Bestand
Geistliche Lagerbücher: Kl. Herrenalb (Bestand)
1. Zur Geschichte des Klosters Herrenalb: Herrenalb gehörte zu einer ganzen Reihe von Zisterzienserklöstern, die um die Mitte des 12. Jahrhunderts im deutschen Südwesten gegründet wurden. Allerdings ist es hier neben Tennenbach im Breisgau das einzige, das in den abgelegenen Höhen des Schwarzwaldes angelegt wurde und damit den Ordensidealen der Weltabge-schiedenheit sehr nahe kam. Gestiftet wurde das Kloster nach der offensichtlich verfälschten Gründungsurkunde von 1148 durch Berthold von Eberstein, der damit seiner Familie auch eine repräsentative Grablege verschaffen wollte. Gleichzeitig übernahm der Mönchskonvent die weitere Erschließung, Rodung und Besiedlung des oberen Albtals, die bereits durch die Herren von Eberstein mit dem Bau der Burg Falkenstein eingeleitet worden war. Die Burg wurde zugunsten des unmittelbar benachbarten Klosters offenbar bald wieder aufgelassen, doch blieb der Beitrag der Herrenalber Mönche zum Landesausbau gering. Der Gründungskonvent Herrenalbs kam aus Kloster Neuburg im Elsaß; Herrenalb gehörte über Lützel zur Filiation von Morimond. Herrenalber Tochterklöster hat es nicht gegeben, nur über die Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal (bei Baden-Baden) wurde zeitweise die Paternität ausgeübt. Das besondere Profil der Herrenalber Geschichte wurde von Beginn an gezeichnet durch seine enge Bindung an die Gründerfamilie, die Herren von Eberstein. Diese gründete wenig später das benachbarte Benediktinerinnenkloster Frauenalb und stieg um 1200 in den Grafenrang auf. Mehrere zeitgenössische Stadtgründungen repräsentieren daneben die herausragende herrschaftliche Bedeutung der Eber-steiner zwischen Rhein und Nordschwarzwald im 12. und 13. Jahrhundert. Vogteistreitigkeiten im späten 13. Jahrhundert schwächten den Einfluss der Eber-steiner sehr; die Vogteirechte gingen damals an die Markgrafen von Baden und anschließend an die Grafen von Württemberg über, die sich schließlich als Schirmherren des Klosters behaupten konnten. 1497 wurde das Schirmrecht über Herrenalb dann zwischen Baden und Württemberg geteilt und das Kloster selbst der württembergischen Landesherrschaft unterworfen. Die weiträumige Verteilung des Herrenalber Besitzes beeinträchtigte seine Wirtschaftskraft sehr: Besitzschwerpunkte ("Pflegen") lagen um das Kloster selbst, um Ottersweier und Malsch in der Rheinebene, um Langensteinbach am nördlichen Schwarzwald, um Merklingen und um Vaihingen an der Enz sowie um Bruchsal und Derdingen im Kraichgau. Im Bauernkrieg 1525 wurde die Klosteranlage stark beschädigt, auch Teile der Aus-stattung, der Bibliothek und des Archivs gingen damals verloren. Mit der Einführung der Reformation in Württemberg mussten 1536 alle Mönche das Kloster verlassen. Die anschließend hier eingerichtete Klosterschule wurde schon 1595 wieder geschlossen. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde auch in Herrenalb kurzfristig wieder eine klösterliche Gemeinschaft restituiert (1629-1649); danach wurde sein Besitz noch bis 1806 als württembergisches Klosteramt verwaltet.
2. Zur Überlieferung und Bearbeitung des Klosterarchivs: Angesichts der nurmehr ruinösen Erhaltung der Herrenalber Klosteranlage, des nur noch spärlich vorhandenen einstigen Inventars sowie der kümmerlichen und verstreuten Reste der Klosterbibliothek bietet das Herrenalber Klosterarchiv noch den geschlossensten und bei weitem umfangreichsten Überlieferungskomplex aus der Klosterzeit: Mit über 1.500 Urkunden nimmt die Herrenalber Überlieferung nach der des Klosters Bebenhausen und noch vor der Maulbronns im Vergleich mit den anderen altwürttembergischen Klöstern eine Spitzenstellung ein. Dazu kommt eine dichte Aktenüberlieferung und eine Amtsbuchserie von fast 200 Bänden, die freilich vor allem in die frühe Neuzeit datieren. Die wechselhafte Geschichte des Herrenalber Klosterarchivs ist gut bekannt: War bereits von Verlusten während des Bauernkriegs die Rede, so wurde das Kloster-archiv nach dem Übergang an Württemberg anlässlich der langwierigen Prozesse mit der Pfalz und Baden im 16. Jahrhundert noch weiter gelichtet. Nach ihrer Restituierung im Dreißigjährigen Krieg wurden die Archivalien anschließend nach Salem geflüchtet, von wo aus sie größtenteils erst 1842 an das Generallandesarchiv Karlsruhe abgegeben wurden. Von Karlsruhe aus wurden die ausschließlich württembergische Orte betreffenden Urkunden nach dem Pertinenzprinzip bis 1878 an das königliche Haus- und Staatsarchiv nach Stuttgart weitergegeben. Gleichzeitig wurde der Herrenalber Archivbestand in Karlsruhe durch neu zugewiesene Urkunden aus den Karlsruhe Beständen erweitert. Im Juli 1999 wurde der Herrenalber Urkundenbestand des Generallandesarchivs Karlsruhe (= Bestand 39) im Rahmen des Beständeaustauschs der baden-württem-bergischen Staatsarchive gemäß den Richtlinien der Landesarchivdirektion an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart abgegeben, im November 2001 folgten die in Karlsruhe vormals selektierten (24) Urkunden Herrenalber Provenienz sowie die (26) Amts-bücher. Zurückbehalten wurden dort die später dem Bestand zugeführten (166) Urkunden, die nicht Herrenalber Provenienz aufweisen, sowie die größtenteils in den Bestand 229 eingegangenen und nicht mehr herauszulösenden Akten. Im Haupt-staatsarchiv erhielt der Bestand der Herrenalber Urkunden in Analogie zu dem bereits vorhandenen Bestand die Signatur A 489 K. Damit ist das Herrenalber Urkundenarchiv - bis auf die frühen Verluste und einige heute im Stiftsarchiv St. Paul im Lavantal befindliche Stücke - wieder umfassend unter den Beständen A 489 und A 489 K zu greifen. Die Herrenalber Aktenüberlieferung findet sich ebenfalls unter A 489, die Amtsbuch-serie ist unter der Signatur H 102/31 selektiert. In diese Serie wurden die aus Karlsruhe 2001 übernommenen 24 Lagerbücher jetzt als Bände 168-191 integriert.
3. Zur Verzeichnung des Bestandes: Nach der Zusammenführung der württembergischen Lagerbuchbestände im Haupt-staatsarchiv Stuttgart 1950 und Neuordnung der Überlieferung, die um 1960 im wesentlichen ihren Abschluß fand, wurde die Neuverzeichnung eingeleitet. 1974 entwarfen H.-M. Maurer und H. Natale "Richtlinien zur Kurzverzeichnung von Lagerbüchern" nach denen fortan vorwiegend Auszubildende und Aushilfskräfte die Erschließung der Lagerbuchselekte betrieben. Der vorliegende Bestand H 102/31 wurde im Rahmen doeser Erschließungsarbeiten allerdings nur für die Bände 1-151 erfasst, der Rest blieb unbearbeitet. Bei der laufenden Überarbeitung der Konzept-verzeichnung und der Neuerschließung wurde auf die in den Richtlinien vorgesehene Erfassung von Reskripten und Notizen verzichtet. Der Verzeichnung liegt somit folgendes Schema zugrunde: 1. Bandnummer, 2. Umfang, 3. Jahr der Anlage, 4. Titel, 5. Renovator, 6. Genetische Stufe und Behördenprovenienz, 7. Einleitung, 8. Orte, 9. Urkundenabschriften, 10. Besondere Einträge (Karten, Pläne, Risse, Siegel, 11. äußere Bandbeschreibung, 12. alte Signatur, 13. Schäden. Die Gliederung des Bestandes wurde entsprechend der Verwaltungsgliederung des Herrenalber Klosterbesitzes nach Pflegen bzw. Kellereien vorgenommen. Danach wurde jeweils chronologisch sortiert. Nicht verzeichnet waren bislang die Stuttgarter Bände 152 bis 167, die mit den 24 aus dem Generallandesarchiv Karlsruhe eingekommenen Bänden in diese Ordnung integriert und neu verzeichnet wurden. Damit ist jetzt die komplette Herrenalber Amtsbuchüberlieferung hier zu greifen. Alte und neue Signaturen können der Konkordanz entnommen werden. Neben dem Lagerbuchbestand der Forstverwaltung Mühlacker (H 102/51a), den Herrenalber Urkundenbeständen A 489 und A 489 K, dem angeführten Aktenbestand Herrenalbs im Generallandesarchiv Karlsruhe (= GLA Bestand 229) und einigen weiteren hier verwahrten Handschriften (= GLA Bestand 65), den im Stuttgarter Kaiserselekt liegenden Urkunden (= H 51) und den Beständen der Herrenalber Pflegen Merklingen (= A 503 L) und Vaihingen (unter A 416 L) bieten hier vor allem die Überlieferung des württembergischen Oberrats (A 206, A 213), des Kirchenrats (A 284) sowie einige einschlägige Handschriften (unter J1) ergänzendes Material. Die Bearbeitung der vorhandenen Titelaufnahmen des Bestandes H 102/34 übernahm Peter Rückert 2002 und 2003 unter Mitarbeit der Referendarinnen und Referendare Lilian Hohrmann, Carsten Kohlmann, Thomas Kreutzer, Matthias Röschner und Miriam Zitter. Die Titelaufnahmen wurden als Grundlage eines Online-Findmittels in MIDOSA 95 erfasst. Die Verpackung und Signierung des Bestandes besorgte Rudolf Bezold. Die Konzeptverzeichnungen wurden dem Bestand A 605 zugeordnet. Der Bestand umfasst nun 191 Bände im Umfang von 13,2 lfd.m. Stuttgart, im September 2003 Dr. Peter Rückert
4. Literatur: Herding, Otto: Das Urbar als orts- und zeitgeschichtliche Quelle im Herzogtum Württemberg, in: ZWLG 10 (1951) S. 72-108 Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Bd. III, hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Stuttgart 1978, S. 389 ff. Maurer, Hans-Martin (Bearb.): Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Sonderbestände (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Bd. 35) Stuttgart 1980, S. 122-125 Natale, Herbert: Die Lagerbuchbestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Ordnung - Verzeichnung - Benutzung, in: Aus der Arbeit des Archivars. Festschrift für Eberhard Gönner, hg. von Gregor Richter (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg Bd. 44) Stuttgart 1986, S. 67-76 Pietsch, Friedrich: Die Lagerbücher im Hauptstaatsarchiv Stuttgart ..., in: ZWLG 27 (1968) S. 361-369 Richter, Gregor: Lagerbücher- oder Urbarlehre. Hilfswissenschaftliche Grundzüge nach württembergischen Quellen (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg Bd. 36) Stuttgart 1979
- Bestandssignatur
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 102/31
- Umfang
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191 Bände (13,0 lfd m)
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Selekte >> Altwürttembergische Lagerbücher >> Hauptreihen des Kammer- und Kirchenguts >> Geistliche Lagerbücher der Kirchengutsverwaltung (gesamt)
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- Letzte Aktualisierung
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20.01.2023, 15:09 MEZ
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