Bestand
Persönlicher Stab Reichsführer-SS (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Mit Wirkung vom 9. November 1936 Umwandlung der Chefadjutantur des
Reichsführers SS in die Organisationseinheit "Der Reichsführer-SS
Persönlicher Stab"; Funktion des Persönli‧chen Stabs Reichsführer SS -
eines der Hauptämter der Reichsführung SS - als sachbear‧beitende
Dienststelle des Reichsführers SS für Aufgaben, die nicht in die
Zuständigkeit von Fachressorts der SS fielen; Ämtergliederung des
Persönlichen Stabs Reichsführer SS in den Jahren 1942-1944: Amt
Wewelsburg, Amt Ahnenerbe, Amt Lebensborn, Amt/Abteilung Presse, Amt
München (künstlerische und architektonische Aufgaben in Verbindung mit
dem SS-Wirt‧schafts-Verwaltungshauptamt), Amt Rohstoffe/Rohstoffamt, Amt
für Volkstumsfragen, Zen‧tralinstitut für optimale Menschenerfassung
(statistische und praktische Auswertung der "Menschenerfassung" bei SS
und Polizei), Amt Stabsführung (interne Angelegenheiten des Stabs und der
Ämter)
Langtext:
Als
Heinrich Himmler im Alter von 28 Jahren durch Verfügung Hitlers vom 20.
Januar 1929 zum Reichsführer-SS ernannt wurde, zählten zur SS, damals
noch eine Sonderformation der SA, lediglich rund 280 Mann. Oberstes
Führungsorgan der im Frühjahr 1925 zum persönlichen Schutz Hitlers und
zum Versammlungsschutz aufgestellten "Schutzstaffeln der NSDAP", deren
Kürzel "SS" wohl zur bekanntesten die Schreckensherrschaft des
nationalsozialistischen Regimes in Deutschland und Europa
symbolisierenden Chiffre werden sollte, war die "Oberleitung der
Schutzstaffeln der NSDAP", die organisatorisch als Teil der Obersten
SA-Führung in München fungierte. Auf dem Höhepunkt des zweiten
Weltkriegs, zum 30. Juni 1944, umfaßte die SS dann knapp 800000
Mitglieder, davon allerdings allein beinah 600000 in der Waffen-SS [1].
Der bürokratische Apparat der SS war in diesen 15 Jahren durch Errichtung
immer neuer Ämter, Hauptämter und sonstiger zentraler Einrichtungen auf
der obersten Führungsebene und durch Bildung zahlreicher nachgeordneter
Dienststellen und Institutionen ins Riesenhafte angewachsen. Gleichzeitig
hatte sich - auch als Folge von Himmlers Führungsprinzip der Spaltung von
Kompetenzen einerseits und der Verknüpfung institutionell aufgeteilter
Kompetenzen durch Personalunion andererseits - das Organisationsgeflecht
in der Spitze der zu einem, wenn nicht dem entscheidenden
Herrschaftsinstrument gewordenen SS [2] als nahezu unüberschaubar
herausgestellt.
Die formale Loslösung der SS von
der SA geschah in zwei Schritten. Der Mitteilung Himmlers an die SS vom
1. Dezember 1930, wonach "die restlose Trennung von SA und SS vollzogen"
sei [3], war eine Anordnung Hitlers als des Obersten SA-Führers vom 14.
Januar 1931 gefolgt, daß der Reichsführer-SS als Führer der Gesamt-SS dem
Chef des Stabes, die SS als selbständiger Verband mit eigenem Dienstwege
dem Reichsführer-SS unterstellt sei [4]. Mit der durch Hitlers am 20.
Juli 1934 verfügten "Erhebung" der SS "zu einer selbständigen
Organisation im Rahmen der NSDAP" fand dann die Bindung der SS an die SA
ihren endgültigen Abschluß. Begründet wurde dies mit den großen
Verdiensten, "besonders im Zusammenhang mit den Ereignissen des 30. Juni
1934" [5], also des sogenannten "Röhm-Putsches". Gleichzeitig wurde der
Reichsführer-SS, wie der Stabschef der SA, Hitler direkt
unterstellt.
1929 hatte die Reichsführung-SS, die
zunächst noch einen "Geschäftsführer der Oberleitung" kannte, im Rahmen
der damals ebenso gering entwickelten Obersten SA-Führung einen sehr
bescheidenen Zuschnitt. Der von Himmler betriebene institutionelle Ausbau
der SS-Führungsspitze verlief deutlich parallel zur Entwicklung der
Obersten SA-Führung, nachdem Ernst Röhm diese als Stabschef im Januar
1931 übernommen hatte. Wie bei dieser entstanden bis Mai 1931 in der
Reichsführung-SS mehrere Abteilungen und Referate in folgender Gliederung
[6]:
Ia
Gliederung,
Ausbildung, Sicherheitsdienst
Ib
Motorisierung, Transportwesen
Ic
Nachrichtenwesen, Presse
Id
Bekleidung, Verpflegung, Unterkunft
Iia
Personalabteilung, Stellenbesetzung
Iib
Stärkennachweise
III
Ehrenangelegenheiten,
Rechtsangelegenheiten
Iva
Geldverwaltung
Ivb
Ärztliche Versorgung der SS (Reichsarzt-SS)
V
Propaganda
Aus
diesen Organisationseinheiten entwickelte sich im Jahre 1932 das SS-Amt.
Das Referat Ic wurde zum SD-Amt, ein Rasseamt, später Rasse- und
Siedlungsamt, Anfang 1932 neu geschaffen.
Das
SD-Amt, später SD-Hauptamt, nahm mit der Ernennung Himmlers zum
Inspekteur der Preußischen Polizei am 20. April 1934 und der Funktion
Reinhard Heydrichs als Leiter sowohl des Geheimen Staatspolizeiamtes als
auch des SD-Hauptamtes eine von der engeren Reichsführung-SS getrennte
Entwicklung, die 1939 im Zusammenschluß von SD-Hauptamt und Hauptamt
Sicherheitspolizei zum Reichssicherheitshauptamt mündete [7]. Zwar zählte
das Reichssicherheitshauptamt ebenso wie das Hauptamt Ordnungspolizei,
der Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums und die
Volksdeutsche Mittelstelle nach dem Verständnis von SS und NSDAP zur
Organisation der SS-Führung; diese Behörden nahmen jedoch jenseits der
gemeinsamen Führung durch Himmler als Reichsführer-SS und Chef der
Deutschen Polizei bzw. als Reichskommissar für die Festigung Deutschen
Volkstums und der Verknüpfung von staatlichen und parteiamtlich geprägten
Aufgaben im wesentlichen staatliche Funktionen wahr [8].
Das SS-Amt von 1932, das ab 1935 als SS-Hauptamt
firmierte [9], wurde unter Veränderung seiner Aufgaben bis in die
Kriegsjahre hinein zur Keimzelle neuer Hauptämter. Sie entstanden beim
immer stärkeren Ausbau der Reichsführung-SS durch zunehmende Führungs-
und Verwaltungsaufgaben: Aufbau der bewaffneten Verbände, Aufbau und
Führung der Waffen-SS im Kriege, Verwaltung der Konzentrationslager (KL)
und der Wirtschaftsunternehmungen der SS, Aktivitäten im
weltanschaulich-politischen Bereich.
Der Befehl
des Reichsführers-SS vom 14. Januar 1935 über die Neugliederung in der
Reichsführung-SS mit Wirkung vom 20. Januar 1935 nannte neben dem
SS-Hauptamt, dem SD-Hauptamt und dem Rasse- und neben dem SS-Hauptamt,
dem SD-Hauptamt und dem Rasse- und Siedlungshauptamt auch den "Stab
Reichsführer-SS". Dieser gliederte sich in Chefadjutantur,
Personalkanzlei, SS-Gericht, Revisionsabteilung und Stabskasse [10]. Aus
der Chefadjutantur sollte dann später das Hauptamt Persönlicher Stab
Reichsführer-SS entstehen. Der Stab Reichsführer-SS und das SS-Hauptamt
waren dadurch personell eng miteinander verknüpft, daß die Chefs
einzelner Ämter des Hauptamtes zugleich Funktionen im Stab wahrnahmen. So
korrespondierten im
SS-Hauptamt:
Stab Reichsführer-SS:
Personalamt (II)
Personalkanzlei (II)
Gerichtsamt
(III)
SS-Gericht (III)
Verwaltungsamt (IV)
Verwaltungschef-SS und
Reichskassenverwalter (IV)
Sanitätsamt (V)
Reichsarzt-SS (V)
Dazu kamen im
SS-Hauptamt noch das Führungsamt (I) und das Ergänzungsamt (VI) sowie -
dem Chef des SS-Hauptamts unmittelbar unterstellt - der Inspekteur der KL
und der SS-Wachverbände, ab 1936 der SS-Totenkopfverbände, und, ab Herbst
1935, der Inspekteur der Verfügungstruppe.
Nacheinander entstanden in der Folge aus den entsprechenden
Organisationseinheiten im SS-Hauptamt bzw. im Stab Reichsführer-SS
1939:
-
das SS-Personalhauptamt für die Personalangelegenheiten der
SS-Führer
[11],
-
das Hauptamt SS-Gericht [12],
-
das Hauptamt Verwaltung und Wirtschaft
[13], das ab 1942 mit dem Hauptamt Haushalt und Bauten des
Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei und dem
SS-Verwaltungsamt zum SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt vereinigt wurde
[14],
1940:
-
das SS-Führungshauptamt "zur militärischen Führung der
Waffen-SS und vor- und nachmilitärischen Ausbildung der Allgemeinen SS"
[15],
-
die "Dienststelle
SS-Obergruppenführer Heißmeyer", die Nationalpolitische
Erziehungsanstalten und Heimschulen im Geschäftsbereich des
Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
beaufsichtigte, gleichsam die Vorstufe eines geplanten Hauptamtes
Nationalpolitische Erziehung [16].
Dem SS-Hauptamt
unter seinem Leiter SS-Gruppenführer Gottlob Berger verbliebenen im
wesentlichen das Erfassungs- und Ergänzungswesen sowie Angelegenheiten
der Schulung, insbesondere der in den "germanischen Ländern" rekrutierten
SS-Angehörigen.
Neben diesen Hauptämtern und
Ämtern hatte sich Himmler schon früh eine eigene Geschäftsstelle zur
Lenkung des Apparates und zur Aufsicht über ihm direkt unterstellte
Institutionen und außerhalb der Ämter verbleibender Aufgaben in seiner
Adjutantur geschaffen. In sie war am 15. Juni 1933 der mit Himmler
gleichaltrige SS-Hauptsturmführer Karl Wolff [17] als hauptamtlicher
Adjutant eingetreten. Wolff wurde sehr bald der engste Vertraute
Himmlers, begleitete ihn auf Reisen und nahm an seinen Führungsaufgaben
teil. Im Jahre 1935 wurde er Chefadjutant.
Der
Aufwertung der Chefadjutantur als einer ihrer ursprünglichen Aufgabe
entwachsenen Institution trug Himmler Rechnung, als er sie mit Befehl vom
9. November 1936 zum Persönlichen Stab umwandelte [18]:
"1.) Mit Wirkung vom 9. November 1936 erhält die bisherige
Chef-Adjutantur des Reichsführers-SS in Anbetracht ihrer Größe und ihres
im Laufe der Jahre stark erweiterten Dienstbereichs die Bezeichnung 'Der
Reichsführer-SS Persönlicher Stab'.
2.) Zum Chef
des Persönlichen Stabes ernenne ich den SS-Brigadeführer Wolff.
3.) Die neu zu errichtende Adjutantur des
Reichsführers-SS bildet eine Abteilung des Persönlichen Stabes."
Die gleichzeitige Erhebung des Persönlichen Stabes zu
einem Hauptamt war nicht nur nicht ausgesprochen, sondern vermutlich auch
nicht intendiert. Die zunehmenden Aufgaben des Persönlichen Stabes
einerseits und die Rücksichtnahme auf die Stellung Wolffs gegenüber den
1939 neu etablierten Hauptamtschefs mögen Himmler bewogen haben, einen
anderen Befehl vom 9. November 1936 später, im Jahre 1939, nachträglich
dahin zu interpretieren, daß er den Persönlichen Stab bereits damals zu
einem Hauptamt erhoben habe. In diesem Befehl vom 9. November 1936 [19]
über die "Neuordnung der Befehlsverhältnisse in der Gesamt-SS" hatte er
die "Gliederung der Dienststelle Der Reichsführer-SS" folgendermaßen
bekanntgegeben: SS-Hauptamt, SD-Hauptamt, Rasse- und Siedlungshauptamt,
Reichsführer-SS Persönlicher Stab; außerdem hatte der Chef der
Ordnungspolizei, SS-Obergruppenführer Daluege, den Rang eines
Hauptamtschefs. Im Befehl vom 1. Juni 1939, mit dem er das
SS-Personalhauptamt und das Hauptamt SS-Gericht bildete, griff er diesen
Befehl wieder auf und formulierte, daß er als Hauptämter eben diese
"festgesetzt hatte". Noch im Befehl vom 20. April 1939 zur Gründung des
Hauptamtes Verwaltung und Wirtschaft hatte er jedoch erklärt, daß dieses
"ein Hauptamt wie die übrigen Hauptämter der Reichsführung-SS
(SS-Hauptamt, SD-Hauptamt, Rasse- und Siedlungshauptamt, Hauptamt
Ordnungspolizei und Hauptamt Sicherheitspolizei)" sei. Noch hier also war
von einem Hauptamt Persönlicher Stab nicht die Rede. Wolff wurde erst am
8. Juni 1939 rückwirkend zum Hauptamtschef ernannt [20].
Funktion und Aufgabe des Persönlichen Stabes sind in
einer Weisung vom 3. April 1937 zur Befehlsführung und Sachbearbeitung im
Geschäftsbereich des Reichsführers-SS [21] folgendermaßen beschrieben:
"Der Persönliche Stab des Reichsführers-SS ist sachbearbeitende
Dienststelle des Reichsführers-SS für diejenigen Angelegenheiten, die
nicht in die Tätigkeitsbereiche der Chefs des SS-Hauptamtes, des
SD-Hauptamtes, des Rasse- und Siedlungshauptamtes oder der
sachbearbeitenden Zentralstellen gehören. Der Chef des Persönlichen
Stabes hat alle Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Chefs des
SS-Hauptamtes, des SD-Hauptamtes, des Rasse- und Siedlungshauptamtes oder
der sachbearbeitenden Zentralstellen fallen, zuständigkeitshalber
endgültig an diese abzugeben.
Der Chef des
Persönlichen Stabes führt gleichzeitig die Aufsicht über
a) die Adjutantur des Reichsführers-SS,
b) die Eingangstelle des Reichsführers-SS,
c) die Kanzlei des Reichsführers-SS".
Zwei Merkmale des Persönlichen Stabes sind damit aufgezeigt: Er
sollte keine Aufgaben in Konkurrenz zu den Fachressorts der SS ausüben,
sollte hingegen Himmlers sachbearbeitende Dienststelle für Aufgaben
außerhalb dieser Ressorts sein, d.h. wenigstens z.T. die Fachaufsicht
über Himmler unmittelbar unterstehende Institutionen ausüben. Die
Funktion des Persönlichen Stabes als einer "zentralen Befehlsstelle der
Reichsführung-SS" [22], die die Qualität seiner Aktenüberlieferung und
damit des hier zu beschreibenden Archivalienbestandes bewirkt hat, ist
hier nicht angesprochen. Beim Persönlichen Stab ressortierten darüber
hinaus eine Anzahl von Chefstellen, deren Inhaber in Personalunion als
Chefs der entsprechenden Ämter im SS-Hauptamt oder im SS-Führungshauptamt
fungierten, die sich ihrerseits aber nicht zu eigenen SS-Hauptämtern
entwickelten: Der Chef Reichsverteidigung war zugleich Chef des Amtes für
Sicherungsaufgaben im SS-Hauptamt, später im SS-Führungshauptamt. Der
Inspekteur für Leibesübungen war Chef des Amtes für Leibesübungen im
SS-Hauptamt. Der Inspekteur für Nachrichtenverbindungen, zugleich Chef
des Amtes Nachrichtenverbindungen im SS-Hauptamt, später im
SS-Führungshauptamt, wurde in Chef des Fernmeldewesens umgenannt und
firmierte gegen Kriegsende als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen
Polizei im Reichsministerium des Innern, Chef des Fernmeldewesens. Ab
1942 hatte er z.B. aufgrund eines persönlichen Befehls Himmlers ein
weibliches Nachrichtenkorps der SS aufzustellen und auszubilden [23].
Auch der Leiter des 1938 errichteten, 1944 aufgelösten und zunächst
Himmler persönlich unterstellten SS-Fürsorge- und Versorgungsamtes versah
eine Chefstelle im Persönlichen Stab.
Zu den
Einrichtungen, die Himmler durch den Persönlichen Stab unmittelbar
lenkte, gehörten die Mitte der 30er Jahre geschaffenen wirtschaftlichen
Unternehmungen der SS [24] (Nordland-Verlag GmbH, Porzellanmanufaktur
Allach, Photogesellschaft F.F. Bauer GmbH, Anton Loibl GmbH,
Gemeinnützige Wohnungs- und Heimstätten-GmbH und die Spargemeinschaft-SS,
später SS-Spargemeinschaft e.V.), die Gesellschaft zur Förderung und
Pflege Deutscher Kulturdenkmäler e.V., die Externsteine-Stiftung und die
König-Heinrich I.-Gedächtnis-Stiftung. Alle diese Einrichtungen dienten
in einer Wechselbeziehung zugleich finanziellen wie kulturellen,
weltanschaulichen oder auch sozialen Zwecken. So kamen beispielsweise die
Lizenzgebühren aus der Verwertung des Patents eines Pedalrückstrahlers
für Fahrräder - der Erfinder Loibl war ein Kraftfahrer Hitlers - durch
die Anton Loibl GmbH dem "Ahnenerbe" e.V. und dem Verein "Lebensborn"
zugute. Die Porzellanmanufaktur Allach stellte außer Gebrauchsgeschirr
Geschenkartikel her, die nicht in den Handel kamen, sondern allein von
Himmler über den Persönlichen Stab bzw. die SS-Adjutantur zu bestimmten
Anlässen an SS-Angehörige und deren Familien sowie an andere
Empfängerkreise verteilt wurden [25]. Zu den Artikeln, die für die
"Geschenkkammer" Himmlers produziert wurden, zählten Lebensleuchter und
Kinderfriesteller, Julleuchter und Julteller, Plastiken wie
SS-Fahnenträger, SS-Reiter, Landsknecht mit Lanze, Garde du Corps,
Gaukler, Dackel, Berghirsch, Trachtengruppen u.a.m. Im Persönlichen Stab
waren diese Wirtschaftsbetriebe einem "Kulturreferat" zugeordnet,
ausgenommen die Spargemeinschaft-SS, für die die "Abteilung
Wirtschaftliche Hilfe" zuständig war. Das Kulturreferat alten Zuschnitts
wurde hinfällig, als 1938 alle Wirtschaftsunternehmungen dem
SS-Verwaltungsamt im SS-Hauptamt wirtschaftlich und organisatorisch
unterstellt wurden. Eine Ausnahme bildete die Porzellanmanufaktur Allach,
die im Persönlichen Stab als "Amt München" institutionalisiert
wurde.
Zu den 1938 wirtschaftlich dem
SS-Verwaltungsamt unterstellten Einrichtungen zählten auch die
Externsteine-Stiftung mit dem Zweck der Erhaltung der vermeintlichen
germanischen Kultstätte in der Nähe von Detmold [26], die König Heinrich
I.-Gedächtnis-Stiftung, der die Pflege und Erhaltung des Quedlinburger
Domes oblag, und die Gesellschaft zur Förderung und Pflege Deutscher
Kulturdenkmäler e.V., die eine Reihe von Objekten betreute, zu deren
bekanntesten die Wewelsburg bei Paderborn, der Sachsenhain bei
Verden/Aller und die Ausgrabungsstätte Haithabu bei Schleswig gehörten.
Damit verlor auch die "Abteilung für kulturelle Forschung", die im
Persönlichen Stab - zusammen mit einer Abteilung "Ausgrabungen" - bis
dahin für diese Institutionen und andere Ambitionen Himmlers in
kulturell-historisch orientierten Bereichen war, ihre ideelle
Zuständigkeit und schließlich auch ihre organisatorische Basis.
Nutznießer war die 1935 gegründete "Lehr- und
Forschungsgemeinschaft Das Ahnenerbe", die seit Ende des Jahres 1936 dem
Persönlichen Stab angegliedert war und ab 1. April 1942 in der
Organisationsform eines Amtes zum Persönlichen Stab gehörte [27].
Wirtschaftlich unterstand das "Ahnenerbe" allerdings seit 1938 ebenfalls
dem SS-Verwaltungsamt.
Das "Ahnenerbe" - mit
Himmler als Präsident an der Spitze - hatte satzungsgemäß die Aufgabe,
"Raum, Geist, Tat und Erbe des nordrassischen Indogermanentums zu
erforschen, die Forschungsergebnisse lebendig zu gestalten und dem Volke
zu vermitteln". Zielvorstellungen, das "Ahnenerbe" zum "Sammelbecken für
alle kulturellen Bestrebungen des Reichsführers-SS" zu machen, wurden
durch Himmlers Führungsstil indessen dadurch in Frage gestellt, "daß er
nicht unbedingt alles im 'Ahnenerbe' vereinigen wolle, um nicht zu viel
wichtige und wesentliche Dinge an einer Stelle zu konzentrieren" [28].
Über die frühe Konzeption hinaus versuchte sich das "Ahnenerbe" im Laufe
seiner komplizierten, die geistige Verirrtheit und Verworrenheit von
Himmlers Ideologie und Wissenschaftsvorstellungen prägnant
dokumentierende Geschichte als ebenso skurrile wie den
NS-Herrschaftsvorstellungen ganz konkret dienstbare Forschungsstätte für
verschiedenste Bereiche der "Kultur-" und Naturwissenschaften. Während
des Krieges dehnte es seine Tätigkeit weiter aus, z.B. in Form des
sogenannten "Germanischen Wissenschaftseinsatzes" in den besetzten
"germanischen" Ländern. Für seine publizistische Tätigkeit verfügte es
über einen Ahnenerbe-Stiftungs-Verlag.
In
unmittelbare Verstrickung mit den menschenverachtenden und
verbrecherischen Praktiken des NS-Regimes geriet das "Ahnenerbe"
schließlich durch das ihm angegliederten "Institut für
wehrwissenschaftliche Zweckforschung", dessen Errichtung Himmler
persönlich befohlen hatte. Unter dem Deckmantel angeblich kriegswichtiger
Forschungen wurden an Konzentrationslager-Häftlingen grausame Versuche
vorgenommen, die mit den Namen beteiligter Ärzte wie z.B. Dr. Siegmund
Rascher verknüpft sind. Pervertierte "Forschung" betrieb Prof. Dr. August
Hirt an der Reichsuniversität Straßburg mit seinen anthropologischen
Untersuchungen an Schädeln und Skeletten zuvor in Auschwitz getöteter
"jüdisch-bolschewistischer Kommissare" [29].
Ein
"Kulturobjekt", das außerhalb der Zuständigkeit des "Ahnenerbe" blieb,
war die in Ostwestfalen gelegene Wewelsburg, mit der Himmler dem
Ordensgedanken der SS eine bleibende Kultstätte zu schaffen gedachte
[30]. Um ihren Ausbau blieb Himmler, bis hin zur Bepflanzung des
Burghangs mit Walnußbäumen, persönlich besorgt. Organisatorisch wurde
auch sie in einem Amt beim Persönlichen Stab verankert.
Ein weiteres Amt im Persönlichen Stab, das einen Verein
repräsentierte, war das Amt Lebensborn. Der Verein "Lebensborn" war 1936
gegründet worden und hatte - entgegen nach Kriegsende publizierten, auf
eine besondere Neugierde der damaligen Leserschaft abhebenden
Unsinnigkeiten über "SS-Zuchtanstalten" - satzungsgemäß den Zweck, ganz
im Sinne der NS-Rassenideologie und -Bevölkerungspolitik "rassisch und
erbbiologisch wertvolle" kinderreiche Familien zu unterstützen und
ledigen Müttern behilflich zu sein [31]. Zu deren Unterbringung wurden
besondere Heime eingerichtet. In eine direkt schuldhafte Rolle geriet der
"Lebensborn" während des Krieges als betreuende Organisation für
"rassisch wertvolle" Kinder, deren Eltern verfolgt, in
Konzentrationslager verbracht oder getötet worden waren; zu ihnen zählten
beispielsweise die Kinder der Einwohner von Lidice und Lezáky, die im
Zuge der Vergeltungsmaßnahmen für das Attentat auf Reinhard Heydrich
erschossen oder in Konzentrationslager eingewiesen worden waren, und
Kinder, deren Eltern als Angehörige der tschechischen Widerstandsbewegung
hingerichtet worden waren [32].
Die
Pressebeobachtung war ein frühes Anliegen Himmlers. Das spätere Amt
Presse im Persönlichen Stab hatte die Aufgabe, Himmler über
Pressenachrichten auf dem Laufenden zu halten. Darüber hinaus oblagen ihm
die Zusammenarbeit mit Presselenkungsstellen von Partei und Staat,
gewisse Zensuraufgaben sowie der Aufbau von Wort- und
Bilddokumentationen. Das Amt bereitete u.a. auch ein "Organisationsbuch
der SS" vor, da nach dem Urteil seines Leiters "nur sehr wenige SS-Führer
einen vollständigen Überblick über die Organisation des Arbeitsbereichs
des Reichsführers-SS im einzelnen haben [33].
Zur
Wahrnehmung von Aufgaben, die Himmler im Rahmen des 2. Vierjahresplans
zugekommen waren, wurde ein "Amt Vierjahresplan" im Persönlichen Stab
geschaffen. Es hatte mitzuarbeiten bei der Beschaffung von
Arbeitskräften, bei der Bewirtschaftung von Bau- und Rohstoffen, bei
energiewirtschaftlichen Problemen und bei einschlägigen
Forschungsarbeiten. Im Jahre 1942 wurde es "stillschweigend" aufgelöst
und in das "Rohstoffamt" eingebracht [34], das aus dem Stabsamt des
Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums hervorgegangen war
[35].
Eine sehr frühe Dienststelle, die Himmler
bleibend mit dem Persönlichen Stab organisatorisch verknüpfte, war das
von Dr. Ernst Robert Grawitz bis Kriegsende geleitete Amt "Reichsarzt SS
und Polizei". Grawitz ist weniger bekannt geworden als Dr. Karl Gebhardt,
der Chefarzt des SS-Lazaretts Hohenlychen, in dessen Behandlung Himmler
sich sehr häufig begeben hat und der als "Oberster Kliniker beim Stab
Reichsarzt SS und Polizei" firmierte [36]. Endlich sind die
"SS-Mannschaftshäuser" zu nennen; sie dienten seit Mitte der 30er Jahre
der Zusammenfassung der SS-Angehörigen an den Hochschulen "zur
Heranbildung des von der SS benötigten wissenschaftlichen Nachwuchses",
wie Himmler 1939 formulierte [37], als er diese Einrichtung dem Rasse-
und Siedlungshauptamt entzog und zu einer "Dienststelle der SS im
Persönlichen Stab" machte.
Stellenplänen und
Aufgabenbeschreibungen zufolge [38] hatte der Persönliche Stab
Reichsführer-SS in den Jahren 1942/44 folgende Gliederung und
Besetzung:
Chef des Persönlichen Stabes
Reichsführer-SS
SS-Obergruppenführer und General
der Waffen-SS Karl Wolff
Ämter
Amt Wewelsburg:
SS-Obergruppenführer und
General der Waffen-SS Siegfried Taubert, Burghauptmann der SS-Schule
"Haus Wewelsburg"
Amt Ahnenerbe:
SS-Oberführer Professor Dr. Walter Wüst, Kurator und Amtschef;
SS-Standartenführer Wolfram Sievers, Reichsgeschäftsführer und
stellvertretender Amtschef
Amt Lebensborn:
SS-Standartenführer Max Sollmann, Vorstand und
Amtschef
Amt/Abt. Presse:
SS-Obersturmbannführer Gerhard Radke, später SS-Obersturmführer Otto
Behrendt
Amt München:
SS-Standartenführer Professor Karl Diebitsch (Bearbeitung aller
künstlerischen und architektonischen Fragen in Verbindung mit dem
SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt)
Amt
Rohstoffe/Rohstoffamt:
SS-Standartenführer Albert
Kloth
Amt für Volkstumsfragen:
SS-Brigadeführer Erich Cassel, Amtschef und Verbindungsführer zur
Reichsleitung der NSDAP und den Dienststellen des Reichsführers-SS
Zentralinstitut für optimale Menschenerfassung:
SS-Obersturmbannführer Dr. Albert Bartels (Statistische
und praktische Auswertung der gesamten "Menschenerfassung" in SS und
Polizei)
Amt Stabsführung:
Stabsführer SS-Oberführer Otto Ullmann, ab Februar 1943
SS-Standartenführer Paul Baumert (zuständig für alle internen
Angelegenheiten des Stabes und der Ämter)
mit den
unmittelbar unterstellten
Hauptabteilungen:
SS-Adjutantur:
SS-Obersturmbannführer Werner Grothmann
Polizei-Adjutantur:
Oberstleutnant der
Schutzpolizei Willy Suchanek und SS-Hauptsturmführer Martin
Fälschlein
Persönliches Referat
Reichsführer-SS:
SS-Standartenführer Dr. Rudolf
Brandt, Ministerialrat, Persönlicher Referent des Reichsführers-SS und
Reichsminister des Innern
Sachbearbeiter Chef
Persönlicher Stab (S.B.Ch.P.):
SS-Obersturmführer
Heinrich Heckenstaller
Orden und Gäste:
SS-Standartenführer Hans von Uslar, später
SS-Sturmbannführer Dr. Helmut Fitzner
Verwaltung:
SS-Hauptsturmführer Oskar Winzer,
später SS-Obersturmbannführer Christian Mohr (Verwaltung des Stabes und
der unterstellten Ämter)
Wirtschaftliche
Hilfe:
SS-Sturmbannführer Dr. Helmut Fitzner
(Entschuldungs- und Darlehensangelegenheiten für die SS)
Personal:
SS-Hauptsturmführer
Fritz Breitfeldt
SS-richterlicher
Verbindungsführer:
SS-Standartenführer Horst
Bender
Der Beauftragte für das Diensthundewesen
beim Reichsführer-SS:
SS-Oberführer Franz Mueller
(Darß) (Diensthundefragen der Waffen-SS und Polizei beim
Reichsführer-SS)
und
Abteilungen:
-
Auszeichnungen und Orden (unterstellt der SS-Adjutantur; Bearbeitung
hoher Auszeichnungen in Waffen-SS und Polizei)
-
Schriftgutverwaltung und Geschäftszimmer
(Schriftgut-Registrierung und -Verwahrung)
-
Nachrichtenstelle (Überwachung der gesamten
Nachrichtenmittel der Berliner Dienststelle des Reichsführers-SS)
-
Fahrdienst
-
Kommandeur der Stabsabteilung der Waffen-SS
(Führung und Betreuung sämtlicher zum Persönlichen Stab versetzten
Waffen-SS-Angehörigen).
In dieser Übersicht ist
eine Reihe von weiteren Einrichtungen noch erwähnt, die Himmler
persönlich unterstanden, im Persönlichen Stab "bearbeitet" wurden und
dort aktenmäßig belegt sind. Dazu zählten z.B. der Reichsführer-SS
Persönlicher Stab, Abteilung F, SS-Lager Dachau - Haus 13,
Ernährungswissenschaftliches Versuchsgut. Leiter war Dr. Karl Fahrenkamp;
seine Aufgabe bestand vor allem in der Entwicklung von Präparaten u.a.
zur Förderung des Pflanzenwachstums. Etwa 1940 wurde die Dienststelle
Inspekteur für Statistik eingerichtet. Sie führte ab Januar 1944 die
Bezeichnung Statistisch-wissenschaftliches Institut des Reichsführers-SS,
wurde von Dr. Richard Korherr geleitet und war mit der Anfertigung
statistischer Arbeiten für Himmler beauftragt. Zu nennen in diesem
Zusammenhang sind noch ad hoc gebildete Sondereinrichtungen wie der
Beauftragte des Reichsführers-SS im Stab des Sonderbeauftragten für die
Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatzes, General von Unruh,
SS-Standartenführer Harro With, und der Reichsführer-SS Sonderstab Oberst
Streck, der Zuschriften über Mißstände in Dienststellen und Truppen zu
verfolgen hatte. Einem weiteren der zahllosen Interessenbereiche
Himmlers, dem der Erschließung von Rohstoffen im Kriege, ist wohl
zuzuschreiben, daß er nicht nur sehr persönlich z.B. um die Zucht von
Karakulschafen und perennierendem Roggen oder um die Gewinnung von
Ölschiefer besorgt war, sondern daß er sich von Göring offiziell zum
Sonderbeauftragten für alle Fragen des Pflanzenkautschuks ernennen ließ
[39]. Mit großem Aufwand wurden in den besetzten polnischen und
sowjetischen Gebieten Anbauversuche mit Kok-Sagys, einer im europäischen
Rußland vorkommenden Pflanze, unternommen, um daraus für die deutsche
Kriegswirtschaft verwertbare Mengen von Naturgummi zu gewinnen.
Die Geschäfte des Persönlichen Stabes im engeren Sinne
führte das Amt Stabsführung mit den unterstellten Hauptabteilungen und
Abteilungen. Die anderen Ämter - das Amt für Volkstumsfragen und das
Zentralinstitut für optimale Menschenerfassung (mit Aufgaben
statistischer Arbeitskräfteerfassung unter Anwendung des
Hollerith-Verfahrens), die erst gegen Kriegsende errichtet wurden und
anscheinend ohne Bedeutung und Aktenniederschlag blieben, wurden nur der
Vollständigkeit wegen aufgeführt - gehörten zum Persönlichen Stab, hatten
jedoch getrennte Dienstsitze und eigene Registraturen.
Die wichtigsten Organisationseinheiten im Amt Stabsführung waren die
Hauptabteilungen Persönliches Referat Reichsführer-SS und S.B.Ch.P.
(Sachbearbeiter Chef Persönlicher Stab) sowie die Adjutanturen. Der
Beauftragte für das Diensthundewesen arbeitete außerhalb der Dienststelle
Persönlicher Stab. Der SS-richterliche Verbindungsführer befand sich zwar
stets in der Umgebung Himmlers, führte jedoch seine Amtsgeschäfte
getrennt vom Amt Stabsführung; seine Registratur ging in die
Schriftgutverwaltung des Persönlichen Stabes nicht ein [40].
Die wesentliche Aufgabe Wolffs als Chef des Persönlichen
Stabes bestand darin, Himmler als engster Mitarbeiter und Vertrauter bei
seinen Führungsaufgaben zu unterstützen. Durch die Ernennung zum
Verbindungsführer des Reichsführers-SS bei Hitler am 26. August 1939
wandelte sich seine Funktion. Er hielt sich nunmehr in unmittelbarer
Umgebung Hitlers, d.h. auch in dessen Feldquartieren auf. Ohne eine
fachliche Kompetenz zu haben, sollte er Himmler über die Entwicklung im
Führerhauptquartier auf dem Laufenden halten und für Rückfragen aus dem
Führerhauptquartier zur Verfügung stehen. Die dem Chef Persönlicher Stab
unmittelbar zuarbeitende Stelle war die Hauptabteilung S.B.Ch.P.
(Sachbearbeiter Chef Persönlicher Stab). Der Amtsinhaber oder einer
seiner Mitarbeiter hatte jeweils bei Wolff im Führerhauptquartier Dienst
zu tun [41].
Als Wolff im Februar 1943 schwer
erkrankte, übernahm Himmler die Führung des Hauptamtes Persönlicher Stab
zunächst "bis auf weiteres" selbst. Wolff kehrte in diese Position nicht
mehr zurück; nach seiner Genesung im Sommer 1943 bereitete er sich auf
seine Funktion in Italien vor [42]. Himmler ernannte keinen neuen Chef
des Persönlichen Stabes, sondern nahm diese Funktion auch weiterhin
selbst wahr. Die Hauptabteilung S.B.Ch.P. löste er auf.
Der engste Mitarbeiter Himmlers war nach Wolff, insbesondere seit
Wolffs Ernennung zum Verbindungsführer bei Hitler und schließlich zum
Höchsten SS- und Polizeiführer in Italien, sein persönlicher Referent Dr.
Rudolf Brandt. Dessen ohnehin großes Aufgabengebiet erweiterte sich mit
der Ernennung Himmlers zum Reichsminister des Innern um die Bearbeitung
von Aufgaben auch aus dem Bereich dieses Ministeriums. Brandt arbeitete
stets in der unmittelbaren Nähe Himmlers. Seine Befugnisse reichten über
die eines persönlichen Referenten, der Himmler auch auf Reisen begleitete
und z.B. als ausgebildeter Stenograph die Reden Himmlers aufnahm, weit
hinaus. Er entschied darüber, welche Post Himmler vorgelegt wurde oder
nicht, hielt täglich Vortrag über anliegende Probleme, setzte Weisungen
des Reichsführers-SS selbständig um und wehrte Anliegen ab, wenn sie vom
Inhalt oder Zeitpunkt her als Himmler nicht vorlegbar erschienen. Auch
ohne die Entscheidungen Himmlers persönlich einzuholen, konnte er in
Einzelfällen dessen Entscheidung oder Meinung als gegeben voraussetzen
und entsprechend handeln.
Die Polizeiadjutanten
hatten im wesentlichen "vortragende" bzw. "übermittelnde" Funktionen. Die
Polizeiadjutantur war die Geschäftsstelle der beiden Verbindungsführer
des Reichssicherheitshauptamtes und des Hauptamtes Ordnungspolizei.
Suchanek befand sich im Kriege stets in Himmlers Feldkommandostelle,
während Fälschlein den Dienst in Berlin versah. Im Unterschied zu der
Polizeiadjutantur übte die SS-Adjutantur neben der Aufgabe der
Adjutanten, den Reichsführer-SS zu "begleiten", auch sachbearbeitende
Tätigkeit wie Terminfestlegungen, Reisevorbereitungen, Bearbeitung von
Einladungen, Glückwünschen und Geschenken aus. Sie bearbeitete außerdem
sachliche und personelle Angelegenheiten der Waffen-SS, hielt Kontakt zum
SS-Hauptamt und SS-Führungshauptamt sowie zu den Fronteinheiten der
Waffen-SS. In München, Karlstraße 10, unterhielt die SS-Adjutantur eine
Zweigstelle, besetzt mit SS-Hauptsturmführer Schnitzler. Dienstsitz des
Persönlichen Stabes war das Gebäude Prinz Albrecht-Straße 8 in Berlin,
das zugleich Dienstsitz Himmlers als Reichsführer-SS und Chef der
Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern sowie des Chefs der
Sicherheitspolizei und des SD (Reichssicherheitshauptamt) war [43].
Im Kriege arbeitete Himmler sehr häufig in verschiedenen
"Feldkommandostellen". Zu den beständigsten Aufenthaltsorten zählte die
Feldkommandostelle "Hochwald" in einem Wald bei Großgarten in Ostpreußen,
ca. 40 km entfernt vom Führerhauptquartier "Wolfsschanze" [44].
Kommandant der Feldkommandostelle Reichsführer-SS und für deren
Sicherheit verantwortlich war der SS-Obersturmbannführer Josef
Tiefenbacher. Ihm unterstanden die SS- und Polizei-Begleiteinheiten sowie
der Sonderzug "Steiermark", Himmlers rollende Feldkommandostelle, der ihn
zu den gewünschten Zielorten brachte oder ihn auch Hitlers Sonderzug
folgen ließ. Dies geschah beispielsweise nach dem deutschen Einmarsch in
Jugoslawien im April 1941, als Himmlers Sonderzug in Hitlers Nähe in
Bruck/Murr abgestellt wurde. Seine Autokolonne hatte die Bezeichnung
"Sonderzug Heinrich". In der Nähe von Hitlers Führerhauptquartier
"Wehrwolf" bei Winniza in der Ukraine hatte Himmler seine
Feldkommandostelle "Hegewald" in einem volksdeutschen Siedlungsgebiet
südlich von Shitomir errichtet.
Die zunehmenden
Luftangriffe auf Berlin machten es nötig, Ausweichquartiere außerhalb der
Stadt zu suchen. Diese nahmen offenbar größere Bereiche der Dienststelle
auf und verfügten über Einrichtungen, die der Sicherheit Himmlers und
seines engeren Mitarbeiterstabes auch bei längerer Anwesenheit gerecht
werden konnten. Das größte und systematisch ausgebaute Objekt war
anscheinend die Ausweichstelle "Birkenwald" bei Prenzlau (Uckermark). Auf
einem von der Stadtverwaltung überlassenen Areal von ca. 290.000 m2 mit
einigen festen Gebäuden erfolgten Ausbauten bis in die letzten
Kriegsmonate; die Verlegung eines Anschlußgleises für den Sonderzug
"Steiermark" befand sich im November 1944 noch im Planungsstadium. Die
Ausweichstelle hatte auch Unterkünfte für Himmler, seinen persönlichen
Referenten und die Adjutanten. Für das Jahr 1944 ist in den Akten des
Persönlichen Stabes die Existenz der Ausweichstellen "Bergwald" und
"Tannenwald" nachgewiesen, ebenso auch für März 1945 das Ausweichlager
"Frankenwald" in Bad Frankenhausen (Krs. Sondershausen/Thüringen)
[45].
_________________________
[1] Vgl. die Angaben des Statistisch-wissenschaftlichen Instituts
des Reichsführers-SS in NS 19/1471.
[2] Vgl. Hans
Buchheim, Die SS - Das Herrschaftsinstrument. Befehl und Gehorsam
(Anatomie des SS-Staates, Bd. 1), Olten und Freiburg i. Br 1965.
[3] SS-Befehl Nr. 20 vom 1. 12. 1930 (NS 19/1934).
[4] SA-Befehl Nr. 1 (gleichzeitig für SS) vom 16. 1.
1931 (NS 19/1934).
[5] Verfügung Hitlers vom 20.
7. 1934 bei Gerd Rühle, Das Dritte Reich, 1934, S. 237.
[6] Stabsbefehl vom 12. 5. 1931 (NS 19/1934).
[7] Vgl. Shlomo Aronson, Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte
von Gestapo und SD, Stuttgart 1971 sowie Buchheim (oben Anm. 3).
[8] Vgl. Das Bundesarchiv und seine Bestände, hrsg. von
Gerhard Granier, Josef Henke, Klaus Oldenhage, 3. Aufl., Boppard 1977, S.
41 ff., 51 und 53.
[9] Bundesarchiv-Bestand NS
31.
[10] SS-Hauptamt, Stabsbefehl Nr. 6 (NS
31/70). In einem Befehl zur Umbildung der Reichsführung-SS vom 9.2.1934
hatte Himmler für seinen Stab mit den Abteilungen I. Adjutantur, II.
Personalabteilung, III. Gerichtsabteilung, IV. Revisionsabteilung und V.
Pressabteilung lediglich die Dienstbezeichnung "Der Reichsführer-SS"
verfügt (NS 17/135, Kopie in NS 19/4041).
[11]
Befehl vom 1.6.1939 (NS 19/3901); Restakten des SS-Personalhauptamtes im
Bundesarchiv-Bestand NS 34.
[12] Ebenfalls Befehl
vom 1.6.1939 (ebd.); Bundesarchiv-Bestand NS 7.
[13] Befehl vom 20.4.1939 (NS 19/1166).
[14]
Befehl vom 19.1.1942 (NS 19/3904); Bundesarchiv-Bestand NS 3.
[15] Befehle vom 15.8.1940 und 5.9.1940 (NS 19/3903);
erhalten gebliebene Akten des SS-Führungshauptamt im Bundesarchiv-Bestand
NS 33.
[16] Vgl. Befehl Himmlers vom 12.1.1941 (NS
19/3903), ferner Schreiben des Reichsministers für Wissenschaft,
Erziehung und Volksbildung an den Reichsminister der Finanzen vom
7.11.1941 (R 2/12745).
[17] Unterlagen über
persönliche und privatdienstliche Angelegenheiten Wolffs finden sich in
NS 19/3456 sowie in den weiteren unten in Abschnitt B. 2 beschriebenen
Archivalieneinheiten; dazu auch das Wolff betreffende Dossier (Kopien) in
den Unterlagen des Freundeskreises Reichsführer-SS in NS 48/81.
[18] NS 19/3901. Himmler gab den Wortlaut des Befehls in
einer - lange als unvollständig überliefert geltenden - Rede anläßlich
der SS-Gruppenführertagung am 8.11.1936 in Dachau bekannt (NS 19/4003;
vgl. auch Anm. 72).
[19] NS 19/3902.
[20] Siehe die Wolff betreffenden Unterlagen des
Freundeskreises Himmler (Kopien) in NS 48/81.
[21]
NS 19/2881.
[22] Gunther d'Alquen, Die SS.
Geschichte, Aufgabe und Organisation der Schutzstaffeln der NSDAP, Berlin
1939, S. 24.
[23] Die erhalten gebliebenen Akten
der SS-Helferinnenschule Oberehnheim befinden sich im
Bundesarchiv-Bestand NS 32 II.
[24] Vgl. Anmerkung
23.
[25] Vgl. dazu z.B. die unten in Abschnitt
B.1.6 beschriebenen Archivalien.
[26] Vgl. Klaus
Gruna, Die Externsteine können sich nicht wehren, in: Menschen,
Landschaft und Geschichte, hrsg. von Walter Först, Köln und Berlin 1965,
S. 239-249.
[27] Überlieferung des "Ahnenerbes" im
Bundesarchiv-Bestand NS 21. - Vgl. Michael H. Kater, Das "Ahnenerbe" der
SS 1935-1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches,
Stuttgart 1974.
[28] Aktennotiz des
Reichsgeschäftsführers des "Ahnenerbes", Wolfram Sievers, vom 4.11.1937
über einen Besuch Pohls im "Ahnenerbe" am 2.11.1937 (NS 21/779).
[29] Vgl. u.a. Reinhard Henkys, Die
nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, Stuttgart und Berlin 1964, S.
66, 69 f., 247. Sievers wurde wegen der verbrecherischen Tätigkeit des
Instituts im Nürnberger Ärzteprozeß zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Hirt ist seit Kriegsende verschollen. Rascher wurde noch auf Befehl
Himmlers wegen einer Kindesunterschiebung hingerichtet.
[30] Vgl. Heiner Lichtenstein, Wo Himmler residieren wollte, in:
Menschen, Landschaft und Geschichte (oben Anm. 29), S. 115-128 und Karl
Hüser, Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte der SS. Eine
Dokumentation, Paderborn 2. Aufl. 1987.
[31] Vgl.
Georg Lilienthal, Der "Lebensborn e.V." Ein Instrument
nationalsozialistischer Rassenpolitik, Stuttgart, New York 1984.
[32] Vgl. den Schriftwechsel zur Unterbringung
tschechischer Kinder 1943-1944 (NS 19/375) sowie Marc Hillel und Clarissa
Henry, Lebensborn e.V. Im Namen der Rasse, Wien, Hamburg 1975.
[33] Rechenschaftsbericht des Amtschefs vom 1.11.1942
(NS 19/2985).
[34] Schreiben des
SS-Standartenführers Kloth an SS-Obergruppenführer Wolff vom 3. 8. 1942
(NS 19/349).
[35] Aktenvermerk von
SS-Standartenführer Kloth vom 4.10.1943 zur. Errichtung der Dienststelle
m.W. vom 15.1.1942 und Schreiben des Rohstoffamtes an die Verwaltung des
Persönlichen Stabes vom 22.9.1943 (NS 19/1786).
[36] Vgl. Henkys (oben Anm. 36), sowie Trials of War Criminals
before the Nuernberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10,
Vols. 1-2, Washington, D. C. 1950, und Alexander Mitscherlich und Fred
Mielke (Hrsg.), Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger
Ärzteprozesses, Heidelberg 1949.
[37] SS-Befehl
vom 12.2.1939 (NS 19/3901).
[38] NS 19/2881.
[39] Ernennungsschreiben vom 9.7.1943 (NS
19/1802).
[40] Überlieferungsreste im
Bundesarchiv-Bestand NS 7.
[41] Anklageschrift der
Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II im Strafverfahren gegen
Karl Wolff; vgl. auch Anmerkung 22.
[42] Zur
Übernahme des Persönlichen Stabs durch Himmler selbst siehe NS 48/81; zu
Wolffs späterer Verwendung in Italien vgl. auch NS 19/3456.
[43] Vgl. Topographie des Terrors. Gestapo, SS und
Reichssicherheitshauptamt auf dem "Prinz-Albrecht-Gelände". Eine
Dokumentation, hrsg. von Reinhard Rürup, Berlin 8. Aufl. 1991.
[44] Vgl. Peter Hoffmann, Die Sicherheit des Diktators,
München 1976, S. 219.
[45] Die Errichtung von
Ausweichstellen dokumentieren im wesentlichen die unten in Abschnitt A. 1
beschriebenen Archivalien sowie weitere verstreute, über die Indices
greifbare Unterlagen. Zu Birkenwald siehe vor allem NS 19/2888, 3273,
2211 und 1518.
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte
Die bei den Dienststellen des
Persönlichen Stabs Reichsführer-SS entstandene Aktenüberlieferung teilt
im wesentlichen das andernorts beschriebene allgemeine Schicksal
deutscher zeitgeschichtlicher Quellen in Kriegs- und Nachkriegszeit
[1].
Aktenverluste als Folge von Luftangriffen im
November 1943 sind in Akten des Persönlichen Stabes mehrfach belegt. Das
Dienstgebäude Prinz-Albrecht-Str. 8 ist im Februar 1945 von Bomben
zerstört worden [2]; Angehörige der sowjetischen und U.S.-amerikanischen
Besatzungsmacht sollen nach Kriegsende noch Akten aus den - später
restlos abgetragenen - Gebäuderuinen geborgen haben [3].
Nachrichten über das Schicksal der Akten des
Persönlichen Stabes bei Kriegsende liegen im übrigen nicht vor, auch
nicht darüber, wo die jetzt im Bundesarchiv verwahrten Überlieferungen
von U.S.-amerikanischen Truppen erbeutet worden sind. Erste Nachricht
vermittelt ein Aktenverzeichnis des "7771 Document Center OMGUS", des
nachmaligen und bis 1994 bestehenden U.S.-Document Center in
Berlin-Zehlendorf, das nach dem Stand vom Juli 1948 einen "an andere
Stelle abgegebenen" Bestand Persönlicher Stab Reichsführer-SS im Umfang
von 2,5 t nachweist. Er war den Anklagebehörden der Nürnberger
Kriegsverbecherprozesse zur Verfügung gestellt worden [4]. Bei der
Aufbereitung der Akten für Prozeßzwecke wurden in Nürnberg zahlreiche und
umfangreiche "Personalvorgänge" den Akten des Persönlichen Stabes
entnommen und Führerpersonalakten des SS-Personalhauptamtes hinzugefügt.
Während diese später an das Document Center in Berlin zurückkamen und -
vermindert um Entnahmen z.B. für die im Document Center gegen alle
archivischen Provenienzprinzipien nach sachthematischen Gesichtspunkten
gebildete "Sammlung Schumacher", die im Jahre 1962 in das Bundesarchiv
gelangte - bis zur Übernahme des Document Center durch das Bundesarchiv
im Sommer 1994 [5] in dessen Gewahrsam verblieben, wurde die auch noch
durch weitere Entnahmen für Prozeßzwecke reduzierte Überlieferung des
Persönlichen Stabes während der Berliner Blockade 1948/49 in die USA
überführt.
Im Gemenge mit anderen Überlieferungen
aus dem Befehlsbereich des Reichsführers-SS [6] wurde sie im Zuge der
allgemeinen Rückführung beschlagnahmter deutscher Archivalien aus
britischem und amerikanischem Gewahrsam im Jahre 1962 von den National
Archives in Washington dem Bundesarchiv in Koblenz übergeben. Sie bildet
seitdem den Bundesarchiv-Bestand NS 19. Nach der Wiederherstellung der
staatlichen Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 und der Vereinigung
der ehemaligen zentralen staatlichen Archive der DDR mit dem Bundesarchiv
gelangten die Archivalien des Persönlichen Stabes zusammen mit den
übrigen staatlichen und parteiamtlichen Beständen des Bundesarchivs aus
der Zeit vor 1945 in die Zuständigkeit der neu eingerichteten Abteilung
"Deutsches Reich" des Bundesarchivs, die zunächst in Potsdam ansässig
war, seit 1996 Teil der Dienststelle des Bundesarchivs in
Berlin-Lichterfelde ist.
Eine Ergänzung fand die
Überlieferung des Persönlichen Stabes im Bundesarchiv durch eine im
Document Center gebildete und ebenfalls 1962 an das Bundesarchiv
abgegebene "Collection Himmler" [7]. Sie enthielt persönliche Papiere
Himmlers, die im Bundesarchiv, vervollständigt um einen Mikrofilm in der
Hoover Institution verwahrter Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren
1914-1924 [8], den Nachlaß Himmlers bilden [9]. Der überwiegende Teil der
Collection bestand jedoch aus Schriftgut des Persönlichen Stabes und der
SS-Adjutantur, das dem Aktenbestand Persönlicher Stab Reichsführer-SS
hinzugefügt wurde. Darunter sind Notizen und Aufzeichnungen über Termine
und Telefongespräche Himmlers besonders hervorhebenswert. [10]
Schließlich konnten im Bundesarchiv auch die zuvor im Document Center in
die "Sammlung Schumacher" gelangten Akten des Persönlichen Stabs wieder
mit dem Hauptbestand in NS 19 vereinigt werden. Das gilt auch für jene
Teile aus einer umfänglichen, im Document Center vor der Überführung des
Bestandes in die USA angelegten Kopiensammlung von Schriftgut des
Persönlichen Stabs, deren "originale" Vorlagen im Bestand nicht mehr
nachweisbar sind oder noch nicht nachgewiesen werden konnten.
Die Identifizierung der Kopien mit den dazugehörigen
Vorlagen erwies sich vor allem deshalb als sehr zeitaufwendig, da die
innere Struktur der zumeist aus kompilierten Einzelstücken bestehenden
Kopiensammlung sich von der für den Aktenbestand gefundenen bzw. neu
erstellten Ordnung grundlegend unterschied. Die übrig gebliebenen, d.h.
anhand von "Originalen" nicht identifizierbaren Kopien wurden schließlich
als solche dem Bestand zugeordnet, ihre Überlieferungsform als Kopien
wurden als Bemerkung festgehalten. Für die Mehrzahl dieser Restkopien,
darunter auch die wenigen größeren zusammenhängenden Vorgänge [11], ist
davon auszugehen, daß die entsprechenden "Originale" vor der Rückführung
aus den USA verloren gingen, bzw. aus heute nicht mehr
nachzuvollziehenden Gründen von der Rückführung ausgenommen wurden oder
einfach, wie viele andere deutsche zeitgeschichtliche Quellen auch, als
verschollen gelten müssen. In Einzelfällen ist hingegen auch eine
Doppelüberlieferung nicht auszuschließen; die "Originale" der als Kopien
verzeichneten Unterlagen mögen sich noch an unvermuteter Stelle im
Bestand befinden, sie unter allen Umständen finden zu wollen, hätte einen
unvertretbaren Auswand erfordert.
Im Zuge der
Überarbeitung und Aufstockung des Gesamtbestandes im August 2007 durch
Befehle, Anordnungen und Verfügungen der einzelnen Dienststellen im
Persönlichen Stab des Reichsführers-SS sowie von Kommandobehörden der
Waffen-SS und einzelne Einheiten der SS-Oberabschnitte betreffendem
Schriftgut, konnte die bisher bestehende Sammlung in ihrer Bestandsbreite
weiter ausgebaut werden. Weiterhin erfolgte die Aufnahme von
Tätigkeitsberichten und teilweise personenbezogenen Dokumentationen der
Höheren SS- und Polizeiführer sowie Bekanntmachungen, Erlasse und Befehle
in Bezug auf kulturelle und weltanschauliche Angelegenheiten der
Volkstums- und Umsiedlungspolitik.
_________________________
[1] Vgl. zum
allgemeinen Aspekt Josef Henke, Das Schicksal deutscher
zeitgeschichtlicher Quellen in Kriegs- und Nachkriegszeit. Beschlagnahme
- Rückführung - Verbleib, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 30
(1982), S. 557-617.
[2] Vgl. Topographie des
Terrors (Anm. 51), S. 178 ff. sowie Gerald Reitlinger, Die SS, München
1957, S. 55.
[3] Feststellungen von Angehörigen
des damaligen Hauptarchivs (ehem. Preußischen Geheimen Staatsarchivs) in
Berlin-Dahlem.
[4] Zur Verwendung beschlagnahmter
deutscher Akten für die Nürnberger Prozesse siehe Henke (Anm. 54), S.
570-577.
[5] Vgl. Dieter Krüger, Das ehemalige
"Berlin Document Center" im Spannungsfeld von Politik, Wissenschaft und
öffentlicher Meinung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45 (1997),
S. 49-74.
[6] Guides to German Records Microfilmed
at Alexandria/Va., Bde. 32, 33., vgl. auch Heinz Boberach, Die
schriftliche Überlieferung der Behörden des Deutschen Reiches 1871-1945.
Sicherung, Rückführung, Ersatzdokumentation, in: Aus der Arbeit des
Bundesarchivs (oben Anm. 1), S. 50-61, hier: S. 57.
[7] Vgl. NSDAP Hauptarchiv, Guide to the Hoover Institution
Microfilm Collection, compiled by Grete Heinz and Agnes F. Peterson,
Hoover Institution Bibliographical Series XVII, Stanford 1964, S.
144-149.
[8] Vgl. Werner T. Angress and Bradley F.
Smith, Diaries of Heinrich Himmler's Early Years, in: The Journal of
Modern History, Vol. XXXI, No. 3, 1959, S. 206-224.
[9] Bundesarchiv-Bestand N 1126.
[10] Siehe
die unten in den Abschnitten B.1.3 und B.3 beschriebenen
Archivalien.
[11] [(NS 19/539) und in der Ukraine
1942-1945 (NS 19/544).
Registraturverhältnisse
Für die
Schriftgutverwaltung des Persönlichen Stabes war dessen Abteilung
"Schriftgutverwaltung" verantwortlich. Eine
"Schriftgutverwaltungsordnung" regelte "Aktenanlage und -Aufbewahrung"
[1]. Der Ablageplan sah eine Unterteilung des Schriftgutes in vier
Kategorien vor: Personelle Ablage (rot), Sachliche Betreff-Ablage (blau),
Sonderablage (grün), Befehlsablage (gelb). Die Kennzeichnung der Vorgänge
erfolgte innerhalb eines Stempelaufdrucks: Persönlicher Stab
Reichsführer-SS, Schriftgutverwaltung, Akt. Nr. ..., durch
handschriftliche Farbeintragungen des Namens (Personelle Ablage) oder der
Ablagenummer. Die Zuweisung zu den einzelnen Kategorien, insbesondere die
Abgrenzung zwischen "Personeller Ablage" und "Sachlicher Betreff-Ablage"
erfolgte häufig inkonsequent, d.h., daß z.B. auch Sachen nach dem Namen
von Korrespondenzpartnern abgelegt wurden.
Sachablagen konnten sowohl zu einem engeren Betreff im Sinne eines
"Vorganges" erfolgen, aber auch zu Betreffserien bis zur Anzahl von 25
numerierten Einzelvorgängen anwachsen. Neben offenen Registraturakten
wurden auch Geheimakten mit eigenen Registraturmerkmalen und -strukturen
geführt. Die Kriegsverhältnisse und insbesondere auch die
dezentralisierte Schriftgutführung in den Feldkommandostellen ließen
abweichende Formen der Ablage nach einer Kombination von
römisch-arabischen Ziffern ohne erkennbaren Sachzusammenhang der
einzelnen "Vorgänge" entstehen, z.T. auch - ursprünglich nicht
vorgesehene -Korrespondenzakten. Registraturhilfsmittel und nicht
erhalten gebliebene Ablagehilfsmittel mögen den Zugriff zu dem nicht
besonders hochentwickelten Schriftgutablagesystem einigermaßen gesichert
haben.
_________________________
[1] NS 19/2881.
Archivische Bewertung und
Bearbeitung
Beschlagnahmevorgänge bei Kriegsende,
Aktentransporte zu Aktensammelstellen, Aktenentnahmen und
Aktenumschichtungen zu verschiedenen Zwecken (z.B. für die Nürnberger
Prozesse und für die biographischen Sammlungen des Document Center in
Berlin), Mischungen von Provenienzen und Neubildungen von Akten haben das
ohnehin schwache Ordnungssystem nicht unbeeinträchtigt gelassen. Hinzu
kommt, daß Akten, die gleichsam auf den Schreibtischen der Dienststellen
und Behörden beschlagnahmt wurden, und dazu zählt ein Großteil der bei
SS-Dienststellen erbeuteten Unterlagen, sich zumeist in losem Zustand
befanden und für Ordnungsstörungen besonders anfällig waren.
Die in die USA gelangte Überlieferung der SS wurde dort
im wesentlichen nach drei Kategorien geordnet: Akten von Kommandobehörden
und Truppen der Waffen-SS einerseits und Akten von SS-Oberabschnitten mit
unterstellten Einheiten und Einrichtungen andererseits fügte man in
getrennten Komplexen mit unterschiedlicher Signierung zusammen. In einer
dritten Kategorie führte man, in provenienzmäßiger Überschneidung zu den
beiden genannten Kategorien und in einer bunten Provenienz- und
Pertinenzmischung (so z.B. Akten staatlicher Behörden mit SS-Betreffen),
alle die Akten zusammen, die geeignet erschienen, die SS als Organisation
mit ihren vielfältigen Verästelungen darzustellen. Im Federal Records
Center, einem Aktendepot in Alexandria, Virginia, bei Washington, D.C.,
wurden diese Akten - wie zahlreiche andere Überlieferungen ziviler
Provenienzen auch - nach einem Schema geordnet, das man auf der Basis
eines erbeuteten "Einheitsaktenplans für das OKW und das OKH" entwickelt
hatte. Die SS-Akten wurden den EAP (= Einheitsaktenplan)-Sammelgruppen
160-164 (160 = Entwicklung der SS, 161 = Spitzengliederung der SS, 162 =
Territoriale Gliederung der SS, 163 = Werbung, Dienst, besondere
Angelegenheiten der Allgemeinen SS, 164 = Konzentrationslager und
Totenkopfverbände) zugeordnet, innerhalb dieser in eine Sachgruppe mit
ein oder zwei Untergruppen. Diese Ordnung wurde in eine alpha numerische
Signatur umgesetzt (z.B. EAP 161-c-28-10); die Zählung der Akteneinheiten
folgte nach einem Querstrich in der Numerierung 1-N (z.B. EAP
161-c-28-10/1).
Dieser so gebildete, von den
Amerikanern weitgehend verfilmte und schließlich in das Bundesarchiv
gelangte Aktenkomplex wurde hier nach Provenienzen aufgeteilt. Erhebliche
Teile der Archivalien bilden heute die Bestände NS 31 (SS-Hauptamt), NS
33 (SS-Führungshauptamt) und NS 34 (SS-Personalhauptamt). Beträchtlichen
Zuwachs aus dieser Rückgabe erhielten auch die Bestände NS 7 (SS- und
Polizeigerichtsbarkeit), NS 3 (SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt), NS 4
(Konzentrationslager), NS 21 (Ahnenerbe), NS 17 (Leibstandarte SS "Adolf
Hitler") NS 32 (SS-Helferinnenschule Oberehnheim), NS 2 (Rasse- und
Siedlungshauptamt-SS) und NS 48 (Sonstige zentrale Einrichtungen der SS,
dabei auch wenige Restunterlagen des Statistisch-wissenschaftlichen
Instituts und der SS-Schule "Haus Wewelsburg") sowie - in
unterschiedlichem Umfang - zahlreiche weitere Archivalienbestände
parteiamtlicher, aber auch staatlicher Provenienzen.
Unterlagen regionaler SS-Dienststellen und -Einrichtungen,
insbesondere von SS-Oberabschnitten und SS-Abschnitten, aber auch von
SS-Standarten, - Sturmbannen und -Stürmen gelangten in die zuständigen
Staatsarchive der Länder. Die vorgefundenen Akten von Einheiten der
Waffen-SS wurden an die Abteilung Militärarchiv des Bundesarchivs in
Freiburg i. Br. für die dortige Bestandsgruppe RS abgegeben. Die
ursprünglich in der "Befehlsablage", später im Bundesarchiv in einer
"SS-Befehlssammlung" vereinigten Befehle, Anordnungen, Verfügungen und
Mitteilungen aller zentraler Dienststellen der SS wurden in
chronologischen Serien nach Ausstellerprovenienz (Reichsführer-SS,
SS-Hauptämter bzw. übrige unterstellte Organisationseinheiten) neu
strukturiert und den entsprechenden Provenienzbeständen zugewiesen. Das
hatte zur Folge, daß im Bestand NS 19 lediglich noch die besondere
Kategorie der so genannten "SS-Befehle" und die vom Reichsführer-SS ohne
jeden Zusatz sowie die von den Dienststellen des Persönlichen Stabes
selbst erlassenen Befehle, Verfügungen und Anordnungen enthalten
sind.
Das verbliebene Schriftgut des Persönlichen
Stabes, seinerzeit dann auch Bestand NS 19 "neu" genannt, zeigte sich,
wie ein Blick in die Microfilm-Guides bestätigen kann, als Überlieferung,
die zwar zum großen Teil aus formierten Schriftgutverwaltungsakten
bestand, aber weder in der überkommenden Ordnung noch Aktenbeschreibung
belassen werden konnte. In einem allerdings sehr zeitaufwendigen
Arbeitsverfahren, das von der im Hinblick auf die authentische
Dokumentation der Geschichte der SS und des NS-Staates gar nicht zu
überschätzende Qualität des Bestandes her jedoch voll gerechtfertigt war,
wurde, in der Regel ohne Rücksicht auf die originären Akteneinheiten,
eine Neuordnung und Neuverzeichnung nach Vorgängen oder Betreffserien -
soweit diese in sinnvoller Anlage gebildet worden waren - vorgenommen.
Vorrangiges Ziel war, aus größeren Schriftgutkomplexen ohne oder mit nur
geringem Sachzusammenhang möglichst sachlich klar definierte und
beschriebene Vorgänge zu schaffen. Daß dies nicht selten zu archivisch
gebildeten Archivalieneinheiten führte, deren Umfang sehr gering, oft nur
minimal ist, mußte dabei in Kauf genommen werden, auch die daraus
resultierende Enttäuschung des Benutzers darüber, hinter einem von der
Sache her wichtigen Titel lediglich einen aus wenigen Blättern
bestehenden Archivalienband zu finden. Umfänglichere Archivalieneinheiten
erscheinen in der Regel mit detaillierten "Enthält"- und
"Hierin"-Vermerken, so daß deren erschöpfende inhaltliche Beschreibung
ebenfalls gewährleistet erscheint.
Die schon Ende
der sechziger Jahre von Elisabeth Kinder begonnene Verzeichnung richtete
sich grundsätzlich nach den seinerzeit im Bundesarchiv gültigen, am 15.
Januar 1963 in Kraft getretenen "Richtlinien für die Titelaufnahme
moderner Akten" (Anweisung für die archivarische Tätigkeit Nr. 29). Die
aufgenommenen Laufzeiten der zum größten Teil archivisch neu gebildeten
Archivalieneinheiten folgen durchweg dem aktenmäßig zuerst und zuletzt
feststellbaren Datum. Abweichungen sind in der Regel kenntlich gemacht.
Nur dort, wo es wichtig und vor allem zweckmäßig erschien, vor allem bei
Einzeldokumenten, werden auch Monats- und Tagesangaben gemacht.
Laufzeiten von aus dem Zeitrahmen des eigentlichen Vorgangs fallenden
Anlagen, auch von sonstigen Schriftstücken, die offensichtlich zeitliche
"Ausreißer" sind, werden in Klammern, erschlossene Zeitangaben in eckigen
Klammern aufgeführt.
Mit Kassationen wurde bei der
Erschließung auch dieses Bestandes von Archivalien des NS-Regimes -
abgesehen von Doppelstücken und der Kopiensammlung aus der "Sammlung
Schumacher" - mit äußerster Vorsicht umgegangen. Auch in den Fällen, in
denen archivfachliche Gründe durchaus eine Kassation nahelegten,
entschied man sich grundsätzlich für die Erhaltung der Archivalien. An
das bisweilen auch politische Dimensionen berührende Problem der
Vernichtung von Akten bedeutsamer Behörden und Dienststellen des
NS-Staates, insbesondere wenn diese, wie die der SS und insbesondere des
Reichsführers-SS, unmittelbar mit dessen Ideologie und
Vernichtungsmaschinerie verknüpft waren, sei in diesem Zusammenhang
erinnert. [1]
Die nach Abschluß der Titelaufnahmen
vorgenommene Klassifikation des Bestandes konnte sich nicht, wie z.B. bei
einer Vielzahl von Ministerialaktenbeständen, auf vorgegebene Aktenpläne
oder andere weit entwickelte Registraturhilfsmittel stützen. Zu finden
war daher eine registraturunabhängige sachliche Gliederung, die sich in
erster Linie aus der oben beschriebenen Kompetenzstruktur des
Persönlichen Stabs, im weiteren Sinne auch aus dem von den verschiedenen
Hauptämtern und sonstigen zentralen Dienststellen organisatorisch
gekennzeichneten Gesamtaufgabenbereich der Reichsführung der SS
begründete. Von der oben skizzierten Registraturordnung sind in großen
Zügen lediglich noch die bereits erwähnte "Befehlsablage" (im Abschnitt
C.1) und die "Personelle Ablage" (Abschnitte C.2 und C.7.6) erkennbar.
Daß diese eher sachlich-fachliche Gliederung von den besonderen, zuweilen
absonderlich-skurrilen persönlichen Interessegebieten Himmlers in
auffälliger Weise akzentuiert, bisweilen sogar überlagert wird, so in den
Bereichen Gesundheitswesen, Rassen- und Bevölkerungspolitik,
Wissenschaft, Ernährung, Pflanzenzucht und Erfindungen, gibt dem Bestand
seines Persönlichen Stabs eine besondere, von den Überlieferungen der
übrigen SS-Hauptämter abweichende, eben "persönliche" Färbung.
Zwar sind die einzelnen Gliederungsbereiche primär als
auf die SS bezogen zu verstehen. Erziehung und Schulung meinen also
zunächst Erziehung und Schulung der SS. Wissenschaft steht vor allem für
die von der SS betriebene und in ihrem ideologischen Sinne
mißverstandene, ja, pervertierte "Wissenschaft". Und Wirtschaft bezieht
sich vorrangig auf die SS-Wirtschaftsbetriebe. Unschwer ist jedoch zu
erkennen, daß eine Vermengung mit "SS-freien" Dimensionen der Begriffe
und Bereiche nicht immer zu vermeiden war. Im Kapitel Finanzen sind neben
der Finanzierung der SS auch zum Teil Aspekte der staatlichen
Finanzpolitik dokumentiert, neben der Verwaltung und der gänzlich
ideologisierten gesundheitspolitischen Vorstellungen der SS betreffen
manche Akten eben auch die staatliche Verwaltung, ebenso die staatliche
Gesundheitspolitik. Der Abschnitt C.19 (Reichsverteidigung...) betrifft
auch die Kriegführung der Wehrmacht neben der breit belegten Aufstellung,
Organisation und dem Einsatz von Himmlers Waffen-SS. Letztlich erscheint
diese Vermischung aber als ein Spiegelbild der in Himmlers Machtapparat
durchweg praktizierten Gemengelage staatlicher und parteiamtlicher, hier
also zumeist "SS-mäßiger" Kompetenzen, abgesehen davon, daß eine
überzeugende archivische Trennung zumeist nur auf "Blattebene" möglich
und damit zu aufwendig gewesen wäre. Querverweise wurden verhältnismäßig
sparsam angebracht. Dagegen erscheinen Titel, die für mehrere
Sachbereiche zutreffen, im Zweifelsfall mehrfach, also in jedem der
jeweils passenden Abschnitte.
Seit seiner
Rückführung in das Bundesarchiv war der Bestand aufgrund der von den
Alliierten vor der Rückgabe deutscher Akten von der Bundesregierung
erbetenen Offenhaltungserklärung [2] von Anfang an und ständig benutzbar.
Und zweifellos gehört er zu den seitdem am häufigsten benutzten
Archivalien des Bundesarchivs. In den mehr als drei Jahrzehnten wurde er
unverändert stark für alle Benutzungszwecke herangezogen, im wesentlichen
natürlich für die historische Forschungen, aber auch für die bis in die
späten siebziger Jahre hinein noch zahlreichen in- und ausländische
Prozesse wegen NS-Gewaltverbrechen bzw. NS-Kriegsverbrechen. Dies führte
nicht nur zu der ungewöhnlich langen Dauer seiner Erschließung - auch die
Bearbeitung des Bestandes konnte aus archivfachlichen wie politischen
Gründen kein Anlaß sein, die Archivalien zeitweise von der Benutzung
auszuschließen - sondern auch zu unterschiedlichen, dem jeweiligen
Erschließungszustand entsprechenden Zitierweisen in den zahlreichen
Publikationen, zu deren Erstellung er herangezogen war. Neben den vor
allem in sehr frühen Publikationen nahezu ausschließlich verwendeten
amerikanischen EAP-Signaturen wurden häufig auch die unmittelbar nach der
Rückführung, aber noch vor der Verzeichnung vergebenen "alten"
NS-19-Signaturen gebraucht, diese ab den späten sechziger Jahren
zunehmend zusammen mit den im Laufe der Neuverzeichnung vergebenen NS 19
("neu")-Signaturen. Nach Abschluß der Verzeichnung, als es nur noch
"neue" Signaturen gab, verzichtete man folgerichtig auf den Zusatz "neu",
was wiederum in Einzelfällen zu Verwechslungen mit den früher verwendeten
"alten" NS 19-Nummern führte, die ja ebenfalls ohne Zusatz "alt"
ausgekommen waren.
Auf eine an sich wünschbare
Konkordanz zwischen EAP-, NS 19 ("alt")- und NS 19 ("neu")-Signaturen
wurde allerdings verzichtet, ebenso auf den jeweiligen Nachweis der
entsprechenden EAP-Signatur bei der Beschreibung der einzelnen neu
gebildeten Archivalieneinheiten. Zum einen erlaubt die aufwendig
geleistete Detailliertheit und Tiefe der Verzeichnung in aller Regel das
Wiederauffinden gesuchter Vorgänge, aber auch einzelner Dokumente, zum
anderen hätte die Tatsache, daß in der Mehrzahl der Fälle einer EAP- oder
NS 19 ("alt")-Nummer eine Vielzahl - in Einzelfällen bis zu 30 und mehr -
von NS 19 ("neu") Signaturen entspricht, und umgekehrt für eine NS 19
("neu")-Signatur häufig mehrere EAP- oder NS 19 ("alt")-Nummern stehen.
Unabhängig davon ist das Bundesarchiv in der Lage, im Bedarfsfall
aufgrund interner Konkordanzen und Aufschreibungen den Verbleibsnachweis
für solche gesuchte Dokumente zu führen, von denen nur eine amerikanische
EAP- oder eine "alte" NS-19-Signatur bekannt ist. Die Anzahl solcher
Wünsche ist in den letzten Jahren jedoch deutlich zurückgegangen. Alle
seit den achtziger Jahren erschienenen Publikationen verweisen
grundsätzlich nur noch auf die neu vergebenen Signaturen, so daß Probleme
bei der Verifizierung von Akten des Persönlichen Stabs allenfalls noch
bei der Heranziehung älterer Literatur auftreten. Schließlich sei daran
erinnert, daß der U.S.-amerikanische Mikrofilmbestand "Reichsführer-SS
und Chef der Deutschen Polizei" weder inhaltlich noch von der Ordnung her
noch mit dem heutigen Bundesarchiv-Bestand NS 19 identisch ist. Die nach
EAP-Nummern ausgerichtete, und in den Guides 32 und 33 publizierte
Erschließung ist grundsätzlich nur für den amerikanischen
Mikrofilm-Bestand anwendbar, nicht aber auf die Neuverzeichnung und
Neuordnung des Bundesarchivs übertragbar. Für die Benutzung des Bestandes
NS 19 ist demnach ausschließlich die nun vorliegende archivfachliche
Erschließung des Bundesarchivs heranzuziehen. [3]
Im Zuge der Veröffentlichung des Findmittels in Form eines
Online-Findbuches und der damit einhergehenden Bereitstellung der
Erschließungsinformationen der Archivalien via Internet, erfolgte im
August 2007 eine Bestandsüberarbeitung. Dabei wurden neben der
Redigierung einiger Klassifikationszuordnungen von Einzeltiteln auch eine
Neuerschließung von ca. 170 bisher noch unerschlossener bzw. nur
vorläufig verzeichneter Akteneinheiten vorgenommen. Ergänzungen fand die
Gesamtüberlieferung vor allem durch Akten und Dossiers der Sammlung
„NS-Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR".
Beigefügt wurden ebenfalls mehrere Archivalien aus der
Sammlung des ehemaligen Berlin Document Centers. Darunter sind speziell
zu nennen die Reproduktionen der "Collection Himmler" mit persönlichen
Unterlagen des Reichsführers-SS Heinrich Himmler sowie Redesammlungen und
Aufzeichnungen dienstlicher und privater Provenienz.
Weiterhin fanden ausgewählte Schriftstücke aus deutschen Akten, die
durch die National Archives and Records Administration (NARA) in
Washington verwahrt werden, ihren Eingang in den Gesamtbestand. Zwar in
Form von Fotokopien vorliegend, geben sie dabei neben privatdienstlichen
Belangen Schriftgut Heinrich Himmlers auch Auskunft über die interne
SS-Aufgabenverwaltung, Polizeigerichtsbarkeit sowie Zustandsberichte über
Arbeitskrafteinsätze im Generalgouvernement.
_________________________
[1] Vgl. Josef
Henke, Quellenschicksale und Quellenbewertung. Archivische
Überlieferungsbildung zur Verfolgung der Sinti und Roma im Dritten Reich,
in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 41 (1993), S. 61-67.
[2] Henke (oben Anm. 54), S. 595; dort die vom
Staatssekretär im Auswärtigen Amt Hallstein mit Schreiben vom 14.3.1956
dem U.S.-Botschafter Conant gegebene Versicherung, daß die
Bundesregierung "die zurückgegebenen Akten in archivarisch
ordnungsgemäßer Weise aufbewahren und in- und ausländischen Gelehrten
jederzeit Einsicht in die Akten gewähren wird."
[3] Dazu auch Henke (oben Anm. 54), S. 599.
Inhaltliche Charakterisierung:
Dienststellenverwaltung:
Dienstgebäude,
Ausweichquartiere, Feldkommandostellen einschließlich der Sonderzüge
1939-1945 (14), Organisation und Geschäftsverteilung, innerer Dienst
1935-1945 (26), Schriftver‧kehr und Schriftgutverwaltung 1934-1945 (39),
Beschaffungswesen 1938-1945 (10), Haus‧halts-, Kassen- und Rechnungswesen
(1937) 1939-1945 (9), Personalangelegenheiten (1935) 1938-1945 (28)
Reichsführer SS, Dienststellenleitung, Persönliches
Referat, Adjutanturen, Handakten:
Reichsführer SS
Heinrich Himmler (persönliche und privatdienstliche Angelegenheiten):
Persönliches 1926-1945 (21), persönlicher und privatdienstlicher
Schriftwechsel 1929-1945 (17), Kalendernotizen, Terminbücher,
Besprechungsnotizen, Telefongespräche 1934-1944 (17), Einladungen
1934-1944 (5), Beschaffung von Büchern, Gemälden und anderen
Kunst‧gegenständen 1937-1945 (19), Glückwünsche, Geschenke 1935-1945
(61), Paten‧schaften 1936-1945 (9), Freundeskreis des Reichsführers SS
1938-1944 (3), Reden und Aufrufe 1926-1945 (36); Chef des Persönlichen
Stabs Reichsführer SS 1937-1945 (7), Persönlicher Referent 1938-1945
(15), Adjutanturen 1934-1945 (13), Abteilung Auszeichnungen und Orden
(der SS-Ad‧jutantur unterstellt) 1938-1944 (11), sonstige Handakten bzw.
persönliche und privatdienstli‧che Ablagen 1938-1944 (4)
Aufgabenverwaltung:
Befehle,
Anordnungen, Verfügungen, Rundschreiben des Reichsführers SS 1931-1945
(11), allgemeine personenbezogene Vorgänge: Sammelvorgänge 1933,
1941-1945 (6), Einzel‧vorgänge (A-Z) 1929-1945 (642); NSDAP, Gliederungen
(außer SS), angeschlossene Ver‧bände, Organisation Todt,
Reichsarbeitsdienst: Adolf Hitler (1930, 1935) 1938-1945 (11),
Reichsleiter, Gauleiter und sonstige Parteiführer 1938-1944 (16),
Dienststellen der Reichs‧leitung, angeschlossene Verbände 1937-1944 (24),
Gliederungen (einschließlich SA, Hitler-Jugend, NS-Frauenschaft)
1934-1945 (27), NS-Fliegerkorps 1940, 1945 (2), NS-Reichskrie‧gerbund,
Stahlhelm 1935-1942 (3), Organisation Todt (OT) 1943-1945 (3),
Reichsarbeits‧dienst (RAD) 1938-1945 (9)
Allgemeiner Aufbau und Organisation der SS, Einheiten der
Allgemeinen SS: Anfänge, Auf‧gabenstellung, allgemeine Entwicklung und
Aufbau 1925-1944 (21), Tagungen, Veranstal‧tungen, Feiern 1936-1944 (22),
Uniformen, Abzeichen, Standarten 1935-1944 (17), SS-Oberabschnitte und
-Abschnitte, Einheiten der Allgemeinen SS 1930-1945 (10), Personal‧wesen
(SS-Führer) 1937-1945 (23)
Beziehungen zum
Ausland, allgemeine Besatzungspolitik: Auswärtiges Amt 1934-1945 (10),
allgemeine außenpolitische Berichterstattung 1941-1943 (-1945) (5),
Europa-Gedanke, Frie‧denspläne 1941-1943 (2), einzelne Staaten und
Gebiete 1934-1945 (591)
Allgemeine innere
Verwaltung, Raumordnung 1936-1945 (7)
Polizei,
einschließlich SS- und Polizeigerichtsbarkeit, sonstige Gerichtsbarkeit:
Ordnungspo‧lizei 1937-1944 (15), Sicherheitspolizei und SD 1934-1945
(122), Höhere (und Höchste) SS- und Polizeiführer (1937-) 1939-1945 (26),
Bekämpfung von Partisanen und sonstigen Wider‧standsgruppen,
Bandenkampfverbände 1941-1945 (29), SS- und Polizeigerichtsbarkeit,
or‧dentliche und sonstige Gerichtsbarkeit 1935-1945 (31),
personenbezogene Einzelfälle A-Z, v.a. polizeiliche bzw. SS- und
polizeigerichtliche Ermittlungen und Maßnahmen, u.a. Fälle der
ordentlichen und Wehrmachtsgerichtsbarkeit 1934-1945 (276),
Reichssi‧cherheitsdienst 1935-1942 (51)
Konzentrationslager (einschließlich
Konzentrationslager-Produktionsstätten) und andere Haftstätten:
Allgemeines 1935-1944 (17), einzelne Lager und Häftlingseinsätze
1938-1945 (30)
Gesundheits-, Medizinal- und
Sanitätswesen: Organisation, Zuständigkeiten, Einzelvorgänge (1934)
1937-1944 (33), naturgemäße Lebensweise, Naturheilverfahren 1938-1945
(17), me‧dizinische Forschungen und Versuche, einschließlich Experimenten
an Konzentrationslager-Häftlingen 1937-1945 (35), Behandlung von
Geisteskranken, Euthanasie (1935) 1940-1943 (6)
Rassen-, Bevölkerungs- und Volkstumspolitik: Allgemeines (Ämter,
Institutionen, Forschun‧gen) 1935-1944 (18), Rassenpolitik (Behandlung
und Verfolgung von Juden, Zigeunern und anderen rassischen Gegnern)
1934-1945 (24), Bevölkerungspolitik (einschließlich Verlo‧bungs-,
Heirats- und Eheangelegenheiten, Geburtenförderung, des Vereins
"Lebensborn", Einzel‧fällen (v.a. "Lebensborn"-Angelegenheiten, Fürsorge
für uneheliche Kinder, Adop‧tionen, Vaterschaftsanerkennungen, verbotene
Abtreibungen), Verhütung unerwünschter Kinder, Sterilisierung, straffreie
Abtreibung (1931) 1934-1945 (173), Volkstums- und Sied‧lungspolitik,
einschließlich Allgemeines (Organisation, Zuständigkeiten,
Grundsatzangele‧genheiten), Deutschtums im Ausland, Volksdeutschen,
"Eindeutschungen", Volkstumsarbeit in den "germanischen Ländern",
Grundsätzen der Siedlungspolitik, Um- und Ansiedlungen von Reichs- und
Volksdeutschen, Um- und Aussiedlung von "Fremdvölkischen" (Allgemeines,
einzelne Gebiete) 1939-1945 (178)
Kirchensachen
1935-1945 (23)
Erziehung und Schulung,
Führerausbildung: Führernachwuchs.- Allgemeines, Institute, Schulen,
Dienststellen 1940-1945 (19), SS-Schule "Haus Wewelsburg" 1938-1944 (12),
SS-Junkerschulen 1938-1943 (3), SS-Mannschaftshäuser 1938-1942 (5),
weltanschauliche Schulung 1938-1945 (16), Leibeserziehung, Sport
1937-1944 (8)
Wissenschaft, Presse und Propaganda:
Wissenschaftliche Institutionen.- Allgemeines (v.a. Reichsforschungsrat,
"Das Ahnenerbe"), Universitäten 1937-1945 (17), einzelne
Forschungsgebiete und -projekte (1806-1807, 1932) 1933-1945 (150),
Pressearbeit, "Das Schwarze Korps" 1935-1945 (11), Propaganda 1939-1945
(12)
Wirtschaft und Verwaltung, Finanzen:
Angelegenheiten des SS-Wirtschafts-Verwaltungs‧hauptamtes und seiner
Vorgänger 1938-1945 (7), Haushalts-, Kassen- und Besoldungswe‧sen der SS
1936-1944 (14), Verpflegungswirtschaft 1942-1945 (12), Bekleidung und
Ausrü‧stung 1938-1945 (21), Steine und Erden (einschließlich der
Porzellan-Manufaktur Allach), Bau-, Wohnungs- und Unterkunftswirtschaft
1938-1945 (34), Erwerb von Ländereien, Gütern, Schlössern und Burgen für
die SS, Stiftungen 1938-1944 (8), Rüstung und Kriegsproduktion 1936-1945
(126), sonstige Betriebe der gewerblichen Wirtschaft,
Arisierungsmaßnahmen (1935) 1937-1945 (16), Bodenschätze, Rohstoffe,
Energiewirtschaft 1938-1945 (40), staatli‧che Finanzen, Zollgrenzschutz
1942-1944 (4)
Statistik 1935-1945 (39)
Ernährung, Landwirtschaft, Forsten: Land- und
Forstwirtschaft, Ernährungslage 1937-1945 (23), Ernährungswissenschaft,
Pflanzengenetik, Pflanzenzucht (auch zur Gewinnung von Rohstoffen)
1938-1945 (26), Tierzucht und Veterinärwesen 1938-1944 (16)
Arbeit, Soziales: Arbeitskräfteeinsatz, Fremdarbeiter
1939-1945 (22), Soziales, v.a. Fürsorge- und Versorgungsangelegenheiten
der SS (1933-) 1938-1945 (23)
Post und Verkehr
1935-1945 (22)
Reichsverteidigung, Mobilmachung,
Krieg, bewaffnete Teile der SS, Waffen-SS: Allgemei‧nes, v.a. allgemeine
Verwaltung und Organisation der Waffen-SS (außer Feldtrup‧penteilen)
1938-1945 (18), Aufstellung, Organisation und Einsatz von Einheiten der
Waffen-SS 1935-1945 (231), Angelegenheiten der Wehrmacht und
Wehrmachtteile 1937-1945 (33), Ersatz- und Ergänzungswesen der Waffen-SS
1938-1945 (58), (militärische) Ausbildung, Bewaffnung und Ausrüstung,
Nachschub und Transportwesen 1939-1945 (35), Nachrichten‧verbindungen,
Fernmelde- und Fernsprechwesen 1933-1945 (30), Kriegspropaganda,
SS-Kriegsberichter-Abteilung, SS-Standarte "Kurt Eggers" (nach 1941)
1942-1945 (19), Kriegseinsatz und Kriegsführung 1939-1945 (89),
Abwehrangelegenheiten 1938-1945 (24), Kriegsgefangenenwesen, u.a.
deutsche und ausländische Kriegsgefangene 1942-1945 (27)
Langtext:
Die Überlieferung
reicht in die Zeit bis 1925 zurück und bis in den Monat April 1945
hinein. Der Aufgabe des Persönlichen Stabes als "zentrale Befehlsstelle"
Himmlers entsprechend dokumentiert der Bestand sowohl Angelegenheiten,
die an Himmler zur Unterrichtung bzw. Entscheidung herangetragen wurden,
als auch Vorgänge, die ex officio entstanden: Weisungen und Ideen
Himmlers wurden weitergegeben mit der Auflage, sie auszuführen oder auf
Realisierbarkeit hin zu prüfen [1]. In Akten und Einzelschriftstücken
spiegeln sich nahezu alle Aufgabengebiete und Interessenbereiche
Himmlers. Während sich die Aufgabenbereiche als Reichsminister des Innern
und die kurzen Phasen der Funktionen als Oberbefehlshaber des
Ersatzheeres und zweier Heeresgruppen in nur geringem Maße belegt finden,
sind die Positionen als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei
und als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums in
beachtenswertem Umfang dokumentiert; Volkstums- und
Umsiedlungsangelegenheiten sind kaum weniger dicht belegt als Aufgaben
und Tätigkeiten der Höheren SS- und Polizeiführer in den eingegliederten
und besetzten Gebieten.
Eine Beschreibung der
Vielfalt an Informationen, die dieser Bestand vermittelt, ist über die
Charakterisierung als Produkt einer Kanzlei Himmlers, die neben den
Fachressorts eine besondere Rolle spielte, und die Aufzählung der
Kompetenzen hinaus kaum möglich. Die Bandbreite der Informationen umfaßt
die Geschichte der Allgemeinen und der Waffen-SS, der Konzentrationslager
und der Totenkopfverbände, kulturelle und weltanschauliche
Angelegenheiten, Volkstums- und Siedlungspolitik, Himmlers gesundheits-
und bevölkerungspolitische Vorstellungen, Wirtschafts- und
Landwirtschaftsangelegenheiten, insbesondere auch Himmlers Pläne im
Bereich der Pflanzenzucht, die Bedeutung, die er Wünschelrutengängern bei
der Auffindung von Wasseradern und Bodenschätzen zumaß, die Politik und
Maßnahmen der SS in den annektierten Gebieten, die Verfolgung und
Vernichtung der Juden und anderer rassischer und politischer Gegner und
Bevölkerungsgruppen, schließlich die Organisation und den Einsatz der
Waffen-SS im Krieg. Unter den besonders augenfälligen Dokumenten kann
eine Sammlung handschriftlicher Notizen Himmlers zu Vorträgen bei Hitler
[2] sowie eine Sammlung von Reden und Redenotizen aus den Jahren
1925-1945 genannt werden [3]. Die Einschränkung, daß insbesondere für die
Zeit ab 1939 eine Fülle von Unterlagen - wiederum der Funktion des
Persönlichen Stabes entsprechend - nur punktuell informieren, so z.B.
über die Landung der Alliierten in Nordafrika, über Widerstandsbewegungen
usw., vermag den Dokumentationswert der Überlieferung nicht in Frage
stellen. Daß Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Vielzahl von SS- und
Polizeidienststellen, die vom Persönlichen Stab zu schlichten waren,
besonders oft in den Vorgängen sichtbar werden, hat freilich zur
Überschätzung der Konflikte innerhalb der SS geführt, die der älteren
Vorstellung von der "monolithischen Organisation" entgegengestellt wurde
[4].
Um die Realität des SS-Staates zu erfassen,
bietet der Persönliche Stab mit seinen vielen tausend Dokumenten
zweifellos die zentrale Überlieferung. Sie finden ihre natürliche
Ergänzung in den Akten der bereits mehrfach erwähnten übrigen Hauptämter
der Reichsführung-SS (NS 31, NS 33, NS 34, NS 7, NS 3, NS 2, NS 48), des
Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums (R 49), der
Volksdeutschen Mittelstelle (R 59) und von Institutionen, die als "Ämter"
im Persönlichen Stab verankert waren, insbesondere des "Ahnenerbes" (NS
21) und des Amtes "Lebensborn" [5]. Von erheblicher Bedeutung in diesem
Zusammenhang sind auch die Überlieferungen des
Reichssicherheitshauptamtes (R 58) und des Hauptamtes Ordnungspolizei (R
19), aber auch von Polizeidienststellen in den besetzten Gebieten (R 70).
Ergänzend sind staatliche Akten insbesondere der Reichskanzlei (R 43),
des Reichsjustiz- (R 3001) und des Reichsfinanzministeriums (R 2)
heranzuziehen. Sie bestätigen das aus den Unterlagen von Himmlers
Persönlichem Stab zu gewinnende Bild: daß "die in der Zwischenzone
zwischen Partei und Staat etablierten sekundären bürokratischen Apparate
... der ziellosen und widersprüchlichen verbrecherischen Dynamik, die das
Regime freisetzte, ... den Charakter bürokratisch gesteuerter
Planmäßigkeit" gaben [6].
Der Bestand des
Persönlichen Stabs Reichsführer-SS gehört zu jenen deutschen
zeitgeschichtlichen Quelle, deren Existenz seit Kriegsende bekannt war,
die seit langem frei zugänglich und seit Jahrzehnten laufend und intensiv
für die wissenschaftliche Forschung ausgewertet worden sind. Spektakuläre
Neuentdeckungen, die nach Öffnung der Archive in der ehemaligen DDR und
in Osteuropa an der Tagesordnung waren und heute von der historischen
Forschung gleichsam abgefordert werden, sind heute in NS 19 zweifellos
weniger zu erwarten. Die quantitative Fülle wie auch der hohe Quellenwert
der Archivalien jedoch rechtfertigen die sichere Erwartung, daß die Akten
auch künftig für überkommene, deswegen zumeist aber nicht überholte und
für neue Fragestellungen der Geschichtswissenschaft immer wieder mit
Gewinn herangezogen werden. Nicht nur überraschende Neuentdeckungen in
Einzelfällen [7], vor allem die durchweg hohe Qualität der im Bestand
enthaltenen Quellenbasis für Themen der sich weiter entwickelnden
historischen Forschung zu nahezu allen Aspekten des NS-Regimes, dessen
Verstehen und Analyse eine gleichbleibend große
historisch-wissenschaftliche wie auch politische und moralische
Herausforderung der Gegenwart bleiben, verleihen diesen Archivalien ihren
außergewöhnlichen und bleibenden Wert.
_________________________
[1] Eine
Vorstellung von der Vielfalt der Überlieferung vermittelt die Publikation
- häufig unter dem Aspekt des Skurrilen und Absurden - ausgewählter
Dokumente: Reichsführer!... Briefe an und von Himmler, hrsg. von Helmut
Heiber, Stuttgart 1968.
[2] NS 19/1447 und
1448.
[3] Siehe unten Abschnitt B.1.9, insbes. NS
19/4002 bis 4018. - Vgl. auch Heinrich Himmler, Geheimreden 1933 bis 1945
und andere Ansprachen, hrsg. von Bradley F. Smith und Agnes F. Peterson,
Frankfurt 1974. Die im Verzeichnis der Reden Himmlers, S. 268-277, als
unvollständig bezeichneten Reden anläßlich der
SS-Gruppenführer-Besprechungen am 8.11.1936 in Dachau und am 18.2.1937 in
Tölz liegen im Bundesarchiv nach Ermittlung der stenographischen
Aufzeichnungen und Anfertigung maschinenschriftlicher Übertragungen jetzt
in vollständiger Überlieferung vor (NS 19/4003 u. 4004)
[4] So vor allem von Heinz Höhne, Der Orden unter dem Totenkopf. Die
Geschichte der SS, Hamburg 1966, der den Bestand - leider allerdings in
Form der amerikanischen Mikrofilme und ihrer EAP-Signaturen - weitgehend
benutzt hat, in Auseinandersetzung mit Eugen Kogon, Der SS-Staat,
Frankfurt 1946. Auf eine Auflistung der derzeit vorliegenden allgemeinen
Literatur zu Himmler, zur Geschichte der SS und deren Rolle im
nationalsozialistischen Herrschaftssystem, wird hier verzichtet.
[5] Überlieferungssplitter in NS 48/28-32; Restakten,
insbesondere zu Einzelfällen der Tätigkeit des "Lebensborn", werden beim
Internationalen Suchdienst, Arolsen/Waldeck, verwahrt.
[6] Hans Mommsen, Der Nationalsozialismus, in: Meyers
Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 16, Mannheim 1976, S. 790.
[7] Vgl. z.B. Lucien Steinberg, Un Document essentiel
qui situe les dèbuts de la "Solution Finale de la Question Juive", Paris
1992. Es handelt sich um Aufzeichnungen Eichmanns (Leiter des Referats IV
B 4 im Reichssicherheitshauptamt) für Himmler, in denen Eichmann Ende
1940 von 5,8 Millionen Juden spricht, die als "Objekte" der "Endlösung
der Judenfrage" infrage kämen (NS 19/3979).
Erschließungszustand:
Publikationsfindbuch: Henke, Josef: Persönlicher Stab Reichsführer-SS
(Bestand NS 19), 2 Teilbände (Findbücher zu Beständen des Bundesarchivs,
Bd. 57), Koblenz 1997, Online-Findbuch
Nacherschließungen in Datenbank
Zitierweise: BArch NS
19/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch NS 19
- Umfang
-
4747 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Inneres, Gesundheit, Polizei und SS, Volkstum
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: NS 2 Rasse- und Siedlungshauptamt SS
NS 3 SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt
NS 7 SS- und Polizeigerichtsbarkeit
NS 21 Lehr- und Forschungsgemeinschaft "Das Ahnenerbe"
NS 31 SS-Hauptamt
NS 32 II SS-Herlferinnenschule Oberehnheim
NS 33 SS-Führungshauptamt
NS 34 SS-Personalhauptamt
N 1126 Nachlass Himmler
NS 48 Sonstige zentrale Dienststellen und Einrichtungen der SS
R 58 Reichssicherheitshauptamt
Literatur: Boberach, Heinz: Die schriftliche Überlieferung der Behörden des Deutschen Reiches 1871-1945. Sicherung, Rückführung, Ersatzdokumentation. In: Aus der Arbeit des Bundesarchivs. Beiträge zum Archivwesen, zur Quellenkunde und Zeitgeschichte. Boppard 1989, S. 50-61.
Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates, hg. v. dems., Teil 1, München 1991, S. 114-115; Teil 2, München 1995, S. 89
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- Provenienz
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Persönlicher Stab Reichsführer SS (Persönlicher Stab RFSS), 1936-1945
- Bestandslaufzeit
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(1806-1807) 1925-1945
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
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16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Persönlicher Stab Reichsführer SS (Persönlicher Stab RFSS), 1936-1945
Entstanden
- (1806-1807) 1925-1945