Emailschild

Deutsche Gußstahlkugelfabrik

Das Emailschild wirbt für Kugel- und Rollenlager der "Deutschen Gussstahlkugel- und Maschinenfabrik AG" in Schweinfurt - für eine nicht sonderlich attraktive Ware, so scheint es. Doch wie so oft steht nicht das Produkt, sondern die Produktverwendung im Vordergrund. Die Produktwerbung bezieht sich hier auf komplexere kulturelle Zusammenhänge: Der Einsatz der leichtlaufenden Kugellager im Auto hilft diesem, das Wettrennen gegen eine Lokomotive zu gewinnen. Und dazu bietet das Schild typische Elemente der Ikonographie der Technik auf. Die Fahrzeuge werden anthropomorphisiert: Gesichter - grimmige bzw. überlegen lächelnde - stilisieren sie zu Personen. Der Lokomotivführer ist völlig ausgespart; auch die Fahrerfigur des Autos zeigt wenig menschliche Züge. Das Physiognomische ist völlig in die Fahrzeuge verlagert. Weiteres wichtiges Strukturelement ist die Farbbedeutung: Fahrzeug- und Rauchfarben spielen mit altbekannten Kontrasten und bringen so die Botschaft zum Tragen. Die Lokomotive wird durch graue Farbe und schwarzen Rauch abgewertet, das Auto durch dynamisches Rot und weißen Staub aufgewertet. Zudem verjüngt sich das Auto weit stärker als die Lokomotive und zielt deutlicher in den Vordergrund. Die schwitzende Lokomotive und die unangestrengte Dynamik des Autos kontrastieren wirkungsvoll. Dieses Emailschild nimmt ein populäres Thema auf, das in Zeitschriften und Filmen der Entstehungszeit - um 1925 - gern ausgeschlachtet wurde: das Wettrennen zwischen den beiden Verkehrsmitteln. Dieses Wettrennen ist nicht nur ein Symptom für die populäre Geschwindigkeitsfaszination der zwanziger Jahre, sondern bezieht sich auf die erbitterte Konkurrenz zwischen Schiene und Straße. In dieser Zeit fand eine zunehmende Abwanderung des Verkehrs von der Bahn auf Autos und Lastwagen statt, trotz staatlicher Protektion, Tariffestschreibungen und erhöhter Geschwindigkeiten der Eisenbahn. Attraktionen wie individuelles, fahrplanunabhängiges Reisen, Mühelosigkeit und Leichtigkeit schienen das Auto auszuzeichnen. Wenn man diese Entwicklungen berücksichtigt, bekommt die im Vordergrund stehende Werbung für Kugellager eine erhöhte Bedeutung. Es geht eben nicht nur um Kugellager, auch wenn diese eine Bedingung für die Mühelosigkeit des Fahrens sind. Der weiter ausgreifende Bezug muss durch die sprechblasenartig untergebrachte Aussage der unterlegenen Lokomotive erst hergestellt werden. Das Schild läßt eine zweite Ebene der Interpretation zu: Es kann als Propagandabild für das neue Verkehrsmittel gedeutet werden. Ein Zulieferer hilft werbend bei der Durchsetzung des Autos, des Produkts seiner Abnehmer. Um 1925 war es noch keineswegs das dominante Verkehrsmittel, das es heute ist, doch diese Dominanz kündigte sich schon an. Unser Emailschild gehört also in die Vorgeschichte der totalen Autogesellschaft.

Rechtewahrnehmung: TECHNOSEUM Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim | Digitalisierung: TECHNOSEUM Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim

Urheberrechtsschutz nicht bewertet

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Standort
TECHNOSEUM Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim
Inventarnummer
EVZ:1995/0476

Bezug (was)
Emailschild
Werbung
Kugellager
Kraftfahrzeugzubehör
Werbeschild
Werbemittel

Ereignis
Herstellung
(wann)
um 1925
Ereignis
Auftrag
(wer)
Deutsche Gußstahlkugel- und Maschinenfabrik AG, vormals Fries & Höpflinger
(wo)
Firmensitz (werbende Firma): Schweinfurt

Rechteinformation
TECHNOSEUM Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim
Letzte Aktualisierung
22.04.2025, 10:12 MESZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
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Objekttyp

  • Emailschild

Beteiligte

  • Deutsche Gußstahlkugel- und Maschinenfabrik AG, vormals Fries & Höpflinger

Entstanden

  • um 1925

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