Bestand
Holländisches Departement Ostfriesland (Bestand)
Bestandsgeschichte:
VORWORT
1. Die Geschichte der Besetzung
Ostfrieslands
"Es eröffnet sich hier eine, in der Art in
dieser Provinz nie gesehene, nie geahndete Szene in zwei Acten, wo
in der ersten die Holländer, in der anderen die Franzosen die
Hauptrolle machen und dem Ostfriesen nur Nebenrollen überlassen":
mit diesen Worten beginnt Tileman Dothias Wiarda im letzten Teil
seiner Ostfriesischen Geschichte die Beschreibung der Jahre von
1806 bis 1813. Er hat diese Zeit als holländischer
Landdrosteiassessor und französischer Präfekturrat bewußt
miterlebt, so daß seine Schilderungen den Charakter lebendiger
Erinnerungen gewinnen. Ihm verdanken wir die wesenltichen
Grundlagen der nachstehenden Erörterungen.
Nach der
Schlacht von Jena und Auerstädt wurde Ostfriesland im Herbst 1806
von holländischen Truppen für den König Ludwig Napoleon in Besitz
genommen. Der Friede von Tilsit im Sommer 1807 bestätigte diese
Entscheidung staatsrechtlich. Das Königreich Holland errichtete ein
Departement "Oostfriesland" mit dem Hauptort Aurich, welches das
alte Ostfriesland (außer dem Rheiderland), das Jeverland und die
Herrschaft Kniphausen umfaßte. Es war eingeteilt in drei
"Quartiere": Emden (mit Stadt und Amt Emden, der Krummhörn und dem
Amt Leer), Aurich (mit Stadt und Amt Aurich und Norden und den
Ämtern Berum, Stickhausen und Friedeburg) und Jever (Stadt Jever,
die Herrschaften Jever, Kniphausen und Dornum und das
Harlingerland). Das Rheiderland wurde dem Departement Westfriesland
mit Sitz in Groningen einverleibt, in dem es zum Quartier
Winschoten gehörte.
Die neue Verwaltung begann ihre
Arbeit im Mai 1808 nach der Auflösung der ehemaligen preußischen
Krieges- und Domänenkammer und des landschaftlichen
Administrationskollegiums. Genau wurden jetzt Verwaltung und Justiz
getrennt, diese blieb der Regierung, jene teilten sich Landdrostei,
Domänenadministration und Steuerverwaltung
Bestandsgeschichte:
hinsichtlich Zivilverwaltung, Besorgung der Staatseinkünfte und
Finanz- und Zollwesen.
Zum ersten Landdrost ernannte der
König den Baron G.A.G.Ph. van der Capellen aus Utrecht, der
Deutschland dank eines Göttinger Universitätsstudiums kannte. Im
Mai 1809 wurde er zum Innenminister ernannt, worauf ihm der
vormalige Generalpostmeister Wilhlem Queysen folgte.
Generalsekretär der Landdrostei wurde ein Niederländer namens van
Panhuys. Assessoren waren die Deutschen Erhard Gustav Grav von
Wedel, Tönjes Bley und Johann Heinrich von Rappard (beide ehemalige
Kriegs- und Domänenräte), der vormalige Regierungsrat Müller aus
Jever, der gewesene landschaftliche Administrator Albrecht
Christoph Kettler und der oben genannte Wiarda.
Domänenadministrator wurde der ehemalige Gouverneur der
niederländischen Besitzungen am Kap der Guten Hoffnung, der Baron
R.A. van Salin; sein Inspektor war auch hier ein Niederländer, dere
Seeoffizier J.A. Melville van Cornbec. Als Generalempfänger der
Domäneneinkünfte amtierte der ehemalige Kammerrat J.C. Freese und
als Sekretär der vormalige Landbaumeister J.N. Franzius. 1811
tauschten Melville und Franzius ihre Dienststellungen.
Man sieht, wie in beiden Behörden die Spitzen war Ausländer
waren, ihre Zuarbeiter aber Einheimische. Anders war es in der
Steuer- und Zollverwaltung, welche - sowieso schon belastet mit dem
Odium fremder Gebräuche und der Ausführung der Kontinentalsperre -
im wesentlichen mit Niederländern und Franzosen besetzt war und
entsprechend ihren Aufgaben und ihrem Personal wenig geschätzt
wurde. Daneben stand ausländisches Militär im Land, vor allem auf
den Inseln und an der Küste.
Politische
Meinungsverschiedenheiten mit seinem Bruder veranlaßten den König
Ludwig von Holland, 1810 auf seinen Thron zu verzichten; am 9. Juli
1810 wurde das Königreich von Napoleon dem Kaiserreich Frankreich
einverleibt. Vorerst blieb
Bestandsgeschichte: Holland
in gewissen Dingen noch eine Verwaltungseinheit, zu dessen Regiment
Charles-Francois Lebrun, Duc de Plaisance (= Piacenza in Italien)
als Statthalter nach Amsterdam abgeschickt wurde. Aus diesem Grunde
blieb die gesonderte Verwaltung der holländischen Domänen bestehen
und somit auch die Domänenadministration in Aurich, deren Besetzung
nicht wechselte.
Die Landdrostei allerdings verwandelte
sich in eine Präfektur. Am 1. Januar 1811 wurde das französische
Verwaltungssystem eingeführt. Aus dem Departement "Oostfriesland"
wurde das Departement "de l`Ems Oriental", die Quartiere hießen nun
Arrondisssements, die Grenzen blieben gleich. Am 1. März 1811 trat
der aus Zweibrücken gebürtige Jannesson sein Amt als Präfekt an.
Schon in holländischer Zeit waren der Graf von Wedel, von Rappard
und Müller als Assessoren ausgeschieden, zu den übrigen drei
Assessoren, die jetzt Präfekturräte hießen, traten als vierter der
ehemalige Kriegs- und Domänenrat Christian Dietrich Heinrich Sethe.
Generalsekretär blieb van Panhys. In dieser Zusammensetzung erlebte
die Präfektur im Novemberg 1813 den Einmarsch der verbündeten
Russen und Preußen und das schlagartige Ende der fremden
Herrschaft. Mit dem ehemaligen Kammerpräsidenten von Bernuth als
Landesdirektor verwandelteg sie sich in eine Landesdirektion.
Janesson und van Panhuys kehrten nach Frankreich und in die
Niederlande zurück.
Die Domänenadministration dageben
blieb bis Ende Februar 1814 unter der Aufsicht der preußischen
Landesdirektion bestehen. Nach ihrer Auflösung wurde ihr Leiter,
der Baron van Salis, mit ausdrücklicher Anerkennung seiner Dienste
in seine Heimat entlassen, wie überhaupt die Frage der
"Kollaboration mit dem Feind" in Ostfriesland nicht auftrat, weder
1806 noch 1813. Aus Wiardas Erzählung geht deutlich hervor, wie
unbefangen die preußischen Beamten nach 1806 das Königreich Holland
anerkannten, und wie
Bestandsgeschichte: nach 1811
das gemeinsame Problem aller Verwaltungsbeamten die durch Napoleons
Rußlandkrieg und seine Folgen erzeugte Überforderung des Landes
war, so daß die Ereignisse vom November 1813 eher als Befreiung von
einer Bürde als von einem Feinde empfunden wurden.
2.
Der Bestand
Die Akten der vorhin beschriebenen Behörden
sind in den Findbüchern Rep. 7 (Holländisches Departement
Ostfriesland), Rep. 8 (Holländisch-Französische
Domänenadministration) und Rep. 9 (Französisches Departement
Ost-Ems) verzeichnet.
Man kann nicht behaupten, dass die
Überlieferung dieser Papiere vollständig sei. Bei Rep. 7 und Rep. 9
handelt es s ich um zufällig erhaltene Bruchstücke. In Rep. 8 sind
etwas mehr Akten vorhanden, weil viele Geschäfte der
Domänenadministration, wie z.B. Verpachtungen, in bloßer
Fortsetzung der Tätigkeit der ehemaligen preußischen Kriegs- und
Domänenkammer erfolgten, wie auch später die preußische
Landesdirektion und die hannoversche Landdrostei die Aufgaben der
Domänenadministration weiterführten.
Alle diese Akten
waren in der Altregistratur der hannoverschen Landdrostei als
Vorakten verstreut; es war nicht nur Befolgung des
Provenienzprinzips, sie dort herauszulösen, sondern es galt eine
Periode der ostfriesischen Geschichte zu erhellen, in welcher die
teilweise jahrhundertealten Strukturen nach und nach aufgehoben und
verändert werden sollten. Weil diese eingeleiteten Neuerungen zum
großen Teil 1813 abgebrochen wurden, so erhalten viele vorgänge
einen eigentümlichen Reiz des Gewaltsam-Unvollendeten. Waren es
auch nur sieben Jhre, so konnte man eben 1813 nicht da
weitermachen, wo man 1806 aufgehört hatte. Daß die
Aktenüberlieferung aus dieser Übergangszeit kläglich ist, mindert
nicht ihre Bedeutung.
Der Benutzer dieser Akten muß sich
bewußt sein, daß sie nach niederländischen und französischen
Verwaltungsprinzipien angelegt sind. Dementsprechend
wird
Bestandsgeschichte: auch in
ihnen je nach Korrespondenzpartner die deutsche, niederländische
oder französische Sprache gebraucht. Um den mit der fremdsprachigen
Terminologie der Zeit Vertrauten die Arbeit zu erleichtern, sind
die ursprünglichen Aktentiteln - die also keine Übersetzung sind -
nachgestellt. Endlich ist anzumerken, daß vom März 1809 bis
Dezember 1810 der holländische Kalender andere Monatsnamen hatte:
Louwmaand = Januar, Sprokkelmaand = Februar, Lentemaand = März,
Grasmaand = April, Bloeimaand = Mai, Zomermaand = Juni, Hooimaand =
Juli, Oogstmaand = August, Herfstmaand = September, Wijnmaand =
Oktober, Slachtmaand = November und Wintermaand = Dezember.
Aurich, im März 1983
Walter
Bestandsgeschichte:
Deeters
Zusatzinformationen:
teilweise verzeichnet
Zusatzinformationen:
Abgeschlossen: Nein
- Reference number of holding
-
Nds. Landesarchiv, Abt. Aurich, NLA AU, Rep. 7
- Context
-
Nds. Landesarchiv, Abt. Aurich (Archivtektonik) >> Gliederung >> 1 Staatliche Bestände >> 1.1 Staatliche Aktenbestände >> 1.1.3 Zentralbehörden und Mittelinstanzen (bis 1885)
- Date of creation of holding
-
1807-1811
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
27.01.2023, 3:26 PM CET
Data provider
Niedersächsisches Landesarchiv. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- 1807-1811