Forschungsbericht | Research report

Missverständnisse und umstrittene Experimente in der Entwicklung des Rechts der nordrhein-westfälischen Landschaftsbeiräte: ein Beispiel zur (Un)Logik demokratischer Entscheidungen

Der Beitrag demonstriert die Schwierigkeit, Demokratie und Vernunft miteinander zu vereinbaren, beispielhaft an einem von dieser Schwierigkeit in besonderem Maß betroffenen Teilaspekt der parlamentarischen Behandlung des nordrhein-westfälischen Naturschutzrechts. In das Thema einführend, werden in einem ersten Schritt zunächst mathematische Betrachtungen im Kontext entscheidungstheoretischer Modelle zu Demokratie und Vernunft angestellt. Hier offenbart sich die Erkenntnis, dass Demokratie und Vernunft nichts miteinander zu tun haben, was aber nicht als Argument gegen die Demokratie geeignet ist. Demokratie wird nicht zu dem Zweck praktiziert, in den sozialen Entscheidungen die Einhaltung bestimmter objektiver Regeln der Vernunft wirksam werden zu lassen. Vielmehr sollen die subjektiven Willensbekundungen aller Mitglieder der Gesellschaft gleichberechtigt zum Ausdruck kommen. Der zweite Schritt beschreibt sodann die Langlebigkeit des vordemokratischen Naturschutzrechts, während der dritte Schritt schließlich die Entwicklung des nordrhein-westfälischen Beiräterechts als Ergebnis von Versuch und Irrtum für den Zeitraum 1970 bis 2005 darstellt. Die Betrachtung macht eine fehlende Konvergenz zur Rechtsstabilität deutlich: Wenn die Folge 'Versuch, Irrtum, korrigierter Versuch usw.' konsequent weitergeführt würde, müsste irgendwann ein Zustand erreicht werden, der nicht mehr verbessert werden kann. Der Gesetzgebungsprozess müsste danach von Novellierung zu Novellierung bis zum Stillstand konvergieren. Die dann gegebene Stabilität des Rechts wäre aus demokratischer Sicht - dem Willen der Mehrheit entsprechend - ideal. Die Entwicklung des Rechts der nordrhein-westfälischen Landschaftsbeiräte lässt keine Konvergenz zur Stabilität erkennen. In jeder Amtsperiode des Landtags wurde das Landschaftsgesetz novelliert. Dabei war fast immer das Beiräterecht betroffen. Die neben den Beiräten als zweite Säule des gesetzlichen ehrenamtlichen Naturschutzes bestehende Landschaftswacht - gebildet aus weisungsgebundenen ehrenamtlichen Außendienstmitarbeitern der unteren Landschaftsbehörden - blieb dagegen nach ihrer Einrichtung durch das Gesetz von 1975 von Gesetzesänderungen verschont. Die Novellierung des Landschaftsgesetzes erfolgte meistens am Ende der jeweiligen Amtsperiode, und zwar oft unter erheblichem Zeitdruck. Die von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe lösten stets heftige kontroverse Diskussionen zwischen den Landtagsfraktionen, zwischen dem zuständigen Landtagsausschuss und den betroffenen Verbänden und zwischen den Verbänden aus. (ICG2)

Missverständnisse und umstrittene Experimente in der Entwicklung des Rechts der nordrhein-westfälischen Landschaftsbeiräte: ein Beispiel zur (Un)Logik demokratischer Entscheidungen

Urheber*in: Gerß, Wolfgang

Rechte vorbehalten - Freier Zugang

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Weitere Titel
Misunderstandings and controversial experiments in the development of law relating to landscape advisory committees in North Rhine-Westphalia: an example of the (lack of) logic of democratic decisions
Umfang
Seite(n): 45
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Status: Veröffentlichungsversion

Erschienen in
Duisburger Beiträge zur soziologischen Forschung (1/2006)

Thema
Staatsformen und Regierungssysteme
Politikwissenschaft
Soziologie, Anthropologie
Staat, staatliche Organisationsformen
Kriminalsoziologie, Rechtssoziologie, Kriminologie
politische Willensbildung, politische Soziologie, politische Kultur
Bundesrepublik Deutschland
Rechtsgrundlage
Gesetzesnovellierung
Demokratie
Landtag
Gesetzgebung
Recht
Naturschutz
Weimarer Republik
Landschaftsschutz
Nordrhein-Westfalen
demokratisches Verhalten
Gesetzentwurf
Vernunft
Entscheidungstheorie
deskriptive Studie

Ereignis
Geistige Schöpfung
(wer)
Gerß, Wolfgang
Ereignis
Veröffentlichung
(wer)
Universität Duisburg-Essen Campus Duisburg, Fak. für Gesellschaftswissenschaften, Institut für Soziologie
(wo)
Deutschland, Duisburg
(wann)
2006

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-114012
Rechteinformation
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Letzte Aktualisierung
21.06.2024, 16:27 MESZ

Datenpartner

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Objekttyp

  • Forschungsbericht

Beteiligte

  • Gerß, Wolfgang
  • Universität Duisburg-Essen Campus Duisburg, Fak. für Gesellschaftswissenschaften, Institut für Soziologie

Entstanden

  • 2006

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