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Stammzellen aus Nabelschnurblut: ethische und gesellschaftliche Aspekte

Die Verfasserin geht davon aus, dass sowohl mit der Praxis der Werbung um Spenderinnen und deren Aufklärung als auch mit dem Prozess der Entnahme des Blutes sowie mit der unterschiedlichen Nutzung der Stammzellpräparate zu Therapie- oder Forschungszwecken Probleme verbunden sind, die für die gesellschaftliche Auseinandersetzung von ebensolcher Bedeutung sind, wie die Frage 'Spenden oder privat einlagern'. Ein Problemkreis bezieht sich auf die Werbung und Aufklärung der Spenderinnen. Die Schwangeren werden frühestens wenige Wochen vor der Geburt beziehungsweise oftmals erst kurz vor oder während der Entbindung mit der Möglichkeit der Einlagerung von Nabelschnurblut konfrontiert und um ihr Einverständnis zur Entnahme gebeten. Eine den Interessen der Schwangeren und ihrer Familie angemessene Aufklärung, die der Komplexität und Problematik des Themas gerecht wird, ist damit nicht gewährleistet. Werbung und Information sowie die Ausbildung der aufklärenden Hebammen und Gynäkologen werden außerdem durch die jeweiligen öffentlichen oder kommerziellen Banken selbst vorgenommen. Folge ist eine jeweils einseitige, interessengeleitete Information der Schwangeren, die den Prinzipien der 'aufgeklärten Zustimmung' entgegenläuft. Ein weiterer Themenkomplex bezieht sich auf die Stammzellgewinnung während der Geburt. Von kommerziellen wie öffentlichen Banken wird der Prozess der Blutentnahme selbst als per se gefahrlos und unproblematisch unterstellt. Weder gibt es jedoch medizinische Studien zu den Fragen, ob die Ablösung der Plazenta durch die Blutentnahme beeinflusst wird oder ob das Neugeborene selbst der Stammzellen bedarf, die nach der Abnabelung in der Plazenta bleiben, ob also das so genannte Ausblutenlassen der Plazenta vor der Abnabelung sinnvoll wäre. Noch liegen Untersuchungen vor, die das Geburtserleben und die Erfahrungen und möglichen Ängste der Schwangeren bezüglich der Blutentnahme beziehungsweise die Motive und Hoffnungen der werdenden Eltern reflektieren. Es wird gezeigt, dass auch die kommerzielle Nutzung von Spenderbluten nicht unproblematisch ist. Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach dem Verbleib und der Nutzung jener Nabelschnurblutpräparate, die nicht nachweislich für therapeutische Zwecke verwendet werden. Vor dem Hintergrund der aus Sicht der Forschung restriktiven deutschen Stammzellgesetzgebung sind Stammzellen aus Nabelschnurblut nämlich nicht nur für die Therapie, sondern auch für die Forschung interessant. Während kommerzielle Firmen durch privatrechtliche Verträge mit den Eltern zur Einlagerung aller Präparate und zur Aufklärung über deren Verbleib verpflichtet sind, eröffnet sich für öffentliche Banken diesbezüglich ein weiterer Spielraum. Sie haben prinzipiell die Möglichkeit, die Präparate auch zur Forschung zu nutzen, sofern das Einverständnis der Spenderinnen vorliegt. Vor dem Hintergrund, dass einige öffentliche Banken mit privaten Firmen kooperieren, so genannte Joint Venture-Unternehmen bilden, Präparate aus Nabelschnurblutstammzellen entwickeln, herstellen und gewinnbringend vermarkten, werden selbst auf der Basis der Einwilligung der Spenderinnen Fragen des ökonomischen Nutzens sowie eigentums- und patentrechtliche Probleme aufgeworfen. Auf der Grundlage der Ergebnisse einer qualitativen Studie zu diesen Problemkreisen wird die Praxis der Gewinnung und Nutzung von Nabelschnurblut in Deutschland einer sozialethischen Bewertung unterzogen. (ICG2)

Weitere Titel
Stem cells from umbilical cord blood: ethical and social aspects
ISBN
3-9809172-3-1
Umfang
Seite(n): 82
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Status: Veröffentlichungsversion; nicht begutachtet

Erschienen in
IMEW Expertise (4)

Thema
Philosophie
Soziologie, Anthropologie
Medizinsoziologie
Philosophie, Theologie
Bundesrepublik Deutschland
Stammzellenforschung
Schwangerschaft
Erfahrung
Werbung
Ethik
Information
Spende
Moral
Konflikt
Krankheit
Kommerzialisierung
Legitimität
Geburt
Aufklärungspflicht
Therapie

Ereignis
Geistige Schöpfung
(wer)
Manzei, Alexandra
Ereignis
Veröffentlichung
(wer)
Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft gGmbH -IMEW-
(wo)
Berlin
(wann)
2005

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-294527
Rechteinformation
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Letzte Aktualisierung
21.06.2024, 16:27 MESZ

Datenpartner

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Objekttyp

  • Monografie

Beteiligte

  • Manzei, Alexandra
  • Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft gGmbH -IMEW-

Entstanden

  • 2005

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