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LHM.- heute ist der erste tag des aufatmens...

Transkription: 14.12.32 LHM.- heute ist der erste tag des aufatmens, der letzte des angestrengteren unterrichts in diesem jahr, welche situation Sie ja wohl nur allzugut nachfühlen können. (dienstags eine bis 1 1/2 std. konzentrierten vortrag, dann täglich "übungen" von 2-5, die aber nur an den 3 ersten wochentagen stärker besucht sind, an den übrigen 3 fast nicht infolge anderweitigen unterrichts. mich in perspektive zu orientieren, machte mir allerlei mühe und wird mir weitere machen. aber es interessiert mich und die alten lehrbücher (1700) sind schön anzusehen, in kupfer gestochen, woran die bibliothek der schule reich ist. ich selbst mache mir farbige perspektiven, um darzulegen, wie es gemeint ist und mit dem appetit wächst das essen. ich bin fast froh, ein so neutrales fach zu haben und damit außerhalb der richtungskämpfe zu stehen, obwohl die "richtung" natürlich auch in die perpektive hineinspielt. (schülerzahl: einschreibungen 65 (ein rekord zum vortrag erscheinende: etwa die hälfte; zu arbeit erscheinende: von diesen die hälfte (was mir alles durchaus recht ist).- man kann, wenn erst die sache klasse einmal klar ist (und das ist sie) beinahe vollkommen unbehelligt sein und bleiben. der direktor ist froh, wenn überhaupt etwas geschieht und der apparat läuft. in dem soviel größeren palazzo, bei der fast unübersehbaren schülerzahl ist das einzelleben in wohltuende distanz gerückt.- das atelier ist kleiner als das breslauer, aber weiß und warm und bei einiger ökonomie reicht auch der platz. wir wohnen 18 min. straßenbahn entfernt in berlin - siemensstadt, königsdamm 287 i. meine schuladresse ist: staatsschulen, berlin - charlottenburg 2, hardenbergstr. 33, wohin ich post richten bäte, post, die uns bald Ihren besuch ankündigt! den projektierten, hoffentlich zu verwirklichenden. chaiselongue allerdings nur erwartet Sie. event. wäre aber auch ein kleines zimmer in der nähe zu bekommen. (wir sind eng gedrängt auf 2 1/2 zimmer). von der bühne bin ich gegenwärtig infolge des obigen weit entfernt, möchte mich bald aber langsam nähern... Ihr libretto-geschrieben oder ungeschrieben regt mich mächtig an und auf. ich werde sofort ganz darin sein, wenn ich erst mal den finger wieder, oder hand und fuß darnach ausgestreckt haben werde. (vielleicht schrieb ich, daß die unmittelbare hausnähe- durch einen gang verbunden- der musikhochschule mit der meinigen, dort eine bühne und zuschauerraum, dort hinemith der mutige moderne befreundete komponist und lehrer hindemith;-- hier aber erst allmählich die auszukundschaftende schülerschaft, wie sie geartet, was sie will, ob sie so etwas wollen kann, was hier möglich wäre; auszukundschaften auch die stellungnahme der lehrerkollegen (der direktor ist dafür, voll und ganz, jedoch für das langsame; langsam in anderem sinne gerät eben dieser direktor in die zange von angriffen gegen ihn, die jetzt vom ministerium geprüft werden und deren letzter schluß fraglich ist: vielleicht kommt er zu fall. damit verlöre ich einen starken protektor meiner sache, besonders einer zukunftigen, denn meine existenz ist nur bis herbst 34 sichergestellt.- schmiedet das eisen, solange es warm könnte man angesichts dieser eventualitäten sagen: oder: tanzet, solange der boden heiß.-- da aber aben neigungen und auch interesse der außenwelt sich auf malerei kapriziert, ich hierin etliches tun möchte, so ist der alte zwick und zwack wieder da, der mich das eine nicht tun und das andere nicht lassen lässt.) bühne ist also eben durchaus in der schwebe. bühne, habe ich das gefühl, würde ich wahrscheinlich sofort tun, sobald ich nicht mehr im schutz der "stellung", an der schule wäre. sondern das jahrhundert in die schranken, oder an die rampe fordern müßte. ich halte sie also "in petto", als eine art rückversicherung für abenteuerlichere zeiten.- können Sie das verstehen? andrerseits: ich spüre hier deutlich und mehr als in breslau, daß die schüler etwas fordern (z.t. tritt es im politischen gewande auf, den dolche darinnen,

Sammlung
Archiv Oskar Schlemmer
Inventarnummer
AOS 2012/1066
Maße
Höhe: 27.8 cm, Breite: 22.1 cm
Material/Technik
Papier; Tinte; maschinenschriftlich; Bleistift

Ereignis
Herstellung
(wer)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Otto Meyer-Amden (20.02.1885 - 15.01.1933)

Rechteinformation
Staatsgalerie Stuttgart
Letzte Aktualisierung
28.03.2025, 12:10 MEZ

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