Akte
Schreiben von Emeline Hoppe, einer Lehrerin, aus Osnabrück an Oswald Stallmann
Enthält u.a.: "Vielen Dank für Ihren Gruß aus Feindesland. Meine Antwort hätte schon eher erfolgen sollen, aber wir sind ja nicht mehr Herr unserer Zeit und unserer selbst auch nicht. Am Samstag wurde ich telefonisch nach Hause gerufen. Mein Bruder war aus Polen gekommen. Er hatte ein paar Tage Urlaub, um eine Prüfung abzulegen. Man sieht sich dann ja auch mal gern wieder. Ich war 30 Stunden von Osnabrück fort, davon 7 ½ Std. auf der Bahn. Da blieb nicht viel für "zu Hause". Es war aber doch schön noch einmal wenigstens einen Teil der Geschwister wiederzusehen. Wir sind nämlich zu neun Kindern. […] Ich war bis zum 12. September in einem Hilfslazarett tätig, d.h. ich half bei der Einrichtung desselben. Unsere Hauptarbeit bestand in Fußbodenschrubben, etwas ungewohnt, aber es ging. Ich habe so gut auf dem Strohsack geschlafen, daß mir eine Helferin sagte, ich sei ein "Stein des Anstoßes" für sie, denn sie konnte einfach nicht liegen, viel weniger schlafen. Ich fühlte mich 15 - 20 Jahre zurückversetzt, wo ich in den Jugendherbergen auf unseren Wanderungen auch immer gleich einschlief, während meine Wanderfreundinnen am andern Morgen wie gerädert waren und meist kaum geschlafen hatten. - Jetzt bin ich für die Schule beurlaubt d.h. im Ernstfalle muß ich gleich antreten. Herr Köhne ist auch seit dem 1. Kriegstage eingezogen. Er bewacht die Bahn in Lengerich. Da Lengerich sein Heimatort ist, wohnt er bei seiner Mutter. Er soll sehr gut aussehen von der frischen Luft, wie Herr Diersmann erzählte. […] Für Herrn Köhne haben wir nun Herrn Naumann bekommen. Herr Naumann betreut Ihre Klasse. Herr Haase muß für seine Klasse und Herrn Köhnes Klasse sorgen. Ich habe fast sämtlichen Unterricht im 2. Schuljahr und den Gesamtunterricht im ersten Schuljahr. Ein ordentlicher Schulbetrieb ist das ja nicht, und Freude hat man auch nicht daran. 2 Tage waren Rektor Wasser, Frl. Thiesing und Herr Haase zu einem Luftschutzkursus in dieser Woche. Das gab auch wieder Unruhe. Unsere Schule kennen Sie im Kellergeschoß und im Erdgeschoß nicht wieder. Wir unterrichten nur in der 1. und 2. Etage, davon ist Herrn Köhnes Klasse noch der Marienschule angewiesen. In dieses Zimmer teilen sich 2 Klassen der Marienschule. Natürlich ist uns durch den beschränkten Raum auch Nachmittagsunterricht entstanden und manche Springstunde. Aber das macht uns alles nichts aus, wenn wir nur bald Frieden haben und unsere Soldaten alle wieder daheim. […] Nun ist dies doch ein ziemlicher Brief geworden für meine Verhältnisse. Meine Verwandten beklagen sich immer über die Kürze meiner Briefe. Briefschreiben ist nämlich für mich etwas, was ich nicht gern tue. Aber für die Soldaten gibt es ja Ausnahmen. Mein Bruder meint das auch, als er von meinen Briefen an ihn sprach. […] Auf baldiges frohes Wiedersehen!", 17. Okt. 1939; "Ich übersende Ihnen zum bevorstehenden Osterfeste recht viel Grüße und gute Wünsche. Der Osterhase war noch nicht da, sonst hätte ich Ihnen noch eine paar Ostereier eingepackt. Meine Kleinen erzählten mir, der Osterhase habe auch in diesem Jahre nicht viel süße Eier zu verschenken an die Menschen in der Heimat, der müsse das meiste den Soldaten bringen. Ich hoffe, daß Meister Lampe Sie nicht vergißt dahinten im Osten. Wir sind ja sehr zufrieden mit den Ferien, die er uns immer so prompt verschafft. Das eine "Leider" ist nur dabei, daß es diesmal nur einige Tage sind, die wir ledig aller Schulpflicht sind. Die Zeugnisse liegen fertig neben mir und hindert ja nichts mehr, die Ferien zu erwarten. Was dann nach Ostern wird ist uns nicht bekannt. Hoffentlich keine Versetzung zum Osten. […] Ich mache einmal in der Woche Bahnhofsdienst im Roten Kreuz, montags von 14 - 22 Uhr. Wir haben dann die durchreisenden Soldaten zu betreuen. In der vorigen Woche habe ich auch noch 50 Plaketten verkauft. Leider läßt mir mein Stundenplan nicht Zeit, öfter zum Bahnhofsdienst zu gehen, denn 3 Nachmittage Unterricht und 1 Nachmittag Bahnhofsdienst sind gleich 4 besetzte Nachmittage der Woche. Es muß ja auch noch Zeit sein zum Strümpfestopfen u. dergl.", 17. März 1940
- Reference number
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Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann, Nr. 26
- Context
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Nachlass Oswald Stallmann
- Holding
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Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann Nachlass Oswald Stallmann
- Date of creation
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17. Okt. 1939 u. 17. März 1940
- Other object pages
- Delivered via
- Last update
-
17.09.2025, 3:06 PM CEST
Data provider
Kommunalarchiv Minden - Archiv der Stadt Minden und des Kreises Minden-Lübbecke. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Akten
Time of origin
- 17. Okt. 1939 u. 17. März 1940