Bestand
Abgabe Dr. Gisela Gerdes (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners: Gisela Gerdes, Dr. rer. nat., geb. 24.10.1938 nahm im Anschluss an 17 Jahre Verwaltungstätigkeit 1974 ein Studium der Einphasigen Lehrerausbildung der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg in den Fächern Biologie und Geografie auf. Sie unterrichtete in der Sekundarstufe und arbeitete als Hilfskraft im Bibliotheks- und Informationssystem der Universität. Im Anschluss an das Staatsexamen begann sie 1981 ein Promotionsstudium in den Fächern Biologie, Geobiologie und Geomikrobiologie und schloss es 1985 mit der Promotion ab. Ihre Dissertation lautete „Die stromatolithische Fazies marinrandlicher Übergangsgebiete" Ihr wissenschaftlicher Betreuer war Professor Dr. Wolfgang E. Krumbein.
Von 1981 bis 1985 absolvierte sie Forschungsaufenthalte an der Hebrew University Jerusalem sowie
am Marine Biology Laboratory in Eilat. Sie arbeitete mit biogenem Material (Mikrobenmatten,
Biofilmen, mineralischen Neubildungen in einbettenden Sedimenten, der Fauna der marinen
Randbereiche am Golf von Aqaba, südlicher Sinai, sowie vergleichend biosedimentologisch auf der
Insel Mellum und an anderen Standorten der südlichen Nordsee. Später kamen Standorte der SüdBretagne, Kanaren, Balearen, in Südtunesien, Australien und Neuseeland hinzu.
Nach der Promotion an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg im November 1985 arbeitete
sie mit der inneruniversitären Planungsgruppe am Aufbau des niedersächsischen Zentrums für
Meeresforschung, das unter der Ägide des Landes Niedersachsen mit je einer Institutsgründung in
Oldenburg und Wilhelmshaven geplant wurde: dem Institut für Chemie und Biologie des Meeres
(ICBM) in Oldenburg und dem Terramare-Zentrum für Flachmeer-, Küsten- und
Meeresumweltforschung in Wilhelmshaven. Dank früherer beruflicher Erfahrungen in ähnlichen
Gebieten konnte sie Dienste zur Planung beisteuern, vor allem für die Planung der Labore,
Spezialräume und geräteanalytischen Ausstattungen und stand dabei mit dem Team der
Fachingenieure und Architekten sowie der Zentralen Einrichtungen der Universität in Kooperation.
Zusätzlich wurden Einzelinstitute regionaler Meeresumwelt- und Küstenforschung in
Niedersachsen als künftige Kooperationspartner des Zentrums ins Boot geholt.
Die umfangreiche Planung ließ ihr zunächst wenig Zeit für eigene Forschung. Doch blieb sie Mitglied
der geomikrobiologischen Arbeitsgruppe. Ihr Leiter, Prof. Dr. Wolfgang E. Krumbein, war selber aktiv
eingebunden in die Zentrumsplanung.
Nach Fertigstellung des Wilhelmshavener Neubaus 1991 übernahm Dr. Gerdes die Leitung der dort
eingerichteten ICBM-Meeresstation und leitete sie bis zu ihrem Ruhestand im Herbst 2003.
Die Gründung des niedersächsischen Zentrums lag in einer Zeit, in der sich die Meeresforschung
allgemein auf Phänomene mikrobieller Biofilme auf marinen Oberflächen und Grenzflächen
konzentrierte. Sie bestimmten auch ihre Forschung, deren Zielsetzung war, die Leistungen von
Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Einzeller) in Meeresablagerungen im erdgeschichtlichen Bezug
zu erschließen, somit indirekt mit Hilfe der Fazies,, mit der sich fossile Lebensräume erschließen
lassen (der Begriff umfasst in anstehenden Gesteinen [etc.] die Summe chemischer und struktureller Hinterlassenschaften aus der ehemaligen Umwelt. Über lange Zeit galten Bakterien (Prokaryonten) als geologisch unsichtbar, anders als Makroorganismen, z.B. Korallen. Heute stehen Lebensprozesse von Prokaryonten weltweit im Fokus erdgeschichtlicher Forschung, und haben Relevanz als Ausgestalter der Erde als „Bioplanet" (zum Begriff siehe S. Gamballa und U. Kattmann [Hrsg.], „Didaktik der Evolutionsbiologie", Springer Natur 2024).
Mit Herrn Prof. Dr. Ulrich Kattmann vom Didaktischen Zentrum der Carl von Ossietzky.Universität
Oldenburg verbindet sie seither ihr Interesse didaktischer Gestaltung der Themen ihrer
Forschung für die Lehre an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Sie erhielt Lehraufträge zur
Arbeit mit Lehramtsstudenten der Universität, begleitete in Seminarform die Vorlesungen von Prof.
Kattmann, führte Exkursionen, u.a. zum Universum Bremen. In den Seminaren wurde diskutiert,
warum Erdgeschichte des Planeten gleichermaßen als seine Lebensgeschichte zu bezeichnen ist, und worauf sich beziehen lässt, dass Mikroben als „Urschaffende" der frühesten Lebensräume der Erde gesehen werden (sie hatten bereits alle grundlegenden Lebensprozesse „erfunden", als es noch keine Pflanzen und Tiere gab).
Wissenschaftlich arbeitete Dr. Gerdes auch mit den Senckenberg Instituten in Wilhelmshaven und Frankfurt am Main zusammen. Mit Prof. Dr. Hans-Erich Reineck, Sedimentologe und Meeresgeologe,
charakterisierte sie bakteriell besiedelter fossile Ablagerungen nach dem Prinzip „The presence is
the key to the past". Dieser Grundsatz hat zwar Einschränkungen, wenn es um Körper- oder
Spurenfossilien ohne vergleichbare rezente Analoga geht, jedoch ist mikrobielles Wachstum auf und
in Sedimentgefügen eher biochemisch und physiologisch und weniger durch Evolutionsprozesse
kontrolliert. Sie nutzten rezente Wachstumsmuster von Mikrobenkolonien zur Erklärung ähnlicher
Muster in fossilen Ablagerungen, wie es sie bereits in präkambrischen Gesteinen gab, unter anderem in Riffform und somit weitaus älter als Schwamm- oder Korallenriffe jüngerer Erdzeitalter.
Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main ernannte Dr. Gerdes zur
ehrenamtlichen Mitarbeiterin und verlieh ihr und zwei Kollegen, mit denen sie
Mikrobenmatten im südlichen Tunesien beschrieb, den Alexander von Humboldt-Gedächtnispreis
am 23.02.2010.
Die Arbeit mit den „Kleinen des Bioplaneten" eröffnet eine ungeheure Vielfalt bakterieller
Lebensprozesse in nahezu allen Schichten, Materalien und Stoffkreisläufen. Von der üblichen Ansicht im Mainstream, dass diese Organismen nur als Überträger gefährlicher Krankheiten in der Welt seien, sollte tunlichst Abstand genommen werden,
Kattmann (1991) führte aus, dass es zu den Besonderheiten des Bioplaneten gehört, dass nahezu
keine Grenzfläche existiert, an deren Gestaltung Mikroorganismen nicht durch Materialzuwachs und
Stoffwechseltätigkeit mitgewirkt haben.
Im Anschluss sind von ihr bearbeitete Themen aufgelistet, die sie bisher im Ruhestand bearbeitete
und zum Teil veröffentlichte:
> Ecology and conditions of bloom Formation of toxic cyanobacteria in brackish and freshwater
lakes
> Interactions between biofilms and the North Sea bryozoan Flustra foliacea
> GERDES, G.: “Versenkt, vergessen, verharmlost” — Radioaktiver Abfall in Meeren und an Küsten
- Gefahren für Mensch und Umwelt. -In: Waterkant März 2014: Nr. 1 / 29. Jahrgang, Seite 17-22.
> GERDES, G., ILSCHNER, B.: “Salz im Getriebe” - “Das Jade-System verkraftet keine
Experimente -wie die K + S-Abwasserpipeline. In: Waterkant September 2014 Nr. 3 / 29. Jahrgang,
Seite 11-16.
> GERDES, G. “Der Natur sind viele Dinge unmöglich. Doch was sie tun kann, leistet sie meist
überraschend gut” (Zitat Stephen Jay Gould): Zum Beispiel “Blaualgen’7 Cyanobakterien”. In:
Waterkant März 2016 Nr. 131. Jahrgang, Seite 23 - 26.
> Kattmann, U., Gerdes, G.: Bioplanet Erde, In Didaktik der Evolutionsbiologie, Springer, Verlag
Berlin. Herausgeber: Sven Gemballa & Ulrich Kattmann, Erscheinung Juli 2024.
> Kernenergie, Atomkraft, Renaissance, unbequeme Fakten. Entwurf, unveröffentlicht
Cyanobakterien - gefährlich „dank" menschlichen Fehlverhaltens Riskant e Wunderwerke der Natur.
Zeitschrift Waterkant, 2019
> Gefahrdungspotenziale direct eingeleiteter kommunaler Muschwäasser in die Jade.- in Mellumra
(Quelle: Eigenbericht)
Bestandsgeschichte: Die Unterlagen wurden dem Universitätsarchiv im März 2023 übergeben.
- Reference number of holding
-
28220
- Context
-
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- Date of creation of holding
-
1979 - 2021
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
01.04.2025, 1:38 PM CEST
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1979 - 2021