Archivalie

Lieber Herr Borst! Für diesen Tag winterhelfender Solidarität...

Transkription: Eichberg Post Bühl Amt Waldshut den 11.12.35 Lieber Herr Borst ! Für diesen Tag winterhelfender Solidarität danke ich Ihnen herzlich! Welch ein Glück,daß es noch Menschen gibt wie Sie und an Unsereinen denkt,der jenseits der Sammelbüchsen wohnt. Von Tannenbaum hörte ich von der Wahrscheinlichkeit der Verkäufe, aber der Händler verrät ja meist nicht den Käufer. Valentien ist leider verstimmt darüber,daß Sie bei Tannenbaum kauften und billiger als als ihm die Blätter bisher zur Verfügung ständen.Das tut mir leid,aber als Valentien mir eines Tages schrieb,daß er die Lust verloren habe,sich mit moderner Kunst mißliebig zu machen und sich künftig auf alte Kunst und Ostasien verlege,da holte ich mir die meisten meiner Sachen ab,nicht zuletzt auch,um sie einer Revision zu unterziehen; da kann es sein,daß ich auch z.T. die Preise revidierte und sie noch weiter heruntersetzte. Dann schickte ich Bilder und Blätter eben dahin,wohin sie verlangtwurden,so auch an Tannenbaum,der schon lang darum gebeten hatte.Auch übrigens Vömel in Düsseldorf,der die Mappe von Tannenbaum bekommen sollte.-Das sind nun meist frühere Arbeiten.Die neuen,meist 50:65-große Oelmalereien auf Oelpapier, hüte ich zunächst noch,weil ich eine schöne,große Mappe,die mri mein Stuttgarter Bruder gestiftet hat, damit füllen möchte,um sie zuerst einmal in Berlin zu zeigen.Denn ich habe den Eindruck,daß es doch und noch immer sehr wichtig ist, sich in der Reichshauptstadt zu zeigen,von wo dann die Direktiven für die Provinz ausgehen.-Wo glauben Sie übrigens,daß man da am besten in Erscheinung träte ? Nierendorf,der mich bisher recht und schlecht vertrat,Möller,vonderHeydt,Buchholz ?-ich möchte jedoch diese neueren Arbeiten noch eine Weile um mich haben,auf die Gefahr hin,Verkaufschancen zu verpassen wie z.B. jetzt zu Weihnachten.Durch Ihre tatkräftige Hilfe bin ich ja nun aber dieser Sorge zunächst einmal enthoben.- Uebrigens scheint Valentien neuen Auftrieb bekommen zu haben,denn er berichtet von seinen Ausstellungsplänen,die wieder Mut zeigen. Ihr kunstpolitischer Reisebericht ist interessant und erfreulich. Aehnlich äußerte sich kürzlich Dr.Kaesbach,mit dem wir uns in Schaff hausen trafen,allerdings untermischt mit Negativem;so meinte er, Hanfstaengel sei gefährdet und als offizielle Kunst bleibe die moderne geächtet. Wie erklären Sie sich nun diesen Hunger nach verpönter Kunst ? Ist es bereits Hunger,so wäre das ein erfreuliches Zeichen.Ist es Protest gegen die Niederhaltung lebendiger Kräfte oder wie Jemand meinte,Flucht in die Sachwerte ? Uns Künstler braucht das ja nicht zu kümmern; unsere Sache kann nur sein,zu arbeiten,getreu dem Wahlspruch des Wilhelm von Oranien,den Sauerlandt in seinem Buch zitiert:"Man muß das Werk beginnen ohne Hoffnung auf Erfolg,und durchhalten,auch wenn das Gelingen ausbleibt". (Wollen Sie übrigens diesen Spruch nicht zu den Zitaten in Ihrer Sammlung tun? Er scheint mir es wert zu sein). An Dr.Hanfstaengl wollte ich längst schon einmal wenden und ihn darüber befragen,warum ich nicht hänge. Wenn schon heute auf Deutschtum wert gelegt wird, so erhebe ich Anspruch darauf. Weder mein Bild in Berlin,noch das im Folkwangmuseum "französeln",allenfalls könnte man von ihnen sagen,daß sie " italienern",was ich ins Schlepptau der Franzosen (und Spanier muß man ja sagen) zu geraten und da hat,wie ich glaube; Otto Meyer-Amden doch einen Weg gezeigt. Aber Einfluß hin,Einfluß her, wenn nur das Eigenste dabei nicht flöten geht. Mit Graf Baudissin kam ich vor etwa einem Jahr wegen meiner magazinierten Wandbilder in einen längeren Briefwechsel,den ich dann aber abbrach,weil sich die Mißverständnisse bergehoch häuften. Daß Baumeister nicht gehängt wird,ist eher zu begreifen,weil die Anhaltspunkte aus der sichtbaren Welt fehlen oder gemeinhin nicht erkenntlich sind. Im übrigen Europa marschiere aber die abstrakte Kunst,wie uns Kandinsky aus Paris gestern berichtete,der ja dort im Brennpunkt der Interessen und ihrer Vertreter sitzt. Gerade gester

Sammlung
Archiv Oskar Schlemmer
Inventarnummer
AOS 2016/2415
Material/Technik
Papier; maschinenschriftlich

Ereignis
Herstellung
(wer)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Hugo Borst (30.01.1881 - 20.10.1967)
Provenienz
Abschrift vorhanden; Ordner 1934-1943

Rechteinformation
Staatsgalerie Stuttgart
Letzte Aktualisierung
28.03.2025, 12:10 MEZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Staatsgalerie Stuttgart. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Archivalie

Beteiligte

Ähnliche Objekte (12)