Bestand

Kirchengemeinde Wattenscheid (Bestand)

Bestandsbeschreibung: 0. EINFÜHRUNG 0.1. Kurze Geschichte der Evangelischen Gemeinde Wattenscheid Die Anfänge der reformierten Gemeinde in Wattenscheid gehen bis auf das Jahr 1614 zurück. Vom 6. Januar 1614 an wirkte als erster Prediger unter den evangelisch-lutherisch gesinnten Wattenscheidern Melchior Ebbinghaus. Ende Januar siedelte aus der Gemeinde Oberwenigern ein Vikar des dortigen Pfarrers Fabrizius, um das reine Evangelium zu predigen, nach Wattenscheid über, wo er im Hause des Bürgermeisters Hermann Honscheid lebte und predigte. Es war der Vikar Dietrich Schluck. Die Anfänge der reformierten Gemeinde sollte man im Zusammenhang mit dem alten Rittergut Steinhaus betrachten.Das Gut Steinhaus übte einen wesentlichen Einfluss auf die Verbreitung des Calvinismus in Wattenscheid aus. Dort fanden auch schon vor 1613 von Prediger Pont aus Bladenhorst gehaltene reformierte Gottesdienste statt. Am 8. März 1614 erließ der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm einen Befehl, durch den die weitere Ausübung der lutherischen Religion gewährleistet wurde und der lutherischen Gemeinde das Rathaus in Wattenscheid zur Verfügung gestellt wurde. Daraufhin richteten die Lutheraner aus eigenen Mitteln im Rathaus einen Betsaal ein und benutzten ihn bis zur Erbauung einer eigenen Kirche. Das Verhältnis der katholischen Gemeinde zur lutherischen Gemeinde war zu jener Zeit kein friedliches. Während des 30jährigen Krieges, als die Grafschaft Mark unter spanische Herrschaft fiel (1623 - 1629), wurden der lutherischen Gemeinde alle Revenüen aus der Vikarie Beatae Marie und St. Catharine abgenommen und der katholischen Gemeinde übergeben. Dies verursachte langjährige Streitigkeiten um den Besitz kirchlicher Pfründen. Erst durch den Befehl der kurfürstlichen Regierung zu Cleve aus dem Jahre 1669 bekam die lutherische Gemeinde die Vilkarien Beatae Marie und St. Catharine zurück. Infolge des 30jährigen Krieges, der die Freiheit Wattenscheids hart mitgenommen hatte, wurde die Entwicklung der lutherischen Gemeinde gehemmt, so dass am 27. Dezember 1651 in einem "Verzeichnis derer, die da beschlossen haben auf die Augsburgsche Konfession zu leben und zu sterben" 28 Familien aufgezählt werden. Die unter Denkmalschutz stehende Alte Kirche am Alten Markt hat eine besondere Bedeutung für die Geschichte der Evangelischen Gemeinde, weil sie das erste Gotteshaus ist, das nach Einzug der Reformation in Wattenscheid erbaut und damit zum sichtbaren Beweisstück des reformatorischen Bekenntnisses wurde. Im Oktober 1676 wurde der lutherischen Gemeinde von den in Wattenscheid geborenen Halbbrüdern Johann Schilder und Dietrich Schmedden (sesshaft in Libau, Kurland) der ihnen gehörende Freyhof zur Erbauung einer Kirche geschenkt. Unter Pfarrer Heinrich Lehnemann, dem 1676 die Konzession erteilt wurde, begann die Gemeinde etwa im Jahre 1683 mit dem Bau ihrer Kirche. Die lange Bauzeit von 80 Jahren und das Fehlen eines zwar geplanten, aber nie gebauten Kirchturms ist auf die Armut der damaligen lutherischen Gemeinde und auf die Ungunst der Zeit zurückzuführen. Nachem der Kirchenbau der lutherischen Gemeinde fertig gestellt war, konnte den Reformierten in Wattenscheid das Rathaus für den Gottesdienst zur Verfügung gestellt werden. Schon im Jahre 1652 hatten sie die Mitbenutzung beansprucht, waren aber zurückgewiesen worden, so dass es zu einem offenen Kampf zwischen den Mitgliedern beider evangelischer Konfessionen kam. Der schwerste Zusammenstoß fand im Jahre 1652 statt, als die Lutheraner die Leichenfeier des reformierten Goswin von Hüllen in dem fast ganz von ihnen nach dem Brand im Jahre 1635 neuerbauten Rathaus nicht zulassen wollten. Die reformierte Gemeinde war klein und gehörte lange Zeit zu Bochum; erst im Jahre 1709 hatte König Friedrich Wilhelm I. Ihnen in Wattenscheid die öffentliche Religionsausübung in einem teilweise zum Rathaus gehörenden Gebäude gestattet. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts erhielt die Gemeinde mehrere Schenkungen, die zum Unterhalt des Predigers beitrugen. Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gemeinden entzündeten sich erneut nach 1772, als das reformierte Konsistorium die Mitbenutzung der lutherischen Kirche beanspruchte. Während der Napoleonischen Kriege wurde die Grafschaft Mark dem Großherzogtum Berg einverleibt. Schon die bergisch-französische Regierung hatte nach dem Tod des reformierten Predigers Herx (9. Mai 1809) am 9.Juni verfügt, dass die reformierte Gemeinde wegen der geringen Zahl an Gemeindemitgliedern zu den anderen "protestantischen Unterrichtsanstalten eingehen sollte". Dagegen wehrte sich die reformierte Gemeinde. Nach der Wiedervereinigung der Grafschaft Mark mit dem preußischen Staat setzten die Bestrebungen nach der Vereinigung beider evangelischer Gemeinden in Wattenscheid in verstärktem Maße wieder ein. Am 21. November 1817 begannen die Verhandlungen und am 15. Dezember erfolgte die Bestätigung vom zuständigen Ministerium. Am 26. März, dem Palmsonntag, traten die beiden evangelischen Gemeinden zusammen und vollzogen durch einen feierlichen kirchlichen Akt ihre Vereinigung zur evangelischen Kirchengemeinde zu Wattenscheid. Als sich im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Industrie und mit ihr der Bergbau in einer früher ungeahnten Weise zu entwickeln begannen und innerhalb der Grenzen der Gemeinde Zechen erbaut und Kohlenschächte erstellt wurden, nahm auch die Bevölkerungszahl rasch zu. Dies führte im Jahre 1874 zur Aufspaltung des nördlichen Teils der Gemeinde, es entstanden im Jahre 1893 die selbständigen evangelischen Gemeinden Braubauerschaft und Ückendorf. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde für die sich rasch entwickelnde Gemeinde die Alte Kirche zu klein. Eine neue Kirche wurde - in zweijähriger Bauzeit (1879 - 1880) - mitten in dem sich neu bildenden Zentrum der Stadt auf dem Grundstück des damaligen Pfarrhauses zwischen der Heidestraße (heute Hochstraße) und der Chausseestraße (heute Westenfelder Straße) errichtet. Der an der Westenfelder Straße stehende 50 m hohe Turm wurde ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt Wattenscheid. "Friedenskirche" wurde die im typischen Stil des ausklingenden 19. Jahrhunderts erbaute Kirche genannt. Die Alte Kirche stellte die Gemeinde für Gottesdienste für polnisch sprechende Zuwanderer aus Masuren zur Verfügung. Im Jahre 1893 hat die Gemeinde ein Grundstück zur Errichtung eines Friedhofes an der Westenfelder Straße erworben, nachdem der alte Friedhof an der Voedestraße zu klein geworden ist. Die Einweihung des neuen Friedhofes fand am 4. März 1894 statt. Im Jahre 1883 tauchte der Gedanke auf, ein Krankenhaus für die Gemeinde zu erwerben. Das Gebäude und das Grundstück wurden auf Kosten der Kirchenkasse von Anton Dickmann (1886) erworben. In den Jahren 1900 bis 1901 hat die Gemeinde wegen Unzulänglichkeiten des gekauften Hauses einen Krankenhaus-Neubau errichtet. Das alte Krankenhaus wurde renoviert und als Pfarrhaus neu eingerichtet, der Anbau des hinteren Teils diente von nun an als Gemeindehaus. Die Jahrhundertwende war auch für die Gemeindebezirke Günnigfeld und Höntrop der Auftakt zu besonderen Anstrengungen. Der Günnigfelder Gemeindebezirk wurde nach der Errichtung einer Hilfspredigerstelle und des Betsaales im Jahre 1904 aus der Muttergemeinde ausgepfarrt. In Höntrop erbaute die Gemeinde im Jahre 1903 eine Kapelle und durch die Errichtungsurkunde vom 15. Februar 1908 genehmigte das Konsistorium zu Münster eine neue (vierte) Pfarrstelle in Höntrop. Die fünfte Pfarrstelle wurde für den Pfarrbezirk Leithe im Jahre 1922 genehmigt. Nachdem die Finanzierung gesichert war, hat man 1929 mit dem Bau eines Gemeindehauses und einer Predigerstätte in Leithe begonnen. Die Einweihung des Gemeindehauses im Pfarrbezirk Leithe fand am 7.Dezember 1930 statt. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 hatte durch den aus dem Gesamtraum der Evangelischen Kirche kommenden und bis in die Kirchengemeinde vordringenden Einbruch der Deutschen Christen Auseinandersetzungen zur Folge. Auch in der evangelischen Gemeinde in Wattenscheid wurde in Gesprächen und scharfen Auseinandersetzungen um die Lebensfragen der Evangelischen Kirche hart gerungen. Die evangelische Gemeinde in Wattenscheid hat sich in ihrer Mehrheit treu zum evangelischen Glauben bekannt und sich damit der Westfälischen Bekenntnissynode unterstellt und deren Beschlüsse anerkannt. Im Laufe der sechs Kriegsjahre richteten sich schwere Bombenangriffe der Alliierten gegen Städte und Dörfer, gegen die Industrie und die Versorgungszentren. Bei Luftangriffen - besonders im Jahre 1943 - wurden auch kircheneigene Gebäude teils mittelschwer und teils total beschädigt. Die schwersten Schäden erlitt das evangelische Krankenhaus "Lutherstift". Doch nach notdürftigen Reparaturen konnten die Räume bald wieder benutzt werden. Die Nachkriegsjahre waren durch eine ungeheure Not gekennzeichnet. Die Arbeit des Evangelischen Hilfswerks setzte ein, und man suchte auch in der Gemeinde die Not zu lindern. Nach und nach gelangte die Kirchengemeinde in die Lage, die endgültige Beseitigung der Kriegsschäden an kircheneigenen Gebäuden in Angriff zu nehmen. Seit dem 1. Juli 1954 besteht der Gesamtverband evangelischer Kirchengemeinden des Kirchenkreises Gelsenkirchen, dem auch die Kirchengemeinde Wattenscheid angehört. Im selben Jahr wurde der "Kirchliche Bauverein der ev. Kirchengemeinde Wattenscheid-Mitte e.V." gegründet, dessen Zweck in der Aufbringung und Bereitstellung von Mitteln für die Schaffung neuer Räumlichkeiten bestand, die die Durchführung eines lebendigen kirchlichen Gemeindelebens und im Besonderen den Aufbau der Jugendarbeit sowie die Instandhaltung und Ausgestaltung vorhandener Gebäude in Wattenscheid-Mitte sichern sollten. Das Presbyterium beschloss am 15.11.1954, auf dem - von der Arenberg-Bergbau-Gesellschaft geschenkten - Grundstück an der Freiligrathstraße (heute Ludwig-Steil-Straße) eine Predigtstätte mit Jugendheim und Gemeinderäumen zu errichten. Die Einweihung des ersten Gemeindezentrums mit Predigerstätte, dem Ludwig-Steil-Haus, erfolgte am 15. Dezember 1956. Das Ludwig-Steil-Haus "Offene Tür" bietet den Jugendlichen zahlreiche Möglichkeiten, in verschiedenen Arbeitskreisen und Hobyygruppen mitzuarbeiten und an Bildungsseminaren teilzunehmen. Gleich danach entstand an der Ludwig-Steil-Straße in der Nähe des Gemeindezentrums ein Pfarrhaus. Für eine wirksame Betätigung der Gemeindegruppen (vor allem für die Jugend) hat sich die Einrichtung eines neuen Gemeindezentrums als unentbehrlich erwiesen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache hat das Presbyterium schon im Jahre 1953 die Errichtung eines Jugendheimes (mit Kindergarten) in seine Baupläne aufgenommen. Die feierliche Einweihung des neu gebauten ev. Jugendheimes und des Kindergartens in Wattenscheid-Höntrop fand am 31. Mai 1959 statt. Am 1. Januar 1962 trat die Teilung der evangelischen Kirchengemeinde in Kraft. Die Kirchengemeinde Wattenscheid gliedert sich von nun an in die Gemeinden Wattenscheid, Wattenscheid-Höntrop und Wattenscheid-Leithe. Die neu entstandene Gemeinde umfasste folgende Einrichtungen: eine im Zentrum der Stadt gelegene große Kirche mit rund 1000 Sitzplätzen, die Friedenskirche; die innerhalb des 1. Pfarrbezirks im Westen der Stadt gelegene Alte Kirche am Alten Markt mit rund 250 Sitzplätzen; die Gottesdienststätte im Ludwig-Steil-Haus (innerhalb des 4. Pfarrbezirks) mit rund 200 Sitzplätzen; das Ludwig-Steil-Haus, ein der ganzen Gemeinde als Sammlungsstätte dienendes großes Gemeindehaus und Jugendfreizeitheim; das alte Gemeindehaus an der Voedestraße, in dem auch der Kindergarten untergebracht war; zwei Pfarrhäuser an der Friedenskirche für die Inhaber der 1. und 3. Pfarrstelle; zwei Mietshäuser mit je einer Pfarrwohnung in der Voedestraße und in der Freiligrathstraße; ein Konfirmandensaal an der Friedenskirche, der 30 Personen Platz bot; ein kleines Haus ain der Hochstraße 4 a, in dem im ersten Stock in drei Räumen das Gemeindeamt untergebracht war; das Küsterhaus (ein baufälliges Fachwerkhaus). Die Jugend-, Männer- und kirchenmusikalische Arbeit war überpfarrbezirklich zu ordnen. Es war sehr schwer, den Mitarbeiterkreisen, Dienstgruppen und Gemeindekreisen in einem, wenn auch noch so zweckmäßig gebauten und eingerichteten Gemeindehaus, Heimat geben zu wollen, zumal dann, wenn es in keiner Weise zentral liegt. Der Bevollmächtigten-Ausschuss der ev. Kirchengemeinde Wattenscheid hat sich in einer Oktobersitzung 1962 mit Fragen der Entwicklung und Bauplanung der ev. Gemeinde befasst. Im Jahre 1962 wurde das Ziel gesetzt, überschaubare Gemeinden zu bilden, d.h. überschaubare gottesdienstliche Gemeinden, Mitarbeiterkreise, Gemeindekreise, zu denen der Pfarrer lebendige und auch durchaus persönliche Beziehungen unterhalten kann. Das Konzept wurde durch die Gemeinde nach und nach realisiert. Um die Aktivitäten erweitern und die Wirkung der Gemeindearbeit gewährleisten zu können, mussten von der Kirchengemeinde umfangreiche Bauaufgaben in Angriff genommen werden, die nicht nur das Aussehen der kirchlichen Gebäude veränden sollten, sondern auch als Basis für eine modern verwaltete Kirchengemeinde für die Zukunft unentbehrlich waren, um somit der Bevölkerung als Seelsorge- und Gottesdienststätte besser dienen zu können. Im Jahre 1965 wurde das Pfarrhaus für den Inhaber der 1. Pfarrstelle bezogen. Das Haus entstand auf dem schon vorhandenen und um etwa 1000 qm erweiterten Grundstück am Alten Markt. Am 19. Februar 1967 wurde ein neues Gemeindehaus, das den Namen Albert Schweitzers trägt, im Zentrum von Wattenscheid an der Alten Kirche eingeweiht. Das Gemeindezentrum Albert-Schweitzer-Haus steht für die Jugend, den kirchlichen Unterricht, die Bibelstunden, den Kindergottesdienst und andere Veranstaltungen für junge und ältere Gemeindemitglieder zur Verfügung. Im Jahre 1970 bekam der seit Mitte der 20er Jahre in der Gemeinde Wattenscheid bestehende Kindergarten neue Räume an der Lutherstraße 3. Am 31.8.1976 wurde ein weiterer Kindergarten an der Ludwig-Steil-Straße (beim Jugendheim) eingeweiht. Der Gedanke, ein Gemeindezentrum für den 5. Pfarrbezirk zu bauen, wurde nach dem im Jahre 1962 gefassten Konzept erst durch den Erwerb von Grundstücken an der Westenfelder Straße und Ridderstraße im Jahre 1965 realisierbar. Zuerst entstanden zwei Pfarrhäuser, das Pfarrhaus Am Mühlenteich 1 für den Inhaber der 5. Pfarrstelle (1962) und das Pfarrhaus an der Harkortstraße 36 (1965). Am 24.9.1978 wurde das Gemeindezentrum Westenfeld im 5. Pfarrbetzirk eingeweiht. Das Gemeindehaus mit Gottesdienstraum und Altentagesstätte bietet Räume für Gemeinde-Gruppen-Arbeit, hier trifft sich der Kontaktclub "Die Brücke" (für psychisch Kranke und ihre Angehörigen), der großen Anklang findet und viele engagierte Mitarbeiter aus der Kirchengemeinde hat. Das Gemeindezentrum ist ebenso ein Treffpunkt für den ev. Gesellen- und Meisterverein, den ev. Männerchor und die Wattenscheider Kantorei. Seit 1983 besitzt die Kirchengemeinde Wattenscheid neue Gemeindebüroräume. Das Haus Voedestraße 91 hatte die Gemeinde von der Zeche Zentrum erworben. Nach dem Umbau des Hauses entstand eine zusammenhängende Einheit von Krankenhaus-Verwaltung, Gemeindebüro, Gemeineraum und Pfarrwohnung für die Inhaberin des 2. Pfarrbezirks. Zur Kirchengemeinde Wattenscheid gehört der Friedhof an der Werstenfelder Straße. Heute ist der Friedhof etwa 90.000 qm groß. Die Friedhofskapelle, die Ruhekammern, das Büro des Friedhofsverwalters und die verpachtete Friedhofsgärtnerei bilden den äußeren Rahmen eines modernen Stadtfriedhofes. Die ev. Kirchengemeinde Wattenscheid ist der Träger des Martin-Luther-Krankenhauses. Bei der Eröffnung im Jahre 1886 erhielt das Haus den Namen "Martin-Luther-Stift", der 1956 in Martin-Luther-Krankenhaus" geändert wurde. Seit 1977 arbeitet eine Gruppe von Gemeindemitgliedern als Besuchsdienst der ev. Gemeinde erfolgreich für die Patienten; die Gruppe besucht regelmäßig die Patienten auf den Stationen und bietet neben praktischen Hilfsdiensten auch ihre Bereitschaft zum Zuhören und zum Gespräch an. Der Besuchsdienst versteht sich als Dienst der Gemeinde und soll deutlich machen, dass das Martin-Luther-Krankenhaus nicht nur der Kirchengemeinde gehört, sondern auch wirklich von der Gemeinde getragen wird. 0.2. Die Archivgeschichte Die älteste Urkunde im Archiv der ev. Kirchengemeinde Wattenscheid stammt aus dem Jahre 1482 und betrifft die damals katholische Vicarie Beatae Mariae et sanctae Catarinae, deren Vermögen nach fünfzigjährigem Streit im Jahre 1669 den Lutherischen zugewiesen wurde. Über diese Auseinandersetzung sowie über die Entwicklung uind die äußeren und inneren Angelegenheiten der Gemeinde, den Kirchenbau, die Pfarrer und Schullehrer erhält man in den Urkunden und Akten des Altarchivs Auskunft. Das Altarchiv besteht aus Archivalien der reformierten und der lutherischen Gemeinde. Die erste Archivordnung nahm August Schulze (aus Naumburg a.d.Saale) vor, der 10 Jahre nach der Union der beiden ev. Konfessionen im Jahre 1820 Pastor in Wattenscheid war und während seiner 26jährigen Tätigkeit (1830 bis 1856) die Inhaltsverzeichnisse anfertigte und Geschichtsbeiträge verfasste. Auf Schulzes Arbeiten beruht die "Kurze chronologische Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde in Wattenscheid" von Kirchmeister Berg, die in der Wattenschieder Zeitung (Nr. 123, 126 und 128, 1907) veröffentlicht wurde. In der darauffolgenden Zeit ist das Archiv in Vergessenheit geraten. Wie aus dem Beitrag über Wattenscheider Archive aus dem Jahr 1921 ("Wattenscheider Aufsätze und Vorträge, 1902 - 1935". Hg. V. E. Schulte, 1936) hervorgeht, war das Archiv zu dieser Zeit nicht geordnet. Die Archivalien der beiden ev.-lutherischen und ev.-reformierten Gemeinden wurden danach in den Jahren 1931 - 1932 durch den Stadtarchivar in Münster E. Schulte ausführlich bearbeitet und restauriert. E. Schulte hatte die Archivbestände der ev. Gemeinde bis in das Jahr 1821 bearbeitet und in die folgenden Sachgruppen (und die entsprechenden Aktenbände) eingeteilt: A. Lutherische Gemeinde I. Entstehung und Entwicklung der Gemeinde II. Bildung und Verwaltung des Vermögens III. Kirchenrechnungen IV. Auseinandersetzung mit den Katholiken V. Pastor VI. Schule VII. Kapelle zum Grimberg VIII. Edikte B. Reformierte Gemeinde C. Fremde Archivbestände I. Katholisches Kirchspiel Wattenscheid II. Adel, Bürger und Bauern im Gemeindegebiet Wattenscheid III. Auswärtige Die Urkunden und Akten wurden (vermutlich von Schulte) nach dem Numerus-currens-Verfahren geordnet und in die o.g.Bände gefasst. Die ausführliche Erschließung des Inhaltes sämtlicher Schriften des Archivs bis 1821 stellte E. Schulte im zweiten Band seines Werkes "Urkunden und Akten zur Geschichte von Wattenscheid", der im Jahr 1935 erschien, dar. Im Jahre 1937 wurde vom ehemaligen Vorsitzenden des Presbyteriums, Pfarrer Heuser, der Journalist a.D. A. Küster beauftragt, das Archiv der Gemeinde, "das zum Teil verwahrlost ist", zu ordnen. Es handelte sich dabei um die nicht von Schulte geordneten Archivbestände, also jene nach dem Jahr 1821. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Archiv der ev. Kirchengemeinde im Luftschutzbunker an der Marienstraße untergebracht. Bei der Sicherung der Bestände und ihrer vorschriftsmäßigen Lagerung hat ebenfalls A. Küster mitgearbeitet. Aus de von A. Küster hergestellten Archivalien-Liste, die im Luftschutzbunker untergebracht waren, geht hervor, dass er eine Mappe mit Urkunden und Akten aus den Jahren 1639 - 1861/62 eingelegt hatte, die von 1937 an von ihm erst aufgefunden wurden und deswegen als von Schulte nicht verzeichnet und nicht ins Altarchiv eingebunden wurden, zu betrachten sind. Es handelt sich hier um Dokumente, die zwar vonihrem Ursprung her ins Altarchiv gehörten, aber aus den o.g. Gründen jetzt im neuarchiv ihren Platz gefunden haben und da im Inhalt entsprechender Sachgruppen unter den folgenden Nummern auftreten: Nr. 411 Bericht des luth. Konsistoriums über Erbverhältnisse betr. das vom gestorbenen Pächter Blocksiepe (gen. König) erbaute Haus, 1639 Nr. 489 Schenkung des Freyhofes durch die Halbbrüder Diederich Schmedden und Johann Schilder der luth. Gemeinde, 14. Oktober (?) 1676 Nr. 490 Schenkung Ianna Dünsings, 1678 Nr. 491 Stiftungsbestätigung der Halbbrüder Schmedden und Schilder zu Libau und Kollektenbescheinigung, 1681 Nr. 412 Übertragung des Blocksiepschen Hauses an J. Hermann Küper, 1754 Nr. 413 Abtretung des Blocksiepschen (gen. König) Hauses an Johann Ortmann, 1754 Nr. 422 Vertrag über die Verpachtung eines Gartengrundstückes an die Eheleute Kise, 1698 Nr. 519 (1) Ein Dekret der Königlichen Regierung in Berlin betr. röm.-kath. Gemeinde in Wattenscheid und luth. Gemeinde in Bochum, 1721 Nr. 323 Gruften-Plan auf dem ev. Kirchhof, 1772 - 1801 Es muss bemerkt werden, dass nicht alle der o.g. Dokumente E. Schulte bei seiner Arbeit unbekannt waren. Die Urkunden: "Schenkung des Freyhofes durch die Halbbrüder Diederich Schmedden und Johann Schilder", "Stiftungsbestätigung der Halbbrüder Schmedden und Schilder zu Libau und Kollektenbescheinigung" sowie die "Schenkung eines Grundstückes von Ianna Dünsing" sind von E. Schulte in seinen "Urkunden und Akten zur Geschichte von Wattenscheid", Bd. II, lutherisches Archiv, durchaus inhaltlich ausführlich beschrieben. Als Quelle für die Bearbeitung diente allerdings das Regest im Manuskript "Archivinventar des Pfarrers Schulze", da Schulte das Original für verloren hielt. Bei der von E. Schulte beschriebenen Kollektenbescheinigung und Stiftungsbestätigung handelt es sich um eine - mit dem von Küster gefundenen Dokument inhaltsgleiche - Eintragung im Kollektenbuch II, das inzwischen im Altarchiv fehlt. Alle Dokumente aus der von Küster eingelegten Mappe wurden im Neuarchiv in die Gruppe "Vermögensverwaltung" aufgenommen. 0.3. Gliederung. Arbeitsbeschreibung Vom Herbst 1988 an begannen die neuen Ordnungsarbeiten im Archiv der ev. Gemeinde Wattenscheid. Zu Beginn der Archivarbeiten waren die Akten des Gemeindearchivs fast vollkommen unsortiert. Die erste Archivangestellte, Annette Zehnter, hat (von Herbst 1988 bis März 1989) alle Akten unsystematisch - nach ihrem Standort - so wie sie vorlagen, aufgenommen und in mehreren Bündeln zusammengefasst und mit provisorischen Signaturen versehen. Es wurde eine Liste der Archivalien durch eine Kurztitelaufnahme und Angaben über ihre jeweilige Laufzeit grob verzeichnet. Anhand der ersten Liste wurde entsprechend den Empfehlungen des Landeskirchlichen Archivs Bielefeld eine zweite Grobsortierung vorgenommen. Im April 1989 begann Bernadeta Fleischer im Archiv zu arbeiten und setzte die Ordnungsarbeiten fort. Es wurde die folgende Grobsortierung des auf den o.g. Listen verzeichneten Materials vorgefunden: 1. Gruppe: Aktenmaterial aus dem 17. Bis 20. Jahrhundert mit dem Schwerpunkt 18./19. Jahrhundert, gelagert in einem Eisenschrank 2. Gruppe: Über 60 Kirchenbücher vom 18. Jahrhundert an bis heute 3. Gruppe: Altarchiv, vom Archivar E. Schulte gebundene, restaurierte und verzeichnete Akten. Ca. 800 Akten (nur wenige lose Blätter) von Schulte aufgeführt - 716 4. Gruppe: Ein im Gemeindehaus verstreuter Aktenband aus den 30er Jahren und der Nachkriegszeit bis 1984 Anhand der zweiten Liste aus der ersten Phase der Archivarbeit begann B. Fleischer - nach den vom Landeskirchlichen Archiv Bielefeld empfohlenen Schema zur Ordnung von Kirchengemeinde-Archiven - eine ausführliche Verzeichnung der Bestände. Als Ergebnis der Ordnungs- und Verzeichnungs-Tätigkeit im Archiv entstanden Findhilfsmittel. Sie ermöglichen dem Benutzer den Zugang zu den Archivdokumenten und dienen dem Archiv der ev. Kirchgengemeinde in Wattenscheid als Eigentumsnachweis. Aus praktischen und technischen Gründen entstand zunächst eine Findkartei, die das günstigste Arbeitsmittel im Prozess der Verzeichnung und Ordnung darstellt, da sie ohne Schwierigkeiten und Probleme den wechselnden Anforderungen der Archivarbeit angepasst werden kann. Die Gliederung und Reihung der Karteikarten innerhalb der Findkartei erfolgte nach den Grundsätzen des o.g.Schemas. Die Ordnungsgruppen wurden durch Leitkarten kenntlich und einfach überschaubar gemacht. Für jede Akte wurde eine Karteikarte angelegt, auf der neben dem Aktentitel stichwortartig (wenn nötig jedoch auch ausführlicher) der Inhalt charakterisiert und erfasst wurde. Zum Teil wurden dabei der besseren Übersicht wegen alte Aktentitel übernommen. Die provisorische Signatur wurde auf der Karteikarte unten links bewahrt, die neue endgültige Signatur ist rechts oben vermerkt, wobei nach dem Numerus-currens-Verfahren vorgegangen worden ist. Rechts unten befindet sich die Zeit-Angabe. Restaurierungsbedürftige bzw. für den Benutzer zu sperrende Akten erhielten auf der Karteikarte rechts oben einen Vermerk und zwar den Index 'r' bzw. 'G'. Die für Benutzer gesperrten Akten befinden sich in der Sachgruppe "Personalien". Die Karteikarten wurden inenrhalb einer Sachgruppe (Untertitel) chronologisch geordnet. Die Kartei stellt die Vorstufe zum Findbuch dar. Das von B. Fleischer erstellte Findbuch ist die Buchform der Kartei, die nach deren endgültigen redaktionellen Überarbeitung entstanden ist. Es gewährleistet eine einfache Übersicht, ermöglicht eine zusammenhängende Orientierung über ganze Bandreihen und das gesamte Aktenmaterial. Im Inhaltsverzeichnis ist die Übersicht über die Gliederungen aller Archivgruppen und Untergruppen gegeben. Um dem Benutzer die Arbeit mit dem Findbuch und die Orientierung zu erleichtern, sind die einzelnen Aktentitel mit Verweisen versehen worden, die inhaltlich auf alle zusammenhängenden Akten verschiedener Gruppen innerhalb des Neuarchivs verweisen. Die Zusammenhänge bezüglich des Altarchivs wurden ebenso durch Verweise auf das Aktenverzeichnis von Schulte (und die entsprechenden Nummern) kenntlich gemacht. Für das Altarchiv wurden einige Korrekturen notwendig, da einige von Schulte verzeichnete Akten fehlten. Im Anhang des Finbuches befinden sich Konkordanzlisten bezüglich der in den "Urkunden und Akten zur Geschichte von Wattenscheid" nach dem Numerus-currens-Verfahren verzeichneten Akten und dem entsprechenden im Altarchiv fehlenden Aktenstück. Die Listen wurden einzeln für jeden Aktenband hergestellt. Die fehlenden Nummern sind mit Verweisen versehen, damit die Suche nach anderen Informationsquellen über ein fehlendes Schriftstück erleichtert werden kann oder auf inhaltlich in Zusammenhang stehende Akten im Neu- oder Altarchiv verwiesen wird. Am Ende jeder Liste befindet sich ein (kurzes) Verzeichnis eingebundener Akten, die nicht von Schulte in sein Verzeichnis aufgenommen, aber wahrscheinlich von Küster in die jeweiligen Bände eingelegt worden sind. Bei der Ordnung des Archivs wurden Akten und Materielien gefunden, die von ihrer Laufzeit her E. Schulte hätte erfassen uind einbinden müssen. Es handelt sich hier um Akten aus der Gruppe "Kirchenrechnungen - luth. und ref. Gemeinde", Revision und Notatenbeantwortung der Kirchenrechnungen". Die vorhandenen Bauzeichnungen wurden als gesonderte Gruppe (VIII) zusammengefasst, die Kirchenbücher als Gruppe IX. Zusätzlich zur geschriebenen (drucktechnischen) Form ist von B. Fleischer eine Computer-Version des Findbuches erstellt worden, die als Datei (auf Disketten) der Gemeinde überlassen worden ist. Das Computer-Findbuch wurde im Textverarbeitungsprogramm "WORD 4" (Microsoft) hergestellt (ist jedoch auch in jeder anderen Version des Programms lesbar) und kann mit Hilfe einfachster Suchbefehle äußerst komfortabel gehandhabt werden, indem die Datei nach bestimmten - gerade gesuchten - Begriffen einfach durchforstet werden kann, und somit dem Benutzer die Möglichkeit gibt, auch komplizierte Zusammenhänge der Akten, Querverweise, Namen und dergl. einfach wiederzufinden oder gar fallspezifische Suchraster selbst herzustellen. Bernadeta Fleischer, Historikerin Wattenscheid, 1990 Literatur: Berg, Kurze chronologische Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid von Kirchmeister Berg, in: Wattenscheider Zeitung, Nr. 123, 126, 128, 1907. Chronik der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid von der Gründung bis 1916. Gemeindearchiv der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid, o.J. (Manuskript). Festschrift zum ersten Gottesdienst in der Evangelischen Friedenskirche zu Wattenscheid nach ihrer Umgestaltung am Sonntag, den 2. April 1967. Hg. v. Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid, 1967. 50 Jahre "Lutherstift" Wattenscheid. Festschrift. 1951 (Broschüre). 100 Jahre Friedenskirche Wattenscheid 1880 - 1980. Hg. v. Presbyterium der Evangelischen Gemeinde Wattenscheid, 1980. 100 Jahre Martin-Luther-Krankenhaus 1886 - 1986. Hg. v. Martin-Luther-Krankenhaus, 1986. Lappe, Joseph, Kirchengeschichte Wattenscheids. Teil I: Von der Gründung bis 1821. Wattenscheid 1942. Schulte, Eduard, Geschichte der Freiheit Wattenscheid. Festschrift der Stadt Wattenscheid zu ihrer 500. Jahresfeier. Wattenscheid 1925. Schulte, Eduard, Kirchengeschichte Wattenscheids. Teil II: Von 1821 bis 1945. Wattenscheid 1952. Schulte Eduard, Hellmich, Bernhard (Hrsg.), Wattenscheider Aufsätze und Vorträge 1902 - 1935, in: Beiträge zur Wattenscheider Geschichte. Heft 7. Wattenscheid 1936. Murken, Dr. Jens: Die evangelischen Gemeinden in Westfalen. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 3. - Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte und Luther-Verlag, 2019.

Form und Inhalt: 0. EINFÜHRUNG
0.1. Kurze Geschichte der Evangelischen Gemeinde Wattenscheid
Die Anfänge der reformierten Gemeinde in Wattenscheid gehen bis auf das Jahr 1614 zurück. Vom 6. Januar 1614 an wirkte als erster Prediger unter den evangelisch-lutherisch gesinnten Wattenscheidern Melchior Ebbinghaus. Ende Januar siedelte aus der Gemeinde Oberwenigern ein Vikar des dortigen Pfarrers Fabrizius, um das reine Evangelium zu predigen, nach Wattenscheid über, wo er im Hause des Bürgermeisters Hermann Honscheid lebte und predigte. Es war der Vikar Dietrich Schluck.
Die Anfänge der reformierten Gemeinde sollte man im Zusammenhang mit dem alten Rittergut Steinhaus betrachten.Das Gut Steinhaus übte einen wesentlichen Einfluss auf die Verbreitung des Calvinismus in Wattenscheid aus. Dort fanden auch schon vor 1613 von Prediger Pont aus Bladenhorst gehaltene reformierte Gottesdienste statt.
Am 8. März 1614 erließ der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm einen Befehl, durch den die weitere Ausübung der lutherischen Religion gewährleistet wurde und der lutherischen Gemeinde das Rathaus in Wattenscheid zur Verfügung gestellt wurde. Daraufhin richteten die Lutheraner aus eigenen Mitteln im Rathaus einen Betsaal ein und benutzten ihn bis zur Erbauung einer eigenen Kirche.
Das Verhältnis der katholischen Gemeinde zur lutherischen Gemeinde war zu jener Zeit kein friedliches. Während des 30jährigen Krieges, als die Grafschaft Mark unter spanische Herrschaft fiel (1623 - 1629), wurden der lutherischen Gemeinde alle Revenüen aus der Vikarie Beatae Marie und St. Catharine abgenommen und der katholischen Gemeinde übergeben. Dies verursachte langjährige Streitigkeiten um den Besitz kirchlicher Pfründen. Erst durch den Befehl der kurfürstlichen Regierung zu Cleve aus dem Jahre 1669 bekam die lutherische Gemeinde die Vilkarien Beatae Marie und St. Catharine zurück. Infolge des 30jährigen Krieges, der die Freiheit Wattenscheids hart mitgenommen hatte, wurde die Entwicklung der lutherischen Gemeinde gehemmt, so dass am 27. Dezember 1651 in einem "Verzeichnis derer, die da beschlossen haben auf die Augsburgsche Konfession zu leben und zu sterben" 28 Familien aufgezählt werden.
Die unter Denkmalschutz stehende Alte Kirche am Alten Markt hat eine besondere Bedeutung für die Geschichte der Evangelischen Gemeinde, weil sie das erste Gotteshaus ist, das nach Einzug der Reformation in Wattenscheid erbaut und damit zum sichtbaren Beweisstück des reformatorischen Bekenntnisses wurde. Im Oktober 1676 wurde der lutherischen Gemeinde von den in Wattenscheid geborenen Halbbrüdern Johann Schilder und Dietrich Schmedden (sesshaft in Libau, Kurland) der ihnen gehörende Freyhof zur Erbauung einer Kirche geschenkt. Unter Pfarrer Heinrich Lehnemann, dem 1676 die Konzession erteilt wurde, begann die Gemeinde etwa im Jahre 1683 mit dem Bau ihrer Kirche. Die lange Bauzeit von 80 Jahren und das Fehlen eines zwar geplanten, aber nie gebauten Kirchturms ist auf die Armut der damaligen lutherischen Gemeinde und auf die Ungunst der Zeit zurückzuführen.
Nachem der Kirchenbau der lutherischen Gemeinde fertig gestellt war, konnte den Reformierten in Wattenscheid das Rathaus für den Gottesdienst zur Verfügung gestellt werden. Schon im Jahre 1652 hatten sie die Mitbenutzung beansprucht, waren aber zurückgewiesen worden, so dass es zu einem offenen Kampf zwischen den Mitgliedern beider evangelischer Konfessionen kam. Der schwerste Zusammenstoß fand im Jahre 1652 statt, als die Lutheraner die Leichenfeier des reformierten Goswin von Hüllen in dem fast ganz von ihnen nach dem Brand im Jahre 1635 neuerbauten Rathaus nicht zulassen wollten. Die reformierte Gemeinde war klein und gehörte lange Zeit zu Bochum; erst im Jahre 1709 hatte König Friedrich Wilhelm I. Ihnen in Wattenscheid die öffentliche Religionsausübung in einem teilweise zum Rathaus gehörenden Gebäude gestattet.
Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts erhielt die Gemeinde mehrere Schenkungen, die zum Unterhalt des Predigers beitrugen. Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gemeinden entzündeten sich erneut nach 1772, als das reformierte Konsistorium die Mitbenutzung der lutherischen Kirche beanspruchte.
Während der Napoleonischen Kriege wurde die Grafschaft Mark dem Großherzogtum Berg einverleibt. Schon die bergisch-französische Regierung hatte nach dem Tod des reformierten Predigers Herx (9. Mai 1809) am 9.Juni verfügt, dass die reformierte Gemeinde wegen der geringen Zahl an Gemeindemitgliedern zu den anderen "protestantischen Unterrichtsanstalten eingehen sollte". Dagegen wehrte sich die reformierte Gemeinde. Nach der Wiedervereinigung der Grafschaft Mark mit dem preußischen Staat setzten die Bestrebungen nach der Vereinigung beider evangelischer Gemeinden in Wattenscheid in verstärktem Maße wieder ein.
Am 21. November 1817 begannen die Verhandlungen und am 15. Dezember erfolgte die Bestätigung vom zuständigen Ministerium. Am 26. März, dem Palmsonntag, traten die beiden evangelischen Gemeinden zusammen und vollzogen durch einen feierlichen kirchlichen Akt ihre Vereinigung zur evangelischen Kirchengemeinde zu Wattenscheid.
Als sich im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Industrie und mit ihr der Bergbau in einer früher ungeahnten Weise zu entwickeln begannen und innerhalb der Grenzen der Gemeinde Zechen erbaut und Kohlenschächte erstellt wurden, nahm auch die Bevölkerungszahl rasch zu. Dies führte im Jahre 1874 zur Aufspaltung des nördlichen Teils der Gemeinde, es entstanden im Jahre 1893 die selbständigen evangelischen Gemeinden Braubauerschaft und Ückendorf.
In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde für die sich rasch entwickelnde Gemeinde die Alte Kirche zu klein. Eine neue Kirche wurde - in zweijähriger Bauzeit (1879 - 1880) - mitten in dem sich neu bildenden Zentrum der Stadt auf dem Grundstück des damaligen Pfarrhauses zwischen der Heidestraße (heute Hochstraße) und der Chausseestraße (heute Westenfelder Straße) errichtet. Der an der Westenfelder Straße stehende 50 m hohe Turm wurde ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt Wattenscheid. "Friedenskirche" wurde die im typischen Stil des ausklingenden 19. Jahrhunderts erbaute Kirche genannt. Die Alte Kirche stellte die Gemeinde für Gottesdienste für polnisch sprechende Zuwanderer aus Masuren zur Verfügung.
Im Jahre 1893 hat die Gemeinde ein Grundstück zur Errichtung eines Friedhofes an der Westenfelder Straße erworben, nachdem der alte Friedhof an der Voedestraße zu klein geworden ist. Die Einweihung des neuen Friedhofes fand am 4. März 1894 statt.
Im Jahre 1883 tauchte der Gedanke auf, ein Krankenhaus für die Gemeinde zu erwerben. Das Gebäude und das Grundstück wurden auf Kosten der Kirchenkasse von Anton Dickmann (1886) erworben. In den Jahren 1900 bis 1901 hat die Gemeinde wegen Unzulänglichkeiten des gekauften Hauses einen Krankenhaus-Neubau errichtet. Das alte Krankenhaus wurde renoviert und als Pfarrhaus neu eingerichtet, der Anbau des hinteren Teils diente von nun an als Gemeindehaus.
Die Jahrhundertwende war auch für die Gemeindebezirke Günnigfeld und Höntrop der Auftakt zu besonderen Anstrengungen. Der Günnigfelder Gemeindebezirk wurde nach der Errichtung einer Hilfspredigerstelle und des Betsaales im Jahre 1904 aus der Muttergemeinde ausgepfarrt. In Höntrop erbaute die Gemeinde im Jahre 1903 eine Kapelle und durch die Errichtungsurkunde vom 15. Februar 1908 genehmigte das Konsistorium zu Münster eine neue (vierte) Pfarrstelle in Höntrop. Die fünfte Pfarrstelle wurde für den Pfarrbezirk Leithe im Jahre 1922 genehmigt. Nachdem die Finanzierung gesichert war, hat man 1929 mit dem Bau eines Gemeindehauses und einer Predigerstätte in Leithe begonnen. Die Einweihung des Gemeindehauses im Pfarrbezirk Leithe fand am 7.Dezember 1930 statt.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 hatte durch den aus dem Gesamtraum der Evangelischen Kirche kommenden und bis in die Kirchengemeinde vordringenden Einbruch der Deutschen Christen Auseinandersetzungen zur Folge. Auch in der evangelischen Gemeinde in Wattenscheid wurde in Gesprächen und scharfen Auseinandersetzungen um die Lebensfragen der Evangelischen Kirche hart gerungen. Die evangelische Gemeinde in Wattenscheid hat sich in ihrer Mehrheit treu zum evangelischen Glauben bekannt und sich damit der Westfälischen Bekenntnissynode unterstellt und deren Beschlüsse anerkannt.
Im Laufe der sechs Kriegsjahre richteten sich schwere Bombenangriffe der Alliierten gegen Städte und Dörfer, gegen die Industrie und die Versorgungszentren. Bei Luftangriffen - besonders im Jahre 1943 - wurden auch kircheneigene Gebäude teils mittelschwer und teils total beschädigt. Die schwersten Schäden erlitt das evangelische Krankenhaus "Lutherstift". Doch nach notdürftigen Reparaturen konnten die Räume bald wieder benutzt werden. Die Nachkriegsjahre waren durch eine ungeheure Not gekennzeichnet. Die Arbeit des Evangelischen Hilfswerks setzte ein, und man suchte auch in der Gemeinde die Not zu lindern. Nach und nach gelangte die Kirchengemeinde in die Lage, die endgültige Beseitigung der Kriegsschäden an kircheneigenen Gebäuden in Angriff zu nehmen.
Seit dem 1. Juli 1954 besteht der Gesamtverband evangelischer Kirchengemeinden des Kirchenkreises Gelsenkirchen, dem auch die Kirchengemeinde Wattenscheid angehört.
Im selben Jahr wurde der "Kirchliche Bauverein der ev. Kirchengemeinde Wattenscheid-Mitte e.V." gegründet, dessen Zweck in der Aufbringung und Bereitstellung von Mitteln für die Schaffung neuer Räumlichkeiten bestand, die die Durchführung eines lebendigen kirchlichen Gemeindelebens und im Besonderen den Aufbau der Jugendarbeit sowie die Instandhaltung und Ausgestaltung vorhandener Gebäude in Wattenscheid-Mitte sichern sollten.
Das Presbyterium beschloss am 15.11.1954, auf dem - von der Arenberg-Bergbau-Gesellschaft geschenkten - Grundstück an der Freiligrathstraße (heute Ludwig-Steil-Straße) eine Predigtstätte mit Jugendheim und Gemeinderäumen zu errichten. Die Einweihung des ersten Gemeindezentrums mit Predigerstätte, dem Ludwig-Steil-Haus, erfolgte am 15. Dezember 1956. Das Ludwig-Steil-Haus "Offene Tür" bietet den Jugendlichen zahlreiche Möglichkeiten, in verschiedenen Arbeitskreisen und Hobyygruppen mitzuarbeiten und an Bildungsseminaren teilzunehmen.
Gleich danach entstand an der Ludwig-Steil-Straße in der Nähe des Gemeindezentrums ein Pfarrhaus.
Für eine wirksame Betätigung der Gemeindegruppen (vor allem für die Jugend) hat sich die Einrichtung eines neuen Gemeindezentrums als unentbehrlich erwiesen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache hat das Presbyterium schon im Jahre 1953 die Errichtung eines Jugendheimes (mit Kindergarten) in seine Baupläne aufgenommen. Die feierliche Einweihung des neu gebauten ev. Jugendheimes und des Kindergartens in Wattenscheid-Höntrop fand am 31. Mai 1959 statt.
Am 1. Januar 1962 trat die Teilung der evangelischen Kirchengemeinde in Kraft. Die Kirchengemeinde Wattenscheid gliedert sich von nun an in die Gemeinden Wattenscheid, Wattenscheid-Höntrop und Wattenscheid-Leithe.
Die neu entstandene Gemeinde umfasste folgende Einrichtungen: eine im Zentrum der Stadt gelegene große Kirche mit rund 1000 Sitzplätzen, die Friedenskirche; die innerhalb des 1. Pfarrbezirks im Westen der Stadt gelegene Alte Kirche am Alten Markt mit rund 250 Sitzplätzen; die Gottesdienststätte im Ludwig-Steil-Haus (innerhalb des 4. Pfarrbezirks) mit rund 200 Sitzplätzen; das Ludwig-Steil-Haus, ein der ganzen Gemeinde als Sammlungsstätte dienendes großes Gemeindehaus und Jugendfreizeitheim; das alte Gemeindehaus an der Voedestraße, in dem auch der Kindergarten untergebracht war; zwei Pfarrhäuser an der Friedenskirche für die Inhaber der 1. und 3. Pfarrstelle; zwei Mietshäuser mit je einer Pfarrwohnung in der Voedestraße und in der Freiligrathstraße; ein Konfirmandensaal an der Friedenskirche, der 30 Personen Platz bot; ein kleines Haus ain der Hochstraße 4 a, in dem im ersten Stock in drei Räumen das Gemeindeamt untergebracht war; das Küsterhaus (ein baufälliges Fachwerkhaus). Die Jugend-, Männer- und kirchenmusikalische Arbeit war überpfarrbezirklich zu ordnen. Es war sehr schwer, den Mitarbeiterkreisen, Dienstgruppen und Gemeindekreisen in einem, wenn auch noch so zweckmäßig gebauten und eingerichteten Gemeindehaus, Heimat geben zu wollen, zumal dann, wenn es in keiner Weise zentral liegt.
Der Bevollmächtigten-Ausschuss der ev. Kirchengemeinde Wattenscheid hat sich in einer Oktobersitzung 1962 mit Fragen der Entwicklung und Bauplanung der ev. Gemeinde befasst. Im Jahre 1962 wurde das Ziel gesetzt, überschaubare Gemeinden zu bilden, d.h. überschaubare gottesdienstliche Gemeinden, Mitarbeiterkreise, Gemeindekreise, zu denen der Pfarrer lebendige und auch durchaus persönliche Beziehungen unterhalten kann. Das Konzept wurde durch die Gemeinde nach und nach realisiert.
Um die Aktivitäten erweitern und die Wirkung der Gemeindearbeit gewährleisten zu können, mussten von der Kirchengemeinde umfangreiche Bauaufgaben in Angriff genommen werden, die nicht nur das Aussehen der kirchlichen Gebäude veränden sollten, sondern auch als Basis für eine modern verwaltete Kirchengemeinde für die Zukunft unentbehrlich waren, um somit der Bevölkerung als Seelsorge- und Gottesdienststätte besser dienen zu können.
Im Jahre 1965 wurde das Pfarrhaus für den Inhaber der 1. Pfarrstelle bezogen. Das Haus entstand auf dem schon vorhandenen und um etwa 1000 qm erweiterten Grundstück am Alten Markt.
Am 19. Februar 1967 wurde ein neues Gemeindehaus, das den Namen Albert Schweitzers trägt, im Zentrum von Wattenscheid an der Alten Kirche eingeweiht. Das Gemeindezentrum Albert-Schweitzer-Haus steht für die Jugend, den kirchlichen Unterricht, die Bibelstunden, den Kindergottesdienst und andere Veranstaltungen für junge und ältere Gemeindemitglieder zur Verfügung.
Im Jahre 1970 bekam der seit Mitte der 20er Jahre in der Gemeinde Wattenscheid bestehende Kindergarten neue Räume an der Lutherstraße 3. Am 31.8.1976 wurde ein weiterer Kindergarten an der Ludwig-Steil-Straße (beim Jugendheim) eingeweiht.
Der Gedanke, ein Gemeindezentrum für den 5. Pfarrbezirk zu bauen, wurde nach dem im Jahre 1962 gefassten Konzept erst durch den Erwerb von Grundstücken an der Westenfelder Straße und Ridderstraße im Jahre 1965 realisierbar. Zuerst entstanden zwei Pfarrhäuser, das Pfarrhaus Am Mühlenteich 1 für den Inhaber der 5. Pfarrstelle (1962) und das Pfarrhaus an der Harkortstraße 36 (1965).
Am 24.9.1978 wurde das Gemeindezentrum Westenfeld im 5. Pfarrbetzirk eingeweiht. Das Gemeindehaus mit Gottesdienstraum und Altentagesstätte bietet Räume für Gemeinde-Gruppen-Arbeit, hier trifft sich der Kontaktclub "Die Brücke" (für psychisch Kranke und ihre Angehörigen), der großen Anklang findet und viele engagierte Mitarbeiter aus der Kirchengemeinde hat. Das Gemeindezentrum ist ebenso ein Treffpunkt für den ev. Gesellen- und Meisterverein, den ev. Männerchor und die Wattenscheider Kantorei.
Seit 1983 besitzt die Kirchengemeinde Wattenscheid neue Gemeindebüroräume.
Das Haus Voedestraße 91 hatte die Gemeinde von der Zeche Zentrum erworben. Nach dem Umbau des Hauses entstand eine zusammenhängende Einheit von Krankenhaus-Verwaltung, Gemeindebüro, Gemeineraum und Pfarrwohnung für die Inhaberin des 2. Pfarrbezirks.
Zur Kirchengemeinde Wattenscheid gehört der Friedhof an der Werstenfelder Straße. Heute ist der Friedhof etwa 90.000 qm groß. Die Friedhofskapelle, die Ruhekammern, das Büro des Friedhofsverwalters und die verpachtete Friedhofsgärtnerei bilden den äußeren Rahmen eines modernen Stadtfriedhofes.
Die ev. Kirchengemeinde Wattenscheid ist der Träger des Martin-Luther-Krankenhauses. Bei der Eröffnung im Jahre 1886 erhielt das Haus den Namen "Martin-Luther-Stift", der 1956 in Martin-Luther-Krankenhaus" geändert wurde. Seit 1977 arbeitet eine Gruppe von Gemeindemitgliedern als Besuchsdienst der ev. Gemeinde erfolgreich für die Patienten; die Gruppe besucht regelmäßig die Patienten auf den Stationen und bietet neben praktischen Hilfsdiensten auch ihre Bereitschaft zum Zuhören und zum Gespräch an. Der Besuchsdienst versteht sich als Dienst der Gemeinde und soll deutlich machen, dass das Martin-Luther-Krankenhaus nicht nur der Kirchengemeinde gehört, sondern auch wirklich von der Gemeinde getragen wird.
0.2. Die Archivgeschichte
Die älteste Urkunde im Archiv der ev. Kirchengemeinde Wattenscheid stammt aus dem Jahre 1482 und betrifft die damals katholische Vicarie Beatae Mariae et sanctae Catarinae, deren Vermögen nach fünfzigjährigem Streit im Jahre 1669 den Lutherischen zugewiesen wurde. Über diese Auseinandersetzung sowie über die Entwicklung uind die äußeren und inneren Angelegenheiten der Gemeinde, den Kirchenbau, die Pfarrer und Schullehrer erhält man in den Urkunden und Akten des Altarchivs Auskunft.
Das Altarchiv besteht aus Archivalien der reformierten und der lutherischen Gemeinde. Die erste Archivordnung nahm August Schulze (aus Naumburg a.d.Saale) vor, der 10 Jahre nach der Union der beiden ev. Konfessionen im Jahre 1820 Pastor in Wattenscheid war und während seiner 26jährigen Tätigkeit (1830 bis 1856) die Inhaltsverzeichnisse anfertigte und Geschichtsbeiträge verfasste. Auf Schulzes Arbeiten beruht die "Kurze chronologische Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde in Wattenscheid" von Kirchmeister Berg, die in der Wattenschieder Zeitung (Nr. 123, 126 und 128, 1907) veröffentlicht wurde. In der darauffolgenden Zeit ist das Archiv in Vergessenheit geraten.
Wie aus dem Beitrag über Wattenscheider Archive aus dem Jahr 1921 ("Wattenscheider Aufsätze und Vorträge, 1902 - 1935". Hg. V. E. Schulte, 1936) hervorgeht, war das Archiv zu dieser Zeit nicht geordnet.
Die Archivalien der beiden ev.-lutherischen und ev.-reformierten Gemeinden wurden danach in den Jahren 1931 - 1932 durch den Stadtarchivar in Münster E. Schulte ausführlich bearbeitet und restauriert. E. Schulte hatte die Archivbestände der ev. Gemeinde bis in das Jahr 1821 bearbeitet und in die folgenden Sachgruppen (und die entsprechenden Aktenbände) eingeteilt:
A. Lutherische Gemeinde
I. Entstehung und Entwicklung der Gemeinde
II. Bildung und Verwaltung des Vermögens
III. Kirchenrechnungen
IV. Auseinandersetzung mit den Katholiken
V. Pastor
VI. Schule
VII. Kapelle zum Grimberg
VIII. Edikte
B. Reformierte Gemeinde
C. Fremde Archivbestände
I. Katholisches Kirchspiel Wattenscheid
II. Adel, Bürger und Bauern im Gemeindegebiet Wattenscheid
III. Auswärtige
Die Urkunden und Akten wurden (vermutlich von Schulte) nach dem Numerus-currens-Verfahren geordnet und in die o.g.Bände gefasst. Die ausführliche Erschließung des Inhaltes sämtlicher Schriften des Archivs bis 1821 stellte E. Schulte im zweiten Band seines Werkes "Urkunden und Akten zur Geschichte von Wattenscheid", der im Jahr 1935 erschien, dar.
Im Jahre 1937 wurde vom ehemaligen Vorsitzenden des Presbyteriums, Pfarrer Heuser, der Journalist a.D. A. Küster beauftragt, das Archiv der Gemeinde, "das zum Teil verwahrlost ist", zu ordnen. Es handelte sich dabei um die nicht von Schulte geordneten Archivbestände, also jene nach dem Jahr 1821.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Archiv der ev. Kirchengemeinde im Luftschutzbunker an der Marienstraße untergebracht. Bei der Sicherung der Bestände und ihrer vorschriftsmäßigen Lagerung hat ebenfalls A. Küster mitgearbeitet.
Aus de von A. Küster hergestellten Archivalien-Liste, die im Luftschutzbunker untergebracht waren, geht hervor, dass er eine Mappe mit Urkunden und Akten aus den Jahren 1639 - 1861/62 eingelegt hatte, die von 1937 an von ihm erst aufgefunden wurden und deswegen als von Schulte nicht verzeichnet und nicht ins Altarchiv eingebunden wurden, zu betrachten sind. Es handelt sich hier um Dokumente, die zwar vonihrem Ursprung her ins Altarchiv gehörten, aber aus den o.g. Gründen jetzt im neuarchiv ihren Platz gefunden haben und da im Inhalt entsprechender Sachgruppen unter den folgenden Nummern auftreten:
Nr. 411
Bericht des luth. Konsistoriums über Erbverhältnisse betr. das vom gestorbenen Pächter Blocksiepe (gen. König) erbaute Haus, 1639
Nr. 489
Schenkung des Freyhofes durch die Halbbrüder Diederich Schmedden und Johann Schilder der luth. Gemeinde, 14. Oktober (?) 1676
Nr. 490
Schenkung Ianna Dünsings, 1678
Nr. 491
Stiftungsbestätigung der Halbbrüder Schmedden und Schilder zu Libau und Kollektenbescheinigung, 1681
Nr. 412
Übertragung des Blocksiepschen Hauses an J. Hermann Küper, 1754
Nr. 413
Abtretung des Blocksiepschen (gen. König) Hauses an Johann Ortmann, 1754
Nr. 422
Vertrag über die Verpachtung eines Gartengrundstückes an die Eheleute Kise, 1698
Nr. 519 (1)
Ein Dekret der Königlichen Regierung in Berlin betr. röm.-kath. Gemeinde in Wattenscheid und luth. Gemeinde in Bochum, 1721
Nr. 323
Gruften-Plan auf dem ev. Kirchhof, 1772 - 1801
Es muss bemerkt werden, dass nicht alle der o.g. Dokumente E. Schulte bei seiner Arbeit unbekannt waren. Die Urkunden: "Schenkung des Freyhofes durch die Halbbrüder Diederich Schmedden und Johann Schilder", "Stiftungsbestätigung der Halbbrüder Schmedden und Schilder zu Libau und Kollektenbescheinigung" sowie die "Schenkung eines Grundstückes von Ianna Dünsing" sind von E. Schulte in seinen "Urkunden und Akten zur Geschichte von Wattenscheid", Bd. II, lutherisches Archiv, durchaus inhaltlich ausführlich beschrieben. Als Quelle für die Bearbeitung diente allerdings das Regest im Manuskript "Archivinventar des Pfarrers Schulze", da Schulte das Original für verloren hielt.
Bei der von E. Schulte beschriebenen Kollektenbescheinigung und Stiftungsbestätigung handelt es sich um eine - mit dem von Küster gefundenen Dokument inhaltsgleiche - Eintragung im Kollektenbuch II, das inzwischen im Altarchiv fehlt.
Alle Dokumente aus der von Küster eingelegten Mappe wurden im Neuarchiv in die Gruppe "Vermögensverwaltung" aufgenommen.
0.3. Gliederung. Arbeitsbeschreibung
Vom Herbst 1988 an begannen die neuen Ordnungsarbeiten im Archiv der ev. Gemeinde Wattenscheid. Zu Beginn der Archivarbeiten waren die Akten des Gemeindearchivs fast vollkommen unsortiert. Die erste Archivangestellte, Annette Zehnter, hat (von Herbst 1988 bis März 1989) alle Akten unsystematisch - nach ihrem Standort - so wie sie vorlagen, aufgenommen und in mehreren Bündeln zusammengefasst und mit provisorischen Signaturen versehen. Es wurde eine Liste der Archivalien durch eine Kurztitelaufnahme und Angaben über ihre jeweilige Laufzeit grob verzeichnet. Anhand der ersten Liste wurde entsprechend den Empfehlungen des Landeskirchlichen Archivs Bielefeld eine zweite Grobsortierung vorgenommen.
Im April 1989 begann Bernadeta Fleischer im Archiv zu arbeiten und setzte die Ordnungsarbeiten fort. Es wurde die folgende Grobsortierung des auf den o.g. Listen verzeichneten Materials vorgefunden:
1. Gruppe: Aktenmaterial aus dem 17. Bis 20. Jahrhundert mit dem Schwerpunkt 18./19. Jahrhundert, gelagert in einem Eisenschrank
2. Gruppe: Über 60 Kirchenbücher vom 18. Jahrhundert an bis heute
3. Gruppe: Altarchiv, vom Archivar E. Schulte gebundene, restaurierte und verzeichnete Akten. Ca. 800 Akten (nur wenige lose Blätter) von Schulte aufgeführt - 716
4. Gruppe: Ein im Gemeindehaus verstreuter Aktenband aus den 30er Jahren und der Nachkriegszeit bis 1984
Anhand der zweiten Liste aus der ersten Phase der Archivarbeit begann B. Fleischer - nach den vom Landeskirchlichen Archiv Bielefeld empfohlenen Schema zur Ordnung von Kirchengemeinde-Archiven - eine ausführliche Verzeichnung der Bestände.
Als Ergebnis der Ordnungs- und Verzeichnungs-Tätigkeit im Archiv entstanden Findhilfsmittel. Sie ermöglichen dem Benutzer den Zugang zu den Archivdokumenten und dienen dem Archiv der ev. Kirchgengemeinde in Wattenscheid als Eigentumsnachweis.
Aus praktischen und technischen Gründen entstand zunächst eine Findkartei, die das günstigste Arbeitsmittel im Prozess der Verzeichnung und Ordnung darstellt, da sie ohne Schwierigkeiten und Probleme den wechselnden Anforderungen der Archivarbeit angepasst werden kann. Die Gliederung und Reihung der Karteikarten innerhalb der Findkartei erfolgte nach den Grundsätzen des o.g.Schemas. Die Ordnungsgruppen wurden durch Leitkarten kenntlich und einfach überschaubar gemacht. Für jede Akte wurde eine Karteikarte angelegt, auf der neben dem Aktentitel stichwortartig (wenn nötig jedoch auch ausführlicher) der Inhalt charakterisiert und erfasst wurde. Zum Teil wurden dabei der besseren Übersicht wegen alte Aktentitel übernommen. Die provisorische Signatur wurde auf der Karteikarte unten links bewahrt, die neue endgültige Signatur ist rechts oben vermerkt, wobei nach dem Numerus-currens-Verfahren vorgegangen worden ist. Rechts unten befindet sich die Zeit-Angabe. Restaurierungsbedürftige bzw. für den Benutzer zu sperrende Akten erhielten auf der Karteikarte rechts oben einen Vermerk und zwar den Index 'r' bzw. 'G'. Die für Benutzer gesperrten Akten befinden sich in der Sachgruppe "Personalien". Die Karteikarten wurden inenrhalb einer Sachgruppe (Untertitel) chronologisch geordnet. Die Kartei stellt die Vorstufe zum Findbuch dar.
Das von B. Fleischer erstellte Findbuch ist die Buchform der Kartei, die nach deren endgültigen redaktionellen Überarbeitung entstanden ist. Es gewährleistet eine einfache Übersicht, ermöglicht eine zusammenhängende Orientierung über ganze Bandreihen und das gesamte Aktenmaterial. Im Inhaltsverzeichnis ist die Übersicht über die Gliederungen aller Archivgruppen und Untergruppen gegeben. Um dem Benutzer die Arbeit mit dem Findbuch und die Orientierung zu erleichtern, sind die einzelnen Aktentitel mit Verweisen versehen worden, die inhaltlich auf alle zusammenhängenden Akten verschiedener Gruppen innerhalb des Neuarchivs verweisen. Die Zusammenhänge bezüglich des Altarchivs wurden ebenso durch Verweise auf das Aktenverzeichnis von Schulte (und die entsprechenden Nummern) kenntlich gemacht. Für das Altarchiv wurden einige Korrekturen notwendig, da einige von Schulte verzeichnete Akten fehlten.
Im Anhang des Finbuches befinden sich Konkordanzlisten bezüglich der in den "Urkunden und Akten zur Geschichte von Wattenscheid" nach dem Numerus-currens-Verfahren verzeichneten Akten und dem entsprechenden im Altarchiv fehlenden Aktenstück. Die Listen wurden einzeln für jeden Aktenband hergestellt. Die fehlenden Nummern sind mit Verweisen versehen, damit die Suche nach anderen Informationsquellen über ein fehlendes Schriftstück erleichtert werden kann oder auf inhaltlich in Zusammenhang stehende Akten im Neu- oder Altarchiv verwiesen wird.
Am Ende jeder Liste befindet sich ein (kurzes) Verzeichnis eingebundener Akten, die nicht von Schulte in sein Verzeichnis aufgenommen, aber wahrscheinlich von Küster in die jeweiligen Bände eingelegt worden sind. Bei der Ordnung des Archivs wurden Akten und Materielien gefunden, die von ihrer Laufzeit her E. Schulte hätte erfassen uind einbinden müssen. Es handelt sich hier um Akten aus der Gruppe "Kirchenrechnungen - luth. und ref. Gemeinde", Revision und Notatenbeantwortung der Kirchenrechnungen".
Die vorhandenen Bauzeichnungen wurden als gesonderte Gruppe (VIII) zusammengefasst, die Kirchenbücher als Gruppe IX.
Zusätzlich zur geschriebenen (drucktechnischen) Form ist von B. Fleischer eine Computer-Version des Findbuches erstellt worden, die als Datei (auf Disketten) der Gemeinde überlassen worden ist. Das Computer-Findbuch wurde im Textverarbeitungsprogramm "WORD 4" (Microsoft) hergestellt (ist jedoch auch in jeder anderen Version des Programms lesbar) und kann mit Hilfe einfachster Suchbefehle äußerst komfortabel gehandhabt werden, indem die Datei nach bestimmten - gerade gesuchten - Begriffen einfach durchforstet werden kann, und somit dem Benutzer die Möglichkeit gibt, auch komplizierte Zusammenhänge der Akten, Querverweise, Namen und dergl. einfach wiederzufinden oder gar fallspezifische Suchraster selbst herzustellen.
Bernadeta Fleischer, Historikerin
Wattenscheid, 1990
Literatur:
Berg, Kurze chronologische Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid von Kirchmeister Berg, in: Wattenscheider Zeitung, Nr. 123, 126, 128, 1907.
Chronik der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid von der Gründung bis 1916. Gemeindearchiv der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid, o.J. (Manuskript).
Festschrift zum ersten Gottesdienst in der Evangelischen Friedenskirche zu Wattenscheid nach ihrer Umgestaltung am Sonntag, den 2. April 1967. Hg. v. Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid, 1967.
50 Jahre "Lutherstift" Wattenscheid. Festschrift. 1951 (Broschüre).
100 Jahre Friedenskirche Wattenscheid 1880 - 1980. Hg. v. Presbyterium der Evangelischen Gemeinde Wattenscheid, 1980.
100 Jahre Martin-Luther-Krankenhaus 1886 - 1986. Hg. v. Martin-Luther-Krankenhaus, 1986.
Lappe, Joseph, Kirchengeschichte Wattenscheids. Teil I: Von der Gründung bis 1821. Wattenscheid 1942.
Schulte, Eduard, Geschichte der Freiheit Wattenscheid. Festschrift der Stadt Wattenscheid zu ihrer 500. Jahresfeier. Wattenscheid 1925.
Schulte, Eduard, Kirchengeschichte Wattenscheids. Teil II: Von 1821 bis 1945. Wattenscheid 1952.
Schulte Eduard, Hellmich, Bernhard (Hrsg.), Wattenscheider Aufsätze und Vorträge 1902 - 1935, in: Beiträge zur Wattenscheider Geschichte. Heft 7. Wattenscheid 1936.
Murken, Dr. Jens: Die evangelischen Gemeinden in Westfalen. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 3. - Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte und Luther-Verlag, 2019.

Bestandssignatur
4.266

Kontext
Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen (Archivtektonik) >> 04. Deposita von Kirchenkreisen und Kirchengemeinden >> 04.2. KG Kirchengemeinden >> 04.2.04. Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid
Verwandte Bestände und Literatur
E. Schulte "Urkunden und Akten zur Geschichte von Wattenscheid", 1935

Bestandslaufzeit
1482 - 1990

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Letzte Aktualisierung
06.03.2025, 18:22 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1482 - 1990

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