Archivale
Verleumdung wegen Unzucht
Enthält: Pater Joseph Wersinck, Terminarius des Franziskanerklosters in Lechenich, wehrt sich vor Gericht gegen den Vorwurf der Unzucht mit einer fremden Person, den Peter Wirth, der Landzöllner zu Kerpen, öffentlich gegen ihn erhoben hatte (7.6.). Schon am 10.6. werden nach den Fragen des Klägers Els Beckers (27 Jahre) und Trin aus Buir ("de Bur", 23 Jahre) zu den Ereignissen, die der diffamierenden Behauptung zugrundeliegen, verhört. Beide berufen sich jedoch auf die Magd einer fremden Frau, Elisabeth Hultzschneiders mit Namen, die den Pater nackt bei ihrer Herrin im Bett gesehen haben will. Pater Joseph und mit ihm das Gericht hält die Magd allerdings für "dem äußerlichen Schein nach wenigh duchttig [tüchtig]", sondern eher "unnütz". Er vermutet außerdem Bestechung der Zeuginnen durch Peter Wirtz. Das Kerpener Gericht, Schultheiß Johann Adolph Schreiber und die Schöffen Johann Heinrich Schieffer, Sebastian Mausbach, Werner Sieger sowie der Gerichtsschreiber Bertram Hillbrandt als Notarius publicus stellen ihm daher zunächst ein Attest über seine Unschuld aus (11.6.). Die Ermittlungen gehen allerdings weiter. Der Kläger reicht weitere Fragen ein, nach denen die Hauptzeugin verhört werden soll. Demnach muss Elisabeth Hultzschneiders aus Nothberg in der Tat einen nicht unbescholtenen Lebenswandel führen: Sie war angeblich ihrem vorherigen Arbeitgeber Matthias Focker aus Thorr nach einer Veruntreuung gegen dessen Ehefrau davongelaufen, hatte sich der mutmaßlichen Unzuchterin angeschlossen und war mit ihr bettelnd durchs Land gezogen. Elisabeth streitet dies alles natürlich ab. Bei der Hauptverhandlung am 19.8. schildern Elisabeth, die aus Roluff gebürtig ist, und die 20 Jahre alte Magdalena Schaeffs aus ihrer Sicht die Vorgänge. Elisabeth habe die fremde Frau, deren Name sie mit Maria Elisabeth von Wilsohn aus der Stadt Burgh in Sachsen angibt, in Eschweiler getroffen und sei mit ihr, die einen Geleitbrief des Herzogs von Jülich besaß, etwa ein Jahr lang durch das Land gezogen. Sie lebten von den Almosen, die sie auf Vorzeigen ihres Scheins hin unterwegs bekamen. Zunächst gefragt nach dem Bestechungsvorwurf, gibt sie nach anfänglichem Abstreiten zu, dass Peter Wirths zu ihr nach Thorr gekommen war und sie bei einem Quantum Bier, das er hatte holen lassen, zu der Aussage über den Pater bewegt habe. Dafür gewährten er und seine Frau ihr vier Wochen lang Arbeit und Unterhalt gewährt. Auch Friedrich Heck versprach ihr ein Hemd und ein "Reyleiff", wenn sie zugunsten von Peter Wirth aussagen würde. Am fraglichen Abend nun trafen sie in Peter Merckens Haus in Mödrath auf den Pater und einen Mitbruder und tranken mit ihnen zusammen. Gemeinsam zog man dann nach Kerpen zu Peter Wirth und zechte bis in den späten Abend weiter. Schließlich legte sich der Pater, schwer betrunken, auf den Tisch zum Schlafen. Angeblich schaffte die fremde Frau ihn in ihr Bett oder ließ ihn dorthin schaffen, wo es dann zu den unkeuschen Handlungen kam. Die Magd, die von ihrer Herrin im Verlauf auch Schläge bezogen haben will, schildert dabei recht drastisch den Ablauf des Beischlafs und den angeblichen Dialog zwischen dem Paar (!). Die Verführerin soll dem Pater schließlich damit gedroht haben, dass, wenn er sie geschwängert habe, er mit ihr nach Holland gehen und Prädikant werden müsse. Das Ganze bleibt jedoch unbewiesen, die Umstände des Trinkgelages und die minderjährige Zeugin lassen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage zu. Das Kerpener Gericht schaltet daher einen unparteiischen Rechtsgelehrten zur Entscheidung ein. Dessen Votum wird auf höchsten kurfürstlichen Befehl hin am 2.4.1688 als Urteil publiziert: Peter Wirth wird verurteilt, innerhalb von 14 Tagen öffentlich Abbitte zu tun, dem Franziskanerkloster [in Lechenich] 10 Rtlr und als Strafe für die Injurien ebenfalls 10 Rtlr sowie die Gerichtskosten zu bezahlen. Er protestiert natürlich sofort dagegen. Einen Monat später kommt es noch einmal zu einem Gerichtstermin. Peter Wirth beschwert sich, dass man ihm zur Zwangsexekution des Urteils ein Pferd gepfändet hat. Er beteuert nochmals seine Unschuld. Außerdem ficht er die Formalien des Gerichtsverfahrens an, nämlich dass das Votum des Rechtgelehrten ohne die übliche Inrotulation zustandegekommen sei. Das Gericht gibt die Einrede an den Beklagten (nun Pater Joseph) zur schriftlichen Erwiderung weiter. Dieser reicht indessen seine Kostenrechnung ein, die 164 Gulden 20 Albus beträgt. Dass er letztlich vielleicht doch nicht ganz unschuldig war, zeigt ein Zusatz dazu. Er erlässt "für sein Privatperson" dem "Injuranten" Peter Wirth weitere Verfolgung und Entschädigungsforderung ("schenckt (ihm) alle seine Muthen zu gehen undt staen" und die ausgestandene Trübsal), nicht jedoch den Widerruf ("recantation") und die Zahlung der Unkosten und des Abschlags an das Kloster.
- Reference number
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GerKer, 834
- Extent
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Schriftstücke: 10
- Context
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Schöffengericht Kerpen >> 4 Kriminalfälle der Niedergerichtsbarkeit >> 4.4 Unzucht, Ehebruch
- Holding
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GerKer Schöffengericht Kerpen
- Indexbegriff subject
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Bestechung
Gerichtskostenrechnung
Gerichtsprotokolle
Terminarius = (in den Bettelorden) der die Almosen einsammelt
Unzucht
Verleumdung wegen Unzucht
Wersinck, Joseph, Franziskanerpater
Zeugenverhöre
Zwangsexekution
- Indexentry person
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Beckers, Els
Focker, Matthias, aus Thorr
Heck, Friedrich
Hilbrandt, Bertram, Gerichtsschreiber
Hultzschneiders, Elisabeth
Mausbach - Sebastian, Schöffe 1687
Mercken, Peter, in Mödrath, Schöffe und Wirt
Schaeffs, Magdalena
Schieffer - Johann Heinrich, Schöffe 1687
Schreiber, Johann Adolph, Schultheiss
Sieger, Werner, Schöffe 1687
Trin aus Buir
Wilsohn, Maria Elisabeth von, aus <
Wirth - Peter, Landzöllner zu Kerpen
- Indexentry place
-
Buir
Burgh in Sachsen
Eschweiler
Holland - Prädikanten
Kerpen - Wrtshaus von Peter Wirth
Lechenich - Franziskanerkloster
Mödrath - Wirtshaus des Peter Mercken
Nothberg
Roluff <
Thorr
- Date of creation
-
1687 - 1688
- Other object pages
- Delivered via
- Last update
-
24.06.6025, 2:49 PM CEST
Data provider
Stadtarchiv Kerpen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Archivale
Time of origin
- 1687 - 1688