Bestand

Interniertenlager und Interniertenkrankenhäuser: Verwaltungsakten (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Eingekommen 1996 vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart (dort Bestand EA 11/103)



I. Behördengeschichte: Bei ihrem Einmarsch verhängten die US-Militärbehörden über bestimmte Amtsträger der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbänden sowie über höhere Offiziere und leitende Beamte den sog. automatischen Arrest aufgrund einer formal an die Stellung gebundenen Belastung (Direktive JCS Nr. 1067 in der Fassung vom 26. April 1945). Angesichts der unter dieser Kategorie hohen Nazifizierung der deutschen Gesellschaft füllten sich rasch die Interniertenlager, die in den ehemaligen Kasernen in und um Ludwigsburg eingerichtet wurden. Bekanntlich hatte die alliierte Luftwaffe mit Blick auf die Besatzungszeit und die Unterbringung der eigenen Truppen Garnisonsstädte weithin verschont. Neben den im Inhaltsverzeichnis genannten Interniertenkrankenhäusern bzw. -lagern mit den Nummern 72 bis 77, bei denen das im vorliegenden Bestand nachgewiesene Schriftgut erwuchs, existierten zwei weitere Lager: 1945/46 kurzfristig das Lager Nr. 71 in Ludwigsburg-Grünbühl, ein ehemaliges Stalag, das dann als DP-Lager verwendet wurde, sowie bis 1948 das Lager 78 in der Grenadier-Kaserne in Stuttgart-Zuffenhausen, ein Durchgangslager bei Verlegungen nach Nürnberg und Dachau sowie bei Auslieferungen an die anderen Alliierten (vgl. Ulrich Müller: Die Interniertenlager in und um Ludwigsburg 1945-1949. In: Ludwigsburger Geschichtsblätter 45. 1991. S. 174f.). Im September und Oktober 1946 bzw. im Mai 1947 (Heilbronn) gingen die Lager in deutsche Verwaltung über. Die Militärregierung entschied aber weiterhin über Entlassungen. Sie bestand zunächst grundsätzlich auf der Einrichtung von Lagerspruchkammern (vgl. Bestand EA 11/104 im HStAS), während die Landesregierung auf Verfahren vor den Heimatspruchkammern drängte - mit einigem Erfolg erst im Lauf der Jahre 1947 und 1948. So konnten Ende Juli 1947 das Interniertenkrankenhaus Karlsruhe und bis zum Jahresende 1947 die Lager in Heilbronn, auf dem Hohenasperg und in der Krabbenloch-Kaserne geschlossen werden. Den automatischen Arrest hob die Militärregierung jedoch erst 1948 auf (Paul Sauer: Demokratischer Neubeginn in Not und Elend. Das Land Württemberg-Baden von 1945 bis 1952. Ulm 1978. S. 168ff.). Am längsten - bis Ende 1949 - bestand das Lager 77; die letzten sechs Insassen, die Arbeitslager-Strafen verbüßten, wurden beim Schlossgut Filseck bei Göppingen in der Landwirtschaft eingesetzt. Eine eingehende Erforschung der Interniertenlager in Württemberg-Baden steht noch aus. Dabei wird auf den vorliegenden Bestand und noch weniger auf die Überlieferung der zuständigen Abteilung IV des Ministeriums für politische Befreiung (im Bestand EA 11/101 des HStAS) nicht mehr verzichtet werden können. Dass diese Forschungslücke besteht, ist freilich nicht von der komplizierten Geschichte des Bestands und seiner Bearbeitung zu trennen.

II. Bestandsgeschichte: Die Geschichte des Bestandes und seiner Bearbeitung ist nur im Gesamtzusammenhang der Überlieferung des Geschäftsbereichs der politischen Befreiung in Württemberg-Baden bzw. in Baden-Württemberg sowie der jüngeren Archivgeschichte des Landes darzustellen. Die Wechselfälle dieses Prozesses führten schließlich dazu, dass erst jetzt ein adäquates, archivfachlichen Ansprüchen genügendes Findmittel vorgelegt werden kann, obwohl für den überwiegenden Teil der hier vorgelegten Unterlagen der Arbeits- und Interniertenlager seit geraumer Zeit die archivischen Sperr- und Schutzfristen abgelaufen sind. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass dieses Findbuch, Ende 1992 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart abgeschlossen, einen Bestand erschließt und für die Nutzer bereitstellt, der in den Zuständigkeitsbereich des Staatsarchivs Ludwigsburg gehört und nach seiner Fertigstellung dorthin abgegeben wird. Das Ministerium für politische Befreiung Württemberg-Baden trat am 1. Oktober 1949 in Abwicklung; es wurde zunächst dem Staats-, später dem Innenministerium angegliedert. Zum 30.09.1950 wurde das Ministerium aufgehoben; die Aufgaben übernahm der Geschäftsteil II E des Innenministeriums und nach der Gründung des Südweststaates am 01.10.1952 das Justizministerium.- Das sog. Archiv des Ministeriums für politische Befreiung war im Juni 1950 in die Magazinräume des Staatsarchivs Ludwigsburg verlagert worden, das formell im Oktober 1950 die Dienstaufsicht erhielt. Nach dem Abschluss der Entnazifizierung 1953 verblieb das Schriftgut im Staatsarchiv Ludwigsburg; eine Nutzung der Unterlagen hatte indes das Gesetz zur einheitlichen Beendigung der politischen Säuberung vom 13. Juli 1953 ausdrücklich ausgeschlossen. Sukzessive gelangten auch die übrigen im Geschäftsbereich der politischen Befreiung erwachsenen Unterlagen sowohl des Ministeriums als auch der nachgeordneten Behörden in das Staatsarchiv Ludwigsburg. Hatte man das im Geschäftsbereich des Ministeriums für politische Befreiung erwachsene Schriftgut vom großen Beständeausgleich zwischen Stuttgart und Ludwigsburg im Jahre 1969 noch ausgenommen, so wurde nach der Neugliederung der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg eine Bestandsbereinigung ins Auge gefasst. Insbesondere sollten die beim Ministerium für politische Befreiung erwachsenen Unterlagen vom Staatsarchiv Ludwigsburg an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart abgegeben werden. Eine Prüfung ergab, dass sich wenigstens die Hauptmasse der Akten des Ministeriums von anderen Provenienzen trennen ließ. Aus praktischen Erwägungen verblieben jedoch zusätzlich zu den Verfahrensakten der Heimatspruchkammern, der Interniertenkammern und der Zentralspruch- und Berufungskammer auch die Gnadenakten des Ministeriums in Ludwigsburg, da gerade diese Einzelfallakten amtlich genutzt wurden (Ordensverleihung, u. a.). Eine Entscheidung über die Provenienz war angesichts des Ordnungszustands vielfach ohne eine fachgerechte Erschließung und Verzeichnung nicht möglich, so dass es sich nur um den ersten Versuch einer Bereinigung handeln konnte. Im Oktober 1976 übernahm dann das Hauptstaatsarchiv Stuttgart rund 330 lfd. m Schriftgut des Befreiungsministeriums; es bildete dort die Bestandsgruppe EA 11. Ende 1980 vereinbarten das Staatsarchiv Ludwigsburg und das Hauptstaatsarchiv Stuttgart eine formale, nicht an der Behördenstruktur orientierte Trennung der Bestände: Das Hauptstaatsarchiv übernahm alle im Geschäftsbereich der politischen Befreiung erwachsenen Verwaltungsakten, also sowohl des Ministeriums für politische Befreiung wie auch der im nachgeordneten Bereich erwachsenen Verwaltungsakten, das Staatsarchiv Ludwigsburg dagegen sämtliche Verfahrensakten. Infolgedessen wurden 1981 sämtliche Verwaltungsakten der Spruchkammern, der Interniertenlager und Lagerspruchkammern sowie Personalakten nach Stuttgart verlagert. Unter Leitung von Walter Wannenwetsch verzeichneten Mitarbeiter des Hauptstaatsarchivs und Archivinspektoranwärter/-innen zwischen 1981 und 1987 die Akten des Ministeriums, die Verwaltungsakten der nachgeordneten Dienststellen (Interniertenlager, Spruchkammer der Interniertenlager, Zentralspruchkammer) sowie einiger Heimatspruchkammern. Als der Bearbeiter 1987 aus dem Staatlichen Archivdienst ausschied, waren rund 240 lfd. m Unterlagen des Befreiungsministeriums und nachgeordneter Dienststellen sowie rund 35 (von 125) lfd. m Verwaltungsakten der Heimatspruchkammern auf Karten und Zetteln hand- oder maschinenschriftlich verzeichnet, die Akten entmetallisiert und in Archivboxen verpackt, die Bestände klassifiziert und in der Reihenfolge ihrer endgültigen Ordnung aufgestellt. In den darauffolgenden Jahren wurden die Erschließungs- und Verzeichnungsarbeiten nicht fortgesetzt. Dies hatte seinen Grund nicht zuletzt darin, dass die Vereinbarung aus dem Jahr 1980 inzwischen als unzureichend betrachtet und eine endgültige Bereinigung entsprechend der Regelung der archivischen Zuständigkeiten angestrebt wurde. Danach verwahrt das Hauptstaatsarchiv die Unterlagen der obersten Landesbehörden, die Staatsarchive sind nach dem Standortprinzip für den nachgeordneten Bereich in den jeweiligen Regierungsbezirken zuständig. Die formale Trennung von Verwaltungs- und Verfahrensakten unabhängig von der Behördenkompetenz war nicht aufrechtzuerhalten. So waren die Gnadenakten des Ministeriums für politische Befreiung ins Hauptstaatsarchiv, die dort verwahrten Verwaltungsakten der nachgeordneten Behörden ins Staatsarchiv Ludwigsburg zu extradieren. Diese Bereinigung erfolgte im Frühsommer 1992 anlässlich des Umzugs des Staatsarchivs Ludwigsburg ins Zeughaus mit Ausnahme der Verwaltungsakten der Interniertenlager und der Lagerspruchkammern; da sie gerade im Hauptstaatsarchiv abschließend bearbeitet wurden, wäre eine weitere Unterbrechung wenig sinnvoll gewesen. Sie sollen nach Fertigstellung der Findbücher abgegeben werden.

III. Bearbeiterbericht: Bereits 1991 wurden im Hauptstaatsarchiv die Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten an der Bestandsgruppe EA 11 wieder aufgenommen. Denn im Jahr 1990 hatte der Gesetzgeber mit der Novelle zum Landesarchivgesetz das Gesetz zur einheitlichen Beendigung der politischen Befreiung von 1953 aufgehoben; die Verfahrensakten waren damit nach Maßgabe des Landesarchivgesetzes und der Archivbenutzungsordnung zu benutzen. Nachdem damit ein erheblicher Teil der Verfahrensakten zugänglich gemacht wurde, mussten endlich auch die Verwaltungsakten der Ministerien, der Zentralspruchkammer sowie nachgeordneter Behörden (Spruchkammern, Interniertenlager) durch moderne Findmittel erschlossen und bereitgestellt werden. Bei Wiederaufnahme der Arbeit stellten sich zahlreiche Probleme: Zahlreiche Unterlagen aus dem Bereich der Verwaltungsakten (ca. 200 Büschel) waren offenbar bei der früheren Bearbeitung übersehen worden; da sie andererseits aus dem vorarchivischen Registraturzusammenhang völlig gelöst waren, ließ sich trotz erheblichen Aufwands die Provenienz nicht immer zweifelsfrei bestimmen. Es zeigte sich, dass in einer nicht geringen Zahl von Fällen die Bestellnummern bzw. die vorläufigen Titelaufnahmen nicht mit dem vorhandenen Archivalienbestand in den Boxen übereinstimmten. Will man sich hier nicht auf Zufallsfunde verlassen, so müsste in allen Fällen ein Abgleich erfolgen (es handelt sich insgesamt um über 4 600 Nummern). Bei der systematischen Überprüfung des Bestands EA 11/103 konnten einige Fehler beseitigt werden, allerdings um den Preis, dass sich neue Lücken auftaten. Mehrere vorläufige Titelkarten waren bereits mit einem "fehlt"-Vermerk gekennzeichnet. Die Hoffnung, die Lücken mit den nicht eingeordneten Archivalien (s.o.) füllen zu können, erwies sich als trügerisch. Indes wird erst die systematische Prüfung innerhalb der Bestände die tatsächlichen Fehlbestände aufdecken und dann vielleicht in einigen Fällen Ergänzungen ermöglichen. Das Landesarchivgesetz setzte für Archivgut, das sich nach seiner Zweckbestimmung auf eine natürliche Person bezieht, neben der allgemeinen Sperrfrist von 30 Jahren eine persönliche Schutzfrist (10 Jahre nach Tod bzw. 90 Jahre nach Geburt) fest. Bei der 1987, also vor Inkrafttreten des Landesarchivgesetzes, unterbrochenen Bearbeitung fehlten diese Angaben. Wo es sich um Akten handelt, die sich auf wenige Personen beziehen, ist eine Prüfung unerlässlich. Hingegen scheint es vertretbar, bei Sammelakten, die sich auf eine große Zahl von natürlichen Personen beziehen, summarisch das Sperrjahr auf 2017 festzusetzen, so dass der von der politischen Befreiung jüngste erfasste Jahrgang 1927 in die Schutzfrist einbezogen ist. Weniger ins Gewicht fällt, dass durchweg auf einen Index verzichtet worden war und ein Teil der Titelaufnahmen offenbar nicht mehr korrigiert werden konnte. Bei Beginn der Arbeit am vorliegenden Bestand EA 11/103 stellte sich die Frage nach dem bleibenden Wert einiger Unterlagen. Sie war vor 1990, als eine Nutzung der einzelnen Verfahrensakten auf Dauer gesetzlich ausgeschlossen war, noch anders beantwortet worden. Es wäre jedoch - trotz der veränderten Bewertungsgrundlagen - im Interesse eines pragmatischen Arbeitsablaufs wenig sinnvoll gewesen, den nicht nur verzeichneten, sondern auch klassifizierten und in der endgültigen Ordnung in Archivboxen aufgestellten Bestand (von eher geringem Umfang) mit allen sich daraus ergebenden Folgen neu zu bewerten. So erfasste im Sommer 1992 die Archivangestellte Gisela Filipitsch die korrigierten, vereinheitlichten und - wo nötig - mit einem Sperrvermerk versehenen Titelaufnahmen. Anschließend fertigte eine Werkstudentin unter Anleitung des Unterzeichneten einen Index zum Bestand. Der Abgleich von Titelaufnahmen und tatsächlichem Bestand führte zu einigen Korrekturen und Umordnungen, auch konnten einige fehlende Büschel eingegliedert werden. Zugleich aber blieben drei Lücken (die Bestellnummern 27, 88 und 90). Es ist zu hoffen, dass nach Abschluss der Erschließungs- und Verzeichnungsarbeiten an der Bestandsgruppe EA 11 im Hauptstaatsarchiv bei einer Endredaktion auch diese Fehlbestände aufgefüllt werden können. Der Bestand umfasst 179 Nummern in 4,7 lfd. m. Stuttgart, im Dezember 1992 Roland Müller (Hauptstaatsarchiv) Der Bestand EA 11/103 des Hauptstaatsarchivs Stuttgart wurde am 29.07.1996 (=Zugang 1996/57) nach Abschluss der Verzeichnung vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart zuständigkeitshalber an das Staatsarchiv Ludwigsburg abgegeben , wo er die Signatur EL 904/0 erhielt (vgl. Kanzleiakten Az. 7511.6, Schreiben vom 10.7. und 12.8.1996). Im Jahr 2008 wurde der Bestand um weitere 5 Archivalieneinheiten ergänzt, welche bei der Bearbeitung der Beständegruppe EL 900 Heimatspruchkammern: Verwaltungsakten aufgefunden worden waren. Im Mai 2009 wurden aus dem Bestand EL 904/3 im Rahmen der Einzelverzeichnung der Gefangenenpersonalakten zwei Einheiten entnommen und den Verwaltungsakten zugefügt. Der Bestand EL 904 umfasst nun 186 Akten. Regina Schneider Bemerkung: Sammlung zur Geschichte der Interniertenlager siehe Bestand JL 470

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 904
Extent
186 Büschel (5,0 lfd. m)

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Ober- und Mittelbehörden seit um 1945 >> Geschäftsbereich Ministerium für politische Befreiung >> Interniertenlager: sonstige Unterlagen

Date of creation of holding
1945-1951

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18.04.2024, 10:40 AM CEST

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1945-1951

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