Bestand
Bremer Woll-Kämmerei (BWK) (Bestand)
Enthält: Aufsichtsrat - Bilanzen - Korrespondenz - Kalkulationsbücher - Produktionsbücher - Kundenbücher - Anlagevermögen - Wolleinkauf - Verkauf von Kammzügen - Personal und Löhne - Betriebsfeuerwehr - Fotos - Sammlungen
Geschichte des Bestandsbildners: 1883 gründeten mehrere Bremer Wollkaufleute eine Fabrik, um vor Ort die ersten Verarbeitungs- und Veredelungsstufen von Rohwolle durchführen zu können. Ein Jahr später nahm die Bremer Wollkämmerei in Blumenthal ihre Arbeit auf. Für den Betrieb zogen in erheblichem Umfang Arbeitskräfte aus Polen und Osteuropa in das Gebiet und prägten die Gemeinde sowie die benachbarten Orte. Wie es für damalige industrielle Großbetriebe üblich war, schuf das Unternehmen ein Netz aus Sozialeinrichtungen, um seine Belegschaft zu versorgen.
Die BWK erwirtschaftete ihren Umsatz durch Lohnkämmerei, d.h. für jedes Kilogramm gekämmter Wolle einer bestimmten Qualität wurde ein festgelegter Satz gezahlt, der Kammlohn. Hierzu musste bei der Wäsche und Sortierung ein möglichst großer Anteil an nutzbarem Material (Rendement) aus der Rohwolle gewonnen werden. In den späteren Verarbeitungsschritten war das Verhältnis von Kämmlingen und anderen verwertbaren Abgängen zu dem hochwertigen Kammzug (Romäne) möglichst gering zu halten. Das Unternehmen ergänzte dieses Kammgeschäft durch den - zum Teil hochspekulativen - Eigenhandel mit Wolle. 1900 brachten diese Termingeschäfte die BWK an den Rand der Pleite.
Da das Geschäftsmodell der BWK von Wollimporten abhing, erlebte der Geschäftsbetrieb im Ersten Weltkrieg einen herben Einschnitt. Auch die Belegschaft wurde deutlich reduziert. Während der Weimarer Republik florierte der Geschäftsbetrieb. Die Weltwirtschaftskrise schmälerte zwar die Umsätze und Gewinne, gestattete es dem Unternehmen aber auch sich nach dem Konkurs der Nordwolle an der Hamburger Wollkämmerei zu beteiligen. Seit 1933 führte die NS-Wirtschaftspolitik mit ihrer Rüstungs- und Binnenmarktorientierung wieder zu erheblichen Produktionseinbrüchen. Um diese Defizite auszugleichen, baute die Firmenleitung ab 1937 eine Zellwollproduktion auf. Im Zweiten Weltkrieg wurde zudem Kriegsmaterial gefertigt; auch Zwangsarbeiter kamen in der BWK zum Einsatz.
Geschichte des Bestandsbildners: Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die US-Army einen Teil des Geländes als Nachschublager. Schnell wurde die Lohnkämmerei wieder in Gang gesetzt, und auch die Chemiefaserproduktion blieb bestehen. Wegen eines florierenden Geschäfts erreichte die BWK 1957 mit fast 5.000 Arbeitern und Angestellten den höchsten Beschäftigungsstand und stellte ab 1960 ausländische Arbeitskräfte ein. Wegen sich verschlechternder Umstände (die steigenden Lohnkosten in der Bundesrepublik Deutschland, eine aufwertende D-Mark, eine Konzentration im Wollmarkt und deswegen steigende Wollpreise) wurde diese arbeitsintensive Verarbeitung auf eine investitions- und damit kapitalintensive Produktion umgestellt. Im Zug dieser Rationalisierung und Automatisierung konzentrierte sich die BWK zunehmend auf das Kämmen von Edelwolle - bei einer rückläufigen Belegschaftsstärke, Produktion und Auslastung.
Viele Jahre war die Norddeutsche Raffinerie Hauptaktionär der BWK. Nachdem der australische Elders-Konzern 2000 Großaktionär wurde, nahm er die BWK 2007 von der Börse. Im Frühjahr 2009 wurde der Geschäftsbetrieb wegen fehlender Rentabilität eingestellt.
Bestandsgeschichte: Nachdem die bevorstehende Liquidierung der BWK im Januar 2009 in der Presse bekannt gegeben wurde, sicherte das Staatsarchiv Bremen umgehend einen Großteil des vorliegenden Bestandes. Im folgenden Jahr lieferte die BWK noch audiovisuelles Material ab. Die vorhandene Überlieferung erfasst nicht das gesamte, von der Forschung bereits ausgewertete, in Fußnoten aufgeführte und damit dem Umfang nach bekannte Firmenarchiv. Offenkundig sind Überlieferungsverluste eingetreten.
Aus dem Förderverein Kämmereimuseum Blumenthal e.V. wurden 2012/2013 Fotomaterial und Pläne abgegeben. Auch das Fockemuseum stellte Schriftgut zur Verfügung, das bei der Sicherung von Realien mitgenommen worden war.
Bei der Verzeichnung wurde der Bestand feinkassiert. Insbesondere zusammenhangslose Unterlagen aus dem Rechnungswesen wurden ausgeschieden.
- Bestandssignatur
-
Staatsarchiv Bremen, 7.2135
- Umfang
-
ca. 12
- Kontext
-
Staatsarchiv Bremen (Archivtektonik) >> Gliederung >> 7. Nichtamtliche Überlieferung >> 7.3. Wirtschaftsarchive >> 7.3.2. Verarbeitendes Gewerbe
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Literatur: Grundlegend ist die Firmengeschichte von Friedrich Jerchow: Die Geschichte der Bremer Wollkämmerei zu Blumenthal 1883-1893, Bremen 1983, die kritisch kommentiert wurde von Volkmar Leohold: Die Kämmeristen, Hamburg 1986 und worauf Friedrich Jerchow: Zerrbild und Wirklichkeit des Arbeitslebens auf der Bremer Wollkämmerei, Bremen 1987 reagierte. Jüngere Veröffentlichungen sind: Susanne Schöß: Geschichte und Bedeutung der Bremer Wollkämmerei (BWK) in Bremen-Blumenthal, in: Denkmalpflege in Bremen, Bd. 7 (2010), S. 67-76 und Jörn Brinkhus: Lohnkämmerei und Wollhandel. Zur Überlieferung der Bremer Wollkämmerei im Staatsarchiv Bremen, in: Bremisches Jahrbuch, Bd. 89 (2010), S. 284-295 mit ergänzenden Hinweisen. Ergänzend können - je nach Untersuchungsgegenstand - die publizierten Geschäftsberichte (1883-2004) und die Werkszeitung "Sir Charles" (1986-2005) sowie Johann Jäger: 25 Jahre Baugeschehen auf der Bremer Woll-Kämmerei, Bremen 1963 herangezogen werden. Die Datenbank der Dienstbibliothek des Staatsarchiv Bremen weist darüber hinaus eine Sammlung von kürzeren Beiträgen zur BWK nach, die sicherlich noch Zuwachs erfahren wird (Systematikstelle: G.11.b.Bremer Wollkämmerei).
- Bestandslaufzeit
-
1882-2013
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
07.10.2024, 12:36 MESZ
Datenpartner
Staatsarchiv Bremen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1882-2013