Archivale
Beleidigung, Verleumdung
Enthält: Schon länger hatte der Notar Anton Dietrich Prumme ein missgefälliges Auge auf den Schöffen Peter Merken aus Mödrath geworfen. Ende Februar 1679 ereignen sich mehrere Wortgefechte und tätliche Auseinendersetzungen, die ihm den Anstoß geben, vor Gericht zu gehen. Unmittelbar ausgelöst wurde der Vorstoß dadurch, das am 27.2. in Hilger Försters Brauhaus Peter Merken mit Unterstützung von Wilhelm Keymer mit dem Stiel einer Axt auf Prumme losgegangen war und ihn - beinahe - schwer verletzt hätte, wenn nicht Prumme sich gerade noch in das Haus des Nachbarn hätte flüchten können. Vorausgegangen war bereits am 20.2. eine tätliche Auseinandersetzung mit dem genannten Wilhelm Keymer. Die beiden Väter waren darüber in Streit geraten, dass die Kinder Prummens, obgleich sie die Kinder Keymers, die wegen einer ansteckenden Krankheit ("quatene Plack") vor dem Schulmeister ("praeceptor") angezeigt worden waren und öffentlich gemieden wurden, die Krankheit dennoch gefangen hatten, so dass er, Prumme, einen Rtlr für die Behandlung ("Chur") hatte zahlen müssen. Als er deswegen und wegen der üblen Nachrede durch die Kinder den Vater Wilhelm Keymer belangen wollte, wurde dieser handgreiflich und beschuldigte ihn noch dazu ein paar Tage später, am 26.2., auf offener Straße einen "Gurgel- oder Keelenschneider" und Mörder. Darüber hinaus kam es, ebenfalls am 26.2., in Michael Hamechers Haus zu einem heftigen Wortwechsel mit Peter Merken, der dann am Tag darauf bei Hilger Förster wieder aufgegriffen wurde. Der Hauptvorwurf Prummes lautete, dass Peter Merken vor etwa 10 Jahren mit Irmgard Rutgers Ehebruch begangen und sich bisher der gerechten Strafe dafür durch Stillschweigen entzogen hätte. Im Laufe des Verfahrens berichtet Prumme, dass die Mutter Irmgard Rutger ihm, Merken, damals das gemeinsame Kind vor die Haustüre gelegt hätte. Er habe ihr daraufhin einen Schilling für die Taufe gegeben, die Sache aber auf sich beruhen lassen. Er habe es auch hingenommen, das ihm die Mödrather dafür die Fahne, die er bei der Gottestracht herauszuhängen pflegte, abnahmen und einem anderen gaben. Gleichwohl ließe Merken sich ohne Widerspruch von Irmgards Bruder Johannes Rutgers öffentlich Schwager nennen. Außerdem bezichtigt er ihn, bei einer Schlägerei den Amtmann von Hersel, Bottenheim, und den Amtmann von Kerpen, Freiherrn von der Vorst zu Lombeck, mit Kraftausdrücken beleidigt zu haben. Anton Prumme will damit unterstreichen, dass Peter Merken sein Schöffenamt zu unrecht bekleide, dass er dafür eigentlich unwürdig sei. In einer seiner Eingaben (vom 31.10.1679) nennt Prumme auch Beispiele anderer Schöffen, nämlich Dratz und Jacob Brewer, die wegen geringerer Ausfälligkeiten ihren Schöffendienst quittieren mussten. Im Laufe der Ermittlungen und des Schriftwechsels kommen weitere Anschuldigungen heraus, die bei den Auseinandersetzungen gefallen sind. So beschimpft das Ehepaar Prumme den Peter Merken, dass er kein ehrlicher Mensch sei, und nicht Merken, sondern Pfeffersack [!] hieße. Merken hält dagegen, dass er von den ehrbaren Johann Merken und Helena Wyrichs abstamme. Merken, der ebenfalls versucht, Anton Prumme durch Verdächtigungen und Anspielungen in Misskredit zu bringen, beschimpft die Frau Prummens, Ida Croy, eine Hure und Hexe. Er behauptet zudem, dass ihr Vater, der kurkölnische Hauptmann Peter Croy damals beim Angriff der Franzosen auf Bonn schändlich geflohen sei (er habe sich aus dem Wolfsturm abgeseilt; das Mal ("Placken") welches das dabei benutzte Laken hinterlassen hatte, sehe man noch). Außerdem kommt am Rande auch auf ein anderes Gerichtsverfahren zur Sprache, in das Anton Prumme zur selben Zeit gegen Hilliger, den Pastor von Kirchdorf, verwickelt ist, und in dem wohl auch die Ursache für den Unmut gegen Wilhelm Keymer begründet liegt. Der Diebstahlvorwurf von Bettzeug und anderen Mobilien nämlich, dem sich Prumme stellen soll, beruht - angeblich - auf einer Veruntreuung durch Keymer. (In diesem Zusammenhang führt Prumme auch eine Klage gegen Theiß Becker wegen Falschaussage). Anton Dietrich Prumme beantragt also, dass Peter Merken und Wilhelm Keymer wegen ihrer Diffamierungen bestraft werden und zum Widerruf ("Restitution") angehalten werden sollen. Außerdem möge sich der Amtmann selbst der Sache annehmen anstatt des Schultheißen, von dem wegen des Schöffenamts Merkens Parteilichkeit zu befürchten ist. Oder er solle zwei unparteiische Kommissare dazu bestimmen (3.3.1679). Der Amtmann J.D. von der Vorst lässt die Klage zu. Peter Merken reagiert seinerseits mit einer Klage wegen Diffamierung. Er fordert Absolution von der Klage und Widerruf bzw. eine Geldstrafe von 200 Goldgulden zur Wiederherstellung seiner Ehre (5.4.1679). Nachdem die ersten Eingaben gemacht sind, das Verfahren aber nicht recht vorankommt, gibt es der Amtmann ungeachtet des Befangenheitsvorwurfs Anfang 1680 an das Kerpener Gericht zur Entscheidung weiter. Prumme wird vorgeladen, reagiert aber nicht. Stattdessen lässt er durch den Notar Nicolaus Meyer Einspruch erheben (1.3.). Gegen die Abweisung (Reicierung) durch das Kerpener Gericht (12.3.) appelliert er, um höhere Kosten für eine Fortsetzung des Prozesses am Gericht in Limburg zu vermeiden, an das Hohe Gericht des Kurfürsten von Köln. Dieser weist Schultheiß und Schöffen von Kerpen an, unter Ausschluss derjenigen, "so dem Gegentheyln mit Gevatter oder Siepschaff zugethan", die Akten zu schließen und das Urteil eines Unparteiischen abzuwarten (28.3.). Das Gericht beauftragt demgemäß die Schöffen Michael Hamecher, Hans Heinrich Schieffer und Heinrich Wirth. Nun kommt der Prozess erst richtig in Gang. Am 9.4. werden die Repliken und am 12.7. die Dupliken der Parteien verhandelt. Die Angelegenheit konzentriert sich immer mehr auf den Ehebruchvorwurf gegen Peter Merken. Ende September / Anfang Oktober werden Sebastian Beckers ältester Sohn, Johann Rutgers und seine Frau, Hilger Förster, Rutger Budtgens Frau, Christina Omans (Emons) als Junker Geilens Frau, Matheis Hamecher, Wilhelm Keymer und Michael Kurffgen als Zeugen vorgeladen. Außerdem will Prumme die Akten der früheren Ermittlungen zum Fall Peter Merken und Irmgard Rutgers miteinbeziehen lassen (verhandelt 8.10.1680). Zur Ehrenrettung seines Schwiegervaters bringt Prumme bei dieser Gelegenheit auch das Zeugnis des Kurfürsten Maximilian Heinrich für Peter Croy bei seiner Entlassung aus dem Militärdienst am 25.1.1664 mit. Darüber hinaus legt er als Beweisstück für die Schlägerei, die ungefähr Anfang Oktober 1678 in der "Krone" des Wirts Peter Merken in Mödrath stattgefunden hatte, und bei der die angeblich schweren Beleidigungen Merkens gegen den Amtmann von Hersel und von der Vorst zu Lombeck gefallen waren, ein Attest des Johann Brewer von Weisweiler, des Vorstehers der Freiheit Deutz, bei. Gleichzeitig befiehlt aber der Kurfürst erneut, dem Reskript vom 28.3. Folge zu leisten (2.10., praes. 8.10.). Doch der Schriftwechsel der Parteien geht bis ins neue Jahr weiter (12.11., 9.12.1680, 14.1.1681). Am 26.1. bevollmächtigt Anton Dietrich Prumme den Prokurator Adrian Mosellage in Sindorf als seinen Prozessvertreter. Noch einmal reicht er 14 Fragen ein, die Peter Merken beantworten soll (28.1.). Der Beklagte appelliert erneut dagegen (6.2.). Amtmann J.D. von der Vorst ordnet jedoch die engültige Inrotulation und Übersendung der Akten an den Kurfürsten bzw. dessen Gericht zur Entscheidung an. Von April bis Juli streitet man über die Gerichtsgebühren (Sporteln), die Anton Prumme noch nicht gezahlt hat. Den am 13.8. endlich fertig zusammengestellten Prozessakten fügt Anton Prumme jedoch einen Vorbehalt hinzu, in dem er noch einmal eindringlich die Befangenheit von Schultheiß und Gerichtspersonen zu beachten bittet (21.8.1681).
- Archivaliensignatur
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GerKer, 627
- Umfang
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Schriftstücke: 54 (ca. 4 cm)
- Kontext
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Schöffengericht Kerpen >> 4 Kriminalfälle der Niedergerichtsbarkeit >> 4.1 Beleidigung, üble Nachrede - ohne und mit Tätlichkeiten
- Bestand
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GerKer Schöffengericht Kerpen
- Indexbegriff Sache
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Befangenheit
Beleidigung
Ehebruch
Krankheit
Pfeffersack = Schimpfwort; Bezeichnung für einen nichtsnutzigen Emporkömmling; Kaufmann, der unredlich handelt.
Tätlichkeiten
Verleumdung
- Indexbegriff Person
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Becker - Theiß
Becker - Sebastian
Brewer - Jacob, Schöffe
Brewer, Johann, von Weisweiler, Vorsteher der Freiheit Deutz
Butgen, Rutger
Croy - Ida, Frau von Anton Dietrich Prumme
Croy - Peter, Vater von Ida
Dratz - N., Schöffe
Förster, Hilger, Wirt in Kerpen
Hamecher - Matheis
Hamecher - Michael, Schöffe
Hersel zu Bottenheim, Amtmann
Hilliger, den Pastor von Kirchdorf
Keymer, Wilhelm
Kurffgen - Michael
Merken - Johann, Vater von Peter
Merken, Peter, Schöffe, aus Mödrath
Meyer, Nicolaus, Notar
Mosellage, Adrian, Prokurator
Omans (Emons), Christina, Juner Geilens Frau
Prumme, Anton Dietrich, Notar
Rutgers - Johann, Bruder von Irmgard
Rutgers - Irmgard
Schieffer - Hans Henrich, Schöffe 1680
Vorst zu Lombeck - J.D., Amtmann von Kerpen
Wirth - Henrich, Schöffe 1680
Wyrichs, Helena, Mutter von Peter Merken
- Indexbegriff Ort
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Bonn - Kurfürstliches Gericht
Deutz, Freiheit
Kirchdorf
Köln - Kurfürstliches Gericht
Köln - Kurfürst
Limbourg - Gericht
Sindorf
- Laufzeit
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1679 - 1681
- Weitere Objektseiten
- Geliefert über
- Letzte Aktualisierung
-
24.06.2025, 13:19 MESZ
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Objekttyp
- Archivale
Entstanden
- 1679 - 1681