Archivalie
Liebe Darya, Warum schweigen wir? Ich muß mich...
Transkription: Stuttgart 13 Jan 1915 Liebe Darya, Warum schweigen wir? Ich muß mich anstrengen zu schreiben, denn nach einigen Tagen Freiheit: anstrengender Marsch bei der Companie, muss ich mich krank melden, u werde wieder in dieses schreckliche LAzarett gesperrt. Jeder Tag giebt meinem Haß und Trotz neue Nahrung. Ich erkenne meine Feinde, mit denen ich einig sein soll. Ich will mit der Gemeinheit nichts gemein haben. Vielleicht komme ich soweit daß etwas geschehen muss daß ich mich über Eid u Vaterland hinwegsetze. Es wird Dir sehr jünglings- haft erscheinen, was ich Dir da schreibe. Es wird Dich vielleicht an eine Zeit in Deinem Leben erinnern, über die Du längst hin- weg bist. Der Cherubinische Wandersmann ist so recht das Buch das mir nottut. Ich habe es am Neujahrs- morgen erhalten u las im Garten u in der Sonne. Heute ist es mir noch eine Verheissung. Auch ich verspüre die Sagnungen des Kriegs! Er zwingt mich, mit Staat, Partei u Politik mich zu be- fassen; die mir seither fremd waren. Bis jetzt kam der Anarchist heraus! Liebknecht gefällt mir, weil wenigstens Einer da ist, der sich besinnt und etwas wagt. Ich kenne keine Einzelheiten - (es wird ja alles unterdrückt in dieser grossen Zeit-) nur die Tat u den Entrüstungsstrauer las ich. Es ist gut, daß Du keine Zeitungen liest. Sie sind wahrlich grausamer und ihrer ist die Sünde. Lebe Du Dein Blumenleben - und schreibe mir, daß ich seines schreibe mir, daß ich seines Dufts teilhaftig werde. Du hast mir lustige Bildchen geschickt. Ein Eysoldt.Köpfchen - dann: aus den Zeiten des Übermuts; - dann aus der Glanzzeit (d.i. des Pelzes). Aber die Schere und die Eitelkeit! ei-ei. Denke Dir was einem als Deutschen Soldat alles passieren kann. Ich war als Statist ins Theater kommandiert. ich war ein Spanier in larmen Spanien ist ja neutral - es lässt sich also vereinigen mit dem Soldatengeist! Ich muss aufhören, denn eben sagt mir der Arzt etwas das mir wiedermal zu denken giebt. Was ist mit Lilly Glebsattel? und den Württenbergern? Sei gegrüsst LIebe, und schreibe. Oskar Adresse wieder in: Birkenstr. 9
- Sammlung
-
Archiv Oskar Schlemmer
- Inventarnummer
-
AOS 2013/1,29
- Material/Technik
-
Papier; Tinte
- Ereignis
-
Herstellung
- (wer)
- Provenienz
-
Abschrift vorhanden; Kasten 122 Mappe 10
- Rechteinformation
-
Staatsgalerie Stuttgart
- Letzte Aktualisierung
-
28.03.2025, 12:10 MEZ
Datenpartner
Staatsgalerie Stuttgart. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Archivalie
Beteiligte
- Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
- Dora Yekimovsky (1890 - 1972)