Bestand
Reichskriegsgericht (Bestand)
Bestandsbeschreibung:
Durch Gesetz von 1920 wurde in der Weimarer Republik mit der
militärischen Gerichtsbarkeit auch das 1900 geschaffe-ne
Reichsmilitärgericht aufgehoben. Seine Kompetenzen übernahm das
Reichsgericht. 1933 wurde die Militärgerichtsbarkeit jedoch
wieder eingeführt (Gesetz vom 12. Mai ). Am 1. Oktober 1936 nahm
das Reichskriegsgericht (RKG) als Nachfolgeinstitution des
kaiserlichen Reichsmilitärgerichts seine Tätigkeit als oberste
Instanz über den Gerichten der drei Wehrmachtteile auf. Es wurde
im Gebäude seiner Vorgängerinstution in Berlin-Charlottenburg
(heute Untzlebenstr. 4-5) gleichsam aufgebaut. Im August 1943
erfolgte die Verlegung ins Wehrmachtgefängnis nach Torgau. Mit
dem Inkrafttreten der Kriegsstrafver-fahrensordnung am 26.August
1939 (bis Kriegsende wurde die KStVO mehrfach erweitert, was zu
einer Strafverschärfung bei allen Kriegsgerichten führte)
änderten sich einige Zuständigkeiten des Gerichts. So war das
RKG nach § 14 KStVO von 1939 v.a. in folgenden Fällen zuständig:
Hoch-, Landes- und Kriegsverrat, Angriff auf den Führer und
Reichskanzler, Wehrmittelbe-schädigung und Sabotage,
Wehrkraftzersetzung und Strafverfahren gegen Offiziere und
Wehrmachtbeamte im Admirals- und Generalsrang.
In seiner Zusammensetzung bestand das RKG zunächst aus zwei
Revisions- und einem Hoch- und Landesverratssenat. Im November
1941 kam ein vierter Senat hinzu. Ausgestattet waren die Senate
mit jeweils vier Militärjustizbeamten und drei Offizieren. Die
dramatische Perso-nalknappheit führte im Januar 1945 zur
Einführung sog. kleiner Senate, bestehend nur noch aus drei
Richtern. Neben den ordentlichen Senaten bestand noch ein für
durch außerordentliche Rechtsbehelfe ziviler oder militärischer
Gerichte erforderliche Neuverhandlungen verantwortlicher
Sondersenat, der Besondere Senat trat v. a. in
Strafangelegenheiten gegen Offiziere in Erscheinung, in
strittigen Rechtsfragen entschied der Große Senat. Mitte 1943
wurde schließlich noch ein Sonderstandgericht für die Wehrmacht
eingerichtet und dem RKG als zusätzlicher besonderer Senat
angegliedert.
Vorprovenienz:
Reichsmilitärgericht
Inhaltliche
Charakterisierung: Teile der Akten (v. a. Geheimakten) des RKG
wurden im April 1945 in Torgau verbrannt, die bereits dem
Heeresarchiv übergebenen Akten wurden beim Luftangriff auf
Potsdam am 14. April ebenfalls ein Opfer der Flammen. Doch
gelangten diverse Unterlagen (u. a. Strafprozesslisten,
Vollstreckungslisten und die Urteilssammlung) im Rahmen der
Dienststellenverlegung über Bayern nach Schloss Kundratice ins
Protektorat Böhmen und Mähren, wo sie dann in die Hände
tschechischer Partisanenverbände fielen.
Von den im Militärhistorischen Archiv in Prag vorhandenen
Unterlagen sind besonders 7 Kartons mit Verfahrensakten,
Anklageschriften und Urteile aus den Jahren 1941-1945
hervorzuheben (fragmentarisch geordnet, keine Findmittel), sie
beinhalten z.. B. neun Ordner mit Urteilsabdrucken (1937-1945)
sowie 44 Strafverfahrens- und Vollstreckungslisten. Weitere 77
Kartons mit Generalakten, Schriftwechselunterlagen,
Bestimmungsakten einzelner Senate, Dokumenten zum inneren Dienst
und Personalakten sind ebenfalls in Prag vorhanden.
Ein Teil der Unterlagen wurde durch DDR-Stellen
auf Filme reproduziert. Er gelangte über das Ministerium für
Staatssicherheit und das Militärarchiv der ehemaligen DDR ins
Bundesarchiv (38 Filmrollen, teilweise in schlechter
Reproduktionsqualität). Neben der Urteilssammlung (1941-1945),
den Strafprozesslisten (1936-1944) und Vollstreckungsregistern
(1942-1945) liegen verfilmte Personalakten und Befehle sowie
Dokumente zu einzelnen Verfahren (u. a. zur Widerstandsgruppe
Geschwister Scholl, und zur "Roten Kapelle") vor.
Erschließungszustand:
Online-Findbuch
Umfang, Erläuterung: 4
AE
Zitierweise: BArch RW
11-II/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch RW 11-II
- Umfang
-
4 Aufbewahrungseinheiten; 0,8 laufende Meter
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Militär >> Reichswehr und Wehrmacht 1919 bis 1945/1946 >> Zentrale Einrichtungen der Reichswehr und der Wehrmacht >> Wehrmachtgerichtsbarkeit
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Fremde Archive: Militärhistorisches Archiv Prag (Vojensky historicky archiv, ul. pamutniku 2, Prag CZ)
Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Lüneburg gegen Generalrichter Manfred Röder
OKW-Prozess Nürnberg (Staatsarchiv Nürnberg)
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: MFB 2 / M 800 bis 1341 (Filme aus dem Militärhistorischen Archiv Prag)
N 192 Max Bastian (Präsident des RKG) (nur 3 AE)
RH 13 Heeresfeldjustizabteilung
RH 14 Befehlshaber des Ersatzheeres/Amtsgruppe Heeresrechtswesen
Pers 15 Verfahrensakten von Wehrmachtgerichten
RW 60 Wehrmachtgerichte
RW 59 Personalverwaltenden Stellen der Wehrmacht
R 3001 Reichsjustizministerium (Abt. Reich im Bundesarchiv)
R 1501 Reichsministerium des Inneren (Abt. Reich im Bundesarchiv)
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- Provenienz
-
Reichskriegsgericht, 1938-1944
- Bestandslaufzeit
-
1938-1944
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Reichskriegsgericht, 1938-1944
Entstanden
- 1938-1944