Bestand
A Rep. 252 Deutsches National-Theater AG (Bestand)
Vorwort: A Rep. 252 - Deutsches National-Theater AG
1. Zur Geschichte der Deutsches National-Theater AG
Die im 18. Jahrhundert geborene Idee eines Deutschen Nationaltheaters erfuhr um 1900 einen neuen Aufschwung. Sie beinhaltete einerseits das Bestreben nach einer kulturellen Einigung und Repräsentanz des deutschen Volkes, andererseits den Wunsch nach Zugänglichkeit des Theaters für alle sozialen Gruppen der Gesellschaft (1). Der ins Auge gefasste Ort für eine solche Spielstätte war Berlin, die Reichshauptstadt. Hier entstanden zwei Modelle: die "Volksbühnenbewegung" und das "Massentheater" Max Reinhardts. Reinhardt, zugleich versierter Geschäftsmann, war auch Mitinitiator der Deutschen National-Theater AG, die am 4./5. Juli 1917 in Verhandlungen vor den Berliner Notaren Dr. Julius Lubszynski und Hermann Kolsen gegründet wurde. Beteiligt waren u.a. der Geheime Kommerzienrat Hermann Frenkel, Dr. Wolfgang Huck, Prof. Georg Fuchs, Ludwig Langer und Otto Fernbach, die auch sonst zu Reinhardts Sponsorenkreis zählten. Zweck der Gesellschaft war ausdrücklich der Erwerb und Umbau des Zirkus Schumann (2), wofür ein Grundkapital von 1,6 Mio. Papiermark (1918 auf 480.000 Goldmark umgestellt) zur Verfügung stand (3). Da die Theaterdirektion Max Reinhardt als Hauptaktionär und der geschäftsführende Direktor der Reinhardt-Bühnen, Edmund Reinhardt, als Geschäftsführer auftrat, kann die AG als Glied des Reinhardt´schen Bühnenkonzerns gesehen werden.
Im April 1918 konnte die Gesellschaft das Grundstück AM Zirkus 1 und das darauf befindliche Gebäude des ehemaligen Zirkus Schumann erwerben. Das Haus wurde daraufhin durch den Architekten Hans Poelzig umgebaut und am 29. November 1918 als "Großes Schauspielhaus" wiedereröffnet. Max Reinhardt wurde umgehend auf dem Wege dazu ins Leben gerufener Betriebsgesellschaften ("Großes Schauspielhaus zu Berlin GmbH", 1918 - 1931; "Theater-Betriebsgesellschaft Großes Schauspielhaus mbH", 1932/33) zum indirekten Hauptpächter. Dies führte zu Schwierigkeiten, als 1933 die Pächter-Gesellschaft zusammenbrach, wodurch die Deutsche National-Theater AG vor dem Ruin stand und saniert werden musste (4).
Im Frühjahr 1934 erwarb die der Deutschen Arbeitsfront nahestehende Bank der Deutschen Arbeit AG die Aktienmehrheit. Das Große Schauspielhaus wurde als "Theater des Volkes" an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda verpachtet. Nachdem zwischen Februar und April die bisherigen Aufsichtsratsmitglieder geschlossen die Ämter niedergelegt und per Gerichtsbeschluss zum Vorstand ernannte Hellmuth Krause die Geschäfte zeitweilig allein geführt hatte, wurde im Herbst ein neuer Aufsichtsrat gewählt. Ihm gehörten die Bankdirektoren Carl Rosenhauer, August Christoffel und Dr. Heinrich Claus als Vertreter der Treuhandgesellschaft für wirtschaftliche Unternehmungen an. Noch im September 1934 übernahm die National-Theater AG den zur Zwangsversteigerung stehenden Grundstücks- und Gebäudekomplex Schumannstraße 12, 13a, 14 und 16 (Deutsches Theater und Kammerspiele) - und damit das Kernstück der ehemaligen Reinhardt´schen Theaterunternehmen. Wie es dazu im Geschäftsbericht heißt, erfolgte dies "im Einvernehmen mit dem Reichspropagandaministerium und im Sinne der Bestrebungen der Reichsregierung."(5)
1943/44 entstanden der Gesellschaft durch Bombenschäden und damit zusammenhängende Ausfälle des Spielbetriebs beträchtliche Verluste. Immerhin betrug das Aktienkapital 1945 noch 100.000 Reichsmark. Davon lagen 80 % in den Händen der Treuhandgesellschaft für wirtschaftliche Unternehmungen der Deutschen Arbeitsfront (6).
Am 5. Juni 1945 wurde mit Wirkung vom 1. Mai 1945 auf Befehl des Berliner Stadtkommandanten das gesamte Steuerwesen, beschlagnahmt und unter Treuhand gestellt (7). Als Sachverwalter wurde zunächst Hermann Trostel eingesetzt, der im Oktober 1946 durch Ernst Krösing abgelöst wurde. Nach knapp einem Jahr übernahm dann die Deutsche Treuhandverwaltung die National-Theater AG, da Krösing wegen Unterschlagungsvorwürfen von seinen Aufgaben entbunden werden musste. Treuhänder war nun Erich Hoffmann. Anfang 1952 wurde die Gesellschaft liquidiert und das Vermögen in Volkseigentum überführt. Bereits Ende Juni 1945 begann - finanziell abgesichert durch das Restvermögen der National-Theater AG und den Berliner Magistrat - der Neuaufbau des Deutschen Theaters und des Großen Schauspielhauses. Letzteres wurde 1947 durch den Magistrat übernommen und nach beendeter Rekonstruktion 1949 als "Friedrichstadt-Palast" neu eröffnet (8). Deutsches Theater und Kammerspiel waren ab 1950 Staatstheater der DDR.
Anmerkungen:
(1) Vgl.: "Denkschrift über die Gründung eines deutschen National-Theaters zu Berlin", vom 1. Januar 1917; in Nr. 1.
(2) Das Gebäude Am Zirkus 1 war 1865 - 68 als Markthalle gebaut worden und wurde seit 1879 durch Zirkusunternehmen genutzt.
(3) Vgl.: Nr. 1, Notariatsurkunden.
(4) Vgl.: Nr. 8, Bericht vom 21. Juni 1933.
(5) Vgl.: Nr. 8, Bericht über das Geschäftsjahr 1933, S. 3.
(6) Vgl.: Nr. 13, S. 4.
(7) Ebenda, S. 5.
Ein Datum für die formelle Auflösung der AG konnte nicht ermittelt werden. Faktisch löste sich der Aufsichtsrat mit Kriegsende auf, der Sachwalter war vom 1. Mai 1945 bis zum 30. September 1946 tätig; der Treuhandbericht vom Nov. 1946 bezeichnet die Besitzverhältnisse als "ungeklärt" (Nr. 12, S. 4). Die Theater wurden zwischen 1947 und 1950 verstaatlicht bzw. in kommunales Eigentum überführt.
(8) Vgl.: Klaus Weise / Bernd Dochow, Berlin - Hauptstadt der DDR
- A bis Z, Berlin / Leipzig 1978, S. 77.
Personelle Veränderungen von Aufsichtsrat und Vorstand
Aufsichtsrat Vorstand
1917 - 1919: Hermann Frenkel 1917 - 1929: Edmund Reinhardt
Geh. Kommerzienrat
Julius Lubszynski,
Justizrat
Dr. Wolfgang Huck,
Verleger
1920 - 1924: Hermann Frenkel
Julius Lubszynski
Wolfgang Huck
Fritz Andreae,
Bankier
Prof. Max Reinhardt,
Theaterdirektor
1924 - 1928: Julius Lubszynski
Wolfgang Huck
Fritz Andreae
Max Reinhardt
1929: Wolfgang Huck 1929: Max Reinhardt
Julius Lubszynski
Fritz Andreae
1930 - 1932: Max Reinhardt 1930 -
Wolfgang Huck April 1934: Heinz Adamec, Julius Lubszynski Kaufmann
Fritz Andreae
1933: Wolfgang Huck
Philipp Freiherr
v. Schey
Max Reinhardt
Julius Lubszynski
Bis Febr./
April 1934: Max Reinhardt
Wolfgang Huck
Philipp Freiherr
v. Schey
August Kraulidat
April 1934
- 1940: Hellmuth Krause
Okt. 1934 - bis 1940: Hellmuth Krause
1939: Carl Rosenhauer,
Bank der Deutschen
Arbeit AG
August Christoffel,
Bank der Deutschen
Arbeit AG
Dr. Heinrich Claus,
Treuhandgesellschaft
für wirtschaftliche
Unternehmungen
GmbH
1939 - 1942: Carl Rosenhauer
August Christoffel
Ludwig Bierlein
1940/41: August Christoffel
1941 bis
Mai 1945: Gustav Mahler,
Bank der Deutschen Arbeit
1942: Carl Rosenhauer
August Christoffel
Dr. Claus Thormählen
1943 bis
Mai 1945: August Christoffel
Dr. Claus Thormählen
Hanns Slanina
Treuhänder:
1. Mai 1945 bis
30. Sept. 1946: Hermann Trostel
Okt. 1946 bis
Sept. 1947: Ernst Krösing
Dez. (Sept.) 1947
bis Anfang 1952: Erich O. Hoffmann
2. Zur Überlieferung und Bearbeitung des Aktenbestandes
Die Registratur der "Deutschen National-Theater AG" erlitt durch Kriegseinwirkungen beträchtliche Verluste. "Alle Belege aus früheren Monaten und der größte Teil der sonstigen Unterlagen wurde bei der Zerstörung des Büros vernichtet", heißt es im Treuhandbericht aus dem Jahre 1946 (Nr. 13). Ein noch erhaltener Rest gelangte mit den Akten aus der Zeit der Treuhandverwaltung an das Verwaltungsarchiv des Berliner Magistrats, wobei Zeitpunkt und nähere Umstände der Übergabe heute nicht mehr bestimmbar sind.
Im Verwaltungsarchiv wurde der Bestand als "Auslandsvermögen" unter der Signatur 423 der sogenannten "Abteilung Wirtschaftsakten" zugeordnet.
Im Jahre 1972 erfolgte eine archivische Bearbeitung, wobei das Schriftgut zu teilweise recht umfangreichen Akteneinheiten formiert und diese unter den vorläufigen Archivnummern 3908/1 - 3908/3 abgelegt wurden.
Leider wurde die Überlieferung bei dieser Gelegenheit durch aus heutiger Sicht umstrittene Kassationen weiter reduziert. In Rücksicht auf die infolgedessen stark ausgedünnte Archivaliendecke, die über eine für die Berliner Theatergeschichte einzigartige Einrichtung Zeugnis ablegt, wurde bei der im April 1991 vorgenommenen Bearbeitung im Stadtarchiv (Zugang ins Stadtarchiv am 14. 4. 197 - Zugangsnr. 451) auf weitere Kassationen verzichtet..
Die Aktenbildung wurde nach sachlichen Gesichtspunkten korrigiert, um den Benutzer den Zugang zu erleichtern.
Zunächst noch empfindliche Lücken, die die Zeit der Treuhandverwaltung 1946 - 1952 betrafen, konnten durch Nachlieferung von Akten aus dem ehemaligen Verwaltungsarchiv des Magistrats geschlossen werden (VA Sign. 4985/4 und 5, Zug. -Nr. 1017), die im Dezember 1992 in den Bestand eingearbeitet wurden.
3. Bestandsbeschreibung
Der Bestand enthält 23 Akten (0,45 lfm) mit einer Laufzeit von 1917 bis 1946. Er beinhaltet Geschäftsberichte, Kriegsschäden an den Theatergebäuden, Gründungsdaten, Handelsregistereintragungen.
Der Bestand wurde im Rahmen eines Praktikums mit der Software Augias Archiv 8.1 verzeichnet und ist nun über eine Datenbank und ein Findbuch zugänglich.
Einige Akten sind auf Grund archivgesetzlicher Bestimmungen bzw. der EU-Datenschutz-Grundverordnung für die Benutzung befristet gesperrt. Eine Verkürzung der Schutzfristen kann auf Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesarchivs Berlin. [Zusatz 2017]
Er wird wie folgt zitiert: Landesarchiv Berlin, A Rep. 252, Nr. … .
4. Korrespondierende Bestände
A Rep. 005-07 - Hauptamt für Kriegssachschäden Nr. 354 betr. Deutsches National-Theater A.G. (Schu-mannstraße 12, Berlin NW 7) 1943 - 1944, Enthält u.a.: Schadensmeldungen zu Am Zirkus 1 (Berlin NW 7), Schumannstraße 13-14 (Berlin NW 7).- Gebäudeschaden.
C Rep. 105 - Magistrat von Berlin, Abteilung Finanzen Nr. 7404 betr. Baukostenabrechnung für das Grundstück Schumannstraße 16, Eigentümer: Deutsches National-Theater AG (1946 - 1952)
C Rep. 105 - Magistrat von Berlin, Abteilung Finanzen Nr. 7412 betr. Baukostenabrechnung für das Grundstück Schumannstraße 16, Eigentümer: Deutsches National-Theater AG (1950 - 1954)
C Rep. 105 - Magistrat von Berlin, Abteilung Finanzen Nr. 8103 betr. Deutsches National - Theater AG (1948 - 1951)
C Rep. 105 Zg. 8203 - Magistrat von Berlin, Abteilung Finanzen Nr. LAROV 08/ 10631 betr. Volkseigen-tum und staatlich verwaltetes Vermögen [1946 - 2015], Enthält u.a.: Deutsches Nationaltheater AG.- Deutsches Theater.- Friedrichstadt Palast.- Friedrich-Wilhelm-städtische-Theaterverwaltung AG.- Kam-merspiele Berlin.- Landtheater der Mark Brandenburg GmbH.
5. Literatur
Denkschrift über die Gründung eines Deutschen National-Theaters zu Berlin, Berlin 1913.
Epstein, Max: Max Reinhardt, Berlin 1918.
Fraedrich-Nowag, Stefanie: Deutsches Nationaltheater AG. Eine Unternehmensgeschichte aus dem Theaterkonzern Max Reinhardt. In: Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch des Landesarchivs Berlin
2015, 2015, S. 211-241.
April 1991/Dez. 1992 und Oktober 2022 Dr. Regina Rousavy / Kerstin Bötticher
- Bestandssignatur
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A Rep. 252
- Kontext
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Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> A Bestände vor 1945 >> A 6 Unternehmen der Wirtschaft >> A 6.2 Unternehmen der privaten Wirtschaft
- Bestandslaufzeit
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1913 - 1952
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rechteinformation
-
Für nähere Informationen zu Nutzungs- und Verwertungsrechten kontaktieren Sie bitte info@landesarchiv.berlin.de.
- Letzte Aktualisierung
-
28.02.2025, 14:13 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1913 - 1952