Bestand

Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verband der DDR (Bestand)

Geschichte des Bestandsbildners: Am 1. Juni 1957 gründete sich in Halle der „Allgemeine Deutsche Gehörlosen-Verband" (ADGV). Die Rechtsfähigkeit des ADGV wurde durch Anordnung vom 4. Oktober 1957 durch den Minister für Arbeit und Berufsbildung Friedrich Macher erklärt (Gesetzblatt Teil II der Deutschen Demokratischen Republik Nr. 40 vom 11. Nov. 1957). Ab 1961 wurden auch Schwerhörige in den Verband aufgenommen, eine Umbenennung in „Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verband der DDR" (GSV) fand allerdings erst 1973 statt.

Im Dezember 1989 traten der Zentralvorstand, das Präsidium und die Zentrale Revisionskommission zurück, die Geschäfte wurden von einem Arbeitsausschuss geführt. Am 7. Juni 1990 erfolgte die Aufnahme in das Vereinsregister. Auf einem außerordentlicher Kongress am 15. und 16. Juni desselben Jahres wurde die Bildung des „Bundes der Schwerhörigen e.V." und des „Bundes der Gehörlosen e. V." unter dem Dach eines „Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verbandes der DDR e. V." beschlossen. Schließlich vereinigten sich diese beiden Verbände im Mai und Oktober 1991 mit den jeweiligen Organisationen der BRD (Deutscher Schwerhörigenbund e. V. und Deutscher Gehörlosen-Bund e. V.).

Der GSV war für die Interessenvertretung und Betreuung von Gehörlosen und Schwerhörigen zuständig. Er sollte die Integration seiner Mitglieder in die Gesellschaft und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen bzw. erleichtern. Schwerpunkte lagen dabei in der Einbeziehung Gehörloser und Schwerhöriger in den Arbeitsprozess, beim Erschließen neuer Berufe und Arbeitsplätze und bei der Berufsausbildung und Weiterbildung Hörgeschädigter. Außerdem wurde über Probleme Hörgeschädigter aufgeklärt, um das Verständnis zwischen Betroffenen und Nichtbetroffenen zu vergrößern. Der GSV trat in der Öffentlichkeit auch durch seine Pantomimenensemble und Volkstanzgruppen in Erscheinung und betrieb in sechs Bezirksstädten Kulturhäuser. Die Mitgliedschaft im Verband stand jedem Bürger der DDR über 14 Jahre offen. Die Anzahl der Mitglieder entwickelte sich von etwa 4000 im Jahr 1957 auf circa 16.000 Mitglieder im Jahr 1987.

Der Aufbau des Verbandes beruhte auf dem Prinzip des demokratischen Zentralismus.

Das oberste Organ des GSV war der Kongress, der mindestens alle fünf Jahre stattfand. Auf diesen Kongressen wurde die langfristige Perspektive des Verbandes geplant und der Zentralvorstand (ZV) gewählt. Der Zentralvorstand leitete die politische Arbeit des Verbandes zwischen den Kongressen auf Grundlage eines Jahresarbeitsplanes und traf die Grundsatzentscheidungen des Verbandes. Er wählte auch den Präsidenten und das Präsidium. Die Tagungen des ZV fanden mindestens zwei- und höchstens viermal im Jahr statt. Die Bezirksvorstände des GSV wurden auf Bezirksdelegiertenkonferenzen gewählt. Auf Kreisebene bestanden Gehörlosen- und Schwerhörigengruppen. Der Präsident leitete den ZV und das Präsidium. Grundlage seiner Arbeit waren dabei die Beschlüsse von Partei und Regierung, des Kongresses des GSV sowie des ZV und des Präsidiums. Er vertrat den Verband in allen grundsätzlichen Fragen und war für die Zusammenarbeit mit anderen Organen und Stellen zuständig. Präsidenten des GSV waren:

o Günther Wöller (1957-1960)

o Bruno Schliebenow (1960-1966)

o Emil Friedberger (1966-1977)

o Ernst Liehr (1977-1982)

o Karl Reschke (1982-1989).

Das Präsidium koordinierte und leitete die Tätigkeiten des Verbands zwischen den Tagungen des Zentralvorstandes. Die Arbeitstagungen des Präsidiums fanden mindestens alle zwei Monate statt und wurden vom Präsidenten geleitet. Der Sekretär des ZV leitete das Sekretariat des Zentralvorstandes (SdZV). Er (bzw. sie) führte die laufende Organisations- und Vollzugsarbeit des ZV und des Präsidiums. In Zusammenarbeit mit den Leitern der Zentralen Arbeitsgruppen sorgte er für die Durchführung der Maßnahmen zur Erfüllung der Beschlüsse der oberen Organe, indem er die Mitarbeiter und die Arbeit der einzelnen Arbeitsgebiete bzw. Sektoren im Sekretariat koordinierte. Zum Sekretariat des ZV gehörte u.a. auch die Redaktion der vom GSV herausgegebenen Zeitschrift „gemeinsam", die von 1974 bis 1991 erschien. Die Zentrale Arbeitsgruppen wurden als ständige oder zeitweilige Arbeitsgruppen gebildet. Ihre Mitarbeiter untersuchten Grundsatzfragen und Probleme ihrer Aufgabenbereiche und unterbreiteten dem ZV und dem Präsidium ihre Schlussfolgerungen und Vorschläge.

Quellen:

- Gerd-Rüdiger Stephan u.a.: Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, Berlin 2002, S. 797f.

- Statut des ADGV vom 15. Okt. 1961 in: BArch DY 18/ 30

- Statut des GSV vom 1. Okt. 1977 in: BArch DY 18/ 32

- Arbeitsordnung für die zentralen Organe des GSV vom 1. Juli 1978 in: BArch DY 18/ 31.

Bestandsbeschreibung: Die Übergabe der Akten des Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verbandes der DDR (GSV) an das Bundesarchiv erfolgte am 14. Mai 1991 durch den neugebildeten Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verband e. V.

Der Bestand enthält vor allem Unterlagen der Tagungen des Präsidiums und des Zentralvorstandes (ZV), Beschlüsse beider Gremien, Unterlagen über die Kongresse und über die internationale Zusammenarbeit des GSV mit Partnerorganisationen und die Mitarbeit in der Weltföderation. Die Tätigkeit der Bezirksverbände wird aus deren Berichterstattung und aus Berichten der Zentralen Revisionskommission deutlich. Überliefert sind auch Dokumente zum Versehrtensport, zur Berufsausbildung und zu Pantomimenensembles, Tanzgruppen und zum Gehörlosentheater. Lehr- und Übungsanleitungen für Gebärdensprache und Einstufungen für Gebärdendolmetscher gehören ebenfalls zum Bestand.

Die Überlieferung der Kongresse unterscheidet sich stark. Zum VIII. Kongress 1987 sind vier Bände vorhanden, während für die Kongresse von 1973 und 1977 nur jeweils eine Akte vorliegt.

Die Protokolle und Beschlüsse der Präsidiums- und Zentralvorstandstagungen sind ab 1962 mit kleineren Lücken relativ vollständig überliefert. Zum Großteil handelt es sich bei den Beschlüssen um Kaderangelegenheiten, die Teilnahme an und Durchführung von Tagungen, Auszeichnungen mit der Ehrennadel des GSV und die Bestätigung von Maßnahmeplänen der Arbeitsgruppen.

Die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und der SED spiegelt sich in den Akten, die die Korrespondenz mit dem Zentralkomitee der SED und dem Ministerium für Gesundheitswesen enthalten, wider. Bei den Mitteilungen des Zentralvorstandes handelt es sich um ein verbandsinternes Informationsblatt, in dem die nachgeordneten Organe der Bezirksebene über aktuelle Geschehnisse und Entscheidungen der zentralen Verbandsebene informiert werden.

Neben den Akten zu den alle vier Jahre stattfindenden Kongressen des Weltverbandes (World Federation of the Deaf) sind Unterlagen über die Mitgliedschaft, die Zusammenarbeit mit dem Weltverband und zur Arbeit in einer Kommission überliefert.

Die weitreichenden internationalen Verbindungen des GSV werden durch die Vielzahl der Länder deutlich, mit denen der GSV in Kontakt stand. In diesen Akten geht es vor allem um den Austausch von Delegationen, die Teilnahme an Kongressen und die Übersendung von Informationsmaterialien. Der Großteil der Korrespondenz wird mit den jeweiligen nationalen Gehörlosenverbänden geführt, es findet sich aber auch Schriftwechsel mit anderen Institutionen, Firmen und Personen.

Umfang, Erläuterung: 440 AE

Zitierweise: BArch DY 18/...

Reference number of holding
Bundesarchiv, BArch DY 18
Extent
440 Aufbewahrungseinheiten; 26,0 laufende Meter
Language of the material
deutsch

Context
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Deutsche Demokratische Republik mit sowjetischer Besatzungszone (1945-1990) >> Organisationen und Verbände >> Organisationen
Related materials
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: BArch BILDY 14 Gehörlosen- und Schwerhörigenverband der DDR

Provenance
Gehörlosen- und Schwerhörigenverband der DDR (GSV), 1952-1992
Date of creation of holding
1952-1992

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16.01.2024, 8:43 AM CET

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  • Bestand

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  • Gehörlosen- und Schwerhörigenverband der DDR (GSV), 1952-1992

Time of origin

  • 1952-1992

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