Bestand
Patrizierarchiv Schermar Akten (Bestand)
Vorwort: E Schermar Akten
1. Einleitung
Bei dem Bestand "E
Schermar Akten " handelt es sich überwiegend um Dokumente aus dem
Nachlass des Ulmer Patriziers Anton Schermar (1604-1681). Die
Familie Schermar zählte zu den Ulmer Geschlechtern und pflegte u. a.
Heiratsverbindungen zu den Familien Schad, Neithardt, Roth, Krafft,
Besserer und Baldinger. Nach Felix Fabri sollen die Schermar von
Schaffhausen aus über Memmingen, wo die Schermar auch im 17. und 18.
Jahrhundert noch nachweisbar sind, im 15. Jahrhundert nach Ulm
gekommen sein. Vor allem seit dem 16. Jahrhundert nahmen sie in Ulm
einflussreiche Ratsämter ein. 1552 erhielten die Schermar von Karl
V. das Adelsdiplom, 1818 wurden sie in die
königlich-württembergische Adelsmatrikel aufgenommen
(Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 157/1 Bü 656). Laut Albrecht
Weyermann besaßen Paul, Johann und Christoph Schermar im späten 16.
Jahrhundert ein Handelshaus in Ulm und Beziehungen nach
England.
Anton Schermar war ein Sohn des Egloff Schermar
(1573-1612) und der Johanna Neubronner sowie Enkel des rührigen
Ulmer Rats Anton Schermar, der mit Agathe Neithardt verheiratet war
(vgl. E Neithardt Akten Nr. 61). Der jüngere Anton Schermar
studierte zunächst in Tübingen, aus dieser Zeit ist sein
prachtvolles Stammbuch (Bestand F 7 Nr. 18) erhalten. Danach schloss
sich eine ausgedehnte Studienreise nach Frankreich, England, die
Niederlande und Italien an, wo er auch
Immatrikulationsbescheinigungen mehrerer Universitäten ausgestellt
bekam (u. a. Bologna, Siena und Padua). 1628 nach Ulm zurückgekehrt,
heiratete er dort Helena Baldinger (1599-1683), aus der Ehe gingen
die beiden Töchter Helena und Magdalena hervor. Über viele
Jahrzehnte gehörte Schermar dem Ulmer Rat an und bekleidete wichtige
Ämter, u. a. Pfarrkirchenbaupfleger, Stadtrechner und Geheimer
Rat.
Anton Schermars private Interessen waren äußerst
vielfältig, wovon seine in der Ulmer Stadtbibliothek befindliche
Sammlung von ca. 2000 Büchern zeugt. Auch seine tiefe persönliche
Frömmigkeit ist immer wieder greifbar. Die Vorliebe für die
Kirchengeschichte gipfelte in der Abfassung seiner "Jesu Christi
Religions Chronik" (Stadtbibliothek Ulm Hist 4/55-66), zu der im
Bestand zahlreiche Vorarbeiten überliefert sind. Ferner ist eine von
ihm eine um 1642 angefertigte Zusammenstellung von Dokumenten zur
Ulmer Herrschaftsgeschichte erhalten (A 2112). Eine mit Sicherheit
in seinem Auftrag angefertigte Ahnentafel über neun Generationen der
Schermar hängt heute (2009) im 2. Stock von Weinhof 15. Daneben
besaß er eine große Münzsammlung, für deren Erweiterung er
zahlreiche Korrespondenzen pflegte. Nachdem er sich aus
gesundheitlichen Gründen um 1672 weitgehend aus der aktiven Politik
zurückgezogen hatte, widmete er anscheinend dieser Leidenschaft viel
Zeit. 1678 war es ihm und seiner Frau vergönnt, das 50-jährige
Ehejubiläum zu feiern.
Nach seinem Tod am 8. September
1681 blieb Schermars Bibliothek nach Bestimmungen des Testaments bei
der Schermar'schen Familienstiftung, wo sie im Schuhhaus und später
im nordöstlichen Münsterturm über der Neithardtkapelle untergebracht
war, bis 1977/78 sie an die Stadtbibliothek Ulm zur Verwaltung
übergeben wurde. Ein Katalog von 1745 ist vorhanden, allerdings sind
bis zur Übergabe an die Stadtbibliothek einige wertvolle Stücke
verschwunden (wohl nach 1948), dies gilt leider auch für die
Münzsammlung.
Zu Anton Schermars beeindruckender
Persönlichkeit existieren bislang leider nur zwei kurze Aufsätze. Im
Bestand F 4 ist ein Bildnis Schermars nach einem Vorbild von etwa
1630 vorhanden (F 4 Nr. 333, 486), ebenso von seiner Frau (F 4 Nr.
542). Die Originale dieser Gemälde befinden sich in der
Dauerausstellung des Ulmer Museums.
2. Zur
Archivgeschichte
Eine systematische Zusammenstellung der
Unterlagen des Bestands lag mit Sicherheit nicht vor, möglicherweise
sind sie zusammen mit der Schermar'schen Bibliothek in den Besitz
der Stadt Ulm gekommen. Die äußere Verschmutzung und die
Verschnürung, insbesondere der Korrespondenzen, lässt darauf
schließen, dass sie sicher lange Zeit nicht geöffnet oder benutzt
wurden.
Die vorliegenden Dokumente sind zum Großteil
Anton Schermar und seinen privaten Interessengebieten zuzuordnen,
von seinen amtlichen Tätigkeiten haben sich in diesem Bestand nur
wenige Schriftstücke erhalten. So stammen einige Unterlagen offenbar
aus Antons Schul- und Studienzeit, teilweise könnten sie auch seinem
Vater oder seinem 1620 in Straßburg an den Folgen eines
Treppensturzes verstorbenen, wohl etwas älteren Bruder Marcus gehört
haben. Wichtige Dokumente sind Anton Schermars Lebenslauf,
Unterlagen zu seinem Erbe und sein Reisetagebuch nach Frankreich
(1626), umfangreich die Konzepte und Literaturexzerpte zu seiner
"Jesu Christi Religions Chronik" und zu seinen numismatischen
Forschungen. Über 200 Schreiben und Konzepte zählen die erhaltenen
Fragmente der Korrespondenz Schermars, vor allem aus den Jahren
1664-1676, mit Partnern aus Straßburg, Augsburg, Nürnberg, Wien,
Paris, Frankfurt, Jena und mehreren schwäbischen Städten, darunter
ein zahlreiche Dokumente umfassender Briefwechsel mit dem Verleger
und Buchhändler Johann Georg Cotta aus Tübingen. Der Hauptinhalt
dieser Korrespondenzen bezieht sich wiederum auf Schermars
Münzsammlung, z. B. die Bestellung und den Austausch numismatischer
Literatur, die Nachforschungen nach bestimmten Münzen oder deren
Abgüssen. Einige wenige Unterlagen stehen in Verbindung mit der von
Schermar eingerichteten Familienstiftung, hierunter auch
Schriftstücke aus dem 18. Jahrhundert.
Daneben befinden
sich im Bestand einige Dokumente, deren Bezug zu Schermar nicht
sofort offensichtlich ist, die aber gleichwohl zu seinem Besitz
gehört haben können, wie ein Gedichtheft des Ulmer Findelvaters Hans
Trost 1652 oder der ausführliche Bericht über die Studienreise des
Baumeisters Gideon Bacher und dreier Räte aus dem Jahr 1604, die
sich in Europa zum Thema Festungsbau kundig machten.
In
einigen anderen Beständen des Stadtarchivs Ulm (u. a. E Besserer, E
Schad, A: Pfarrkirchenbaupflegamt A [1994/1], B 321/22 Nr. 14
(Schermar'sche Stiftung)) sind weitere Unterlagen zu Anton Schermar,
seiner Bibliothek und zur Familie Schermar allgemein
enthalten.
3. Zur Ordnung und Verzeichnung
des Archivs
1989 wurden einige Dokumente aus dem Bestand
verzeichnet, allerdings teilweise mit erheblichen
Fehlinterpretationen und wenig sinnvollen Zuordnungen. Daher wurde
diese Ordnungsversuche im Wesentlichen aufgehoben und in die
Gesamtstruktur des Bestands einbezogen. Die teilweise lose und
vermischt vorliegenden Korrespondenzen wurden soweit möglich nach
den jeweiligen Partnern sortiert und zusammengefasst. Dies gilt
ebenso für die Konzepte und Vorarbeiten zu Schermars
Religions-Chronik.
Ein Personen- und Ortsregister
erschließt den Bestand. Nach Abschluss der Erschließung wurde der
Bestand E Schermar Akten in säurefreie Aktenumschläge und
Archivkartons verpackt und magaziniert. Der Bestand umfasst 80
Akteneinheiten.
Literatur:
Clytus Gottwald, Katalog der Musikalien in der
Schermar-Bibliothek Ulm. Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Ulm
Bd. 17, Wiesbaden 1993.
Johannes Greiner, Ulms
Bibliothekswesen, Württembergische Vierteljahreshefte für
Landesgeschichte 26 (1917), S. 64-120, hier S. 101-105.
Johannes Phengius, Hymenäus oder Hochzeit Lied: bey
angestellter Hochtzeitlichen Ehrenfreud deß ... Anthonij Schermaro
... mit der ... Jungfrauen Helena Baldingerin ... welche den 5.
Augusti Ao 1628 in Ulm gehaltten worden; mit 12 Stimmen auff 3 C,
[Ulm?] 1628. (Stadtbibliothek Ulm Nr. 45 819 4)
Albrecht
Weyermann, Nachrichten von Gelehrten, Künstlern und andern
merkwürdigen Personen aus Ulm, Ulm 1823.
Otto Wiegandt,
Anton Schermar und seine Bibliothek im Ulmer Münster, Schwäbische
Heimat 5 (1954), S. 159-162.
Otto Wiegandt, Spiegel einer
Persönlichkeit: Anton Schermar und seine Bibliothek im Ulmer
Münster, Ulmer Forum 29-32 (1974/75), S. 52-57.
- Bestandssignatur
-
E Schermar
- Kontext
-
>> Familien- und Herrschaftsarchive, Archive von Organisationen und Firmen
- Bestandslaufzeit
-
1500/2000
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 12:43 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1500/2000