Bestand
Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Geschichte
Nach der Reichsgründung 1871 stand die
Bildung einer gemeinsamen Eisenbahnverwaltung für alle deutschen Länder
zunächst nicht auf der Tagesordnung. Die süddeutschen Staaten fürchteten
das Übergewicht Preußens und lehnten Bismarcks Reicheisenbahngesetz 1875
endgültig ab. Lediglich die Eisenbahnstrecken in den von Frankreich
abgetrennten Gebieten Elsass und Lothringen unterstanden seit 1871 dem
Reichskanzler.
Für das Eisenbahnwesen in
Deutschland bestand somit bis zur Überführung der
Staatseisenbahnverwaltungen der Länder in den Besitz des Reiches das Netz
der Elsass-lothringischen Eisenbahnen (neben damals 7 Staatsverwaltungen)
als einzige Reichsverwaltung. Dieses Eisenbahnnetz setzte sich aus den
auf Grund des Frankfurter Friedensvertrages vom 10. Mai 1871 an das
Deutsche Reich abgetretenen Teilen der französischen Ostbahn und aus den
durch Staatsvertrag mit dem Großherzogtum Luxemburg vom 11. Juni 1872
pachtweise übernommenen Strecken der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahnen
zusammen. Die neu gebildete "Kaiserliche Generaldirektion der
Reichseisenbahnen in Elsass-Lothringen" war dazu durch Allerhöchsten
Erlass vom 9. Dezember 1871 mit den Befugnissen und Pflichten einer
öffentlichen Behörde eingerichtet worden. Sie unterstand zunächst
unmittelbar dem Reichskanzleramt (Abteilung III für Elsass-Lothringen).
Bei ihr lag bis zur französischen Besetzung von Elsass-Lothringen im
November 1918 auch der Schwerpunkt von Betrieb und Verwaltung.
Für die Entwicklung des Verkehrswesens in
Elsass-Lothringen war neben der besonderen Verkehrslage an der
oberrheinischen Verkehrsstraße und der burgundischen Pforte die
Entwicklung der Industrie von Bedeutung. Während ursprünglich die
Textilindustrie in der Gegend von Mülhausen an erster Stelle stand, trat
mehr und mehr die sich nach Lothringen und Luxemburg verlagernde deutsche
Schwerindustrie in den Vordergrund, dazu kamen die auf eine zufällige
Entdeckung hin entstandenen Kaliwerke im Oberelsass und die allerdings
nicht sehr bedeutende aber in Deutschland damals fast einzige
Petroleumförderung bei Pechelbronn.
Im Interesse
einer reibungslosen Zusammenarbeit zwischen den Trägern des Verkehrs und
den produzierenden Stellen wurde am 1. Oktober 1874 ein
"Eisenbahnausschuss" aus Vertretern der Handelskammern, der Industrie und
der Landwirtschaft eingerichtet. Dieser erste Eisenbahnausschuss wurde
später zum Vorbild für die bei den übrigen deutschen
Staatsbahnverwaltungen angegliederten Eisenbahnräte. Auch in der
Tariffrage betrat die Generaldirektion durch Schaffung des sogenannten
Wagenraumtarifs neue Wege.
Die Einweihung der
ersten Eisenbahnen in Elsass-Lothringen, der Strecke Straßburg - Basel,
fand bereits am 19. und 20. September 1841 statt. Dreißig Jahre später,
bei Übernahme der Elsass-lothringischen Eisenbahnen durch das Deutsche
Reich, betrug die Streckenlänge 768,21 km, dazu kamen noch 174,54 km der
Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahngesellschaft. Unter deutscher Verwaltung kamen
mehr als 1200 km hinzu.
Technisch galten die
Reicheisenbahnen in jeder Hinsicht als Musteranlagen: Die
Umschlagseinrichtungen zwischen Eisenbahn und Binnenschifffahrt wurden
auf den höchsten Grad technischer Leistungsfähigkeit gebracht; die
Bahnhöfe in Straßburg und Metz wurden anstelle von kleinen
Provinzbahnhöfen zu Großstadtbahnhöfen mit allen Erfordernissen der
Neuzeit umgebaut. Die Reineinnahmen betrugen im Jahre 1872 mehr als 5
Millionen Mark, sie stiegen 1890 auf 20 Millionen, 1900 auf 86 Millionen
Mark und bezifferten sich im letzten Friedensjahr 1913 auf 153 Millionen
Mark.
Am 27. Mai 1878 wurde durch kaiserlichen
Erlass das Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen mit Sitz in
Berlin eingerichtet. Es war eine dem Reichskanzler unmittelbar
unterstellte Zentralbehörde zur Leitung der Verwaltung der Eisenbahnen in
Elsass-Lothringen und den angrenzenden Landesteilen. Die Generaldirektion
der Reichseisenbahnen in Elsass-Lothringen wurde nunmehr dem als
Landesaufsichtsbehörde fungierendem Reichsamt für die Verwaltung der
Reichseisenbahnen nachgeordnet. Mit der Leitung der Behörde war der
jeweilige Preußische Minister der öffentlichen Arbeiten betraut. Erster
Chef des Reichsamts war Staatsminister Albert von Maybach (1822-1904),
später folgten ab Juni 1891 Karl von Thielen (1832-1906), ab Juni 1902
Hermann von Budde (1851-1906) und ab 1906 Paul von Breitenbach
(1850-1930).
Für die unmittelbare Verwaltung war
die Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen mit Sitz in
Straßburg zuständig. Bis zum 1. Oktober 1909 bestand sie aus drei
Abteilungen:
Abteilung 1 für Betrieb,
Abteilung 2 für Bau,
Abteilung 3
für Verkehrs- und allgemeine Verwaltung.
Dazu
leiteten Betriebsdirektionen, Verkehrsinspektionen,
Maschineninspektionen, Werkstätteninspektionen und eine
Telegrafeninspektion die verschiedenen Zweige des Betriebes und Verkehrs,
während technische Zentralbüros (das betriebstechnische, das
bautechnische, das maschinentechnische und das Materialienbüro) eine
Reihe allgemeiner, in den Bereich der Zentralverwaltung fallender,
Geschäfte selbständig bearbeiteten.
Mit dem 1.
Oktober 1909 trat eine Reorganisation in Kraft, deren Bedeutung im
Wesentlichen in der Beseitigung der Betriebsdirektionen ohne Ersatz und
der Aufhebung der Zentralbüros und der Telegrafeninspektion beruht, deren
Geschäfte von nun an von der Generaldirektion selbst bearbeitet wurden.
Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Abteilungen auf 5:
Abteilung 1 für die allgemeine Verwaltung, Finanz- und
Etatswesen,
Abteilung 2 für den Betrieb,
Abteilung 3 für das Verkehrswesen,
Abteilung 4 für den Bau,
Abteilung 5 für das
Maschinen- und Werkstättenwesen.
Die 17
Betriebsinspektionen in Elsass-Lothringen und 3 Betriebsinspektionen in
Luxemburg unterstanden unmittelbar der Generaldirektion. Der Vorstand der
deutschen Betriebsverwaltung in Luxemburg war sämtlichen Dienststellen
des Bezirkes sachlich übergeordnet.
An
Verkehrsinspektionen waren 8 vorhanden: in Basel, Mülhausen, Colmar,
Straßburg, Saargemünd, Metz, Diedenhofen und Luxemburg. Der
Verkehrsinspektor in Basel bekleidete zugleich die Stelle eines
Repräsentanten der deutschen Verwaltung gegenüber der Schweiz.
Maschineninspektionen gab es 6: in Mülhausen, Straßburg, Saargemünd,
Metz, Diedenhofen und Luxemburg. Hauptwerkstätten befanden sich in
Mülhausen, Bischheim bei Straßburg, Montigny bei Metz und Niederjeutz bei
Diedenhofen. Sie waren den Werkstätteninspektionen in Bischheim und
Montigny je zwei (für Lokomotiv- und für Wagenbau je eins) unterstellt.
Nebenwerkstätten, die den Maschineninspektionen unterstellt waren, gab es
in Saargemünd und Luxemburg.
Alle Inspektionen
führten seit dem Jahre 1911 die Bezeichnung Ämter, Betriebsamt,
Maschinenamt u.s.w.).
Die Eingliederung des
Preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten in den
Verwaltungsorganismus des Reiches verstärkte den Einfluss des Chefs der
preußischen Staatsbahnen gegenüber den Leitern der übrigen
bundesstaatlichen Eisenbahnverwaltungen und verringerte die Bedeutung des
Reichseisenbahnamts für die mit der Landesverteidigung zusammenhängenden
Fragen. 7
Nach der Abtretung Elsass-Lothringens an
Frankreich infolge des Versailler Vertrages übernahm das
Reichsverkehrsministerium im Herbst 1919 die Abwicklungsaufgaben des
Reichsamts.
Der Quellenwert der übernommenen
Aktenbestände der Generaldirektion in Straßburg wurde seinerzeit durch
das Reichsarchiv als "hinreichend" bezeichnet. "Abgesehen von einigen
historisch interessanten Einzelheiten aus der letzten Zeit Kaiser Wilhelm
I. und des Fürsten Bismarck [liegt] ihr Wert für die Geschichte des
Deutschen Reiches... darin, dass beim Reichsamt fast alle Fragen, die das
Preußische Ministerium der öffentlichen Arbeiten beschäftigt haben, ihren
Niederschlag in einer mehr gedrängten und übersichtlichen Form gefunden
haben."9
Verwiesen sei auf die Besonderheiten der
Verkehrslage Elsass-Lothringens am Schnitt wichtiger Nord-Süd und
Ost-West-Verbindungen und der daraus resultierenden Überlieferung
archivalischer Quellen. So befinden sich in den Aktenbeständen Unterlagen
von Verhandlungen über den Bau großer Alpendurchstiche (Gotthardbahn,
Ostalpenbahn, Simplonbahn), des Verkehrs zwischen England, Belgien, der
Niederlande sowie der Schweiz und Italien, des Verkehrs zwischen den
Balkanstaaten, Österreich-Ungarn sowie den süddeutschen Verwaltungen
einerseits und Frankreich und Spanien andererseits. Weitere Unterlagen
sind zum Bau- und Konstruktionswesen, zum Betriebsdienst, zu Personen-,
Gepäck- und Güterverkehr vorhanden. Ein umfangreicher Bestandsteil
spiegelt das Tarifwesen wider, darunter auch soziale Aspekte unter
Berücksichtigung fremdsprachlicher Probleme. Maßnahmen gegen Spionage,
Sabotage und Agententätigkeit, auch Verfolgung politischer Gegner halten
die "Geheimakten A und B" fest, Aussagen zu militärischen Sachverhalten,
besonders der Mobilmachung, dem Krieg 1914/18, zum Waffenstillstand und
den Friedensverhandlungen findet man in den "Geheimakten M".
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte
Die Aktenbestände der
Generaldirektion der Reichseisenbahnen in Straßburg sind in den Besitz
Frankreichs übergegangen. Einige wenige Akten aus dem ehemaligen
Zentralen Staatsarchiv Potsdam befinden sich im Bestand R 4202
Generaldirektion der Reichseisenbahnen in Elsass-Lothringen im
Bundesarchiv.
Die Akten des Reichsamts für die
Verwaltung der Reichseisenbahnen wurden dem Reichsarchiv im Herbst 1931
zur Übernahme angeboten. Aus dem gesamten Aktenbestand von etwa 4000
Aktenbänden wurden unter Berücksichtigung der damals bestehenden
Bestimmungen 1313 Aktenbände zur dauernden Aufbewahrung in das
Reichsarchiv übernommen. Es sind offenbar keine Kriegsverluste
eingetreten.
Archivische Bewertung und
Bearbeitung
Die durch das Reichsarchiv
übernommenen Aktenbestände des Reichsamtes für die Verwaltung der
Reichseisenbahnen sind im Jahre 1932 geordnet, verzeichnet und auf
Karteikarten aufgenommen worden, anschließend wurde ein Findbuch für den
Bestand (heute: R 4201) gefertigt.
Im Jahre 2008
ist der Bestand anhand des von 1932 vorliegenden Findbuches in der
Datenbank BASYS-S des Bundesarchivs erfasst worden. Dies erfolgte mittels
Eingabe in die Datenbank BASYS-S des Bundesarchivs mit dem Zwecke der
Onlinestellung der Findbuchangaben. Die intensiven Verzeichnungsangaben
wurden größtenteils original mit den seinerzeit verwendeten Abkürzungen
übernommen.
Bei der Verzeichnung wurden nur die
numerischen Archivsignaturen beibehalten, bei vorgefundenen Akten mit
Bandnummerierungen (z.B. 154 a) erhielt jeder Band eine neue
Archivsignatur. Das betraf alle Akten mit der jetzt neuen Archivsignatur
R 4201/729 bis R 4201/1430. Die bisherigen Signaturen wurden als
Altsignaturen aufgeführt, die Akten selbst sind im Jahre 2008 im Zuge
einer Bestandsrevision und magazintechnischer Arbeiten umsigniert
worden.
Inhaltliche Charakterisierung:
Organisation und Verwaltung des Reichsamtes 1870-1920 (186), Haushalt und
Kassenverwaltung 1870-1921(386), Personalangelegenheiten: Beamtensachen
1871-1920 (385), Besondere Personalangelegenheiten (Geheimakten B)
1872-1919 (13), Bau- und Konstruktionswesen 1864-1919 (152),
Betriebsdienst 1871-1918 (86), Personen- und Gepäckverkehr 1871-1918
(21), Güterverkehr 1871-1919 (169), Tarifangelegenheiten 1871-1919 (145),
Maßnahmen gegen Spionage, Sabotage und Agententätigkeit, auch Verfolgung
politischer Gegner (Geheimakten A) 1881-1919 (14), Mobilmachung, Krieg,
Waffenstillstand, Friedensverhandlungen (Geheimakten M) 1872-1920
(93)
Online Findbuch (2009)
Insgesamt umfasst der im Bundesarchiv lagernde Bestand 1430 Akten.
Zusammen mit den Beständen des Reichseisenbahnamts (R 4101) und der
Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen (R 4202) existiert
damit ein ziemlich lückenloses Aktenmaterial für die Frühzeit der
Verkehrsorganisation des Eisenbahnzeitalters in Deutschland - unbenommen
seiner inhaltlichen Korrespondenz mit den Akten des Preußischen
Ministeriums der öffentlichen Arbeiten, die sich im Preußischen Geheimen
Staatsarchiv in Berlin-Dahlem befinden und der Vielzahl archivalischer
Quellen zur Eisenbahngeschichte in Archiven der Länder, Kreise und
Städte.
Der Quellenwert der übernommenen
Aktenbestände der Generaldirektion in Straßburg wurde seinerzeit durch
das Reichsarchiv als "hinreichend" bezeichnet. Abgesehen von einigen
historisch interessanten Einzelheiten aus der letzten Zeit Kaiser Wilhelm
I. und des Fürsten Bismarck [liegt] ihr Wert für die Geschichte des
Deutschen Reiches... darin, dass beim Reichsamt fast alle Fragen, die das
Preußische Ministerium der öffentlichen Arbeiten beschäftigt haben, ihren
Niederschlag in einer mehr gedrängten und übersichtlichen Form gefunden
haben.
Verwiesen sei auf die Besonderheiten der
Verkehrslage Elsass-Lothringens am Schnitt wichtiger Nord-Süd und
Ost-West-Verbindungen und der daraus resultierenden Überlieferung
archivalischer Quellen. So befinden sich in den Aktenbeständen Unterlagen
von Verhandlungen über den Bau großer Alpendurchstiche (Gotthardbahn,
Ostalpenbahn, Simplonbahn), des Verkehrs zwischen England, Belgien, der
Niederlande sowie der Schweiz und Italien, des Verkehrs zwischen den
Balkanstaaten, Österreich-Ungarn sowie den süddeutschen Verwaltungen
einerseits und Frankreich und Spanien andererseits. Weitere Unterlagen
sind zum Bau- und Konstruktionswesen, zum Betriebsdienst, zu Personen-,
Gepäck- und Güterverkehr vorhanden. Ein umfangreicher Bestandsteil
spiegelt das Tarifwesen wider, darunter auch soziale Aspekte unter
Berücksichtigung fremdsprachlicher Probleme. Maßnahmen gegen Spionage,
Sabotage und Agententätigkeit, auch Verfolgung politischer Gegner halten
die "Geheimakten A und B" fest, Aussagen zu militärischen Sachverhalten,
besonders der Mobilmachung, dem Krieg 1914/18, zum Waffenstillstand und
den Friedensverhandlungen findet man in den "Geheimakten M".
Ergänzende Überlieferungen
Weitere Überlieferungen enthalten die Bestände R 4101
Reichseisenbahnamt und R 4202 Generaldirektion der Eisenbahnen in
Elsass-Lothringen.
Im Geheimen Staatsarchiv
preußischer Kulturbesitz in Berlin befinden sich die Akten des
preußischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten (Bestand I. HA Rep. 93
B Ministerium der öffentlichen Arbeiten).
Zitierweise: BArch R
4201/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch R 4201
- Umfang
-
1422 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Post, Verkehr
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen, 1873-1919
Entstanden
- (1864-) 1871-1919 (-1921)