
Einige Akten sind auf Grund archivgesetzlicher Bestimmungen bzw. der EU-Datenschutz-Grundverordnung für die Benutzung befristet gesperrt. Eine Verkürzung der Schutzfristen kann auf Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesarchivs Berlin.
Der Bestand ist wie folgt zu zitieren:
Landesarchiv Berlin, A Rep. 250-01-05 Ehrich & Graetz AG, Nr. ...
3. Korrespondierende Bestände
Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv e.V. U 3/7 Ehrich & Graetz AG
4. Literatur- und Quellenverzeichnis
Fieber, Hans-Joachim / Nehls, Editha / Thoms, Günter: "Ehrich & Graetz" - ein Rüstungsbetrieb.
Die Entwicklung eines kapitalistischen Betriebes zum Rüstungsbetrieb unter den Bedingungen des aggressiven Imperialismus in Deutschland, Berlin (Ost), 1960.
Pomerance, Aubrey (Hrsg.): Jüdische Zwangsarbeiter bei Ehrich & Graetz, Berlin- Treptow, Köln 2003.
Süß, Peter: "Ist Hitler nicht ein famoser Kerl?" Graetz. Eine Familie und ihr Unternehmen vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik, Paderborn 2003 (Zugl.: Berlin, Freie Universität, Diss., 2000, überarb. Fass.).
Berlin, im Dezember 2004 Christina Groß
- Reference number of holding
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A Rep. 250-01-05
- Context
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Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> A Bestände vor 1945 >> A 6 Unternehmen der Wirtschaft >> A 6.2 Unternehmen der privaten Wirtschaft
- Related materials
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Verwandte Verzeichnungseinheiten: Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv e.V. U 3/7 Ehrich & Graetz AG, Berlin
- Date of creation of holding
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1866 - 1944
- Other object pages
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- Rights
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- Zugangsbeschränkungen
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Zugangsbestimmungen: Zahlreiche Akten sind auf Grund archivgesetzlicher Bestimmungen bzw. der EU-Datenschutz-Grundverordnung für die Benutzung befristet gesperrt. Eine Verkürzung der Schutzfristen kann auf Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesar
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-
28.02.2025, 2:13 PM CET
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1866 - 1944