Brief

Brief von Louise Dumont an Gustav Lindemann

Art/Anzahl/Umfang: 8 Seiten (4 Blatt)
Transkription:

<[...] 1904>
Samstag

Lieber Geliebter

endlich gestern abend bekam ich deinen Brief, vorgestern Deinen Kartengruß, es sind ja nur Hilfsmittel dieses Elend zu ertragen, es wird mir schwer, unerträglich schwer wie Dir - ein lebendes untrennbares muss in zwei Theilen leben - das verzehrt alle Lebenskraft - wie soll das nur weiter werden?
ich kann am Montag nicht in Düsseldorf sein Lieb, ich kann und werde | es nicht, trotz aller heissen heiligen Sehnsucht, bitte glaube und folge diesmal meinem Gefühl.
In dem Augenblick, wo Du in D. officiell die Geschäftsführung übernimmst wäre es nicht gut, wenn ich an Deiner Seite wäre, - das ist wieder einer der Momente, wo die Convention allmächtig ist, ich könnte bei Dir sein: als Deine Frau.
Dass es das Geschwätz der Menschen nicht ist, was mich abhält, weisst Du, es handelt sich einzig | und allein um die Einwandfreie Sicherung Deiner Position.
Erst zur Generalversammlung kann ich kommen event. etwas früher, aber jetzt nicht.
Schmerzlich ist's unsäglich, aber wann hätte der Nothwendig sich nicht unser Gefühl geopfert.
Deine Besprechungen mit Haum {1} sind gegeben, Du brauchst Dich blos auf Oeder {2}, Schulte {3} zu berufen außer auf unser Urteil, daß alle Pläne einstimmig abgelehnt seien - von den anwesenden Gesellschaftern wenigstens, - aus materiellen wie künstlerischen Gründen. Sehrings {4} Plan von Bau-Radke {5} hauptsächlich aus feuerpolizeilichen Gründen angefochten worden sei u diese durch Ausspruch des Bauministeriums in der Hauptsache erledigt sei.
Im Übrigen wäre es gut zur nächsten Generalversammlung noch einen Architekten hinzuzuziehen. -
Aber das weisst du ja Alles viel besser als ich. -
Heute sende ich Deine Sachen ab. Koffer und Kiste. -
Die Generalversammlung wäre gut erst dann anzusetzen wenn Oeder zurück ist (14 Sept.).
Nun hast du auch die viel | besprochenen Vorstellungen gesehen, ich erwarte mit Spannung Deine Ansicht darüber.
Lindau {6} scheint nichts zu sein, Brahm {7} Erfolg zu haben.
Eigentlich ist's mir Alles egal - ich möchte Dir Dein Frühstücksbrötchen machen das ist mir wichtiger als Alles Alles. -
Suche in Düsseld. einen Bauplatz für uns, wir wollen uns einen Tempel bauen, in dem jeder Athemzug ein Gebet sein soll. - nichts auf Erden wünsche | ich mehr, will ich mehr, wenn ich mit Dir - mit Dir! fern von Welt und Menschen zusammen leben kann.
Es ist nur zu schön für diese Welt, fürchte ich - und darum - - und ich weiss es jede Secunde wenn ich mit Dir zusammen bin, daß es der Inbegriff des Schönen, Vollkommenen ist, nicht nur fern von Dir, erscheint es mir so. -
Leb wohl, morgen Abend reise ich im Geist mit Dir - ich weiss Dich lieber | in Düsseldorf als in Berlin obwohl ich erleichtert bin wenn Eulenberg {8} bei Dir ist - - (warum hat er Recht zu schweigen ich verstehe das nicht ganz - glaubst Du überhaupt? man kann ja über Liebe auch nicht sprechen - aber meinst Du: Klugheit, er bräuchte die Trennung für Stunden? dann thät er mir leid!) - - bitte gieb mir seine Adresse der Schlüssel wegen.
Heute Mittag kommen die Jungens {9} , ich muß ihnen jetzt die Zimmer richten. |
Nachmittag will ich zum Arzt über Agnes {10} sprechen meine Schwägerin {11} die [3] Tage schon hier war, als ich kam u. die A. seit Jahren kennt, fand sie schrecklich verändert und sagte mir: es müsse etwas geschehen, es scheint eine schlimme Nervenkrankheit in der Entwicklung begriffen...
Es ist schon gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen..
Aber Alles, Alles kann ich stark ertragen, wenn Du nur bei mir bist ewig, ewig Geliebter
Deine Lou.

Anmerkungen:
1. Friedrich Haumann (1857-1924), ehemaliger Bürgermeister von Oberhausen und Solingen, seit 1896 Leiter der Rheinischen Bahngesellschaft in Düsseldorf, Vorsitzender der Düsseldorfer Schauspielhaus GmbH.
2. Georg Oeder (1884-1931), Düsseldorfer Maler, Mitglied im Aufsichtsrat der Düsseldorfer Schauspielhaus GmbH.
3. nicht ermittelt, Mitglied im Aufsichtsrat der Düsseldorfer Schauspielhaus GmbH.
4. Bernhard Sehring (1855-1941), Architekt, nach seinen Entwürfen wurde 1904/1905 das Schauspielhaus Düsseldorf gebaut.
5. Johannes Radke (1853-1938), Baurat in Düsseldorf.
6. Paul Lindau (1839-1919), Schriftsteller, 1895-1899 Leiter des Meininger Hoftheaters, 1900-1903 Leiter des Berliner Theaters, 1904-1905 Leiter des Berliner Deutschen Theaters.
7. Otto Brahm (1856-1912), Theaterkritiker und Theaterleiter, ab 1894 Leiter des "Deutschen Theaters", wofür er 1903 auch Louise Dumont verpflichtete, 1905-1912 Leiter des Lessingtheaters.
8. Herbert Eulenberg (1876-1949), Schriftsteller und Dramaturg am Schauspielhaus Düsseldorf, mit seinen sogenannten "Morgenfeiern" setzte er einen bedeutenden Akzent in der Entwicklung der Dumont-Lindemann-Bühne
9. nicht ermittelt.
10. Agnes Hvass (um 1858-?), Haushälterin und Freundin Louise Dumonts.
11. nicht ermittelt.

Quelle: http://www.louise-dumont.de/digitale-edition/ [Stand: August 2013]

Brief 2 - ca. Juni 1904 Louise Dumont an Gustav Lindemann, Seite 1; Digitalisat: Theatermuseum

Rechte vorbehalten - Freier Zugang

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Alternativer Titel
Brief 2 (Untertitel)
Standort
Theatermuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf
Inventarnummer
TM_AU.SHD17647-2_21-23

Klassifikation
Archivalie (Sachgruppe)

Ereignis
Geistige Schöpfung
(wer)
Ereignis
Aufführung
(wann)
ca./ c. Juni 1904
Ereignis
Gebrauch
(wer)

Geliefert über
Letzte Aktualisierung
18.04.2024, 10:36 MESZ

Objekttyp


  • Brief

Entstanden


  • ca./ c. Juni 1904

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