Erfüllt die nukleare Abschreckung der NATO ihren Zweck?

Nach den nuklearen Drohungen des russischen Präsidenten Putin im Zuge des Ukraine-Kriegs halten viele NATO-Mitgliedstaaten es für notwendig, die Wirksamkeit des Systems der nuklearen Abschreckung zu überprüfen und einen Reformprozess einzuleiten. Dafür wären Natur, Aufgaben und Reformbedarf der erweiterten nuklearen Abschreckung zu untersuchen. Da das gegenwärtige Dispositiv der NATO den Bedrohungsstand der 90er- und frühen 2000er-Jahre reflektiert, muss man zunächst die heutigen Aufgaben erweiterter nuklearer Abschreckung durch die USA in Europa benennen und Kriterien definieren, um beurteilen zu können, ob eine Abschreckungswirkung erreicht wird. Die bestehenden, im Rahmen der nuklearen Teilhabe in Europa stationierten Fähigkeiten erfüllen generell den Zweck der Abschreckung, allerdings nur im Verbund mit den strategischen Kapazitäten der USA, Frankreichs und Großbritanniens. Es gilt, ihre Verwundbarkeit für Präemptivschläge zu verringern und das Spektrum an Nuklearwaffen und Trägermitteln zu verbreitern. So wichtig neben der Hardware die Software der erweiterten Abschreckung ist, so sinnvoll wäre eine höhere Anzahl von NATO-Mitgliedstaaten, die auf die eine oder andere Weise an der nuklearen Teilhabe mitwirken. Auch sollte die NATO vehementer ihre deklaratorische Politik akzentuieren. Ein großes Hindernis für eine angemessene Reform ist indes die Weigerung vieler europäischer Regierungen, sich einer innenpolitischen Debatte über Notwendigkeit und Voraussetzungen nuklearer Abschreckung zu stellen.
Abstract: Following Russian President Putin’s nuclear threats in connection with the Ukraine war, many NATO member states are now acknowledging the need to review the effectiveness of the nuclear deterrent system and to initiate a reform process. To this end, it is necessary to address the nature of extended nuclear deterrence, its essential elements, and political future deficiencies in hardware or software. Since NATO’s current posture reflects the threat level of the 1990s and early 2000s, there is an urgent need to identify the purposes and means of extended nuclear deterrence by the US in Europe and to agree on criteria against which to assess whether a deterrence effect can be achieved. The existing posture deployed in Europe as part of nuclear sharing agreements generally serves the purpose of deterrence, but only in conjunction with the strategic capabilities of the United States, France and the United Kingdom. However, there is an urgent need to reduce the vulnerability of these nuclear capabilities to pre-emptive strikes and to broaden the range of non-strategic nuclear weapons and means of delivery available in Europe – and in Asia as well. In addition to the hardware, the software of the extended deterrence is also important. Thus, it makes sense to expand the number of NATO member states that participate in nuclear sharing in one way or another. NATO’s declaratory policy also needs to be accentuated more strongly. A major obstacle to a much-needed reform is the refusal of many European governments to engage in a domestic debate on the necessity and conditions of nuclear deterrence.

Standort
Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main
Umfang
Online-Ressource
Sprache
Deutsch

Erschienen in
Erfüllt die nukleare Abschreckung der NATO ihren Zweck? ; volume:7 ; number:3 ; year:2023 ; pages:210-222 ; extent:13
Sirius ; 7, Heft 3 (2023), 210-222 (gesamt 13)

Urheber
Roberts, Brad

DOI
10.1515/sirius-2023-3002
URN
urn:nbn:de:101:1-2023090714072960451275
Rechteinformation
Open Access; Der Zugriff auf das Objekt ist unbeschränkt möglich.
Letzte Aktualisierung
14.08.2025, 10:56 MESZ

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Beteiligte

  • Roberts, Brad

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