Journal article | Zeitschriftenartikel
Zu viel für manche kleine Seele: Trend zu immer mehr psychosomatischen und mentalen Störungen bei Kindern und Jugendlichen ; gefragt sind nicht nur neue Medikamente, sondern vor allem kompetente Eltern
Der Beitrag befasst sich mit den psycho- und soziosomatischen Störungen von Kindern und Jugendlichen, die in den letzten 20 Jahren immer stärker um sich greifen. Psycho- und soziosomatische Störungen ergeben sich aus einem mangelnden Gleichgewicht der Systeme von Körper, Psyche und Umwelt. Sind sie nicht im Einklang miteinander, kommt es zu Fehlsteuerungen in jedem Einzelbereich und in der Gesamtkoordination dieser Systeme. Die wesentlichen Störungen umfassen die folgenden Aspekte: (1) Fehlsteuerung des Immunsystems, (2) Störungen der Nahrungsaufnahme und des Ernährungsverhaltens, (3) Fehlsteuerung der Sinneskoordination, (4) unzureichende Bewältigung von psychischen Beanspruchungen und sozialen Anforderungen sowie (5) Konsum psychoaktiver Substanzen. Diese Alarmsignale zeigen, wo und wie heute die meisten Krankheiten von Kindern und Jugendlichen entstehen: Durch die Fehlanpassung von körperlich-physiologischen, psychisch-seelischen und sozialökologischen Systemen. Der elementare Ausgleich zwischen den Anforderungen der inneren und äußeren Welt gelingt nicht, es kommt zu keinem befriedigenden Ausgleich von Risiko- und Schutzfaktoren. Psychosomatische und mentale Gesundheitsstörungen lassen sich nur begrenzt mit medizinischer Behandlung und Arzneimitteln eindämmen. Die eigentliche Antwort liegt in der zwischenmenschlichen Beziehung und Erziehung. Das 'magische Erziehungsdreieck', das jeder Vater und jede Mutter zu lösen hat, hat es in sich. Erziehung ist die richtige Dosierung von drei Polen, nämlich Anerkennung, Anregung und Anleitung. An allen drei Polen tun sich Eltern heute schwer: (1) Das richtige Maß von Anerkennung mit Wärme und Zuwendung ist schwer zu finden, wenn eine Mutter oder ein Vater selbst unter voller Anspannung steht und durch das Kind beansprucht wird. (2) Anregung soll die Selbstständigkeit fördern und Impulse setzen, die dem Kind zur Weiterentwicklung gegeben werden. Hier machen fast alle Eltern heute den Fehler, überehrgeizig auf die schulische Entwicklung zu achten und nervös auf jedes kleine Versagen zu reagieren. (3) Das Setzen von Regeln, Grenzen und Vereinbarungen fällt Vätern und Müttern heute ebenfalls schwer. Die meisten versuchen, einem autoritären Stil auszuweichen und ohne feste Vereinbarungen und Sanktionen auszukommen, übersehen aber, dass sie damit das Kind ins Leere laufen lassen und eine verbindliche Beziehung verweigern. Viele gesundheitliche Störungen der Kinder haben hier ihre Ursachen. Psychosomatische und mentale Gesundheitsstörungen erfordern nach Einschätzung des Autors die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachleuten für körperliche, psychische und soziale Probleme. Daran hapert es in Deutschland noch. Jede Berufsgruppe hütet ihre Zuständigkeit. Die 'neuen' Kinderkrankheiten können so nicht zurückgedrängt werden. Es wird Zeit, neben den Pädagoginnen und Pädagogen andere Berufe in die Gesundheitsförderung mit einzubeziehen: Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Arbeitstherapeuten, Architekten, Raumgestalter und Physiotherapeuten. (ICG2)
- Weitere Titel
-
Too much for many a small soul: trend towards more and more psychosomatic and mental problems among children and adolescents; there is demand not only for new medicaments, but primarily competent parents
- Umfang
-
Seite(n): 11-15
- Sprache
-
Deutsch
- Anmerkungen
-
Status: Veröffentlichungsversion
- Erschienen in
-
Sozialwissenschaftlicher Fachinformationsdienst soFid(Gesundheitsforschung 2003/1)
- Thema
-
Psychologie
Soziologie, Anthropologie
Jugendsoziologie, Soziologie der Kindheit
Familiensoziologie, Sexualsoziologie
psychische Störungen, Behandlung und Prävention
Bundesrepublik Deutschland
Gesundheit
soziales Verhalten
antiautoritäre Erziehung
Arzneimittel
Sozialisation
Psyche
Jugendlicher
Kind
Eltern-Kind-Beziehung
Körper
Schulleistung
psychosomatische Krankheit
psychosomatische Faktoren
Regelung
Interdisziplinarität
Emotionalität
Umwelt
Selbständigkeit
deskriptive Studie
anwendungsorientiert
- Ereignis
-
Geistige Schöpfung
- (wer)
-
Hurrelmann, Klaus
- Ereignis
-
Veröffentlichung
- (wo)
-
Deutschland
- (wann)
-
2003
- URN
-
urn:nbn:de:0168-ssoar-202197
- Rechteinformation
-
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
- Letzte Aktualisierung
-
21.06.2024, 16:26 MESZ
Datenpartner
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Zeitschriftenartikel
Beteiligte
- Hurrelmann, Klaus
Entstanden
- 2003