Akten | Bestand
Nachlass Schedl, Otto (Bestand)
Vorwort: I. Nachlasserwerbung und -beschreibung
Am 8. Juni 1995 verstarb Dr. Otto Schedl, der ehemalige Bayerische Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr (1957 - 1970), Bayerische Staatsminister der Finanzen (1970 - 1972) und Stellvertreter des Bayerischen Ministerpräsidenten (1969 - 1972). Am 18. August 1995 wurde zwischen der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns und Herrn Otto C. Schedl, dem Sohn Otto Schedls, der Schenkungsvertrag über den nachlass seines Vaters tzur Archivierung im Bayerischen hauptstaatsarchiv unterzeichnet.
Der Umfang des Nachlasses beträgt ca. 20 lfm (130 Stehordner und loses Schriftgut). Er enthält Material aus der gesamten Lebensspanne Schedls und reicht somit weit über seine Ministerzeit hinaus. persönliche Dokumente bzw. Unterlagen sind jedoch nur spärlich vorhanden. Auch sein privates Leben sowie seine berufliche Tätigkeit als Journalist und Landrat von Neumarkt i.d.OPf. spiegeln sich kaum in seiner schriftlichen Hinterlassenschaft wider.
Schwerpunkt des politischen Nachlasses sind eine nahezu komplette Serie der Ministerreden (Wirtschafts- und Finanzministerium), eine von 1957 bis 1970 laufende Serie von Presseausschnitten zu seiner ministeriellen Tätigkeit, Vormerkkalender (1959 - 1994) sowie mehrere Fotoalben. Hand- und Korrespondenzakten sind nur in geringerem Umfang vertreten. Inhaltlich nimmt das Material zu den Erdölfernleitungen nach Bayern (v.a. Genua - Ingolstadt) einen wichtigen Stellenwert ein. Parteischriftgut (CSU) fehlt dagegen so gut wie ganz.
Aus der vielseitigen Aufsichtsratstätigkeit Schedls, die vom Umfang her gleichgewichtig neben dem politischen Nachlass steht, lassen sich teilweise auch Erkenntnisse über seine Wirtschafts- und Verkehrspolitik gewinnnen (z.B. Energieversorgung Ostbayern AG zur Energiepolitik).
Ein dritter Schwerpunkt des Nachlasses liegt auf der publizistischen Tätigkeit Schedls. Der Nachlass enthält zahlreiche Manuskripte, Typoskripte und Publikationen (Zeitschriftenartikel, Sonderdrucke, Broschüren), die sowohl seine Ministerzeit als auch seine politische Arbeit nach 1972 ergänzend beleuchten.
II. Biographie
Otto Schedl (kath.) wurde am 10. Dezember 1912 in Sinzing bei Regensburg als Sohn des Industriearbeiters Otto Schedl sen. und dessen Ehefrau Kreszenz, geb. Kellner, geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Regensburg legte er an der dortigen Oberrealschule 1932 die Reifeprüfung ab. Von 1932 bis 1937 studierte er Philosophie, Psychologie, Kunst- und Literaturgeschichte, Zeitungskunde sowie Volkswirtschaft an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Regensburg und an den Universitäten München und Würzburg. Im Herbst 1938 schloss er sein Studium an der Universität Würzburg mit der Arbeit "Entwicklung und Aufgabe der Sudetendeutschen Partei" ab. Schedl, der in beengten Verhältnissen aufgewachsen war, finanzierte sein Studium durch eine Tätigkeit als Werkstudent. Von 1937 bis 1940 arbeitete er als Journalist beim "Regensburger Anzeiger". Anschließend wurde er zur deutschen Wehrmacht eingezogen und nahm bis 1945, zuletzt als Obergefreiter, am Zweiten Weltkrieg teil. 1941 erhielt er für einige Monate Examensurlaub und promovierte mit der Dissertation "Die Lehre von den Lebenskreisen in metaphysischer und soziologischer Sicht" an der Universität Würzburg zum Doktor der Philosophie. Kurz vor Kriegsende geriet er 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er aber nach wenigen Monaten entlassen wurde.
Schedl widmete sich nach dem Krieg dem Aufbau der Christlich-Sozialen Union in Regensburg und in der Oberpfalz, nachdem er sich zunächst der "Partei der christlich-sozialen Erneuerung", einer Vorläuferorganisation der CSU, angeschlossen hatte. Zuerst Bezirksobmann der Jungen Union in der Oberpfalz, baute er 1947/1948 als Generalsekretär der CSU eine schlagkräftige Infrasturktur der neuen Partei auf. Wegen parteiinterner Differenzen zog er sich 1948 aus dieser zentralen Funktion zurück. Im Juni 1948 wurde er zum hauptamtlichen Landrat des Landkreises Neumarkt i.d. OPf. gewählt. In diesem Amt, das er bis zum Herbst 1957 ausübte, konnte er umfassende Verwaltungserfahrungen sammeln. Bereits 1950 war er als Abgeordneter des Stimmkreises Neumarkt-Stadt- und -Land und Beilngries für die CSU in den bayerischen Landtag gewählt worden, dem er bis 1972 angehörte. Im Parlament hatte er über Jahre den Vorsitz im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr inne und war zugleich ein namhaftes Mitglied des Kulturpolitischen Ausschusses. Von 1955 bis 1972 stand Schedl als Bezirksvorsitzender an der Spitze der CSU in der Oberpfalz.
Nach dem Sturz der Viererkoalition aus SPD, FDP, Bayernpartei und Gesamtdeutschem Block/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) unter Ministerpräsident Wilhelm Hoegner berief der neue Regierungschef, Hanns Seidel (CSU), Schedl am 16. Oktober 1957 als Bayerischen Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr in sein Kabinett, das von einer Koalition aus CSU, FDP und GB/BHE getragen wurde. Schedl bemühte sich in seiner langjährigen Amtszeit als Wirtschaftsminister (1957 - 1970) darum, Bayern durch eigene Raffinerien und Ölleitungen von der Energieversorgung aus dem Ruhrgebiet unabhängig zu machen und zugleich eine Grundlage für die Entwicklung Bayerns vom Agrar- zum Industrieland zu schaffen. Der Aufbau des Erdölraffinerie-Zentrums Ingolstadt zeugt von seiner unermüdlich betriebenen Energiepolitik. Weitere Schwerpunkte seiner Tätigkeit waren die Förderung des Zonenrandgebietes, die Raumordnung, die verstärkte Unterstützung des Mittelstandes und die Förderung neuer industrieller Kerne in Ingolstadt, Hof, Bayreuth und Dinkelsbühl. Wegen der engen Verbundenheit mit seinem Amt lehnte er im September 1964 eine Berufung zum bayerischen Kultusminister als Nachfolger des zurückgetretenen Theodor Maunz ab.
Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU) ernannte Schedl in seinem dritten Kabinett, das sich auf die absolute Mehrheit der CSU im Bayerischen Landtag stützen konnte, am 8. Dezember 1970 zum Bayerischen Staatsminister der Finanzen. Bereits seit März 1969 bekleidete er nach dem Ausscheiden Alois Hundhammers auch die Position des Stellvertretenden Bayerischen Ministerpräsidenten. Nach vierzehneinhalbjähriger Tätigkeit in der bayerischen Regierung zog er sich bei einer Kabinettsumbildung am 22. Februar 1972 aus der aktiven Politik zurück. Sein Nachfolger als Bayerischer Staatsminister der Finanzen wurde der Fraktionsvorsitzende der CSU im bayerischen Landtag und frühere Kultusminister, Ludwig Huber.
Als Mitglied von Aufsichts- und Beiräten bedeutender Unternehmen (u.a. Deutsche Bundesbahn, Allianz Versicherungs-AG, Grundig AG, VIAG, OBAG) blieb Schedl weiterhin wirtschaftspolitisch aktiv. Darüberhinaus übte er eine rege politisch-publizistische Tätigkeit aus. So äußerte er sich häufig als Autor und Redner zu Fragen der Energiepolitik. Dabei unterstrich er die Notwendigkeit der Kernenergie für Deutschland. Er veröffentlichte zu dieser Problematik u.a. die Bücher "Atomkraft und kein Ende" (1980), "Programmierte Energiekrise" (1982) und "Energie für die Zukunft" (1982). Am 8. Juni 1995 verstarb Otto Schedl in München
26.4.2001
Dr. Josef Anker
- Bestandssignatur
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NL Schedl Otto Nachlass Schedl, Otto
- Umfang
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699
- Sprache der Unterlagen
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deutsch
- Kontext
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- Bestandslaufzeit
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1932-1994
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:05 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
- Akten
Entstanden
- 1932-1994