Bestand
NL 02 Nachlass Ludwig Petry (1908-1991) (Bestand)
Form und Inhalt: Ludwig Petry wurde am
3. Juni 1908 in Darmstadt als Sohn eines Staatsanwalts geboren. Nachdem er
im März 1926 am dortigen Ludwig Georgs-Gymnasium sein Abitur bestanden
hatte, studierte er Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte in Freiburg
(1926-1927), München (1928) und Gießen (1927-1928, 1930). Er war Mitglied
der Studentenverbindung Landsmannschaft Darmstadtia. Sein Studium schloss
Petry im Juli 1930 mit dem Staatsexamen ab und absolvierte anschließend sein
Lehramtsreferendariat in Gießen. Während seiner Gießener Zeit lernte er
Hermann Aubin kennen, dem er im Anschluss an sein Studium nach Breslau
folgte. Bei diesem promovierte Petry 1932 zur Breslauer Kaufmannsfamilie
Popplau. Ab Oktober 1932 war er zunächst für zwei Jahre als Assistent von
Aubin am Institut für geschichtliche Landeskunde der Universität Breslau
angestellt. 1936 reichte er seine Habilitation, die ebenfalls von Aubin
betreut wurde, zum Thema Breslau und seine Oberherren aus dem Haus Habsburg
ein. Er wurde im Dezember 1937 in Breslau zum Dozent für mittlere und neuere
Geschichte ernannt und nahm seine Lehrtätigkeit im April des Folgejahres
auf. Von Oktober 1934 bis zu seinem Einzug in die Wehrmacht war Petry
Sekretär der Historischen Kommission für Schlesien. Hier war er für das
Sammelwerk Geschichte Schlesiens zuständig, dessen Herausgeber Aubin war und
dessen zweiter Band von Petry 1973 selbst herausgegeben wurde. 1937 wurde er
zudem mit dem Verfassen einer Chronik des Oberpräsidiums Schlesien in
Breslau betraut. Während seiner Breslauer Zeit knüpfte der Historiker
zahlreiche Kontakte, u. a. zu dem Historiker, Geograph und Volkskundler
Herbert Schlenger (1904-1983), dem Volkskundler Walter Kuhn (1903-1983) und
dem Historiker Ernst Birke (1908-1980), die auch nach dem Krieg bestehen
blieben.
Er gehörte in der NS-Zeit verschiedenen Organisationen
an: SA (1933-1945, Oberscharführer ab 1942), NSDAP (ab Mai 1937), NSDoB
(1941-1945), NSLB (1934-1941), NSV (1934-1945), NS-Altherrenbund
(1937-1945). Zudem war Mitglied in Gremien bzw. Vereinen wie dem Volksbund
für das Deutschtum im Ausland und der Nord- und Ostdeutschen
Forschungsgemeinschaft, die der NSDAP nahe standen. Petry wurde im Mai 1940
zur Wehrmacht eingezogen und befand sich im Fronteinsatz auf dem Balkan, in
Russland und Frankreich. Während eines Lazarettaufenthalts vertrat er im
Wintersemester 1943/44 den Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte der
Universität Gießen. Im Februar 1944 wurde er dort zum Professor für mittlere
und neuere Geschichte ernannt, konnte die Professur aber nicht wahrnehmen.
Petry befand sich bis 1946 in französischer Gefangenschaft im Lager
Vaucouleurs. Im Rahmen seines Entnazifizierungsprozesses wurde er von der
Spruchkammer Gießen 1947 als Mitläufer einge-stuft und zu einer Geldstrafe
von 500 Reichsmark verurteilt.
Im Anschluss an die
Kriegsgefangenschaft bemühte sich Petry um die Wiederaufnahme seiner
Gießener Professur. Dies war jedoch nicht mit Erfolg beschieden, da es hier
zwischenzeitlich nach dem Krieg keine Philosophische Fakultät gab. Ab 1947
war er in der Evangelischen Akademie in Hessen und Nassau tätig. Im Mai 1949
erhielt Petry einen Lehrauftrag für Geschichte von der evangelischen Kirche
im Rahmen der „Pädagogischen Ausbildungslehrgänge für Heimkehrer“ in
Fulda.
Nachdem er ab Januar 1950 Vorlesungen an der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz gehalten hatte, wurde er im März 1950 zum
außerordentlichen Professor für mittelalterliche sowie neuzeitliche
Geschichte und geschichtliche Landeskunde ernannt. Ab August 1954 bis zu
seiner Emeritierung 1973 lehrte Petry als ordentlicher Professor in Mainz.
Von 1955 bis 1956 war Petry Dekan der Philosophischen Fakultät. Zudem
gründete Petry 1960 der das Institut für Geschichtliche Landeskunde an der
Universität Mainz e. V., dessen 1. Vorsitzender er bis 1976 war.
Petry beschäftigte sich weiterhin mit Fragestellungen der schlesischen
Geschichte und war im Rahmen der wiedergegründeten Ostforschung in
verschiedenen Gremien aktiv. So wurde der Johann Gottfried
Herder-Forschungsrat von ihm mitbegründet und er war von 1969 bis 1991
Herausgeber der Zeitschrift für Ostforschung (heute Zeitschrift für
Ostmitteleuropa-Forschung). Ab 1951 hatte Petry das Amt des 2. Vorsitzenden
der Historischen Kommission für Schlesien, ab 1969 das des 1. Vorsitzenden
und ab 1988 schließ das des Ehrenvorsitzenden inne. Zudem war er ab 1971
fast zwei Jahrzehnte erster Vorsitzender des wiederbegründeten Vereins für
Geschichte Schlesiens. Petry war ferner u. a. in der Historischen Kommission
für Nassau, der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, dem Kulturwerk
Schlesien, der Gemeinschaft evangelischer Schlesier und dem Verein für
schlesische Kirchengeschichte Mitglied.
Er wurde u. a. mit der
Gerhard-Hauptmann-Plakette und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Petry starb im Alter von 83 Jahren am 25. November 1991 in Mainz. Noch
zu seinen Lebzeiten wurde 1990 das nach ihm benannte Ludwig-Petry-Institut
in Mainz gegründet, über dessen Verbleib und Geschichte bisher jedoch nur
wenig bekannt ist.
Der vorliegende Nachlass kann in zwei Teile
unterteilt werden: Zum einen die Nummern 1 bis 24, die Petry im Zeitraum von
1976 bis 1989 in fünf Etappen an das Universitätsarchiv Mainz abgegeben hat.
Zum anderen die Nummern 25 bis 114, die im Frühling 2016 von Mitarbeitern
des Universitätsarchivs im Keller des Forums aufgefunden wurden. Im Rahmen
der Bestandserschließung konnten im November 2016 weitere Unterlagen, die
sich im Forum befanden, dem Nachlass zugeordnet werden. Wie die Unterlagen
dort hingekommen sind, konnte bisher nicht genau nachvollzogen werden. Eine
Möglichkeit ist, dass sie sich zwischenzeitlich in dem Besitz von Petrys
Schüler, Josef Joachim Menzel, befunden haben. Ein Argument hierfür ist,
dass sich Schilder des Projekts Schlesisches Urkundenbuch, das von Menzel
mitherausgegeben wurde, ebenfalls in diesem Keller befunden haben.
Der erste Teil des Nachlasses besteht überwiegend aus Unterlagen zu
Petrys Engagement in Gremien der Universität Mainz wie dem Verwaltungsrat,
dem Universitätsbeirat sowie externen Gremien wie dem Johann Gottfried
Herder Forschungsrat. Weitere Akten beziehen sich auf das Historische
Seminar, die Fakultät, das Dekanat und das Rektorat. Weiterhin sind
Unterlagen zum Publikationsprojekt Die Religion in Geschichte und Gegenwart
und zum Institut für Geschichtliche Landeskunde, das von Petry gegründet
wurde, im Bestand enthalten.
Der zweite Teil des Nachlasses
stellt sich im Vergleich zum ersten um einiges kleinteiliger und weniger
klar zuordenbar dar. Es finden sich hier Dokumente zu Petrys Engagement in
der Historischen Kommission für Schlesien und in weiteren Gremien während
seiner Zeit in Breslau. Weiterhin gehören hierzu Unterlagen zu den
Publikationsprojekten Geschichte Schlesiens, der geplanten Chronik des
Oberpräsidiums Schlesien in Breslau sowie Veröffentlichungen des bzw. zu dem
Rechtshistoriker Theodor Goerlitz, die von Petry herausgegeben wurden bzw.
werden sollten. Diese Projekte hatten ihre Anfänge in Breslau und wurden bis
auf die Chronik von Petry in der Nachkriegszeit weitergeführt, übernommen
bzw. herausgegeben. Bei den Unterlagen zu Theodor Goerlitz handelt es sich
um Notizen Petrys und Theodor Goerlitz‘ zu dessen Breslauer
Rechtsgeschichte, die von Petry herausgegeben wurde, sowie um Korrespondenz
von Goerlitz, die Petry 1961 in der Zeitschrift für Ostforschung
veröffentlicht hat. Zudem enthält der Nachlass Dokumente zu Petrys
Rezensionstätigkeiten für die Jahresberichte für deutsche Geschichte und
Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Ein größerer Teil der Akten sind
Arbeitsunterlagen Pet-rys, die sich vor allem mit der schlesischen bzw.
osteuropäischen Geschichte, aber auch u. a. zur
Universitätsgeschichtsschreibung (der Universität Mainz) befassen. Sie
bestehen aus Manuskripten, Notizen und Exzerpten. Eine Akte (Nr. 90) befasst
sich zudem mit Petrys Lehrer Hermann Aubin. Schließlich enthält der Bestand
Unterlagen, die anderen Wissenschaftlern zuzuordnen sind. Diese waren
ebenfalls überwiegend in Breslau vor 1945 tätig. Einen großen Bestandteil
machen hier Akten aus, die dem Volkskundler Walter Kuhn gehörten. Mit Kuhn
hatte Petry in Breslau in der Historischen Kommission für Schlesien sowie in
Hermann Aubins Arbeitskreis gearbeitet. Auch nach dem Krieg sind die beiden
sich u. a. im Rahmen des Johann Gottfried Herder-Forschungsrats begegnet.
Weitere Akten sind Leo Santifaller zuzuordnen, der in Breslau für die
Historische Kommission für Schlesien am Schlesische Urkundenbuch gearbeitet
hatte, das später von Petrys Schüler Menzel mitherausgegeben wurde. Weitere
Unterlagen sind (wahrscheinlich) Wilhelm Friemel zuzuordnen, der in Breslau
an seiner Dissertation gearbeitet hatte. In welcher Verbindung Friemel zu
den anderen Wissenschaftlern genau stand, gilt es noch herauszufinden.
Zu dem Bestand gehört außerdem eine Kartensammlung, die aus
(historischen) Land-, Sprach-, und Wirtschaftskarten zu deutschen und
(mittelost-)europäischen Gebieten, Karten zum "Deutschtum" im Ausland und
Stadtplänen besteht. Diese müssen jedoch noch erschlossen und gegliedert
werden. Die genaue Provenienz ist unklar, nach der Beschriftung könnte die
Sammlung zumindest in Teilen eventuell Walter Kuhn zugeschrieben
werden.
Der Nachlass wurde thematisch in sechs Abschnitte -
Gremien, Institut für geschichtliche Landeskunde, Publikationsprojekte,
Rezensionen, Arbeitsunterlagen und Unterlagen weiterer Personen -
gegliedert. Innerhalb der Abschnitte bzw. Unterabschnitte sind die Akten
weitestgehend chronologisch geordnet. Ausnahme ist Abschnitt 1 zu den
Gremien, der alphabetisch sortiert ist. Bis auf wenige Aus-nahmen wurde die
Ordnung der Unterlagen beibehalten. Dementsprechend lassen sich einzelne
Akten nicht immer ausschließlich nur einem Abschnitt zuordnen.
Die Unterlagen umfassen einen Zeitraum von den 1930er bis zu den 1980er
Jahren. Trotz der großen Zeitspanne gibt es größere Lücken. So gibt es
beispielsweise weder Unterlagen zu Petrys Qualifikationsschriften noch zu
seiner landesgeschichtlichen Forschung zu Rheinhessen.
Die
Archivalien sind nach Maßgabe des Archivgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz
und der Nutzungsordnung des Universitätsarchivs Mainz zu benutzen und mit
der Signatur NL 02 / [laufende Nummer] zu zitieren.
Der Bestand
wurde im Oktober und November 2016 von Stefanie Martin verzeichnet.
Weiterführende Archivalien
Personalakte von Ludwig Petry.
Universitätsarchiv Mainz (UAMZ), Bestand 64, Nr. 1872.
Weiterführende Literatur
-Conrads, Norbert; Menzel, Josef
Joachim: Ludwig Petry und die schlesische Geschichtsschreibung. In: Dem
Osten zugewandt. Gesammelte Aufsätze zur schlesischen und ostdeutschen
Geschichte. Festgabe zum 75. Geburtstag. Sigmaringen 1983, S.
XV-XVIII.
-Felten, Franz J.: Institut für Geschichtliche
Landeskunde an der Universität Mainz e. V. 1960-2010. Mainz 2010.
-Fuchs, Konrad: Ludwig Petry. In: Biographisch-Bibliographisches
Kirchenlexikon (BBKL). Bd. 16, Ergänzungen 3. Nordhausen 1999, Sp.
1218-1228.
-Irgang, Winfried: Ludwig Petry (1908-1991), in: Heinz
Duchhardt (Hrsg.): Mainzer Historiker, Göttingen 2020 (Beiträge zur
Geschichte der Universität Mainz 16), S. 81-105.
-Krzoska,
Markus: Ludwig Petry. In: Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen -
Institutionen - Forschungsprogramme - Stiftungen. [Hrsg.]: Ingo Haar,
Michael Fahlbusch. München 2008, S. 475-477.
-Ludwig
Petry-Institut [Hrsg.]: In Breslau und Mainz. Ludwig Petry (1908 - 1991).
Ansprachen bei der akademischen Gedenkfeier 20.11.1992. Mainz 1996.
-Menzel, Josef Joachim: Ludwig Petry †. In: Jahrbuch der schlesischen
Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau. Bd. 33 (1992), S. VII.
-Mühle, Eduard: Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann
Aubin und die deutsche Ostforschung. Düsseldorf 2005.
-Petry,
Ludwig; Schlenger, Herbert: Fünfzig Jahre Historische Kommission für
Schlesien. München, Berlin 1972.
-Schnettger, Matthias:
Gedenkfeier zum 100. Geburtstag Ludwig Petrys (1908-1991) in Mainz (3. Juni
2008). Mainz 2008.
-Schott, Christian-Erdmann: Nachruf auf
Professor Petry. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte. Bd. 71
(1992), S. 249.
-Wojtynowski, Katja: Das Fach Geschichte an der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz 1946-1961.Gründung und Ausbau des
Historischen Seminars, des Instituts für Alte Geschichte und der Abteilung
Osteuropäische Geschichte am Institut für Osteuropakunde, Stuttgart 2006
(Beiträge zur Geschichte der Universität Mainz, Neue Folge 4).
-
Ludwig Petry, in: Verzeichnis der Professorinnen und Professoren der
Universität Mainz. URI:
http://gutenberg-biographics.ub.uni-mainz.de/id/d962bf95-8899-42ae-8a75-4f05acf3a584.
- Reference number of holding
-
NL 02
- Extent
-
26 Kartons; 2,9 lfm
- Context
-
Universitätsarchiv Mainz (Archivtektonik) >> 08 Nachlässe und Handakten
- Provenance
-
Prof. Ludwig Petry (03/1976; 16/1984; 39/1986; 05/1987; 08/1989)
- Date of creation of holding
-
1935-1981
- Other object pages
- Last update
-
03.06.2025, 10:11 AM CEST
Data provider
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Object type
- Bestand
Associated
- Prof. Ludwig Petry (03/1976; 16/1984; 39/1986; 05/1987; 08/1989)
Time of origin
- 1935-1981