Bestand

G 329 - Evangelisches Pfarramt Neckargartach (Bestand)

Einleitung: ===== Geschichte des Ortes Neckargartach =====
Beiderseits der Mündung des Leinbachs in den Neckar liegt der heutige Heilbronner Stadtteil Neckargartach am linken Neckarufer, am Rande des "Gartacher Felds".
Die beiden benachbarten Dörfer Neckargartach und Großgartach werden urkundlich erstmals im Jahre 776 (Kop. 12.Jh.) als Gardaha erwähnt. Mit Böllingen, Kirchhausen und Frankenbach sowie dem westlich von Großgartach gelegenen Schluchtern, bildeten sie eine Mark. Böllingen, vermutlich um das 4. Jahrhundert als alemannische Siedlung angelegt, gilt als Ursprung Neckargartachs; heute zeugt hiervon noch der Name für das Heilbronner Industriegebiet "Böllinger Höfe". Zahlreiche Funde lassen frühe alemannische Herrschaftsmittelpunkte oder Märkte, wie für das nahegelegene Böckingen, vermuten. Gardach war ursprünglich ein außerhalb von Böllingen liegendes Hofgut, das den Hauptort jedoch bis ins 9. Jahrhundert in seiner Ausdehnung übertraf. Schon im 8. Jahrhundert war das Kloster Lorch dort reich begütert. 1161 wurde der Ort als
Wegen ihrer Beteiligung am Bauernkrieg wurden die Einwohner 1523 hart bestraft. Nach der Schlacht bei Wimpfen 1622 wurde der Ort von spanischen Truppen fast völlig niedergebrannt, die Bevölkerung grausamst behandelt. 1664 wütete in Neckargartach eine weitere große Brandkatastrophe. 1675 wurde der Ort durch französische Truppen besetzt und erneut niedergebrannt. Als die Neckargartacher bei Auseinandersetzungen mit der Stadt Heilbronn (1738-1756) im Zuge der Neuordnung der Leibeigenschaft seit 1732 immer wieder die Unterstützung des württembergischen Lehenrates erhalten hatten, kaufte die Reichsstadt 1754 Württemberg die Oberlehensherrschaft ab. Die Truppen des Heilbronner Rates schlugen daraufhin den Aufstand nieder und kerkerten die Rädelsführer lebenslänglich ein. Nach den Revolutionskriegen verlor Heilbronn 1802 seine Reichsfreiheit. Neckargartach fiel mit Heilbronn an Württemberg und blieb bis zu seiner Eingemeindung nach Heilbronn am 1. Oktober 1938 selbstständige Gemeinde des Oberamtes Heilbronn.
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war Neckargartach durch Weinbau und Landwirtschaft geprägt. Im Jahr 1840 legte Johann Jakob Widmann mit der Gründung seiner Papiermaschinenfabrik im Leinbachtal (heutiges Widmannstal) den Grundstein für die industrielle Entwicklung in Neckargartach. In der Folgezeit siedelten sich weitere Großbetriebe an, drei Brauereien, eine chemische Fabrik und eine 1898 gegründete Dampfziegelei. Die Nähe zu Heilbronn als Zentrum einer Industrieregion übte ebenfalls eine starke Anziehungskraft für Neuansiedler in Neckargartach aus. Im Jahr 1800 betrug die Einwohnerzahl 810 Personen. Sie verdoppelte sich bis ins Jahr 1863 auf 1650 Einwohner und vervierfachte sich bis 1900 auf 3224 Einwohner. Die Industrialisierung führte zu Wohlstand, dem vor allem durch die Weltwirtschaftskrise der 1920er/30er Jahre eine Zäsur gesetzt wurde.
Am Ortsende wurde 1944 an der Böllinger Straße das SS-Arbeitslager "Steinbock" als Außenkommando des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof errichtet. Bis zu 1100 Häftlinge wurden in zwei Salzbergwerksstollen eingesetzt. Die IG Farben AG ließ dort Rüstungsgüter herstellen, die Firma Tengelmann Waren lagern. Im April des Jahres 1945 wurde dieses Lager schließlich geräumt. Wie für solche Arbeitslager üblich, wurde dies ohne Rücksicht auf die Häftlinge durchgesetzt, wobei die tatsächliche Anzahl der Todesfälle bis heute nicht geklärt werden konnte. Gefunden wurde lediglich ein Massengrab für 246 KZ-Häftlinge aus fünf Nationen. An dieser Stelle wurde bereits am 22. Dezember 1946 eine Gedenkanlage eingeweiht. Mehrere Gedenktafeln erinnern an die Geschichte des Konzentrationslagers und verzeichnen zumindest die Namen einiger Häftlinge. Ein in deutscher und russischer Sprache verfasster Gedenkstein trägt die Inschrift: "Sie starben kurz vor ihrer Befreiung".
===== Geschichte der Kirchengemeinde Neckargartach =====
Kirchlich gehörte das Dorf Neckargartach im Mittelalter zum Bistum Worms, dessen Gebiet östlich bis an den Neckar heranreichte. Die Pfarrkirche in Neckargartach wird 1295 erstmals erwähnt, das Patrozinium St. Peter 1496 genannt. Der Kirchensatz stand spätestens ab 1425 dem Deutschorden zu, der sich jedoch der in Heilbronn 1530 erfolgten Reformation widersetzte. So kam es erst 1542 mit der erstmaligen Bestellung des evangelischen Pfarrers Heinrich Riesser, eines Sohnes vom Heilbronner Bürgermeister Hans Riesser, zum Einzug der Reformation in Neckargartach. Die Baufälligkeit der ursprünglichen Kirche zwang die Neckargartacher 1767 zu einem völligen Neubau der heutigen Peterskirche. Bei der evang. Pfarrkirche handelt es sich um eine gotische Chorturmanlage; ihr spätbarockes Schiff mit Stichkappen-Gewölbe wurde 1766/67 erbaut. Der spätgotische Schnitzaltar eines Heilbronner Meisters datiert von 1516. Die Kirche besitzt außerdem eine frühbarocke hölzerne Kanzel. Mit der Eingliederung in Württemberg wurde Neckargartach nach 1802 dem neugegründeten Dekanat Heilbronn zugeordnet. 1806 wurde die katholische Konfession der evangelisch-lutherischen und der reformierten in Württemberg gleichgestellt. Die katholischen Neckargartacher gehörten zur Heilbronner Gemeinde St. Peter und Paul. 1959 wurde die katholische St. Michaelskirche in Neckargartach geweiht. Von 1864 an gab es auch eine kleine evangelisch-methodistische Gemeinde in Neckargartach, die sich 1890 die Ebenezer-Kapelle erbaute. 1983 vereinigte sich die methodistische Kirchengemeinde mit Frankenbach und schloss sich im Zuge der Eingemeindung Frankenbachs nach Heilbronn der dortigen Friedenskirchengemeinde an.
===== Bestandsgeschichte =====
Am 11. Oktober 2012 wurde das Archiv des Pfarramtes Neckargartach auf der Grundlage eines Kirchengemeinderatsbeschlusses an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart zur Verwahrung und Verwaltung abgegeben. Das Pfarrarchiv Neckargartach umfasst die Kirchenbücher bis 1875, die Amtsbücher und Akten sowie die Rechnungsunterlagen der Kirchenpflege bis 1966. Die Akten waren nach der Registraturordnung für die Pfarrämter von 1901 vorgeordnet.
Der Bestand, der eine reichhaltige und dichte Quellenlage zur Ortsgeschichte ausweist, umfasst 305 Bestellnummern aus den Jahren 1627-1977 und hat einen Gesamtumfang von 11 laufenden Metern. Die Kirchenbücher sind aus Gründen ihrer Erhaltung für die Benutzung gesperrt und stehen bis 1875 als Mikrofilm zur Einsichtnahme im Mikrofilmlesesaal des Landeskirchlichen Archivs zur Verfügung.
Das Pfarrarchiv wurde im Jahr 2015 von Berit Lütjen, M.A., verzeichnet. Die Abschlussredaktion erfolgte durch Bertram Fink.

Einleitung: Beiderseits der Mündung des Leinbachs in den Neckar liegt der heutige Heilbronner Stadtteil Neckargartach am linken Neckarufer, am Rande des "Gartacher Felds".
Die beiden benachbarten Dörfer Neckargartach und Großgartach werden urkundlich erstmals im Jahre 776 (Kop. 12.Jh.) als Gardaha erwähnt. Mit Böllingen, Kirchhausen und Frankenbach sowie dem westlich von Großgartach gelegenen Schluchtern, bildeten sie eine Mark. Böllingen, vermutlich um das 4. Jahrhundert als alemannische Siedlung angelegt, gilt als Ursprung Neckargartachs; heute zeugt hiervon noch der Name für das Heilbronner Industriegebiet "Böllinger Höfe". Zahlreiche Funde lassen frühe alemannische Herrschaftsmittelpunkte oder Märkte, wie für das nahegelegene Böckingen, vermuten. Gardach war ursprünglich ein außerhalb von Böllingen liegendes Hofgut, das den Hauptort jedoch bis ins 9. Jahrhundert in seiner Ausdehnung übertraf. Schon im 8. Jahrhundert war das Kloster Lorch dort reich begütert. 1161 wurde der Ort als Neccargardacha zur Unterscheidung von Klein- und Großgartach in einer Urkunde Kaiser Barbarossas genannt. 1323 war der Ort wormsisches Lehen der Herren von Weinsberg. Engelhard von Weinsberg und seine Frau Hedwig verkauften 1341 das Lehen Neckargartach als Afterlehen an die Reichsstadt Heilbronn. Nachdem die Lehenshoheit 1440 auf die Pfalz übergegangen war, fiel sie 1504 an Württemberg. Dies zog einen Jahrhunderte währenden Konflikt zwischen Württemberg und der Reichsstadt Heilbronn nach sich. Außer Heilbronn und dem Haus Württemberg besaßen auch die Klöster Billigheim, Hirsau, Lauffen, Odenheim, das Ritterstift St. Peter zu Wimpfen im Tal, das Klarakloster Heilbronn und die Heilbronner Deutschordens-Kommende Lehensansprüche und Grundbesitz in Neckargartach.
Wegen ihrer Beteiligung am Bauernkrieg wurden die Einwohner 1523 hart bestraft. Nach der Schlacht bei Wimpfen 1622 wurde der Ort von spanischen Truppen fast völlig niedergebrannt, die Bevölkerung grausamst behandelt. 1664 wütete in Neckargartach eine weitere große Brandkatastrophe. 1675 wurde der Ort durch französische Truppen besetzt und erneut niedergebrannt. Als die Neckargartacher bei Auseinandersetzungen mit der Stadt Heilbronn (1738-1756) im Zuge der Neuordnung der Leibeigenschaft seit 1732 immer wieder die Unterstützung des württembergischen Lehenrates erhalten hatten, kaufte die Reichsstadt 1754 Württemberg die Oberlehensherrschaft ab. Die Truppen des Heilbronner Rates schlugen daraufhin den Aufstand nieder und kerkerten die Rädelsführer lebenslänglich ein. Nach den Revolutionskriegen verlor Heilbronn 1802 seine Reichsfreiheit. Neckargartach fiel mit Heilbronn an Württemberg und blieb bis zu seiner Eingemeindung nach Heilbronn am 1. Oktober 1938 selbstständige Gemeinde des Oberamtes Heilbronn.
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war Neckargartach durch Weinbau und Landwirtschaft geprägt. Im Jahr 1840 legte Johann Jakob Widmann mit der Gründung seiner Papiermaschinenfabrik im Leinbachtal (heutiges Widmannstal) den Grundstein für die industrielle Entwicklung in Neckargartach. In der Folgezeit siedelten sich weitere Großbetriebe an, drei Brauereien, eine chemische Fabrik und eine 1898 gegründete Dampfziegelei. Die Nähe zu Heilbronn als Zentrum einer Industrieregion übte ebenfalls eine starke Anziehungskraft für Neuansiedler in Neckargartach aus. Im Jahr 1800 betrug die Einwohnerzahl 810 Personen. Sie verdoppelte sich bis ins Jahr 1863 auf 1650 Einwohner und vervierfachte sich bis 1900 auf 3224 Einwohner. Die Industrialisierung führte zu Wohlstand, dem vor allem durch die Weltwirtschaftskrise der 1920er/30er Jahre eine Zäsur gesetzt wurde.
Am Ortsende wurde 1944 an der Böllinger Straße das SS-Arbeitslager "Steinbock" als Außenkommando des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof errichtet. Bis zu 1100 Häftlinge wurden in zwei Salzbergwerksstollen eingesetzt. Die IG Farben AG ließ dort Rüstungsgüter herstellen, die Firma Tengelmann Waren lagern. Im April des Jahres 1945 wurde dieses Lager schließlich geräumt. Wie für solche Arbeitslager üblich, wurde dies ohne Rücksicht auf die Häftlinge durchgesetzt, wobei die tatsächliche Anzahl der Todesfälle bis heute nicht geklärt werden konnte. Gefunden wurde lediglich ein Massengrab für 246 KZ-Häftlinge aus fünf Nationen. An dieser Stelle wurde bereits am 22. Dezember 1946 eine Gedenkanlage eingeweiht. Mehrere Gedenktafeln erinnern an die Geschichte des Konzentrationslagers und verzeichnen zumindest die Namen einiger Häftlinge. Ein in deutscher und russischer Sprache verfasster Gedenkstein trägt die Inschrift: "Sie starben kurz vor ihrer Befreiung".
Kirchlich gehörte das Dorf Neckargartach im Mittelalter zum Bistum Worms, dessen Gebiet östlich bis an den Neckar heranreichte. Die Pfarrkirche in Neckargartach wird 1295 erstmals erwähnt, das Patrozinium St. Peter 1496 genannt. Der Kirchensatz stand spätestens ab 1425 dem Deutschorden zu, der sich jedoch der in Heilbronn 1530 erfolgten Reformation widersetzte. So kam es erst 1542 mit der erstmaligen Bestellung des evangelischen Pfarrers Heinrich Riesser, eines Sohnes vom Heilbronner Bürgermeister Hans Riesser, zum Einzug der Reformation in Neckargartach. Die Baufälligkeit der ursprünglichen Kirche zwang die Neckargartacher 1767 zu einem völligen Neubau der heutigen Peterskirche. Bei der evang. Pfarrkirche handelt es sich um eine gotische Chorturmanlage; ihr spätbarockes Schiff mit Stichkappen-Gewölbe wurde 1766/67 erbaut. Der spätgotische Schnitzaltar eines Heilbronner Meisters datiert von 1516. Die Kirche besitzt außerdem eine frühbarocke hölzerne Kanzel. Mit der Eingliederung in Württemberg wurde Neckargartach nach 1802 dem neugegründeten Dekanat Heilbronn zugeordnet. 1806 wurde die katholische Konfession der evangelisch-lutherischen und der reformierten in Württemberg gleichgestellt. Die katholischen Neckargartacher gehörten zur Heilbronner Gemeinde St. Peter und Paul. 1959 wurde die katholische St. Michaelskirche in Neckargartach geweiht. Von 1864 an gab es auch eine kleine evangelisch-methodistische Gemeinde in Neckargartach, die sich 1890 die Ebenezer-Kapelle erbaute. 1983 vereinigte sich die methodistische Kirchengemeinde mit Frankenbach und schloss sich im Zuge der Eingemeindung Frankenbachs nach Heilbronn der dortigen Friedenskirchengemeinde an.
Am 11. Oktober 2012 wurde das Archiv des Pfarramtes Neckargartach auf der Grundlage eines Kirchengemeinderatsbeschlusses an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart zur Verwahrung und Verwaltung abgegeben. Das Pfarrarchiv Neckargartach umfasst die Kirchenbücher bis 1875, die Amtsbücher und Akten sowie die Rechnungsunterlagen der Kirchenpflege bis 1966. Die Akten waren nach der Registraturordnung für die Pfarrämter von 1901 vorgeordnet.
Der Bestand, der eine reichhaltige und dichte Quellenlage zur Ortsgeschichte ausweist, umfasst 305 Bestellnummern aus den Jahren 1627-1977 und hat einen Gesamtumfang von 11 laufenden Metern. Die Kirchenbücher sind aus Gründen ihrer Erhaltung für die Benutzung gesperrt und stehen bis 1875 als Mikrofilm zur Einsichtnahme im Mikrofilmlesesaal des Landeskirchlichen Archivs zur Verfügung.
Das Pfarrarchiv wurde im Jahr 2015 von Berit Lütjen, M.A., verzeichnet. Die Abschlussredaktion erfolgte durch Bertram Fink.

Bestandssignatur
G 329
Umfang
11 lfd. m

Kontext
Landeskirchliches Archiv Stuttgart (Archivtektonik) >> G - Pfarrarchive >> Orte mit N
Verwandte Bestände und Literatur
Helmut Schmolz, Hubert Weckbach: Heilbronn. Geschichte und Leben einer Stadt, 2. Auflage, Weißenhorn 1973

Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, Bd. IV, herausgegeben von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Stuttgart 1980, S. 17.

Indexbegriff Ort
Neckargartach, Heilbronn

Provenienz
Evangelisches Pfarramt Neckargartach
Bestandslaufzeit
1627-1977

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Letzte Aktualisierung
11.08.2025, 11:05 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Beteiligte

  • Evangelisches Pfarramt Neckargartach

Entstanden

  • 1627-1977

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