Archivale
Herrengebot (= obrigkeitliche Verordnung)
Regest: Auf den Zunftstuben ist bekanntzugeben:
1. In einem Schreiben des herzogl. württ. Geheimen- und Regierungs-Rats wird über die Einfuhr der ausländischen Weine in die hiesige Stadt und deren Wiederverkauf in das Herzogtum Württemberg Beschwerde geführt. Daher wird hiemit von Magistrats wegen verordnet, dass von jetzt an kein hiesiger Bürger sich unterfangen darf, ausländische Weine einzuführen und solche wiederum in das Herzogtum zu verkaufen, da dieses um so weniger gestattet werden kann, als selbst den württ. Untertanen ohne vorher erhaltene herzogl. Concession (= Erlaubnis) das Einführen ausländischer Weine in das Herzogtum Württemberg bei Confiscations-Straf von jeher verboten gewesen ist. Kein Bürger soll ausländische Weine in die hiesige Stadt einführen und wieder in das Herzogtum Württemberg verkaufen, was bei unausbleiblicher Straf der Confiscation (= Einziehung) des in das Herzogtum Württemberg verkauften oder auf andere Weise veräusserten ausländischen Weins oder des Erlöses und daneben noch bei der auf jeden Eimer gesetzten Straf von 10 fl hiemit verboten wird.
2. Da das Einführen ausländischer Weine, worunter aber das Herzogtum Württemberg nicht gemeint ist, in hiesige Stadt allzusehr überhandgenommen hat und dem Magistrat daran gelegen ist, zu wissen, was für ausländische Weine und wieviel eingeführt werden, so sollen künftig die Schildwirte, Becken und jeder andere Bürger bei Straf von 10 fl, ohne vorher vom amtierenden Bürgermeister Concession erhalten zu haben, keine ausländischen Weine in hiesige Stadt einführen.
3. Einem jedem Bürger ist unbenommen, den zu seinem Hausbrauch benötigten Wein zu kaufen, wie und wo er will, doch immer unter voranstehender Verordnung, dass zur Einführung ausländischer Weine die oben erwähnte Concession erforderlich ist.
4. Es hat sich ergeben, dass viele Kirchenstühle in hiesiger Hauptkirche, welche die Besitzer teils durch Kauf, teils durch Tausch teils durch Erbschaft oder schenkungsweise an sich gebracht haben, bis jetzt den Heiligenpflegern unangezeigt und also uneingeschrieben geblieben sind. Das hat zu mehreren Streitigkeiten Anlass gegeben. Daher wird nach Massgabe des Staats (= der Dienstanweisung) und Ordnung des Heiligenpflegers vom 24. Juli 1744 § 10 hiemit befohlen, dass alle die, welche Kirchenstühle in hiesiger Hauptkirche kaufs-, tauschs-, erbs- oder schenkungsweise besitzen und sie noch nicht haben einschreiben lassen, sie von jetzt an in 14 Tagen dem Heiligenpfleger Rall anzeigen und von ihm in das hiezu bestimmte Kirchenbuch gegen Erlegung der Gebühr einschreiben lassen. Sonst werden die Besitzer von derlei Kirchenstühlen derselben für verlustig erklärt und die Kirchenstühle sollen der Kirchenpfleg verfallen sein.
5. Leider ist mehr als wohlbekannt, dass durch üble Haushalter, welche ihr und der Ihrigen Hab und Güter verschwenden und mit übermässigem Essen, Trinken, Spielen, Faulheit oder auf andere liederleiche Weise durchbringen, nicht nur der Ruin ganzer Familien verursacht wird, sondern auch bei Vergantungen viele Bürger sich von derlei Leuten um ihre rechtmässigen Forderungen betrogen sehen. Zur Abwendung dieses so sehr eingerissenen Übels wird verordnet, dass alle die, welche auf solche mutwillige Art und Weise ihr oder der Ihrigen Vermögen durchbringen und ihre Nebenmenschen um ihre Forderungen betrügen, zu einer 4wöchigen öffentlichen Arbeit andern zum warnenden Beispiel condemniert (= verurteilt) werden sollen.
6. Die, welche bisher mit Entrichtung ihrer Schuldigkeit zu den hiesigen Pflegschaften säumig gewesen sind, werden hiemit erinnert, auf Vorbieten willig zu erscheinen und ihre Schuldigkeiten abzutragen, auch bei jeweiligen pflegschaftlichen Abrechnungen auf die Zeit des geschehenen Vorbots zu erscheinen.
7. Weil von Einrichtung solcher bürgerlichen Schuldigkeiten (= Pflichten) die Erhaltung und Aufnahme (= das Gedeihen) des gemeinen Stadtwesens abhängt, woran jeder patriotische Bürger Anteil zu nehmen verbunden ist, so versieht sich der Magistrat, dass auch bei nächstem Vorbieten zur Steuer-Abrechnung die Bürger willig erscheinen und nach ihrer Obliegenheit ihre Steuern entrichten werden.
8. Durch einen Ratsbeschluss vom 6. Februar 1792 wegen Beschränkung des Bierbrauens in Reutlingen ist verordnet worden, dass ausser den zur Zeit vorhandenen zwei Bierbrauereien weiter keine gestattet werden soll. Daher dürfen diejenigen Bürger, die gesonnen sein sollten, ihre Söhne das Bierbrauen lernen zu lassen, sich keine Hoffnung machen, eine Bierbrauerei hier oder in hiesigem Gebiet errichten zu dürfen.
9. Es ist wahrgenommen worden, dass das Hochzeitanschiessen je länger je mehr überhandnimmt. Dieses ist aber wegen seiner schädlichen Folgen, die es haben könnte, nicht gestattet. Es wird bei Straf von 1 fl verboten. Dem Anbringer (= Anzeiger) wird unter Verschweigung seines Namens das Drittel der Strafe zugesichert.
10. Weil die Güter durch den Missbrauch unerlaubter Wege und Stege vielen Schaden leiden, wird männiglich (= jedermann) befohlen, die rechten Wege und Stege zu gebrauchen. Widrigenfalls sollen die Fussgänger um 15 Kr, der Reitende oder Fahrende aber um 1 fl gestraft werden.
11. Wegen der Schafe beim bevorstehenden Ausfahren mit denselben (= auf die Weide ziehen) bleibt es bei der schon diesfalls (= in dieser Hinsicht) gemachten Verordnung in Ansehung der Bemüssigung (= des Meidens) der Wiesen und Baumgüter und bei der darauf gesetzten Straf von 5 fl.
12. Obschon jeder Bürger überzeugt ist, dass die hiesige Obrigkeit jeden mit seinen Klagen, Beschwerden und Einreden geneigt anhört und jedem seine Angelegenheit selbst vorzutragen erlaubt ist, so ist doch vielfältig geschehen, dass solche aus der ganz irrigen Meinung, als würde ihre Streitsache durch Aufstellung eines Fürsprechers und Procurators (= Vertreters) eine für sie vorteilhaftere Wendung bekommen, sich solcher Procuratoren bedient haben, aber dadurch in unnötige Kosten versetzt werden. Weil nun der Magistrat und jede hiesige Gerichts-Stelle nicht auf Vielredenheit, sondern auf die Tatsache bei Entscheidung einer Sache sieht und überhaupt des Magistrats Gesinnen dahin geht, dass mit möglichster Kostenersparnis jedem Gerechtigkeit widerfahre, so wird der Magistrat gerne sehen, wenn künftig jeder Bürger seine Angelegenheiten ohne sogenannte Assistenten und Fürsprecher selbst in Bescheidenheit vortragen und die Entscheidung geruhig erwarten wird. Insofern aber der eine oder andere seine Angelegenheit und Notdurft nichts selbst vortragen könnte, so ergeht die magistratische Verordnung, dass solche Personen jederzeit eine Person aus dem Mittel (= der Mitte) ihres Zunftgerichts zum gerichtlichen Vortrag ihrer Klage oder Einreden gebrauchen sollen.
Was nun Minderjährige oder Personen weiblichen Geschlechts betrifft, so kann ein Ehemann gut die Stelle eines Curators seines Eheweibs bei Gericht vertreten, den andern aber soll von Gerichts wegen jedesmal ein Procurator bestellt werden.
13. Das Umlaufen in Feldern und in der Stadt an Sonn- und Feiertagen während der Morgen- und Abendpredigt ist bei 10 Kr Strafe verboten.
Beschlossen in gesessenem Rat am 16. März 1792. t. Bürgermeister und Rat zu Reutlingen.
- Reference number
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A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 6977
- Extent
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11 S. Text
- Formal description
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Beschreibstoff: Pap.
- Further information
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Genetisches Stadium: Or.
- Context
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 18 Zünfte Allgemeines Nachträge
- Holding
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A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)
- Date of creation
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1792 März 16
- Other object pages
- Last update
-
20.03.2025, 11:14 AM CET
Data provider
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Object type
- Archivale
Time of origin
- 1792 März 16