Bestand

Gewerkschaft Gesundheitswesen (Bestand)

Bestandsbeschreibung: Aufgaben und Organisation:

Die Gewerkschaft Gesundheitswesen war - wie auch die anderen Einzel- bzw. Industriegewerkschaften (IG) der DDR - in gewisser Hinsicht eine Fachabteilung des FDGB. Zu ihrem Organisationsbereich gehörten die Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialwesens. Die spezifische Abhängigkeit der Gewerkschaft Gesundheitswesen sowie der anderen Einzelgewerkschaften vom FDGB lag darin begründet, dass der FDGB-Bundesvorstand den Zentralvorständen gegenüber weisungsbefugt war. Im Sinne des demokratischen Zentralismus legte er deren Arbeitsrichtlinien fest und wies ihnen aus dem zentralen Gewerkschaftshaushalt die Mittel für ihre Tätigkeit zu.

Im Gegensatz zu den Industriegewerkschaften war die Gewerkschaft Gesundheitswesen nicht für Beschäftigte der materiellen Produktion zuständig. Ihre Verantwortung lag darin, durch eine verbesserte medizinische Versorgung der Bevölkerung, den Krankenstand zu senken und auf diese Weise eine gesteigerte Produktivität zu ermöglichen, die wiederum als Voraussetzung für den Aufbau des Sozialismus galt.

Die Akten der Gewerkschaft Gesundheitswesen sind vor allem aus zweierlei Hinsicht interessant. Zum einen geben sie Auskunft über die im Gesundheitswesen arbeitenden Berufsgruppen und ihre gewerkschaftliche Organisation. Zum anderen sind sie - bedingt durch die Tatsache, dass sich die Gewerkschaft aufgrund der Verantwortung für ihre Mitglieder mit grundsätzlichen Fragen des Gesundheitswesens befasst hat - eine gewinnbringende Quelle zur Erforschung des Gesundheitssystems der DDR. Die Akten der Sportgemeinschaft Medizin geben außerdem einen Einblick in das Betriebssportwesens der 50er Jahre.

Im April 1949 beschloss der Bundesvorstand des FDGB, die Abteilung Gesundheitswesen aus der IG 15 Öffentliche Betriebe und Verwaltungen herauszulösen und eine neue IG Gesundheitswesen zu bilden. Daraufhin konstituierte sich am 5. Juli 1949 der provisorische Zentralvorstand. Vom 4.-6. August 1950 fand die 1. Zentraldelegiertenkonferenz, die Gründungskonferenz der Gewerkschaft Gesundheitswesen, statt.

Am 22. März 1959 beschlossen die Zentralvorstände der Gewerkschaft Verwaltungen, Banken, Versicherungen (VBV) und der Gewerkschaft Gesundheitswesen auf Grundlage der Beschlüsse der 30. Tagung des Bundesvorstands des FDGB die Vereinigung beider Gewerkschaften zur Gewerkschaft Staatliche Verwaltungen, Gesundheitswesen, Finanzen. Es wurde ein gemeinsamer Vorstand gebildet, der allerdings nur bis zum 30. März 1961 tagte. Die Änderungen des 1958 begonnenen Siebenjahrplanes im Jahr 1961 stellten das Gesundheits- und Sozialwesen vor höhere Aufgaben, weshalb die Gewerkschaft Staatliche Verwaltungen, Gesundheitswesen, Finanzen aufgeteilt und die Gewerkschaft Gesundheitswesen wiedergegründet wurde.

Auf der außerordentlichen Zentraldelegiertenkonferenz am 29. Januar 1990 benannte sich die Gewerkschaft in "Gewerkschaft Gesundheits- und Sozialwesen" um. Sie verstand sich nun als eigenständige Gewerkschaft unabhängig vom FDGB. Am 10. Juli 1990 wurde die Verlags- und Vermögensgesellschaft der Gewerkschaft Gesundheits- und Sozialwesen GmbH gegründet, die mit dem Auflösungsbeschluss vom 22. September die Liquidation des Gewerkschaftsvermögens durchführte. Am 2. Oktober 1990 wurde die Gewerkschaft aufgelöst.

In ihrer Satzung von 1950 benennt die Gewerkschaft ihre Hauptaufgabe darin, "alle Maßnahmen des demokratischen Staates zur Gesunderhaltung der Menschen zu unterstützen und damit die Grundlage zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und Organisierung der Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung zu schaffen." Ziele sind unter anderem die Verbesserung und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens, der Ausbau des betrieblichen Gesundheitswesens, die Verbesserung der Lohn-, Gehalts- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, Arbeitsschutz, die Vertretung der Mitglieder in Rechtsstreitigkeiten in bezug auf ihr Arbeitsverhältnis, die Förderung des Betriebssports und der Ausbau des Feriendienstes.

Mitglieder konnten alle in Einrichtungen des öffentlichen und privaten Gesundheitswesens tätigen Personen werden. Im Beschluss der außerordentlichen Bundesvorstandssitzung des FDGB vom 17. Mai 1949 wurde festgelegt, dass zum Organisationsbereich folgende Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens gehörten:

Sozialversicherungsanstalten und Eigenbetriebe der Sozialversicherung

Einrichtungen des Betriebsgesundheitswesens (z.B. Betriebspolikliniken und Sanitätsstellen)

Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens (z.B. Krankenhäuser, Kliniken, Heil- und Pflegeanstalten, Fürsorge- und Beratungsstellen, medizintechnische Institute, Badebetriebe, Desinfektionsbetriebe)

Praxen niedergelassener Ärzte, Zahnärzte und Dentisten

Praxen von Hebammen

Praxen von Masseuren und Heilgymnasten, Apotheken

Apotheken

Röntgeninstitute und Laboratorien

karitative und private Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten und Sanatorien

Praxen von Tierärzten

Praxen von Heilpraktikern

Praxen von Veterinär-Technikern

Fußpflegeinstitute

Kosmetische Institute

Schädlingsbekämpfungsbetriebe

Friseurgeschäfte

Im Laufe der Entwicklung der Gewerkschaft gab es immer wieder Änderungen im Organisationsbereich. Beschäftigte anderer Einrichtungen kamen hinzu oder bisher Organisierte wurden von anderen Gewerkschaften übernommen.

Der Organisationsaufbau der Gewerkschaften wurde vom Bundesvorstand des FDGB festgelegt. Alle Organe waren zugleich Organe des FDGB. Die Gewerkschaft Gesundheitswesen hatte folgende:

Zentraldelegiertenkonferenz

Zentralvorstand (mit Sekretariat bzw. Präsidium)

Landes- bzw. Bezirksvorstände

Gebiets- bzw. Kreisvorstände

Betriebsgewerkschaftsleitungen

Die Zentraldelegiertenkonferenz war das höchste Organ der Gewerkschaft. Sie fand unregelmäßig im Abstand von einigen Jahren statt. Die Wahl der Delegierten erfolgte auf Landes- bzw. später Bezirksdelegiertenkonferenzen, deren Teilnehmer wiederum von den Kreisdelegiertenkonferenzen gewählt wurden. Die Zentraldelegiertenkonferenz nahm den Rechenschaftsbericht des Zentralvorstandes und der Revisionskommission entgegen, beschloss die Grundsätze der Gewerkschaftspolitik und legte die Aufgaben der Gewerkschaft fest. Sie beschloss Satzungen und wählte den Zentralvorstand und die Revisionskommission.

Der Zentralvorstand leitete die gesamte Tätigkeit der Gewerkschaft zwischen den Zentraldelegiertenkonferenzen. Er tagte meist in Berlin, wo die Gewerkschaft ihren Sitz hatte. Er musste die Beschlüsse des FDGB-Kongresses bzw. der Zentraldelegiertenkonferenz umsetzen, nahm an der Ausarbeitung und Durchführung der Volkswirtschaftspläne teil, arbeitete an Gesetzesentwürfen für das Gesundheitswesen und die Sozialversicherung mit und stellte den Haushaltsplan für die gesamte Gewerkschaft auf.

Der Zentralvorstand wählte aus seiner Mitte den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden und die Mitglieder des Sekretariats bzw. Präsidiums. Er vertrat die Gewerkschaft seit April 1955 in der Internationalen Vereinigung der Gewerkschaften der Werktätigen des öffentlichen Dienstes und verwandter Berufe (IVG) im Weltgewerkschaftsbund (WGB).

Vorsitzende:

Hugo Gräf (1949-1951)

Gertrud Grothe (1951-1953)

Eva Gatzek (1953-1955)

Robert Ganse (1955-1958)

Willi Albrecht (1958-1959, Vorsitzender der Gewerkschaft Staatliche Verwaltungen, Gesundheitswesen, Finanzen)

Walter Steingräber (1959-1961, Vorsitzender der Gewerkschaft Staatliche Verwaltungen, Gesundheitswesen, Finanzen)

Georg Hans Großmann (1961-1968)

Elfriede Gerboth (1968-1990)

Siegmar Treibmann (Jan. 1990 - Mai 1990)

Richard Klatt (Mai 1990 - Okt. 1990)

Unterstützt wurde der Zentralvorstand in seiner Arbeit vom Sekretariat bzw. Präsidium, einem kleineren Gremium, das die Arbeit der Gewerkschaft zwischen den Zentralvorstandssitzungen leitete. Das Sekretariat existierte seit Gründung der Gewerkschaft. 1961 wurde es wahrscheinlich aufgelöst, um durch das Präsidium, das weniger Mitglieder hatte, ersetzt zu werden. Unklar ist, weshalb Sekretariat und Präsidium zwischen 1966 und 1982 parallel bestanden. Für die Zeit ab 1982 arbeitete nur noch das Sekretariat.

Der Vorsitzende, der stellvertretende Vorsitzende und die Abteilungsleiter der Gewerkschaft waren sowohl im Präsidium als auch im Sekretariat Mitglied. Beide Gremien lösten mit Hilfe der Kommissionen, Fachgruppen, Abteilungen und zeitweiligen Arbeitsgruppen die Aufgaben zwischen den Tagungen des Zentralvorstands. Sie wurden für die Arbeit der Kommissionen und Fachgruppen verantwortlich gemacht und waren verpflichtet, zu wichtigen Tagungen des FDGB, der Bezirks- und Kreisvorstände der eigenen Gewerkschaft und staatlicher Organe Vertreter zu schicken und die Arbeit der Zentralvorstände in den Bezirken anzuleiten.

Der Organisiertengrad der Beschäftigten in Gewerkschaften war in der DDR sehr hoch. 1972 hatte die Gewerkschaft Gesundheitswesen 394.376 Mitglieder und damit ein Organisiertenverhältnis von 94,2 %. In späteren Jahren stieg der Prozentsatz der Gewerkschaftsmitglieder weiter an.

In der Statistik vom 31. Jan. 1989 waren 648.144 Mitglieder in 4.067 Betriebsgewerkschaftsorganisationen vermerkt. Bedingt durch den hohen Beschäftigungsanteil von Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen lag ihr Mitgliederanteil zu diesem Zeitpunkt bei 85 %. Sozial setzten sich die Gewerkschaftsmitglieder aus 409.842 Arbeitern (zu denen auch das mittlere medizinische Personal zählte), 57.303 Angestellten und 58.739 Vertretern der Intelligenz, wie z.B. Ärzte, zusammen. (Vgl. BArch DY 41/580)

Bestandsgeschichte:

Der Bestand umfasst ca. 34 lfm mit einer differenzierten Laufzeit von 1932-1933, 1945-1948 und 1949-1990. Die Akten der Gewerkschaft Gesundheitswesen wurden im Zeitraum 1959 bis 1984 an das Zentralarchiv des FDGB abgegeben und mit der Gründung der Stiftung der Parteien und Massenorganisationen der DDR 1993 in das Bundesarchiv überführt.

Die frühen Schriftstücke stammen vor allem aus den 40er Jahren, als die Beschäftigten des Gesundheitswesens noch in der IG 15 Öffentliche Betriebe und Verwaltungen organisiert waren.

Die Überlieferung aus den Jahren 1958-1961, also der Zeit, in der die Gewerkschaftsmitglieder in der Gewerkschaft Staatliche Verwaltungen, Gesundheitswesen, Finanzen organisiert waren, befindet sich vor allem im Bestand DY 45 Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft.

Archivische Bearbeitung und Bewertung:

Der Bestand wurde vom September bis Dezember 2003 bearbeitet.Kassiert wurden fast ausschließlich Dubletten.

Die Akten wurden nach dem Provenienzprinzip klassifiziert, so dass man Akten zu einem bestimmten Thema durchaus in verschiedenen Klassifikationsgruppen finden kann. Die Klassifikationsgruppen sind Leitung, Abteilungen und die Sportvereinigung Medizin. Sie sind durch sachthematische Klassifikationsebenen strukturiert. Da sich die Abteilungsstruktur der Gewerkschaft im Laufe der Zeit oft geändert hat, Aufgaben gewandert sind, neue hinzukamen und andere wegfielen, kann die Einteilung hier nur eine idealtypische sein.

Bei der Bearbeitung war es nötig, vorgefundene Aktentitel zu präzisieren oder zu ändern. Die dabei eventuell heute nicht mehr verständliche Terminologie des Aktenbildners wurde dabei übernommen und ist zum Teil in den Zusatzbemerkungen erläutert.

Da die Akten zum Teil sehr heterogenen Inhalts sind und eine Neuordnung nicht vorgenommen wurde, um Entstehungszusammenhänge nicht zu verwischen, sind detailierte Enthält-Vermerke angefertigt worden.

Im August 2011 wurden vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der FU Berlin 105 Ordner übernommen, die überwiegend Schriftgut der Abteilung Kultur und Bildung, der Abteilung Arbeit und Löhne und des Büros der Vorsitzenden enthielten. Diese Akten wurden im Juni 2013 bearbeitet und dem Bestand hinzugefügt.

Inhaltliche Charakterisierung: Der Bestand DY 41 beinhaltet das Schriftgut der Zentralen Leitung der Gewerkschaft Gesundheitswesen vor allem aus der Zeit 1949-1990. Das Schriftgut der Bezirks- und Kreisvorstände bzw. der Betriebsgewerkschaftsleitungen dagegen sollte, sofern es überliefert ist, in den Landesarchiven bzw. Kommunal- und Stadtarchiven zugänglich sein. Trotzdem erfährt man aus den Akten der Zentrale nicht nur grundsätzliches. Durch das umfangreiche Berichts- und Kontrollsystem ist z.B. dank der Tätigkeits- und Inspektionsberichte sowie der Sitzungsprotokolle viel über die Gewerkschaftsarbeit auf Bezirks- und Kreisebene und über die Situation in Einrichtungen des Gesundheitswesens überliefert.

Erschließungszustand: Ablieferungsverzeichnis, Kartei, Findbuch, Onlinefindbuch

Zitierweise: BArch DY 41/...

Bestandssignatur
Bundesarchiv, BArch DY 41
Umfang
921 Aufbewahrungseinheiten; 30,0 laufende Meter
Sprache der Unterlagen
deutsch

Kontext
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Deutsche Demokratische Republik mit sowjetischer Besatzungszone (1945-1990) >> Organisationen und Verbände >> Gewerkschaften
Verwandte Bestände und Literatur
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: DQ 1 Ministerium für Gesundheitswesen (1945-1950) (1950-1990)

DY 34 Bundesvorstand Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (1945-1990)

DY 45 Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft (1946-1990)

SgY 34 Gewerkschaftsbewegung in der SBZ/DDR (= Sammlung von Flugblättern, Druckschriften, Ausweisen, Delegiertenmappen) (1945-1990)

Literatur: Chronik der Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft im FDGB, Berlin (Ost) 1986.

Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB). Geschichte und Organisation, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, 1978.

Gill, Ulrich: Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB). Theorie - Gesichte - Organisation - Funktionen - Kritik, Opladen 1989.

Provenienz
Gewerkschaft Gesundheitswesen, 1949-1990
Bestandslaufzeit
1949-1990

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Letzte Aktualisierung
16.01.2024, 08:43 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Beteiligte

  • Gewerkschaft Gesundheitswesen, 1949-1990

Entstanden

  • 1949-1990

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