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Grundsätzliches zur Besteuerung von Grundstücksgewinnen

Die wesentlichen Ergebnisse der vorstehenden Überlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Berücksichtigung der durch nicht-realisierte Wertsteigerungen bei bebauten Grundstücken erhöhten steuerlichen Leistungsfähigkeit der Eigentümer empfiehlt sich eine Einbeziehung der gestiegenen Erträge dieser Grundstücke (wobei bei Selbstnutzung eine laufende Anpassung der "Eigenmieten" an den jeweils neuesten Stand der Marktmieten zu erfolgen hätte) in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer und daneben eine Vermögensbesteuerung auf der Basis der jeweiligen, die Wertsteigerung voll widerspiegelnden Marktwerte. Es würde so einerseits der wirklich realisierte Einkommenszuwachs erfaßt und andererseits das gestiegene "Sicherheitspotential", das das werterhöhte Vermögen verschafft. Die Besteuerung solcher Wertzuwächse als Einkommenselement oder als einkommenähnliche Vermögenszuwächse würde erstens eine "Scheinrealisierung" vermittels Kredit anregen, was inflationistisch wirken würde, und zweitens ergäbe sich eine Doppelbesteuerung, sofern die zusätzlichen Erträge aus dem wertgestiegenen Vermögen in die Besteuerung einbezogen würden. Realisierte Wertsteigerungen aus Verkäufen bebauter Grundstücke sollten bei der Besteuerung als zusätzliche Einkommen behandelt werden, sofern die Erlöse nicht zu anderweitigem Vermögenserwerb verwendet werden. Im "Umwandlungsfall" ist die erhöhte Leistungsfähigkeit nach wie vor nur in den höheren Erträgen und im gestiegenen "Sicherheitspotential" gegeben. Wird kein Vermögen erworben, so tritt eine Leistungsfähigkeitserhöhung durch einen Einkommenszufluß in voller Höhe der Wertsteigerung auf. Wird eine Abschöpfung der Vorteile aus der Wertsteigerung angestrebt, weil sich diese Vorteile ohne eigene Anstrengung oder Leistung des Eigentümers ergeben, so kommen als Methoden eine Zwangsbeteiligung des Staates durch Verschuldung an diesen in Höhe des Wertzuwachses mit entsprechender Verzinsungsverpflichtung oder eine volle Abschöpfung des auf die Wertsteigerung zurückgehenden Zusatzertrags in Betracht. Mit diesen Methoden könnte auch eine partielle Abschöpfung der Vorteile bewirkt werden durch Festsetzung eines unter 100 %/o liegenden Satzes. Bei ihrer Anwendung ergäbe sich weder eine "Scheinrealisierung" durch Kreditnahme noch eine Doppelbelastung. Die Abschöpfung hätte nichts mit einer steuerlichen Belastung zusätzlicher Leistungsfähigkeit zu tun, sondern würde auf eine Sozialisierung "auto matisch" entstehender zusätzlicher Erwerbschancen zielen. Ob eine Vollabschöpfung mit den Grundsätzen einer marktwirtschaftlichen Ordnung vereinbar ist, muß bezweifelt werden. Bei unbebauten Grundstücken erscheint die steuerliche Behandlung nicht-realisierter Wertsteigerungen als leistungsfähigkeitserhöhende zusätzliche Einkommensteile vertretbar: Eine Doppelbelastung kann wegen Fehlens laufender Erträge nicht entstehen und die Gefahr einer inflationär wirkenden "Scheinrealisierung" ist relativ klein. Von der bodenpolitischen Zielsetzung her, einen Verkaufsdruck auf die Eigentümer zu bewirken und so das Angebot solcher Grundstücke zu steigern, ist die Besteuerung nicht-realisierter Wertsteigerungsgewinne beim unbebauten Boden zu befürworten, allerdings sollten gewisse Ausnahmen gemacht werden. Ebenso ist die Erhebung einer "Planungsgewinnabgabe" (eines Planungswertausgleichs), mit deren Hilfe die durch Genehmigung der (erhöhten) baulichen Nutzung geschaffene Wertsteigerung abgeschöpft werden soll, grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Sprache
Deutsch

Erschienen in
Journal: Kredit und Kapital ; ISSN: 0023-4591 ; Volume: 6 ; Year: 1973 ; Issue: 3 ; Pages: 255-294

Klassifikation
Wirtschaft

Ereignis
Geistige Schöpfung
(wer)
Haller, Heinz
Ereignis
Veröffentlichung
(wer)
Duncker & Humblot
(wo)
Berlin
(wann)
1973

DOI
doi:10.3790/ccm.6.3.255
Letzte Aktualisierung
10.03.2025, 11:42 MEZ

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Objekttyp

  • Artikel

Beteiligte

  • Haller, Heinz
  • Duncker & Humblot

Entstanden

  • 1973

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