Bestand
Sammlung Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV (Erweiterte Kinder-Land-Verschickung) e.V. (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
In einem streng vertraulichen Rundschreiben vom 27. Sept. 1940 teilte
der Stabsleiter des Stellvertreters des Führers und Reichsleiter der
NSDAP, Martin Bormann, den Gauleitern der NSDAP u. a. mit:
"Der Führer hat angeordnet, daß die Jugend aus
Gebieten, die immer wieder nächtliche Luftalarme haben, auf der
Grundlage der Freiwilligkeit in die übrigen Gebiete des Reiches
geschickt wird. [...] Mit der Durchführung dieser Maßnahme hat der
Führer Reichsleiter Baldur von Schirach beauftragt, zu dessen
Unterstützung insbesondere die NSV, die Hitler-Jugend und der
NS-Lehrerbund tätig sein werden." [1]
Der
vormalige Reichsjugendführer der NSDAP und Jugendführer des Deutschen
Reiches, von Schirach, war am 7. Aug. 1940 unter Beibehaltung seines
Amtes als Reichsleiter für die Jugenderziehung der NSDAP zum
Beauftragten des Führers für die Inspektion der Hitler-Jugend und zum
Reichsstatthalter und Gauleiter des Gaues Wien der NSDAP ernannt
worden.
Im Hinblick auf die Spitzenorganisation
der Erweiterten Kinderlandverschickung in den Jahren 1940 bis 1945
lassen sich die folgenden z. T. zeitlich parallel verwendeten
Behördenfirmen unterscheiden:
1. Dienststelle
Reichsleiter von Schirach;
2. Der Beauftragte
des Führers für die Inspektion der Hitler-Jugennd und Reichsleiter für
die Jugenderziehung der NSDAP, Dienststelle
Kinderlandverschickung;
3. Der Beauftragte des
Führers für die Erweiterte Kinderlandverschickung (KLV).
Im Gesamtrahmen der Erweiterten
Kinderlandverschickung übertrug Reichsleiter von Schirach die
Evakuierung und Familienunterbringung (Familienpflegestellen) von
Müttern mit Kleinkindern und von sechs- bis zehnjährigen Kindern der
Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt e. V. (NSV), während die ihm
unterstellte Dienststelle KLV in der Reichsjugendführung der NSDAP mit
ihren regionalen und lokalen Untergliederungen die Verschickung von
zehn- bis vierzehnjährigen Mädchen und Jungen und ihre Unterbringung
in Gemeinschaftslagern, in den KLV-Hauptlagern und -Lagern,
organisierte.
Für die von der NSV unter
Mitwirkung der HJ geleiteten Transporte stellte das
Reichsverkehrsministerium Sonderzüge der Reichsbahn bereit. Die
Verpflegung der sechs- bis zehnjährigen Kinder erfolgte in den
Aufnahmefamilien, für die Verpflegung in den Lagern war die
Dienststelle KLV in der Reichsjugendführung der NSDAP zuständig. Die
gesundheitliche Betreuung in den Lagern leisteten ortsansässige Ärzte
nach Anweisungen des Reichsgesundheitsführers. Die Lagerführung
übernahmen Schulleiter, die vom Nationalsozialistischen Lehrerbund
(NSLB) dazu bestimmt wurden; ihnen wurden HJ-Führer beigegeben, die
für den HJ-Dienst in den Lagern nach Richtlinien der
Reichsjugendführung der NSDAP verantwortlich waren. Die
weltanschauliche Schulung und kulturelle Betreuung regelten die
Reichsjugendführung der NSDAP und weitere Parteieinrichtungen. Die in
Familien untergebrachten sechs- bis zehnjährigen Kinder wurden unter
staatlicher Schulaufsicht in Schulen der Aufnahmeorte, die zehn- bis
vierzehnjährigen Kinder in den Lagern schulisch unterrichtet; die
schulische Betreuung in den Lagern einschließlich der
Lehrkräftezuweisung und der Lehrstoffestlegung oblag dem NSLB. Der
Reichsschatzmeister der NSDAP leitete die ihm vom Reichsminister der
Finanzen zentral zur Verfügung gestellten Reichsmittel zur
Finanzierung der Erweiterten Kinderlandverschickung - vom 5. Okt. 1940
bis zum 26. März 1945 1,25 Milliarden RM - den beteiligten
Dienststellen und Organisationen zu. [2]
Zur
Anzahl der Teilnehmer an der Erweiterten Kinderlandverschickung im
Zeitraum von Okt. 1940 bis 1945 liegen nur ungesicherte Erkenntnisse
vor; die Schätzungen schwanken zwischen 800 000 und 5 Millionen.
[3]
Die von Gerhard Dabel, einem ehemaligen
Hauptbannführer in der Reichsjugendführung der NSDAP und Angehörigen
der Dienststelle KLV in der Reichsjugendführung der NSDAP, initiierte
Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV (Erweiterte
Kinder-Land-Verschickung) e. V., Freiburg i. Br., nachmals Bochum,
forderte in den Jahren 1976 bis 1981 mehrere hundert frühere
KLV-Funktionsträger und -Teilnehmer auf dem Wege überregionaler
Rundschreiben, Zeitungsinserate, Aufrufe etc. systematisch zur
Einsendung von Materialien über Entstehung, Organisation und
Aufgabenwahrnehmung der Erweiterten Kinderlandverschickung auf. Die
auf diese Weise gesammelten zeitgenössischen und nichtzeitgenössischen
Erlebnis- und Erinnerungsberichte, Tagebücher, Korrespondenzen,
Druckschriften, Periodika, Photos, Presseberichte u. ä. m. sind die
Ausgangsmaterialien der Publikation: KLV. Die erweiterte
Kinder-Land-Verschickung. KLV-Lager 1940 - 1945. Dokumentation über
den "Größten soziologischen Versuch aller Zeiten", zusammengestellt
und bearbeitet von Gerhard Dabel im Auftrag der
Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft KLV e. V., Freiburg i. Br. 1981
(Bundesarchiv, Dienstbibliothek, Signatur D IV d 701).
_______________________
[1]
Vorschriftenhandbuch der Hitler-Jugend (VHB.HJ), 1. Ausgabe vom 1.
Jan. 1942, Bd. IV, Gruppe 27-35. Mit einem Nachtrag bis zum 1. Sept.
1943, hrsg. von der Reichsjugendführung, Berlin o. J. (1943), S. 3113.
BArch NSD 43/3-4. S. a. die Aktennotiz des Staatssekretärs des
Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung,
Zschintzsch, vom 27. Sept. 1940. BArch R 4901/203, fol. 155.
[2] Zu den vorangehenden Ausführungen s. die
Durchführungsanweisung vom 2. Okt. 1940 und das Rundschreiben Nr. 7/40
vom 4. Nov. 1940 des Beauftragten des Führers für die Inspektion der
HJ und Reichsleiters für die Jugenderziehung der NSDAP, von Schirach,
an die Reichsjugendführung, das Hauptamt für Volkswohlfahrt, die
Reichswaltung des NSLB u. a., BArch R 2/11914, und den Vermerk des
Ministerialrats im Reichsfinanzministerium, Schmidt-Schwarzenberg, vom
23. März 1945, BArch R 2/11915.
[3] S. Jost
Hermand, Als Pimpf in Polen. Erweiterte Kinderlandverschickung 1940 -
1945, Frankfurt/M. 1993, S. 9 und 135, Anm. 4.
Bearbeitungshinweis:
Amtsdruckschriften, Photos und Tonträger wurden bei der Ordnung und
Verzeichnung des Bestandes ZSg. 140 ausgesondert und den Beständen der
Sammlung amtlicher Druckschriften im Bundesarchiv bzw. der für die
Bild- und die Tonträgerarchivierung zuständigen Organisationseinheit
des Bundesarchivs zugeführt.
Bestandsbeschreibung: Das
Schriftgut der Reichsjugendführung der NSDAP ist während des Krieges
nahezu ausnahmslos vernichtet worden. Im Gegensatz zu einigen
amtlichen Druckschriften, die Aufschluß zur Organisation und zur
Durchführung der Erweiterten Kinderlandverschickung geben, sind Akten
der Spitzenorganisation der Erweiterten Kinderlandverschickung und der
Dienststelle KLV in der Reichsjugendführung der NSDAP nicht ins
Bundesarchiv gelangt; nur fragmentarischen Charakter haben
einschlägige Unterlagen der Bundesarchiv-Bestände Hitler-Jugend
(Bestandssignatur NS 28), Hauptamt für Volkswohlfahrt der
NSDAP/Reichswaltung der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt e. V.
(NS 37), Hauptamt für Erzieher/Reichswaltung des
Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NS 12), Reichsministerium für
Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (R 4901),
Reichsfinanzministerium (R 2), Reichsschatzmeister der NSDAP (NS 1),
Partei-Kanzlei der NSDAP (NS 6), und Deutscher Gemeindetag (R
36).
Angesichts dieser Überlieferungslage
erwarb das Bundesarchiv im Juni 1980 sämtliche von der
Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV (Erweiterte
Kinder-Land-Verschickung) e. V. zusammengetragene Materialien, die -
im Anschluß an die Buchveröffentlichung - im Zeitraum von 1981 bis
1990 an das Bundesarchiv abgegeben wurden und hier im Bestand Sammlung
Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV (Erweiterte
Kinder-Land-Verschickung) e. V. (ZSg. 140) formiert sind.
Inhaltliche Charakterisierung:
Neben den zur Vorbereitung der Publikation verwerteten Unterlagen
enthält der Bestand auch die Arbeitsunterlagen und Erschließungsmittel
der Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV
(Erweiterte Kinder-Land-Verschickung) e. V.: die Korrespondenz, die
Namenskartei zu den ausgewerteten Einsendungen, die Einsenderkartei,
das Manuskript und die Korrekturabzüge der Publikation wie auch
Satzungen, Protokolle, Rundbriefe und Mitteilungen des
Vereins.
Erschließungszustand: Findbuch
(1995)
Zitierweise: BArch ZSG
140/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch ZSG 140
- Umfang
-
142 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Nachlässe und Sammlungen >> Sammlungen >> Sonstige Sammlungen
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Literatur: Schindler, Hermann. Erinnerungen an die Kinderlandverschickung in Karlsbad (Karlovy Vary) 1944/1945. Bibliothek SAPMO Sign. 14 A 1228
- Provenienz
-
Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis Kinderlandverschickung e.V. (Arbeitsgemeinschaft KLV), 1940-2009
- Bestandslaufzeit
-
1940-2008
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis Kinderlandverschickung e.V. (Arbeitsgemeinschaft KLV), 1940-2009
Entstanden
- 1940-2008
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