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Einige kritische Anmerkungen zum Europäischen Währungssystem
Einige kritische Anmerkungen zum Europäischen Währungssystem Die Bemühungen der Europäischen Gemeinschaft um eine gemeinsame Währungspolitik sind nicht neu. Mit dem am 13. März 1979 vorgenommenen Start des Europäischen Währungssystems (EWS) wurde der vorerst letzte Abschnitt dieser Entwicklung eingeleitet. Der bereits 1972 eingerichtete Europäische Währungsverbund - die sogenannte Schlange - hat das neue System in erheblichem Maße geprägt. Hervorzuheben sind aber folgende wichtige Änderungen: Die Einführung des ECU als Rechen- und Bezugsgröße sowie als Zahlungsmittel, der Einbau der sogenannten Divergenzschwelle in das Bandbreitenkonzept, die beachtliche Aufstockung der Kreditmechanismen unter gleichzeitiger Ausweitung der Kreditlaufzeiten sowie die Vergrößerung des Kreises der beteiligten Länder. In jedem Fall ist unverkennbar, daß das System wesentlich komplizierter angelegt ist als die Schlange. Die mangelnde Übersichtlichkeit kann die Schwächen des Europäischen Währungssystems jedoch nicht verdecken: Zunächst ist bei einer Betrachtung aus nationaler Sicht auf die zusätzlichen Störfaktoren zu verweisen, die für eine konsequente Geldpolitik im allgemeinen und eine Geldmengenziel-Strategie im besonderen wirksam werden können. Darüber hinaus können freilich einige mehr spekulative Überlegungen über die Möglichkeiten einer auf EGEbene harmonisierten Geldmengenpolitik vorgetragen werden, die unter Umständen zu einer weniger negativen Beurteilung des EWS Anlaß geben könnten. Bislang noch unzureichend beachtet wurden die im EWS enthaltenen bzw. mit ihm verknüpften Transferleistungen. Ohne diese Bestandteile wäre das System wohl kaum verabschiedet und gestartet worden. Neben den finanzwirtschaftlichen und kapitalmarktpolitischen Konsequenzen des offenen "Ressourcen-Transfers" geht es dabei auch um die mit den Kreditmechanismen verbundenen versteckten Zinssubventionen. Diese Leistungen sind als Vorgriffe auf einen in seinen Umrissen noch nicht erkennbaren europäischen Finanzausgleich zu sehen. Vermutungen, daß es bei der Schaffung des EWS vor allem um diese zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten ging, erscheinen nicht ganz unberechtigt. Über die geldpolitische und finanzwirtschaftliche Bedeutung hinaus sind mit dem neuen System weiterreichende politische Implikationen verbunden: Es geht einmal um die Beziehungen zwischen Regierung und Notenbank in nationaler Sicht. Zur berücksichtigen sind aber auch die präjudizierenden Wirkungen, die vom EWS auf eine noch zu schaffende europäische Zentralbank ausgehen können. Zum zweiten sind durch die letzlich allein von der Exekutive initiierten und verantworteten Kreditierungen mit ihrem Finanzausgleichscharakter de facto traditionelle parlamentarische Budgetrechte betroffen. Die zu einigen Regelungen und Absprachen des EWS vorgetragene Kritik kommt zu dem Ergebnis, daß die verantwortlichen Politiker die Rationalität des Währungssystems noch einmal überdenken sollten. Gesamtwirtschaftlich und politisch fatal wäre es für die Europäische Gemeinschaft, wenn das EWS überwiegend als ein Finanzierungssystem interpretiert und die Gemeinschaft letztlich zu einer Finanzierungsgemeinschaft für Notfälle degenerieren würde.
- Language
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Deutsch
- Bibliographic citation
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Journal: Kredit und Kapital ; ISSN: 0023-4591 ; Volume: 12 ; Year: 1979 ; Issue: 3 ; Pages: 279-312
- Classification
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Wirtschaft
- Event
-
Geistige Schöpfung
- (who)
-
Caesar, Rolf
Dickertmann, Dietrich
- Event
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Veröffentlichung
- (who)
-
Duncker & Humblot
- (where)
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Berlin
- (when)
-
1979
- DOI
-
doi:10.3790/ccm.12.3.279
- Last update
-
10.03.2025, 11:45 AM CET
Data provider
ZBW - Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften - Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Artikel
Associated
- Caesar, Rolf
- Dickertmann, Dietrich
- Duncker & Humblot
Time of origin
- 1979