Flächendenkmal

Bremerhaven, Eckernfeld, Wurster Straße 49, Eckernfeldstraße 5, Abbestraße

Betrachtet man die Krankenversorgung in den Unterweserstädten im späten 19. Jahrhundert in ihrer Gesamtheit, ist die Situation in der Kreisstadt Lehe als vergleichsweise schlecht zu bezeichnen. Die Kranken wurden in Armenhäusern versorgt. Das erste dieser Art entstand 1865 am Leher Markt, wurde rasch zu klein und 1872 durch ein deutlich größeres Haus mit 36 Betten am Stadtrand, das heutige Marie-von-Seggern-Heim an der Wurster Straße (damals "Kösters Höhren"), ersetzt. Der Aufenthalt im Armenhaus kostete 15 Groschen am Tag. Der Kranke erhielt nach Bezahlung "alles übliche, zudem Befriedigung der religiösen Bedürfnisse und angemessene Beschäftigung", heißt es in alten Berichten. (Fülle 1987) 1887 wurden 61 Kranke gepflegt und damit die Aufnahmekapazität bereits überschritten. Der Ruf der medizinischen Versorgung in Lehe war so schlecht, dass alle, die es sich leisten konnten, sich im 1882 errichteten Krankenhaus an der Bogenstraße im benachbarten Bremerhaven versorgen ließen. Erste Pläne für eine Erweiterung des Hospitals oder einen Neubau stammen aus dem Jahre 1892, als zwei hauptamtliche Rotkreuzschwestern die Pflege im Armenhaus übernahmen. Das Krankenhaus Lehe wurde dann aber erst 1904-1906 errichtet, als Lehe bereits 25.000 Einwohner zählte. Die feierliche Eröffnung der städtischen Krankenanstalt war am 1. September 1906, nachdem der ärztliche Leiter Dr. Adolf Heß bereits im Januar seinen Dienst angetreten hatte. Mit dem Krankenhaus erhielt die Kreisstadt Lehe nun endlich eine vollwertige medizinische Einrichtung, nachdem kurz zuvor Geestemünde mit dem Städtischen Krankenhaus (1905) und Bremerhaven mit dem katholischen St. Joseph-Hospital (1904) weitere vergleichbare Kliniken eröffnet hatten. Das neue Krankenhaus wurde für 120 Betten erbaut, eine Zahl, die bereits einige Jahre später nach der Vergrößerung des Isolierhauses 1909 auf 150 erhöht werden konnte. 1929 erfolgte dann noch eine erhebliche Vergrößerung des Hauptgebäudes durch das Röntgen-Institut nach Entwurf von Stadtbaurat Wilhelm Kunz. In diesen Gebäudeflügel an der Wurster Straße wurde fortan auch der Haupteingang verlegt. Der Krankenhausbetrieb wurde an der Wurster Straße nur bis 1976 aufrechterhalten. Die Stadt konzentrierte zu dieser Zeit ihre Krankenhäuser an der östlichen Ortsgrenze im Zentralkrankenhaus Reinkenheide. Das Krankenhaus Lehe behielt jedoch seinen medizinischen Charakter und wurde Sitz des Gesundheitsamts, später auch anderer städtischer Dienststellen. Das Baugrundstück in direkter Nachbarschaft zum städtischen Armenhaus befand sich 1906 noch abseits des engeren Wohngebiets am Flötenkiel, wo sich die Landstraßen nach Cuxhaven und Otterndorf gabelten. Wohl war die Landstraße nach Cuxhaven (Wurster Straße) vereinzelt bebaut, die Wohnsiedlung auf dem Eckernfeld und das kleine Villenviertel an der Wurster Straße entstanden jedoch erst nach Errichtung der Klinik. Stadtbaumeister Heinrich Lagershausen entwarf 1904 das Krankenhaus Lehe als zweiflügeligen Bau mit drei Hauptgeschossen auf Gemeindeland an der Ecke Wurster- und Abbestraße. Beide Gebäudeflügel sind deutlich von der Straße zurückversetzt und dadurch in die rückseitig parkähnlich fortgeführte Gartenanlage eingebunden. Die Gebäudeflügel sind durch zahlreiche Vor- und Rücksprünge gegliedert. Lagershausen vermied dadurch große Raumtiefen und ermöglichte gleichzeitig eine gute Belichtung und Belüftung der Krankenzimmer. Vom Haupthaus getrennt sind aus hygienischen Gründen das zunächst nur eingeschossige und später um ein Vollgeschoss erhöhte Isolierhaus an der Eckernfeldstraße, die diesem benachbarte Waschküche mit Desinfektion sowie die Leichenhalle an der Abbestraße. Alle Gebäude umschließen den Anstaltsgarten, der mit einem eigenen Rundweg einen durchaus eigenständigen Charakter beweist. Die Architektur ist sehr einfach in ihrem Wechsel zwischen Putzflächen und Gliederungen in steinsichtigem Ziegel. Die Qualität des Entwurfs liegt in der vielfachen Ausbildung übergiebelter Risalite, die im Stile märkischer Gotik in der Trauflinie von Rotsteinbögen eingefasst werden. Besonders schmuckvoll gelang Lagershausen der Entwurf zur Leichenhalle, die mit einer Masswerkrose im Giebelfeld eine sakrale Note erhielt und ursprünglich aufwendig mit Buntglasfenstern verziert war. Der Anbau der Zwischenkriegszeit ist ebenso sachlich, verwendet jedoch eine klassizistische Formensprache bei der Ausbildung der zwei Eingangsportale. Besonders der neue Haupteingang zur Wurster Straße ist mit einer Figurengruppe in dunkelbrauner Majolika über dem Sturz prachtvoll gelungen und zeigt im Inneren eine gut erhaltene, hochwertige Fliesenausstattung des Vestibüls. Die Gebäudegruppe bildet in ihrer Gesamtheit ein eindrucksvolles Ensemble städtischer Fürsorge.

Landesamt für Denkmalpflege Bremen

Rechte vorbehalten - Freier Zugang

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Land
Bremen
Ort
Bremerhaven, Eckernfeld
Lage
Wurster Straße 49, Eckernfeldstraße 5, Abbestraße
Bezeichnung
Krankenhaus Lehe & Gesundheitsamt

Beteiligte
Kunz, Wilhelm [Entwurf]
Lagershausen, Heinrich [Entwurf]
Ereignis
Herstellung
(wann)
1904-1906
Ereignis
Erweiterung
(wann)
1928-1929

Rechteinformation
Landesamt für Denkmalpflege Bremen
Letzte Aktualisierung
28.01.2022, 14:07 MEZ

Objekttyp


  • Krankenhaus

Beteiligte


  • Kunz, Wilhelm [Entwurf]
  • Lagershausen, Heinrich [Entwurf]

Entstanden


  • 1904-1906
  • 1928-1929

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