Archivalie
Lieber Herr Schottländer, Zu Ihren beiden Briefen:...
Inzwischen habe Schlemmer zwei Briefe von Schottländer erhalten. Die von Schlemmer bestellten Haushaltswaren seien alle angekommen. Dafür werde er Schottländer das Bild "Interieur quer" als Bezahlung vermachen. Ausgehend von einer Bemerkung über die als niederschmetternd empfundene Kunst der Gegenwart geht er auf die Ansicht Schottländers ein, dass Schlemmers Kunst den Anschein erwecke, einer vergangenen Epoche anzugehören.
Transkription: Eichberg,15.Nov.1935 Lieber Herr Schottländer, Zu Ihren beiden Briefen: die neuen Waren sind da,sie passen in das Loch,der Löffelhalter ist nicht einmal so kitschig,die Löffel dazu wunderbar. Die Brotschneidemaschine hat bereits ihren Dienst angetreten. Schönsten Dank auch im Namen der Hausfrau!- Die Porzellandeckel erwarten wir noch. Die Tür des Fliegenschranks wird,wie die Firma Breitenstein schrieb,umgetauscht. -Somit wäre alles im Blei,bzw.Eisen und Emaille . Gern wüßte ich,nachdem wir nun am Ende des Küchen-und Haushaltsegens angelangt sind,was das alles kostet. Z.T.weiß ich es ja, z.T.ungefähr,andres weiß ich nicht.Ich möchte es gern der Wissenschaft wegen wissen,was wir nun besitzen.Ob es Ihnen Mühe macht,es einmal zusammenzustellen ? Ungerechnet dabei wird dann sein Ihre Mühewaltung und Ermöglichung und selbstverständlich werden Sie ein Bild erhalten.Wenn Ihnen das "Interieur quer" am besten gefällt,so dieses, und ich werde mich freuen,wenn ein qualitätvolles Bild bei einem qualitätvollen Mann beheimatet sein wird. Ob Ihnen gelingen wird,den "Kopf mit Tasse" an einen dt.Mann zu bringen ? -Eile hat es keine und wenn die Nägel an der Wand sich weiterhin zum Tragen von Bildern bereit erklären,so mögen sie hängen bleiben. Was nun Ihren Pessimismus gegenüber meinen Bildern gegenüber Ihren Besuchern und gegenüber der Kunstsituation überhaupt anbelangt,so ist dazu zu sagen: Mit dem Gros der Menschheit können und dürfen wir nicht rechnen,wenn dieses heute auch noch so sehr als alleiniger Gradmesser hingestellt wird.Dagegen spricht die Geschichte und der bisherige Verlauf bei der Entstehung des Kunstwerks.Bis auf ganz seltene Fälle war die breite Wirkung sofort mit dem Erscheinen einer neun Kunstform da. Sehen Sie den Fall Meyer-Amden und Sie haben wieder ein typisches Beispiel von "Künstlers Erdenwallen". Das Gros wird ihm noch sehr lange fremd gegenüberstehen,wenn es überhaupt je in engere Beziehung tritt. Die Kunstströmungen der Gegenwart aber sind niederschmetternd. also kein Maßstab und keine Richtung weisend. Erlassen Sie es mir,mich aufzuregen.- Daß Ihnen meine Bilder aber als einer bereits weit zurückliegenden Epoche angehörig erscheinen,das überrascht mich denn doch einigermaßen, weil ich nämlich d i e Epoche,die sie so zurückliegend machen soll,nicht kenne oder sehe,-es sei denn jene des "Gros der Menschheit". Wenn Sie aber I h n e n so erscheinen,so ist das etwas anderes und heißt für mich,daß sie zeitlich bedingt und also nicht das haben,was man Zeitlosigkeit nennt. Das allerdings würde ich dann sehr bedauern.Dann wäre die"Gesamtausstellung zu ehren meines 50. Geburtstags" (in 3 Jahren) eine traurige Angelegenheit!(Keine Angst!Sie wird nicht kommen;sie wird vielleicht mit 60 kommen und ist dann noch fraglich).Ich habe immer gegelaubt [sic],daß ich innerhalb der modernen Kunstentwicklung (die es ja also de facto nicht mehr gibt,bzw.Bolschewismus ist) Vertreter derjenigen Gattung sei,die sich um kompositionelle Gestaltung bemüht,aus der zuguterletzt etwas wie Stil sich entwickelt,etwas,was den besten Geistern eine erstrebenswerte Sache schien. Offengestanden sie erscheint es mir heute noch,trotz dieser Zeit,und sie ist die Ursache,daß ich überhaupt noch etwas tue. Dazu die Hoffnung,damit zu einem guten Ende kommen- wenn auch resonnanzlos,hoffnungslos und l'art pour l'art. Denn es g i b t ja faktisch für Unsereinen (ich bin da wahrhaftig nicht der Einzige) gar keine andere Möglichkeit als das zu tun,wozu uns ein unbekannter Gott oder Dämon immer wieder von neuem zwingt. Nein,mein lieber Herr Schottländer, dieser G l a u b e ist noch nicht kaputt und wird,gerade infolge der Verfemung, eher wachsen und sich verfestigen als sich zerstören lassen. Malerei ist immer noch die außerordentliche Möglichkeit, Dinge sichtbar werden zu lassen,von denen sich das Gros der Menschheit nichts träumen läßt. Die Ware für das Gros liegt längst und haufenweise bereit,wird kaninchenhaft produziert sodaß hier keine Erzeug
- Collection
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Archiv Oskar Schlemmer
- Inventory number
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AOS 2015/1819
- Material/Technique
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Papier; maschinenschriftlich
- Event
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Herstellung
- (who)
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Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Julius Schottländer (25.09.1887 - 16.10.1953)
- Rights
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Staatsgalerie Stuttgart
- Last update
-
28.03.2025, 12:10 PM CET
Data provider
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Object type
- Archivalie
Associated
- Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
- Julius Schottländer (25.09.1887 - 16.10.1953)